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VwGH 23.03.2023, Ro 2022/16/0001

VwGH 23.03.2023, Ro 2022/16/0001

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich, in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7100958/2021, betreffend Eingabengebühr gemäß § 24a Z 1 VwGG (mitbeteiligte Partei: T H, in W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Erkenntnis vom wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien vom , in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom , mit dem festgestellt worden war, dass der Mitbeteiligte den Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen näher bezeichneten Zeitraum verloren habe, ab, bestätigte die Beschwerdevorentscheidung und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

2 Am langte beim BVwG die an den Mitbeteiligten ergangene Ausfertigung des Erkenntnisses des BVwG vom ein, versehen mit verschiedenen handschriftlichen Anmerkungen des Mitbeteiligten.

3 Das BVwG legte diese Ausfertigung des Erkenntnisses des BVwG vom als Revision des Mitbeteiligten unter Anschluss der Akten dem Verwaltungsgerichtshof vor.

4 Der Verwaltungsgerichtshof erteilte dem Mitbeteiligten einen Mängelbehebungsauftrag und trug ihm ua. auf, die Revision binnen einer zweiwöchigen Frist durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen.

5 Da der Mitbeteiligte dem Mängelbehebungsauftrag innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist nicht nachkam, stellte der Verwaltungsgerichtshof das zu Ra 2020/08/0114 protokollierte Verfahren mit Beschluss vom ein.

6 Mit amtlichem Befund vom teilte der Präsident des BVwG dem damaligen Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (im Folgenden: Finanzamt) gemäß § 34 Abs. 1 GebG 1957 iVm § 24a Z 7 VwGG mit, dass vom Mitbeteiligten kein Nachweis über die ordnungsgemäße Entrichtung der Gebühr gemäß § 24a Z 4 VwGG vorgelegt worden sei.

7 Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt die Gebühr zur eingebrachten Revision des Mitbeteiligten iHv 240 € und eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG 1957 iHv 120 € fest.

8 Der gegen die Bescheide vom erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Bundesfinanzgericht (BFG) mit dem angefochtenen Erkenntnis statt, hob die angefochtenen Bescheide ersatzlos auf und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.

9 Über den Verfahrensgang hinaus stellte das BFG fest, der Mitbeteiligte habe kein „offizielles“ Rechtsmittel gegen das Erkenntnis des BVwG vom erhoben, weil er der Rechtsmittelbelehrung entnommen habe, dass für eine Revision Anwaltspflicht bestehe und dies 240 € koste. In der rechtlichen Begründung führte das BFG aus, es sei dem Inhalt der gegenständlichen Eingabe des Mitbeteiligten keineswegs eindeutig zu entnehmen, dass er eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof habe erheben wollen. Es kämen in der Eingabe weder die Worte „Revision“ noch „Verwaltungsgerichtshof“ vor, noch sei erkennbar, worauf diese abziele. Die Eingabe enthalte kein bestimmtes Begehren und es bleibe unklar, ob sie darauf abziele, dass eine - nochmalige - Überprüfung der Entscheidung vorgenommen werden solle, oder ob der Mitbeteiligte bloß seinen Unmut über den Ausgang des Verfahrens vor dem BVwG zum Ausdruck habe bringen wollen. Die vom Mitbeteiligten gewählte Form der handschriftlichen Kommentare auf der Entscheidung des BVwG sowie die vom Mitbeteiligten vorgebrachten Argumente, wonach er keine „offizielle“ Beschwerde habe erheben wollen, würden für letztere Deutung sprechen. Form und Inhalt der Eingabe in Zusammenschau mit den nachträglichen Erläuterungen würden gegen eine gebührenrechtliche Beurteilung der Eingabe als Revision sprechen. Für eine gebührenrechtliche Beurteilung der Eingabe als Revision würde sprechen, dass sowohl das BVwG, als auch der Verwaltungsgerichtshof die Eingabe als Revision gewertet hätten.

10 Die Zulassung der Revision begründete das BFG mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob für die gebührenrechtliche Beurteilung einer Eingabe als Revision iSd § 24a VwGG eine Bindung an die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in jener Angelegenheit, in der die Eingabe beim Verwaltungsgericht eingebracht und in der sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt worden sei, bestehe.

11 Die dagegen erhobene Revision des Finanzamtes legte das BFG dem Verwaltungsgerichtshof unter Anschluss der Akten vor.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

15 Das revisionswerbende Finanzamt bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die Frage, ob die Beurteilung der Eingabe als Revision durch den Verwaltungsgerichtshof Bindungswirkung für das Abgabenverfahren entfalte, sei bereits vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2006/16/0048, beantwortet worden. Es liege aber eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da das Erkenntnis des BFG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.

16 Soweit das BFG die Zulässigkeit der Revision mit dem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage begründet, ob für die gebührenrechtliche Beurteilung einer Eingabe als Revision iSd § 24a VwGG eine Bindung an die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, ob eine Eingabe als Revision gewertet werde, bestehe, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof sich bereits mit Erkenntnis vom , 2006/16/0048, mit dieser Frage auseinandergesetzt hat. Entgegen den Ausführungen des BFG kann die Zulässigkeit der Revision daher nicht mit dem Fehlen von Rechtsprechung begründet werden.

17 Entgegen den Ausführungen des revisionswerbenden Finanzamts ist der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom , 2006/16/0048, jedoch nicht von einer formalen Bindung an die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, ob eine Eingabe als Beschwerde (nunmehr Revision) zu werten sei, ausgegangen. Die Revisionswerberin zeigt mit ihrem Vorbringen ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes somit nicht auf.

18 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. So wirft etwa eine vertretbare Auslegung eines Schriftstückes oder einer Parteierklärung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall würde nur dann zu einer grundsätzlichen Rechtsfrage führen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. etwa ; zur Auslegung des Inhaltes einer Beschwerde , jeweils mwN).

19 Dass das BFG mit seiner Auslegung, die Eingabe des Mitbeteiligten sei für die Zwecke der Gebührenbemessung nicht als Revision zu werten, eine solche krasse Fehlbeurteilung vorgenommen hätte, behauptet das revisionswerbende Finanzamt nicht.

20 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §24a
VwGG §34 Abs1
VwRallg
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022160001.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-46735