VwGH 07.02.2023, Ro 2022/15/0030
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | EURallg UStG 1994 §16 Abs3 Z3 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art185 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art90 62016CJ0396 T - 2 VORAB |
RS 1 | Während Art. 90 der MwSt-RL das Recht eines Lieferers regelt, seine Steuerbemessungsgrundlage zu vermindern, wenn er nach der Bewirkung eines Umsatzes die vorgesehene Gegenleistung nicht oder nur teilweise erhält, betrifft ihr Art. 185 die Berichtigung der von der anderen Partei desselben Umsatzes ursprünglich vorgenommenen Abzüge. Daher stellen diese beiden Artikel die beiden Seiten desselben wirtschaftlichen Vorgangs dar und sind kohärent auszulegen (vgl. T-2, C-396/16, Rn. 35). |
Normen | EURallg UStG 1994 §16 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art184 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art185 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art186 62018CJ0684 World Comm Trading Gfz SRL VORAB |
RS 2 | Die Art. 184 bis 186 der MwSt-RL legen die Voraussetzungen fest, unter denen die Steuerverwaltung eine Berichtigung durch einen Steuerpflichtigen verlangen kann. Der in diesen Artikeln vorgesehene Berichtigungsmechanismus ist Bestandteil der mit dieser Richtlinie eingeführten Vorsteuerabzugsregelung. Er soll die Genauigkeit der Vorsteuerabzüge in der Weise erhöhen, dass die Neutralität der Mehrwertsteuer gewährleistet wird (vgl. World Comm Trading Gfz, C-684/18, Rn. 31, mwN). |
Normen | EURallg UStG 1994 §16 Abs3 Z3 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art185 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art90 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art90 Abs1 62016CJ0404 Lombard Ingatlan Lizing VORAB |
RS 3 | Die Bestimmung des Art. 90 Abs. 1 MwSt-RL erfasst nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Vorschrift sowohl die Fälle der rückwirkenden Auflösung (ex tunc) als auch die Fälle der Auflösung mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) (vgl. Lombard Ingatlan Lízing Zrt., C-404/16, Rn. 23ff, 31). Eine Berichtigung der Umsatzsteuer nach Art. 90 Abs. 1 MwSt-RL hat daher auch dann zu erfolgen, wenn ein Teil der Leistung erbracht und verrechnet wird und aufgrund der Auflösung des Vertrags ex nunc der übrige Teil der Leistung unterbleibt oder rückgängig gemacht wird und sich die Bemessungsgrundlage daher insgesamt vermindert. Im Hinblick auf die gebotene kohärente Auslegung der Art. 90 und 185 der MwSt-RL, spielt es daher auch für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs keine Rolle, ob die Rückgängigmachung einer Lieferung zivilrechtlich ex nunc oder ex tunc erfolgt. |
Normen | EURallg UStG 1994 §16 Abs3 Z3 UStG 1994 §3 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art185 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art90 |
RS 4 | Von der Rückgängigmachung ist die Rücklieferung zu unterscheiden. Bei letzterer wird der Gegenstand der ursprünglichen Lieferung in einem zweiten Vorgang mit selbständigem wirtschaftlichen Gehalt, ohne inneren Zusammenhang zur ursprünglichen Lieferung dem Lieferanten rückübertragen. |
Norm | |
RS 5 | Übergabsarten, die zivilrechtlich zum Erwerb des Eigentums und Besitzes ausreichen, sind auch umsatzsteuerlich zur Verschaffung der Verfügungsmacht ausreichend (vgl. , mwN). |
Normen | |
RS 6 | Es entspricht der ständigen - neueren - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt. Die Steuerverwaltung darf das Recht auf Vorsteuerabzug in einem solchen Fall nicht verweigern, wenn sie über sämtliche Daten verfügt, um zu prüfen, ob die für dieses Recht geltenden materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei darf sich die Steuerverwaltung nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken. Sie hat auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen (vgl. ; , Ro 2016/13/0020; , Ro 2017/13/0011, jeweils mit Hinweis insbesondere auf das - die Bestimmungen des Art. 226 Nrn. 6 und 7 der Richtlinie 2006/112/EG behandelnde - Barlis 06 - Investimentos Imobiliarios e Turisticos, C-516/14; vgl. auch den Mennica Wroclawska, C-491/18, Rn. 35). Anders verhält es sich, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden. Ebenso ist das Recht auf Vorsteuerabzug zu verweigern, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (vgl. z.B. Astone, C-332/15, Rn. 46 und 50; ). Verstöße gegen die formellen Pflichten könnten auch das Vorliegen eines Falles der Steuerhinterziehung belegen, in dem der Steuerpflichtige seinen formellen Pflichten vorsätzlich nicht nachkommt, um der Entrichtung der Steuer zu entgehen (vgl. z.B. Dobre, C-159/17, Rn. 40). Wusste der Steuerpflichtige, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, oder hätte er dies wissen müssen, so ist der Vorsteuerabzug zu verweigern (vgl. Maks Pen, C-18/13, Rn. 27; ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2019/13/0030 E RS 1 (hier ohne den vorletzten Satz) |
Normen | |
RS 7 | Die für die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug erforderlichen materiellen Voraussetzungen sind in Art. 168 Buchstabe a der Richtlinie 2006/112/EG aufgezählt. Demnach ist es erforderlich, dass der Betroffene Steuerpflichtiger (im Sinne der Richtlinie) ist und dass die zur Begründung des Abzugsrechts angeführten Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und dass diese Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen erbracht wurden (vgl. etwa Vadan, C-664/16, Rn. 39; sowie , mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2019/13/0030 E RS 2 (hier: Gegenstände und Dienstleistungen) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der a GmbH & Co KG, vertreten durch die Aicher & Partner Steuerberater OG in 9300 St. Veit an der Glan, Schillerplatz 5, der gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/4100704/2019, betreffend Umsatzsteuer 2012, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antragnicht stattgegeben.
Begründung
1 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH [verstärkter Senat] , 2680/80, VwSlg. 10.381/A), dass der Revisionswerber - unabhängig vom notwendigen Fehlen eines zwingenden öffentlichen Interesses - in seinem Aufschiebungsantrag zu konkretisieren hat, worin für ihn ein unverhältnismäßiger Nachteil gelegen wäre. Erst eine ausreichende und zudem glaubhaft gemachte Konkretisierung, erlaubt die durch das Gesetz gebotene Interessenabwägung.
3 Im vorliegenden Fall wurden mit dem Antrag vom die Bilanzen der Antragstellerin und ihrer Komplementärin zum vorgelegt, und - ohne nachvollziehbare Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin - ausgeführt, die Entrichtung der Umsatzsteuer könne nur durch eine Einlage der Komplementärin erfolgen. Diese Gesellschaftereinlage könne wiederum nur aus künftigen Beteiligungserträgen und aus den Rückzahlungen gewährter Darlehen erfolgen. Eine „kurzfristige Veräußerung der Beteiligung der a GmbH“ würde zu einem wesentlichen Wertverlust führen und der Komplementärin „die wirtschaftliche Grundlage entziehen“. Dies wäre mit einem unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteil verbunden.
4 Dass eine - im Falle der Berechtigung der Revision bloß vorübergehende - Belastung der Antragstellerin durch den Vollzug der angefochtenen Entscheidung trotz der Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Zahlungserleichterungen nach der derzeitigen wirtschaftlichen Lage der Antragstellerin mit einem unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG verbunden wäre, ist den vorgelegten Unterlagen und dem Vorbringen nicht entnehmbar.
5 Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst die Notwendigkeit, die Zahlung eines - als Folge des angefochtenen Erkenntnisses - vorgeschriebenen Geldbetrages über einen Kredit zu finanzieren, für sich allein kein hinreichender Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (vgl. , mit dem Hinweis auf , Ra 2019/17/0004).
6 Dem Aufschiebungsbegehren konnte daher schon aus diesem Grund nicht stattgegeben werden, ohne dass es noch darauf ankäme, ob diesem auch zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungsdatum:
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ro 2022/15/0031
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter und die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revisionen 1. des Finanzamts St. Veit Wolfsberg (nunmehr Finanzamt Österreich, Dienststelle Klagenfurt St. Veit Wolfsberg) in 9400 Wolfsberg, Lindhofstraße 3, und 2. der A GmbH & Co KG in S, vertreten durch die Aicher & Partner Steuerberater OG in 9300 St. Veit an der Glan, Schillerplatz 5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/4100704/2019, betreffend Umsatzsteuer 2012 (mitbeteiligte Partei zu 1.: A GmbH & Co KG in S, vertreten durch die Aicher & Partner Steuerberater OG in 9300 St. Veit an der Glan, Schillerplatz 5; belangte Behörde zu 2.: Finanzamt Österreich, Dienststelle Klagenfurt St. Veit Wolfsberg)
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Die Revision der zweitrevisionswerbenden Partei wird als unbegründet abgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Die Revision der erstrevisionswerbenden Partei wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der A GmbH & Co KG Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Zweitrevisionswerberin ist eine im Jahr 2006 errichtete Kommanditgesellschaft, die im revisionsgegenständlichen Zeitraum im Geschäftszweig der Vercharterung von Luftfahrzeugen tätig war. Am schloss die Zweitrevisionswerberin einen Ratenkaufvertrag („Mietkaufvertrag“) über ein Flugzeug mit der X GmbH. Der Kaufpreis von 4,89 Mio € (zuzüglich Umsatzsteuer) sollte in Teilbeträgen entrichtet werden. Das - von der X GmbH noch von dritter Seite anzukaufende - Vertragsobjekt sollte bis zur vollständigen Erfüllung des Ratenkaufvertrages im alleinigen und uneingeschränkten Eigentum der X GmbH verbleiben. Dieser Vertrag beinhaltete unter anderem ein einseitiges Kündigungsrecht der X GmbH aus wichtigem Grund. Erst mit der Bezahlung der Schlussrate sowie der Erfüllung aller sonstigen Verpflichtungen sollte das Eigentum auf die Zweitrevisionswerberin übergehen.
2 Das Flugzeug wurde am Tag des Vertragsabschlusses an die Zweitrevisionswerberin geliefert und von dieser als Passagierflugzeug im Bedarfsverkehr betrieben. Am stellte die X GmbH der Zweitrevisionswerberin eine berichtigte Rechnung über den tatsächlichen Ankaufspreis in der Höhe von 4,51 Mio € (darin enthalten Umsatzsteuer von 751.246,11 €) aus. Die Umsatzsteuer wurde in dieser Höhe von der X GmbH fristgerecht abgeführt und von der Zweitrevisionswerberin als Vorsteuer abgezogen.
3 Mit Schreiben vom teilte die Zweitrevisionswerberin der X GmbH mit, dass sie sich zur vollständigen Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen aus dem Ratenkaufvertrag nicht mehr in der Lage sah und mit der Gefahr einer Insolvenz rechne. Eine in diesem Schreiben von der Zweitrevisionswerberin angebotene Abschlagszahlung wurde von der X GmbH nicht angenommen.
4 Schließlich schlossen die Vertragsparteien des Ratenkaufvertrages unter Beitritt der Gesellschafter der Zweitrevisionswerberin und der Y GmbH in Gründung die Vereinbarung vom . Darin hielten sie zunächst fest, dass die Vertragspartner die Absicht hätten, den Mietkaufvertrag einvernehmlich zu beenden und die Ansprüche aus diesem Mietkaufvertrag einer Enderledigung zuzuführen. Zudem sei beabsichtigt hinsichtlich des Mietkaufobjektes einen neuen Mietkaufvertrag zwischen der X GmbH und der Y GmbH abzuschließen. Der Abschluss dieses neuen Mietkaufvertrages sei für die X GmbH wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen der Vereinbarung vom . Weiters vereinbarten die Zweitrevisionswerberin und die X GmbH, dass der Mietkaufvertrag mit sofortiger Wirkung einvernehmlich beendet wird. Die Zweitrevisionswerberin verpflichtete sich, das Mietkaufobjekt an die Y GmbH zu übergeben. Die der Vereinbarung beigetretenen Gesellschafter verpflichteten sich, auf die offenen Ansprüche der X GmbH aus dem Mietkaufvertrag eine Abschlagszahlung in der Höhe von 300.000 € zu bezahlen. Im Gegenzug bestätigte die X GmbH, dass mit der Zahlung aller angeführten Beträge sowie Übergabe der im Vertrag erwähnten, das Flugzeug betreffende Protokolle alle Ansprüche aus dem Mietkaufvertrag einvernehmlich erledigt seien, sodass die X GmbH keine Forderungen aus und im Zusammenhang mit dem Mietkaufvertrag an eine der Vertragsparteien erheben werde.
5 In Entsprechung dieser Vereinbarung wurde das Flugzeug von der Zweitrevisionswerberin am am Flughafen Kiew an die Y GmbH übergeben. Am selben Tag schlossen die X GmbH als Verkäuferin und die Y GmbH als Käuferin einen das verfahrensgegenständliche Flugzeug betreffenden Mietkaufvertrag.
6 Am beglich die Zweitrevisionswerberin die vereinbarte Abschlagszahlung. Noch am selben Tag stellte die X GmbH der Zweitrevisionswerberin eine Gutschrift über den am noch aushaftenden Saldo aus dem Mietkaufvertrag abzüglich der Abschlagszahlung vom und zuzüglich weiterer Rückstände sowie Umsatzsteuer, in der Höhe von insgesamt 2,67 Mio € (darin 445.752,53 € USt) aus.
7 Darauf reagierte die Zweitrevisionswerberin mit Schreiben vom und stellte der X GmbH ihrerseits eine Rechnung über den Betrag von 2,23 Mio € aus, samt dem Hinweis, dass aufgrund des ausländischen Lieferortes eine im Inland nicht steuerbare Leistung vorgelegen habe.
8 Schließlich machte die X GmbH im UVA-Zeitraum 02/2012 eine Minderung der Bemessungsgrundlage um 2,29 Mio € (= Umsatzsteuergutschrift in der Höhe von 455.752,53 €) geltend, die ihr vom Finanzamt im Rechtsmittelweg gewährt wurde.
9 Der Ratenkaufvertrag vom wurde von den Verfahrensparteien übereinstimmend als Lieferung an die Zweitrevisionswerberin qualifiziert. Strittig ist allerdings, ob die Vereinbarung vom über die Auflösung des Ratenkaufvertrages vom in umsatzsteuerlicher Hinsicht als eine Rücklieferung oder eine - zu einer Vorsteuerberichtigung verpflichtende - Rückgängigmachung zu sehen ist. Für den Fall der Bejahung einer Rückgängigmachung ist weiters strittig, in welcher Höhe die Vorsteuer zu berichtigen ist.
10 Nachdem das Finanzamt mit Bescheid vom die Umsatzsteuer für das Veranlagungsjahr 2012 mit der Begründung vorläufig festgesetzt hatte, dass „noch nicht endgültig geklärt [sei], ob es sich um eine Rücklieferung oder eine Rückabwicklung handelt“, fand bei der Zweitrevisionswerberin im Jahr 2019 eine Außenprüfung u.a. betreffend die Umsatzsteuer 2012 statt. Der Prüfer vertrat die Rechtsansicht, dass die in der am getroffenen Vereinbarung enthaltene einvernehmliche Auflösung keine neue Lieferung, sondern eine Rückgängigmachung der ursprünglichen Lieferung darstelle. Die Vorsteuer müsse sohin - entgegen dem Vorgehen im vorläufigen Bescheid - berichtigt werden.
11 Das Finanzamt schloss sich dieser Rechtsansicht an und setzte mit Bescheid vom - unter Berichtigung der (gesamten) Vorsteuer gemäß § 16 Abs. 3 Z 3 UStG 1994 in der Höhe von 751.246,11 € zu Lasten der Zweitrevisionswerberin - die Umsatzsteuer 2012 endgültig fest.
12 Die dagegen von der Zweitrevisionswerberin erhobene Beschwerde wurde vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Zur Höhe der Vorsteuerberichtigung führte das Finanzamt zusammenfassend aus, dass nur eine Gesamtberichtigung in Frage käme, da gegenständlich kein Fall einer Uneinbringlichkeit iSd § 16 Abs. 3 Z 1 UStG 1994 vorläge, sondern der einer Rückgängigmachung mit Rückgabe der gelieferten Sache. In Ermangelung der Ausstellung einer Rechnung über die Nutzungsüberlassung des Kaufgegenstandes in der Höhe der bisher bezahlten Raten, sei die Vorsteuer ungekürzt zu berichtigen.
13 Die Zweitrevisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
14 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge und änderte den angefochtenen Bescheid insoweit ab, als es die auf die zum Zeitpunkt der Auflösung des Ratenkaufvertrages noch offenen Raten entfallende Vorsteuer als berichtigt festsetzte. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
15 In rechtlicher Hinsicht qualifizierte das Bundesfinanzgericht die ex nunc wirkende einvernehmliche Auflösung des Ratenkaufs als Rückgängigmachung einer Lieferung. Ein selbständiges, vom ursprünglichen Geschäft losgelöstes Rechtsgeschäft sei in der Vereinbarung vom nicht zu sehen. Die von der Zweitrevisionswerberin ins Treffen geführte Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache NLB Leasing (Hinweis auf EuGH, , NLB Leasing, C-209/14) sei nicht einschlägig, weil im revisionsgegenständlichen Fall der Ratenkaufvertrag mit Wirkung für die Zukunft aufgelöst worden sei, worin der wesentliche Unterschied zu dem vom EuGH entschiedenen Sachverhalt liege. Im Übrigen verkenne die Zweitrevisionswerberin, dass im Ratenkaufvertrag keine Verwertungsabrede enthalten gewesen sei.
16 Ausgehend von den fundamentalen Grundsätzen des unionsrechtlichen Mehrwertsteuersystems, wonach Bemessungsgrundlage die tatsächlich erhaltene Gegenleistung sei und die Steuerverwaltung als Mehrwertsteuer keinen höheren als den dem Steuerpflichtigen gezahlten Betrag erheben dürfe, und weil die Neutralität der Mehrwertsteuer zu gewährleisten sei, sei nur eine teilweise Minderung der Vorsteuer vorzunehmen. Würde man den gesamten Vorsteuerbetrag berichtigen, so würde die tatsächlich erhaltene Gegenleistung gerade nicht die Bemessungsgrundlage darstellen; die Steuerverwaltung würde eine Art der Bereicherung erfahren, was dem Prinzip der Neutralität widerspreche. Darüber hinaus sei der vom EuGH entschiedenen Rechtssache Lombard (Hinweis auf Lombard Ingatlan Lízing, C-404/16) entnehmbar, dass auch damals lediglich eine teilweise Minderung der Steuerbemessungsgrundlage verfahrensgegenständlich gewesen sei, was vom EuGH nicht aufgegriffen worden sei.
17 Die Revision ließ das BFG zu, weil noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Fragen vorliege, ob eine Rückgängigmachung iSd § 16 Abs. 3 Z 3 UStG 1994 sowohl den Fall der Vertragsauflösung mit Wirkung ex tunc als auch jenen mit Wirkung ex nunc umfasse und, ob im Falle einer (ex nunc wirkenden) Auflösung eines Kaufvertrages mit Ratenzahlungsvereinbarung die Vorsteuer zur Gänze oder lediglich im Ausmaß der zum Zeitpunkt der Beendigung noch aushaftenden Raten zu berichtigen sei.
18 Gegen dieses Erkenntnis erhoben zunächst das Finanzamt als erstrevisionswerbende Partei und sodann die Zweitrevisionswerberin jeweils ordentliche Revision.
19 Das Finanzamt tritt in seiner Revision der Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts bei, dass im Fall der einvernehmlichen Auflösung des Ratenkaufs keine Rücklieferung, sondern eine Rückgängigmachung einer Lieferung vorliege, sodass eine gesetzliche Pflicht zur Vorsteuerberichtigung ex nunc bei der Zweitrevisionswerberin bestehe. Allerdings liege keine höchstgerichtliche Judikatur zur der Frage vor, ob im Falle einer Auflösung eines Kaufvertrages mit Ratenzahlungsvereinbarung die Vorsteuer zur Gänze oder lediglich im Ausmaß der zum Zeitpunkt der Beendigung noch aushaftenden Raten zu berichtigen sei.
20 Der Zweitrevisionswerberin brachte als Mitbeteiligte zu dieser Revision eine Revisionsbeantwortung ein.
21 In ihrer eigenen Revision bringt die Zweitrevisionswerberin zusammengefasst vor, es fehle Judikatur zur (Nicht-)Anwendbarkeit des § 16 Abs. 3 Z 3 UStG 1994 bei Beendigung einer Ratenvereinbarung durch unmittelbare Rück- bzw. Weiterübertragung eines gelieferten Gegenstandes an einen Dritten, sodass der Verkäufer vereinbarungsgemäß einen neuen Kaufvertrag mit dem Dritten abschließen könne und der ursprüngliche Käufer von Teilen seiner Restschuld befreit werde. Die einvernehmliche Vertragsauflösung sei nicht als Rückgängigmachung der Lieferung des Flugzeugs zu qualifizieren, weil durch diese Vereinbarung die Zweitrevisionswerberin und die X GmbH nicht in jene Positionen zurückversetzt worden seien, die ihnen vor dem Ratenkaufvertrag vom zugekommen seien. Weder habe die X GmbH ihre Dispositionsmöglichkeiten und Verfügungsgewalt über das Flugzeug zurückerlangt noch wäre die Zweitrevisionswerberin von ihren vertraglichen Verpflichtungen enthoben worden, wenn diese nicht unmittelbar mit dem Weiterverkauf des Flugzeugs an die Y GmbH als Dritten eingelöst worden wären. Selbst bei der Annahme eines Übergangs der Verfügungsmacht an die X GmbH habe aber im vorliegenden Fall die Rückübertragung des gelieferten Gegenstandes an den ursprünglichen Lieferer umsatzsteuerlich eine zweite Lieferung („Rücklieferung“) dargestellt, weil die Vorgänge im Februar 2012 nicht nur mit der ursprünglichen Vereinbarung oder einer Rückgängigmachung derselben erklärt werden könnten.
22 Das Finanzamt erstattete zu dieser Revision eine Revisionsbeantwortung.
23 Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Verbindung der beiden Verfahren zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung - erwogen:
24 Zur Revision der Zweitrevisionswerberin:
25 Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
26 § 16 UStG 1994, BGBl. I Nr. 663/1994, lautet auszugsweise:
„Änderung der Bemessungsgrundlage
§ 16 (1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so haben
1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und
2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist.
[...]
(3) Abs. 1 gilt sinngemäß, wenn [...]
3. eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung rückgängig gemacht worden ist.“
27 Im vorliegenden Fall ist zunächst strittig, ob die Vereinbarung vom über die Auflösung des Ratenkaufvertrages vom in umsatzsteuerlicher Hinsicht als eine - zur Berichtigung der Vorsteuer verpflichtende - Rückgängigmachung im Sinne des § 16 Abs. 3 Z 3 UStG 1994 oder als selbständige Rücklieferung zu sehen ist.
28 Gemäß § 16 Abs. 3 Z 3 UStG 1994 gilt § 16 Abs. 1 UStG 1994 sinngemäß, wenn eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung rückgängig gemacht worden ist. In diesem Fall hat der leistende Unternehmer die geschuldete Umsatzsteuer und der Leistungsempfänger den dafür beanspruchten Vorsteuerabzug zu berichtigen.
29 Unionsrechtlich korrespondiert die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 16 UStG 1994 mit den Art. 184 ff der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: MwSt-RL). Nach Art. 185 Abs. 1 MwSt-RL erfolgt die Berichtigung des Vorsteuerabzugs insbesondere, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten. Gemäß Art. 186 der Richtlinie legen die Mitgliedstaaten die Einzelheiten für die Anwendung dieser Bestimmung fest (vgl. TETS-Haskovo, C-234/11, Rn. 32; , mwN).
30 Während Art. 90 der MwSt-RL das Recht eines Lieferers regelt, seine Steuerbemessungsgrundlage zu vermindern, wenn er nach der Bewirkung eines Umsatzes die vorgesehene Gegenleistung nicht oder nur teilweise erhält, betrifft ihr Art. 185 Mwst-RL die Berichtigung der von der anderen Partei desselben Umsatzes ursprünglich vorgenommenen Abzüge. Daher stellen diese beiden Artikel die beiden Seiten desselben wirtschaftlichen Vorgangs dar und sind kohärent auszulegen (vgl. T-2, C-396/16, Rn. 35).
31 Die Art. 184 bis 186 der MwSt-RL legen die Voraussetzungen fest, unter denen die Steuerverwaltung eine Berichtigung durch einen Steuerpflichtigen verlangen kann. Der in diesen Artikeln vorgesehene Berichtigungsmechanismus ist Bestandteil der mit dieser Richtlinie eingeführten Vorsteuerabzugsregelung. Er soll die Genauigkeit der Vorsteuerabzüge in der Weise erhöhen, dass die Neutralität der Mehrwertsteuer gewährleistet wird (vgl. World Comm Trading Gfz, C-684/18, Rn. 31, mwN).
32 Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) befasste sich im Urteil vom , C-404/16, mit der Auslegung des in Art. 90 Abs. 1 MwSt-RL verwendeten Begriffs der „Auflösung“ in Zusammenhang mit der Kündigung eines Finanzierungsleasingvertrags, der als Lieferung zu werten war, mit fest vereinbarter Eigentumsübertragung am Ende der Laufzeit wegen Nichtzahlung des Leasingentgelts durch den Leasingnehmer. Er stellte klar, dass diese Bestimmung nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Vorschrift sowohl die Fälle der rückwirkenden Auflösung (ex tunc) als auch die Fälle der Auflösung mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) erfasst ( Lombard Ingatlan Lízing Zrt., C-404/16, Rn. 23ff, 31). Eine Berichtigung der Umsatzsteuer nach Art. 90 Abs. 1 MwSt-RL hat daher auch dann zu erfolgen, wenn ein Teil der Leistung erbracht und verrechnet wird und aufgrund der Auflösung des Vertrags ex nunc der übrige Teil der Leistung unterbleibt oder rückgängig gemacht wird und sich die Bemessungsgrundlage daher insgesamt vermindert (Gaedke/Huber-Wurzinger in Melhardt/Tumpel, UStG³, § 16 Rz 162). Im Hinblick auf die gebotene kohärente Auslegung der Art. 90 und 185 der MwSt-RL (vgl. Rn. 30), spielt es daher auch für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs keine Rolle, ob die Rückgängigmachung einer Lieferung zivilrechtlich ex nunc oder ex tunc erfolgt.
33 Von der Rückgängigmachung ist die Rücklieferung zu unterscheiden. Bei letzterer wird der Gegenstand der ursprünglichen Lieferung in einem zweiten Vorgang mit selbständigem wirtschaftlichen Gehalt, ohne inneren Zusammenhang zur ursprünglichen Lieferung dem Lieferanten rückübertragen (Ruppe/Achatz, UStG6, § 1 Tz 42ff; Kanduth-Kristen in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON³, § 16 Tz 88).
34 Entgegen dem Vorbringen der Zweitrevisionswerberin begegnet es keinen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, wenn das Bundesfinanzgericht - auch unter Berücksichtigung der Zahlungsschwierigkeiten der Zweitrevisionswerberin - aufgrund des ausdrücklich in der Vereinbarung vom festgehaltenen Willens der Vertragsparteien, den Mietkaufvertrag einvernehmlich zu beenden und die daraus noch offenen Ansprüche einer Enderledigung zuzuführen, in rechtlicher Hinsicht insgesamt davon ausging, dass diese Vereinbarung vom kein selbständiges vom ursprünglichen Mietkaufvertrag losgelöstes Rechtsgeschäft darstellt. Nach der klaren Intention der Vertragsparteien und den getroffenen Abreden sollte der Vertrag vom mit Wirkung ex nunc aufgelöst werden und in der Folge ein neuer Mietkaufvertrag zwischen der X GmbH und der Y GmbH als neuer Erwerberin des Flugzeugs abgeschlossen werden. Anders als die Zweitrevisionswerberin vermeint, ging das Bundesfinanzgericht in dieser Konstellation zu Recht vom Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen dem Ratenkaufvertrag und der Auflösungsvereinbarung und somit von einer Rückgängigmachung der Leistung im Sinne des § 16 Abs. 3 Z 3 UStG 1994 bzw. des Art. 185 MwSt-RL aus.
35 Das Vorbringen der Zweitrevisionswerberin, es sei durch die Vereinbarung vom nicht zu einer „Aufhebung“ des Ratenkaufvertrages aus dem Jahr 2006 im umsatzsteuerlichen Sinn gekommen, vielmehr hätten die Parteien nur vereinbart, sich klaglos gestellt zu erachten, findet keine Deckung im ausdrücklichen Wortlaut der Auflösungsvereinbarung. Dort wurde unter Punkt II. unmissverständlich vereinbart, dass „der Mietkaufvertrag [...] mit sofortiger Wirkung einvernehmlich beendet wird“. Schon angesichts der erfolgten Beendigung des Ratenkaufvertrags ist auch - wie das Bundesfinanzgericht bereits richtig ausgeführt hat - das von der Zweitrevisionswerberin an mehreren Stellen ins Treffen geführte NLB Leasing d.o.o. im vorliegenden Fall nicht einschlägig (vgl. EuGH, , NLB Leasing d.o.o., C-209/14, Rn. 37f).
36 Soweit die Zweitrevisionswerberin weiters argumentiert, es könne schon deshalb keine Rückgängigmachung des Ratenkaufes angenommen werden, weil die X GmbH durch die Vereinbarung vom ihre Dispositionsmöglichkeit und umsatzsteuerliche Verfügungsgewalt über das Flugzeug nicht zurückerlangt habe, übersieht sie, dass Übergabsarten, die zivilrechtlich zum Erwerb des Eigentums und Besitzes ausreichen, auch umsatzsteuerlich zur Verschaffung der Verfügungsmacht ausreichend sind (vgl. , mwN). Die Zweitrevisionswerberin bestreitet aber weder das (zivilrechtlich) gültige Zustandekommen der Auflösungsvereinbarung vom noch die Rechtswirksamkeit des in der Folge zwischen der X GmbH und der Y GmbH abgeschlossenen weiteren Kaufvertrags. An der durch die Vereinbarung vom der X GmbH eingeräumten Verfügungsmacht kann sohin kein Zweifel bestehen.
37 Es ist daher festzuhalten, dass im Hinblick auf das zutreffend angenommene Vorliegen einer Rückgängigmachung der Lieferung die Voraussetzungen zur Berichtigung der Vorsteuer nach § 16 Abs. 3 Z 3 UStG 1994 bzw. des Art. 185 MwSt-RL dem Grunde nach erfüllt sind.
38 Die Revision der Zweitrevisionswerberin erweist sich daher nach dem Gesagten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
39 Zur Amtsrevision der erstrevisionswerbenden Partei
40 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
41 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
42 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
43 Das erstrevisionswerbende Finanzamt vertritt die Rechtsansicht, dass die Berichtigung der Vorsteuer zur Gänze zu erfolgen habe und nicht - wie vom Bundesfinanzgericht angenommen - auf den sich aus den noch offenen Raten zum Zeitpunkt der Rückgängigmachung ergebenden Vorsteuerbetrag zu berichtigen sei. Bei der Rückgängigmachung einer Lieferung liege nämlich in einem ersten Schritt eine vollständige Rückgängigmachung der Lieferung und in einem zweiten Schritt - nach Ausstellung einer entsprechenden Rechnung - eine nachträglich anzunehmende Dienstleistung („Gebrauchsüberlassung“) vor. Die X GmbH habe aber (noch) keine Rechnung über die Gebrauchsüberlassung ausgestellt, sodass der Vorsteuerabzug zur Gänze zu berichtigen gewesen sei.
44 Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob bei einer Vertragsauflösung ex nunc in umsatzsteuerlicher Hinsicht eine rückwirkende Umwandlung der Lieferung in eine Gebrauchsüberlassung zu fingieren ist und wie in einem solchen Fall die Berichtung des Vorsteuerabzugs vorzunehmen wäre.
45 Selbst wenn man nämlich - der Ansicht des erstrevisionswerbenden Finanzamts folgend - eine rückwirkende Umdeutung in eine Gebrauchsüberlassung annähme, hätte der Vorsteuerabzug in berichtigter Höhe nicht deshalb versagt werden dürfen, weil die X GmbH (noch) keine berichtigte Rechnung über eine Gebrauchsüberlassung ausgestellt hat.
46 Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer u.a. die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
47 Es entspricht der ständigen - neueren - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt. Die Steuerverwaltung darf das Recht auf Vorsteuerabzug in einem solchen Fall nicht verweigern, wenn sie über sämtliche Daten verfügt, um zu prüfen, ob die für dieses Recht geltenden materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei darf sich die Steuerverwaltung nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken. Sie hat auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen (vgl. etwa , mwN).
48 Anders verhält es sich, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden. Ebenso ist das Recht auf Vorsteuerabzug zu verweigern, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Wusste der Steuerpflichtige, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, oder hätte er dies wissen müssen, so ist der Vorsteuerabzug zu verweigern (vgl. neuerlich , mwN; SC C.F., C-430/19, Rn. 43).
49 Die für die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug erforderlichen materiellen Voraussetzungen sind in Art. 168 Buchstabe a der Richtlinie 2006/112/EG aufgezählt. Demnach ist es zum einen erforderlich, dass der Betroffene Steuerpflichtiger (im Sinne der Richtlinie) ist, und zum anderen, dass die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände und Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und diese Gegenstände und Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden (vgl. etwa Vădan, C-664/16, Rn. 39; , mwN).
50 Im Revisionsfall hat das Finanzamt den Vorsteuerabzug bloß mit dem Hinweis auf das Fehlen einer neu ausgestellten Rechnung über die - infolge der Rückgängigmachung der Leistung fingierte - Gebrauchsüberlassung verweigert. Allerdings ist im vorliegenden Fall unstrittig, dass die materiellen Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug für eine Gebrauchsüberlassung erfüllt sind. In der Amtsrevision wird auch nicht in Frage gestellt, dass das Finanzamt über sämtliche Angaben verfügte, die für die Feststellung des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen für das Vorsteuerabzugsrecht aus der Gebrauchsüberlassung einschließlich dessen Höhe erforderlich waren. Vor diesem Hintergrund war es unverhältnismäßig, dass das Finanzamt den Vorsteuerabzug der Zweitrevisionswerberin - selbst wenn man eine rückwirkende Umwandlung der Lieferung in eine Gebrauchsüberlassung fingierte - mit dem bloßen Hinweis auf das Fehlen einer Rechnung über eine Gebrauchsüberlassung zur Gänze versagte und ihm dadurch die steuerliche Neutralität seiner Umsätze verwehrte.
51 Damit kommt es auf die in der Revisionszulassung durch das Bundesfinanzgericht zum Ausmaß der Vorsteuerberichtigung aufgeworfene Rechtsfrage nicht an. Die Revision der erstrevisionswerbenden Partei war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
52 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, wobei die wechselseitigen Ansprüche auf Ersatz der Aufwendungen für die jeweilige Revisionsbeantwortung zum Teil gegeneinander aufgerechnet werden konnten (vgl. ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022150030.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-46724