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VwGH 13.12.2022, Ro 2022/16/0004

VwGH 13.12.2022, Ro 2022/16/0004

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BAG 1969
FamLAG 1967 §5 Abs1 litb
RS 1
Mit Erkenntnis vom , G 98/94, hat der VfGH das Wort "gesetzlich" in § 5 Abs. 1 lit. b FamLAG 1967 als verfassungswidrig aufgehoben. Wie den Ausführungen des VfGH deutlich entnehmbar ist, führt der Entfall des Wortes "gesetzlich" nicht dazu, dass nunmehr sämtliche durch generelle Normen geregelten Ausbildungsverhältnisse als "anerkannte Lehrverhältnisse" iSd. § 5 Abs. 1 lit. b FamLAG 1967 anzusehen sind, sondern nur solche, die einer Ausbildung in gesetzlich geregelten Lehrberufen - insbesondere jenen im BAG 1969 - vergleichbar sind. Darunter fallen somit nur durch generelle Normen - zu denen insbesondere auch Kollektivverträge gehören (vgl. ) - als Ausbildung in einem Lehrberuf anerkannte Lehrverhältnisse (vgl. dazu auch , mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der C F in W, vertreten durch die Stögerer Preisinger Rechtsanwälte OG in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 76/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7103880/2020, betreffend Familienbeihilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Revisionswerberin auf (Weiter-)Gewährung von Familienbeihilfe für ihren 1999 geborenen Sohn für den Zeitraum ab November 2019 ab.

2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab, weil die vom Sohn der Revisionswerberin absolvierte Polizeigrundausbildung keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG darstelle. Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

4 Das Bundesfinanzgericht führte nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, die Revisionswerberin habe von Jänner bis Oktober 2019 für ihren Sohn Familienbeihilfe bezogen und Anfang November 2019 einen Antrag auf Fortbezug der Familienbeihilfe gestellt.

5 Der Sohn der Revisionswerberin habe aufgrund eines auf 24 Monate befristeten Sondervertrages gemäß § 36 VBG 1948 ab Mai 2019 bis inklusive April 2021 die exekutivdienstliche Grundausbildung absolviert. Die Dienstprüfung habe er Ende Dezember 2020 abgelegt. Während der Grundausbildung habe der Sohn einen monatlichen Ausbildungsbeitrag - in näher angeführter Höhe - bezogen.

6 Der Sohn der Revisionswerberin habe im Jahr 2019 ein Einkommen (gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988) in Höhe von 11.302,04 € und im Jahr 2020 ein Einkommen in Höhe von 19.192,83 € erzielt.

7 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht - unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - aus, der Sohn der Revisionswerberin habe sich während der „Basisausbildung“ im Jahr 2019 in einer Ausbildung befunden, die grundsätzlich einen Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelt habe. Er habe im Jahr 2019 unstrittig einen den Betrag von 10.000 € übersteigenden Bezug erhalten, womit gemäß § 5 Abs. 1 FLAG eine Anrechnung des übersteigenden Betrags auf die gebührende Familienbeihilfe zu erfolgen habe. Aufgrund der vollständigen Auszahlung der Familienbeihilfe für die Monate Jänner bis Oktober 2019 sei es bereits zu einem Überbezug gekommen. Ein Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe für die Monate November und Dezember 2019 sei daher nur gegeben, wenn die erhaltenen Bezüge als Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis anzusehen seien.

8 Die von der Grundregel des § 5 Abs. 1 FLAG, wonach eine Verringerung der gebührenden Familienbeihilfe um den 10.000,00 € übersteigenden Betrag des Einkommens gemäß § 33 EStG 1988 stattzufinden habe, bestehenden Ausnahmen seien einschränkend zu interpretieren.

9 Lehrverhältnisse seien im Berufsausbildungsgesetz geregelt, in welchem bis März 2020 auch der Begriff „Lehrlingsentschädigung“ verwendet worden sei und nunmehr der Begriff „Lehrlingseinkommen“ verwendet werde.

10 Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes () sei nicht schlechthin jedes Ausbildungsverhältnis, in dessen Rahmen ein Entgelt vereinbart werde, als Lehre anzusehen. Der Verfassungsgerichtshof habe vielmehr in einem konkreten Fall aufgrund der Säumigkeit des Verordnungsgebers, ein an sich mögliches Lehrverhältnis anzuerkennen, eine Anpassung des Gesetzeswortlautes vorgenommen.

11 Der Verfassungsgerichtshof habe zudem darauf verwiesen, dass nach der im damaligen Beschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahme des zuständigen Bundesministers das betreffende Ausbildungsverhältnis „Vermessungshilfstechniker“ insgesamt und besonders auch unter dem Gesichtspunkt der Entgelthöhe einer Ausbildung in einem gesetzlichen Lehrberuf gleichzuhalten sei.

12 Diesem Erkenntnis könne nicht entnommen werden, dass sonstige Ausbildungsverhältnisse auch dann als Lehrberuf anzusehen seien, wenn diese weder als Lehrberufe definiert seien noch als Lehrberufe anerkannt werden könnten, weil sie nicht dem Berufsausbildungsgesetz unterlägen und die daraus erzielten Bezüge nicht als „Lehrlingsentschädigung“ zu interpretieren seien.

13 Die Ähnlichkeiten der Polizeigrundausbildung mit einem Lehrverhältnis, etwa das Vorliegen eines „dualen Systems“, seien nicht ausreichend, um das Gehalt der Bundesbediensteten in Grundausbildung mit einer Lehrlingsentschädigung gleichzusetzen.

14 Lehrlinge könnten nach Abschluss der Pflichtschule oder sogar ohne Pflichtschulabschluss aufgenommen werden und erhielten üblicherweise im ersten Lehrjahr eine vergleichsweise niedrige Lehrlingsentschädigung. Der Großteil der Ausbildung finde im Betrieb statt, die ergänzende Ausbildung in der Berufsschule nehme einen vergleichsweise geringeren Anteil der Ausbildungszeit ein, während das erste Jahr der exekutivdienstlichen Grundausbildung ausschließlich im Bildungszentrum erfolge.

15 Die Grundausbildung der Finanzverwaltung, die einen Umlauf in den verschiedenen Abteilungen eines Finanzamtes mit verschränkter theoretischer Ausbildung vorgesehen habe und damit einer Lehre ähnlicher gewesen sei als die gegenständliche Ausbildung, sei vom Verwaltungsgerichtshof als Berufsausübung eingestuft worden, wodurch es bei Bundesbediensteten je nach Ausgestaltung der Grundausbildung zu einer unterschiedlichen Behandlung hinsichtlich der Gewährung der Familienbeihilfe komme.

16 Gemäß § 18 Abs. 1 Berufsausbildungsgesetz sei der Lehrberechtigte verpflichtet, den Lehrling, dessen Lehrverhältnis mit ihm gemäß § 14 Abs. 1 oder § 14 Abs. 2 lit. e leg. cit. ende, im Betrieb drei Monate im erlernten Beruf weiter zu beschäftigen.

17 Durch die Polizeigrundausbildung komme es nicht zu einer Ausbildung für ein Gewerbe oder zu einem Beruf, der in der Wirtschaft nachgefragt werde, Ziel sei vielmehr - bei Eignung der Auszubildenden und Bestehen der Dienstprüfung - die Übernahme in den Polizeidienst.

18 Eine hinreichende Ähnlichkeit zwischen der Grundausbildung von Bundesbediensteten und einer Lehre sei daher nicht gegeben.

19 Es bestehe daher aufgrund des Überbezugs kein Familienbeihilfeanspruch mehr.

20 Das Bundesfinanzgericht erklärte die Revision für zulässig, weil in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht ausdrücklich entschieden worden sei, ob das von Polizeischülern bezogene Entgelt unter § 5 Abs. 1 lit. b FLAG falle.

21 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

22 Das Finanzamt hat von einer Revisionsbeantwortung Abstand genommen.

23 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

24 Die Revision erweist sich im Ergebnis als zulässig, jedoch aus folgenden Gründen als nicht berechtigt.

25 Gemäß § 5 Abs. 1 FLAG verringert sich der Familienbeihilfeanspruch wenn das - diesen Anspruch vermittelnde - Kind nach Vollendung des 19. Lebensjahres in einem Kalenderjahr ein den Betrag von 15.000 € (im Kalenderjahr 2019 lag dieser Betrag noch bei 10.000 €) übersteigendes (zu versteuerndes) Einkommen gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 erzielt. Bei der Ermittlung des (zu versteuernden) Einkommens bleiben gemäß § 5 Abs. 1 lit. b FLAG „Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis“ außer Betracht.

26 Der Grundsatz, wonach Lehrlingsentschädigungen im Rahmen der vom Kind erzielten Einkünfte keine Berücksichtigung finden und damit den Anspruch auf gesetzlich gewährte Geldbeihilfen nicht auszuschließen vermögen, geht schon auf das Ernährungsbeihilfengesetz, BGBl. Nr. 217/1948, mit dem Ernährungs(geld-)beihilfen für Kinder gewährt wurden, zurück (vgl. § 2 Abs. 2 Ernährungsbeihilfengesetz, wonach die Ernährungsbeihilfe für ein Kind nur dann gewährt wurde, wenn das Kind nicht selbst Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, „ausgenommen Lehrlingsentschädigung“, bezogen hat). Auch das Kinderbeihilfengesetz, BGBl. Nr. 31/1950, mit dem das Ernährungsbeihilfengesetz ersetzt wurde (vgl. ErlRV 45 BlgNR 6. GP 4), sah unverändert eine - den Anspruch auf Geldbeihilfe (Kinderbeihilfe) ausschließende - Berücksichtigung der vom Kind selbst erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, „ausgenommen Lehrlingsentschädigung“, vor (vgl. § 1 Abs. 3 Kinderbeihilfengesetz).

27 Mit der Einführung des Familienlastenausgleichsgesetzes, BGBl. Nr. 18/1955, wurde dieser Grundsatz beibehalten, indem bei der Ermittlung der vom Kind erzielten Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 EStG 1953 (siehe dazu auch den Bericht und Antrag des Finanz- und Budgetausschusses, 419 BlgNR 7. GP 4) - die ab einer Höhe von 500 Schilling monatlich den Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen haben - Lehrlingsentschädigungen „ausgenommen“ wurden (vgl. § 3 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz, BGBl. Nr. 18/1955).

28 Im Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl. Nr. 376/1967, wurde erstmalig auf „Entschädigungen aus einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis“ abgestellt, die, ebenso wie steuerfreie Einkünfte, bei der Ermittlung der - ursprünglich ab einer Höhe von 1.000 Schilling monatlich den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließenden - vom Kind selbst erzielten Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 EStG 1967, außer Betracht zu bleiben hatten (vgl. § 5 Abs. 1 erster Satz sowie Abs. 3 FLAG in der Stammfassung BGBl. Nr. 376/1967).

Dazu ist anzumerken, dass in der Regierungsvorlage zum FLAG ein Wegfall der - bis dahin im Kinderbeihilfengesetz, BGBl. Nr. 31/1950 und Familienlastenausgleichsgesetz, BGBl. Nr. 18/1955, vorgesehenen - generellen Ausnahme, wonach Lehrlingsentschädigungen unabhängig von ihrer Höhe einem Beihilfeanspruch nicht entgegenstanden, „aus Gleichheitsgründen“ vorgesehen war (vgl. ErlRV 549 BlgNR 11. GP 13). Aufgrund eines im Finanz- und Budgetausschuss erstatteten Abänderungsvorschlags wurde diese „in der Regierungsvorlage vorgesehene Verschlechterung der geltenden Rechtsvorschriften“ nicht umgesetzt (vgl. Bericht des Finanz- und Budgetausschusses, 611 BlgNR 11GP 8; vgl. dazu ).

29 Mit BGBl. Nr. 385/1973 wurde § 5 Abs. 1 FLAG neu gefasst und die Ausnahme für „Entschädigungen aus einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis“ in die neu eingefügte lit. b übernommen.

30 Zur Frage, welche Tätigkeiten als gesetzlich anerkannte Lehrverhältnisse im Sinne des FLAG anzusehen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach Stellung genommen. Nach dieser Rechtsprechung waren von der genannten Ausnahmebestimmung nur gesetzlich anerkannte Lehrverhältnisse erfasst, nicht jedoch Ausbildungsverhältnisse, die gesetzlich nicht als Lehrverhältnis anerkannt waren (vgl.  697/69, zu einer - im Jahr 1968 - im Ausland absolvierten Lehre). Insbesondere ausschließlich kollektivvertraglich geregelte, aber nicht unter das Berufsausbildungsgesetz (BAG), BGBl. Nr. 142/1969, fallende Ausbildungsverhältnisse wurden nicht als gesetzlich anerkannte Lehrverhältnisse angesehen (vgl. , VwSlg. 5033/F, zu einer kollektivvertraglich geregelten Ausbildung zum technischen Zeichner bei einem Ziviltechniker). Auch die - der Beschäftigung des Sohnes der Revisionswerberin im vorliegenden Revisionsfall dem Grunde nach nicht unähnliche - aufgrund eines Sondervertrages gemäß § 36 Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG), BGBl. Nr. 86/1948, idF. BGBl. Nr. 110/1966, ausgeübte Tätigkeit als „Polizeipraktikant“ wurde als ein sonstiges, nicht gesetzlich anerkanntes Ausbildungsverhältnis angesehen (vgl. ).

31 Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof die aufgrund des Steiermärkischen Jagdgesetzes 1954, LGBl. Nr. 58/1954 (vgl. nunmehr § 46 lit. d Steiermärkisches Jagdgesetz 1986, LGBl. Nr. 23/1986), durch die Steirische Landesjägerschaft erlassene Berufsjäger-Ausbildungsordnung für die Steiermark als gesetzlich geregelte Grundlage der Berufsjägerlehrlingsausbildung eingestuft (vgl. ). Da nach den damaligen Bestimmungen des Steiermärkischen Gesetzes über die Prüfung für das hauptberufliche Jagdschutzpersonal, LGBl. Nr. 35/1954 (vgl. nunmehr § 2 Z 4 des wiederverlautbarten Steiermärkischen Berufsjägerprüfungsgesetzes [BJPG], LGBl. Nr. 17/1998), zur Ablegung der Berufsjägerprüfung nur Kandidaten zugelassen werden durften, die die Berufsjägerlehrlingsausbildung entsprechend der erlassenen Berufsjäger-Ausbildungsordnung abgeschlossen haben, sei dies als Anerkennung der Berufsjägerlehrlingsausbildung als Lehrverhältnis anzusehen (zur Rechtslage vor Einführung der Regelung über die Erlassung einer Berufsjäger-Ausbildungsordnung in das Steiermärkische Jagdgesetz 1954 siehe hingegen , mwN).

32 Zusammenfassend hat der Verwaltungsgerichtshof nur ein nach den einschlägigen Rechtsvorschriften als Berufsausbildung anerkanntes Lehrverhältnis als gesetzliches Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG angesehen (vgl. erneut , mwN). Darunter fallen insbesondere die im BAG (siehe die dazu ergangene Lehrberufslisteverordnung, BGBl. II Nr. 41/2020) und die im Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, BGBl. Nr. 280/1980, geregelten Lehrverhältnisse.

33 Mit Erkenntnis vom , G 98/94, hat der Verfassungsgerichtshof das Wort „gesetzlich“ in § 5 Abs. 1 lit. b FLAG als verfassungswidrig aufgehoben. Grund für die Aufhebung war die - trotz Verstreichen der für die Entwicklung des Berufsausbildungsrechtes zur Verfügung stehende Zeit (siehe zur stufenweisen Entwicklung des Berufsausbildungswesens , VfSlg. 8605/1979) - unterlassene gesetzliche Anerkennung wesentlicher Ausbildungsverhältnisse mangels Aufnahme in die Liste der Lehrberufe, obwohl diese in einer den Lehrberufen gleichzuhaltenden Form auf kollektivvertraglicher Grundlage bestehen. Diese unvollständige Erfassung der bestehenden Lehrverhältnisse bewirke auch die Verfassungswidrigkeit des daran anknüpfenden Familienlastenausgleichsrechts.

34 Eine strenge Beschränkung der gewährten Förderungsleistungen auf „gesetzlich“ anerkannte Arbeitsverhältnisse lasse sich nicht mehr rechtfertigen, wenn es gleichwertige Ausbildungsverhältnisse gebe, auf deren Regelung der Gesetzgeber (in Verbindung mit dem Verordnungsgeber) nur verzichtet, weil die (betroffene) Berufsgruppe auf der Grundlage kollektivvertragsrechtlicher Regelungen oder privatautonomer Gestaltung ohnedies einen unter dem Gesichtspunkt des Förderungszweckes gleichwertigen Ausbildungsgang eingerichtet habe. Es sei dann auch auf solche Ausbildungsverhältnisse Bedacht zu nehmen.

35 Einer Anerkennung kollektivvertraglich geregelter Ausbildungsverhältnisse stehe nur das Wort „gesetzlich“ im Wege, denn das Kollektivvertragsgesetz enthalte keine als Anerkennung von Ausbildungsverhältnissen deutbaren Regelungen. Solche enthalte vielmehr nur das der Ausführung durch Verordnungen bedürftige Berufsausbildungsgesetz (und weitere ähnliche Gesetze). Andererseits könne unter einem anerkannten Ausbildungsverhältnis dem Gesetzeszweck entsprechend nicht jedes privatrechtlich zulässige, sondern nur ein durch generelle Normen geregeltes verstanden werden (siehe dazu auch , zur Verfassungswidrigkeit der Einschränkung der Lehrlingsfreifahrt auf „gesetzlich“ anerkannte Lehrverhältnisse).

36 Wie diesen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes deutlich entnehmbar ist, führt der Entfall des Wortes „gesetzlich“ nicht dazu, dass nunmehr sämtliche durch generelle Normen geregelten Ausbildungsverhältnisse als „anerkannte Lehrverhältnisse“ iSd. § 5 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen sind, sondern nur solche, die einer Ausbildung in gesetzlich geregelten Lehrberufen - insbesondere jenen im BAG - vergleichbar sind. Darunter fallen somit nur durch generelle Normen - zu denen insbesondere auch Kollektivverträge gehören (vgl. nochmals ) - als Ausbildung in einem Lehrberuf anerkannte Lehrverhältnisse (vgl. dazu auch , mwN).

37 Das Bundesfinanzgericht ist im angefochtenen Erkenntnis mit näherer Begründung zum Ergebnis gelangt, die Polizeigrundausbildung - die zwar durch generelle Normen, und zwar durch die Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI, BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt ist - sei, nicht zuletzt im Hinblick auf das Gehalt der Auszubildenden, mit einer Lehre - in einem Lehrberuf - nicht vergleichbar. Dieser Beurteilung - gegen die sich die Revision nicht wendet, sondern dazu lediglich vorbringt, bei der Polizeigrundausbildung handle es sich nicht um eine Berufsausübung - ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten.

38 Wird somit die vom Sohn der Revisionswerberin absolvierte Polizeigrundausbildung nicht als „anerkanntes Lehrverhältnis“ iSd. § 5 Abs. 1 lit. b FLAG angesehen, sind die aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte gemäß § 5 Abs. 1 FLAG bei der Ermittlung des Einkommens gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 zu berücksichtigen und verringern mit dem im Kalenderjahr 2019 noch 10.000 € und danach 15.000 € übersteigenden Betrag den Anspruch auf Familienbeihilfe.

39 Die Revision erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Wien, am

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Normen
BAG 1969
FamLAG 1967 §5 Abs1 litb
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022160004.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-46738