VwGH 19.04.2023, Ro 2022/13/0018
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 liegt der Gedanke zu Grunde, dass ein negatives Kapitalkonto eines Mitunternehmers grundsätzlich eine Verpflichtung des Mitunternehmers der Mitunternehmerschaft gegenüber zur Auffüllung des negativen Kapitalkontos zum Ausdruck bringt. In jenen Fällen, in denen bei einem Kommanditisten durch Verlustzuweisungen ein negatives Kapitalkonto entsteht, zu dessen Auffüllung er nicht verpflichtet ist, sodass sein Ausscheiden ohne vorherige Auffüllung des Kapitalkontos keine schuldbefreiende und damit gewinnwirksame Rechtsfolge nach sich zieht, normiert die genannte Bestimmung eine derartige Rechtsfolge für steuerliche Zwecke. Andernfalls wären Verluste eines Kommanditisten, denen im steuerlichen System der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich der Gedanke einer Vermögenseinbuße zu Grunde liegt, in unbeschränktem Ausmaß steuerlich zu berücksichtigen (insbesondere im Wege des Verlustausgleiches), ohne dass der nachträgliche Wegfall der unterstellten Vermögenseinbuße bei seinem Ausscheiden aus der Kommanditgesellschaft steuerlich als Wegfall einer Verbindlichkeit gewinnerhöhend erfasst werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/13/0084). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2006/15/0126 E VwSlg 8478 F/2009 RS 4 (hier: Gleiches gilt auch im Fall einer atypisch stillen Gesellschaft.) |
Norm | EStG 1988 §6 |
RS 2 | Eine Forderung ist erst dann auszuweisen, wenn sie entstanden ist. Insbesondere Schadenersatzforderungen werden erst dann anzusetzen sein, wenn sie (im Wesentlichen) unbestritten sind. |
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RS 3 | Die bei einer atypisch stillen Gesellschaft bestehende steuerliche Mitunternehmerschaft endet mit der Eröffnung des Konkursverfahrens (vgl. ; vgl. auch ). Eine steuerlich rückwirkende Fortsetzung dieser Mitunternehmerschaft (durch einen Fortsetzungsbeschluss der Gesellschafter, allenfalls durch einen Zwangsausgleich, der durch Rückstehungserklärungen der stillen Gesellschafter ermöglicht worden sei) ist schon im Hinblick darauf ausgeschlossen, dass rückwirkende Rechtsgeschäfte ungeachtet ihrer zivil- oder unternehmensrechtlichen Zulässigkeit für den Bereich des Steuerrechts nicht anzuerkennen sind, es sei denn, der Gesetzgeber selbst hätte diesen Grundsatz durch eine besondere Vorschrift ausdrücklich oder schlüssig zu Gunsten einer steuerlichen Relevanz rückwirkender Tatbestände durchbrochen (vgl. , mwN). |
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RS 4 | Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH zur Rechtslage vor der Einfügung der Bestimmungen des § 188 Abs. 5 BAO (mit dem AbgVRefG 2009, BGBl. I Nr. 20/2009) und des § 191 Abs. 5 BAO (mit dem BetrugsbekämpfungsG 2006, BGBl. I Nr. 99), dass im Hinblick auf den Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewinnfeststellungsverfahrens (vgl. z.B. ) Erledigungen in einem Verfahren nach § 188 BAO, die nicht berücksichtigten, dass zwischenzeitig Beteiligte verstorben waren oder dass die Einantwortung der Verlassenschaft erfolgt war (vgl. dazu auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage BetrugsbekämpfungsG 2006, 1435 BlgNR 22. GP 5), unwirksam sind (vgl. z.B. ). |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ro 2022/13/0019
Ro 2022/13/0020
Ro 2022/13/0021
Ro 2022/13/0022
Ro 2022/13/0023
Ro 2022/13/0024
Ro 2022/13/0025
Ro 2022/13/0026
Ro 2022/13/0027
Ro 2022/13/0028
Ro 2022/13/0029
Ro 2022/13/0030
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. W B, 2. Verlassenschaft nach E C, 3. F J, 4. A K, 5. B K, 6. Verlassenschaft nach P P, 7. E P, 8. J P, 9. M P, 10. E R, 11. F R, 12. F S und 13. L W, alle in W, alle vertreten durch die Neumayer & Walter Rechtsanwälte-Partnerschaft in 1030 Wien, Baumannstraße 9/11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102483/2013, betreffend u.a. Feststellung von Einkünften für das Jahr 2003, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von (insgesamt) € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts wurde mit Erklärung vom die I GmbH errichtet und im April 2000 in das Firmenbuch eingetragen; im Jahr 2004 wurde diese Gesellschaft umbenannt. Beginnend mit dem Jahr 2001 habe die I GmbH mit einer Vielzahl von Anlegern im Rahmen zweier „Beteiligungsrunden“ atypisch stille Gesellschaftsverträge abgeschlossen. Die atypisch stillen Gesellschafter hätten ihre Beteiligungen nicht direkt, sondern über einen vom „Modellinitiator“ bestellten Treuhänder gehalten.
2 Mit Beschluss des Landesgerichts vom März 2003 sei über das Vermögen der I GmbH der Konkurs eröffnet worden. Im Dezember 2003 sei die Bestätigung des Zwangsausgleiches der I GmbH erfolgt, wobei die Konkursgläubiger mit einer Quote von 20 % ihrer Forderungen befriedigt worden seien, im Februar 2004 sei der Konkurs aufgehoben worden. Mit Generalversammlungsbeschluss vom März 2004 sei die Fortsetzung der I GmbH beschlossen worden. In den Jahren 2004 und 2005 sei die Befriedigung der Konkursgläubiger erfolgt. In diesen beiden Jahren sei der Schuldnachlass in Höhe von 80 % in der atypisch stillen Gesellschaft als Ertrag ausgewiesen und entsprechend dem Beteiligungsverhältnis auf den Geschäftsherrn und die atypisch stillen Gesellschafter aufgeteilt worden.
3 Im Juli 2009 sei über das Vermögen der I GmbH neuerlich der Konkurs eröffnet worden. Im März 2010 sei der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben worden; im Juli 2010 sei die Gesellschaft gemäß § 40 FBG amtswegig gelöscht worden.
4 Nach mehreren Außenprüfungen stellte das Finanzamt mit Bescheiden vom Einkünfte u.a. für das Jahr 2003 gegenüber den ehemaligen Gesellschaftern der I GmbH & atypisch stille Gesellschafter fest.
5 Die Revisionswerber (und andere) erhoben u.a. gegen diesen Bescheid Berufung.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden u.a. Beschwerden gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, bei der I GmbH & atypisch still habe es sich um eine Verlustbeteiligungsgesellschaft der sogenannten E-Gruppe gehandelt. Die E GmbH bzw. deren Machthaber hätten Investoren gesucht, welche sich als atypisch stille Gesellschafter an diversen Gesellschaften mit beschränkter Haftung im Einflussbereich der Machthaber beteiligten. Eine dieser Gesellschaften sei die I GmbH gewesen.
8 Die Einzahlungen der atypisch stillen Gesellschafter in diese Verlustbeteiligungsgesellschaften seien zum Teil nicht widmungsgemäß zur Finanzierung anderer Gesellschaften der E-Gruppe verwendet worden; ein Teil sei überhaupt verschwunden. Zwischen den Gesellschaften der E-Gruppe seien Verrechnungsforderungen und Verrechnungsverbindlichkeiten entstanden. Durch dieses System hätten die Gesellschaften der E-Gruppe jahrelang existieren können. Zum Schein seien Know-how und EDV-Dienstleistungen gekauft worden. Ein Teil der Verbindlichkeiten aus Scheinkäufen sei vorgeblich bar gezahlt worden.
9 Im Juni 2009 sei es zu Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen und Verhaftungen im Umkreis der E-Gruppe gekommen. Im Jahr 2012 seien mehrere Personen im Zusammenhang mit verschwundenen Einzahlungen der atypisch still Beteiligten wegen gewerbsmäßig schweren Betrugs verurteilt worden. Die Schuldsprüche seien mit Urteil des Obersten Gerichtshofs im Jahr 2015 im Wesentlichen bestätigt worden.
10 Die vor den Bescheiden vom ergangenen Erledigungen seien unwirksam gewesen, sodass es sich bei den Bescheiden vom um Erstbescheide handle; Wiederaufnahmen seien sohin nicht zu verfügen gewesen.
11 Der Konkurs über das Vermögen eines Gesellschafters der stillen Gesellschaft führe zwingend zur Beendigung der stillen Gesellschaft. Die atypisch stille Gesellschaft sei mit Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Die Rechtsfolgen eines möglichen Zwangsausgleiches träfen daher ausschließlich die GmbH. Ein gemeinsamer Betrieb eines Unternehmens sei nach Eröffnung des Konkursverfahrens nicht mehr anzunehmen. Durch die unternehmensrechtliche Auflösung der atypisch stillen Gesellschaft erlösche diese auch als ertragsteuerliche Mitunternehmerschaft.
12 Aufgrund des Konkurses komme es zur Einstellung der betrieblichen Tätigkeit der Mitunternehmerschaft und zur Betriebsaufgabe iSd § 24 EStG 1988. Beim Mitunternehmer entstehe in Höhe des negativen Kapitalkontos, das der Gesellschafter nicht auffüllen müsse, ein Betriebsaufgabegewinn.
13 Ein Fortsetzungsbeschluss der Gesellschafter sei nur betreffend die I GmbH aktenkundig, nicht hingegen betreffend die stille Gesellschaft. Jedenfalls könne es auch nicht zu einem rückwirkenden Wiederaufleben der mit Konkurseröffnung beendeten stillen Gesellschaften kommen. In der Abgabe von Rückstellungserklärungen der stillen Gesellschafter im Konkurs des Geschäftsherrn (I GmbH) könne nicht der Abschluss eines neuen Gesellschaftsvertrags erblickt werden.
14 Der als Veräußerungsgewinn gemäß § 24 Abs. 2 EStG 1988 ermittelte Betrag entspreche dem Verlustüberhang, sohin jenem Teil der zugewiesenen Verluste, der nicht durch Einlagen gedeckt sei. Im Ergebnis seien bei den atypisch stillen Gesellschaftern steuerlich die erlittenen Verluste bis zur Höhe der geleisteten stillen Einlage und des gewährten Gesellschafterdarlehens anerkannt worden. Den Gesellschaftern seien bereits in den Jahren 2001 und 2002 deren Einlagen und Gesellschafterdarlehen betragsmäßig übersteigende Verluste zugewiesen worden. In die Veräußerungsgewinnermittlung seien auch lediglich die von der Betriebsprüfung für die Jahre 2001 und 2002 anerkannten Verluste eingeflossen.
15 Zu von den atypisch stillen Gesellschaftern geltend gemachten Schadenersatzansprüchen (Prospekthaftung) gegenüber der I GmbH sei auszuführen, dass bei Ausscheiden eines Mitunternehmers mit einem negativen Kapitalkonto jedenfalls ein Veräußerungsgewinn in der Höhe des negativen Kapitalkontos, das der Gesellschafter nicht auffüllen müsse, entstehe. Dies gelte unabhängig davon, ob das negative Kapitalkonto auf Verluste früherer Perioden, auf Entnahmen oder auf beides zurückzuführen sei. Im vorliegenden Fall bestehe ein lediglich zivilrechtlicher Anspruch (Prospekthaftungsanspruch) des atypisch stillen Gesellschafters (Anleger) gegen die Gesellschaft, dem nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts die zwingende ertragsteuerliche Norm des § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 vorgehe. Der zivilrechtliche Anspruch führe lediglich dazu, dass die Auffüllungsverpflichtung der atypisch stillen Gesellschafter betreffend ihre negativen Kapitalkonten eben nicht (bzw. nicht in vollem Ausmaß) bestehe. Damit liege aber gerade der Anwendungsfall des § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 vor.
16 Da zur Frage, ob zivilrechtliche (schadenersatzrechtliche) Ansprüche aus Anlegerbetrug und Prospekthaftung für die ertragsteuerliche Auffüllungsverpflichtung bzw. Veräußerungsgewinnermittlung gemäß § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 von Relevanz seien, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vorliege, sei die Revision zulässig.
17 Gegen dieses Erkenntnis, soweit es das Jahr 2003 betrifft, wendet sich die vorliegende Revision.
18 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
19 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
20 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
21 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
22 Der Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision darzulegen, wenn er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. , mwN).
23 Gemäß § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 ist als Veräußerungsgewinn im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, jedenfalls der Betrag seines negativen Kapitalkontos zu erfassen, den er nicht auffüllen muss.
24 Dieser Bestimmung liegt der Gedanke zu Grunde, dass ein negatives Kapitalkonto eines Mitunternehmers grundsätzlich eine Verpflichtung des Mitunternehmers der Mitunternehmerschaft gegenüber zur Auffüllung des negativen Kapitalkontos zum Ausdruck bringt. In jenen Fällen, in denen bei Kommanditisten durch Verlustzuweisungen ein negatives Kapitalkonto entsteht, zu deren Auffüllung er nicht verpflichtet ist, sodass sein Ausscheiden ohne vorherige Auffüllung des Kapitalkontos keine schuldbefreiende und damit gewinnwirksame Rechtsfolge nach sich zieht, normiert die genannte Bestimmung eine derartige Rechtsfolge für steuerliche Zwecke. Andernfalls wären Verluste eines Kommanditisten, denen im steuerlichen System der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich der Gedanke einer Vermögenseinbuße zu Grunde liegt, in unbeschränktem Ausmaß steuerlich zu berücksichtigen (insbesondere im Wege des Verlustausgleiches), ohne dass der nachträgliche Wegfall der unterstellten Vermögenseinbuße bei seinem Ausscheiden aus der Kommanditgesellschaft steuerlich als Wegfall einer Verbindlichkeit gewinnerhöhend erfasst werden könnte (vgl. , mwN). Gleiches gilt auch im hier vorliegenden Fall einer atypisch stillen Gesellschaft.
25 Zur Zulässigkeit der Revision wird (in zum Teil nicht leicht verständlichen Darlegungen) zunächst - auch im Sinne der Begründung der Zulässigkeit durch das Bundesfinanzgericht - geltend gemacht, es sei die Frage zu beantworten, ob der Steuertatbestand nach § 24 Abs. 2 EStG 1988 dann gegeben sei, wenn die Auffüllung negativer Gesellschafterkonten der vom Geschäftsherrn betrogenen Anleger und Mitunternehmer nicht erfolge, weil mit Aufrechnung dieser Ansprüche (gemeint offenbar: Schadenersatzansprüche) der durch den Abfluss der Mittel aufgrund der Zahlung von Scheinrechnungen durch für den Geschäftsherrn agierende Straftäter geschädigten Anleger bereits eine Einlage zur Egalisierung der Kapitalkonten geleistet worden sei. Der den Schaden verursachende Geschäftsherr habe keinen Anspruch auf Ausgleich negativer Gesellschafterkonten, deren formal negativer Stand durch Scheinaufwendungen unter Veruntreuung des Kapitals der Mitunternehmerschaft herbeigeführt worden sei.
26 Weiters sei die Frage zu beantworten, ob in Fällen der Schädigung durch Straftaten der Anspruch auf Ersatz des Schadens aus der Straftat unter Zugrundelegung der werterhellenden Tatsachen bei Bescheiderlassung zu aktivieren sei, sodass kein negatives Kapitalkonto bestehe, sofern nicht diese zu aktivierenden Forderungen noch im selben Jahr wegen Uneinbringlichkeit ganz oder teilweise abzuschreiben seien. Dabei sei auch zu klären, ob eine spätere Abschreibung (nach Verurteilung der Straftäter im Jahr 2013) zur Vermeidung der Besteuerung von Scheingewinnen zur Feststellung nachträglicher Betriebsausgaben zu führen habe.
27 Diesem Vorbringen ist - worauf auch in der Revisionsbeantwortung hingewiesen wird - zunächst entgegenzuhalten, dass eine Forderung erst dann auszuweisen ist, wenn sie entstanden ist (vgl. Doralt/Mayr, EStG14, § 6 Tz 218). Insbesondere - wie hier geltend gemacht - Schadenersatzforderungen werden erst dann anzusetzen sein, wenn sie (im Wesentlichen) unbestritten sind (vgl. Doralt/Mayr, aaO Tz 22 und 221). Dass der Anspruch der stillen Gesellschafter bereits im Jahr 2003 entstanden sei, wird in der Revision nicht konkret dargelegt.
28 Dem Vorbringen der Revisionswerber, am Kapitalkonto der stillen Gesellschafter sei deswegen ein negativer Betrag ausgewiesen, weil von den für die I GmbH handelnden Personen Scheinrechnungen gezahlt worden seien und auch im Übrigen Schädigungen durch Straftaten erfolgt seien, ist weiters entgegenzuhalten, dass im Zuge der erfolgten Außenprüfungen diese Zahlungen ohnehin nicht berücksichtigt worden waren und daher den stillen Gesellschaftern in den (nicht von der Revision betroffenen) Vorjahren geringere Verluste (als in den Abgabenerklärungen geltend gemacht) zugerechnet worden waren, sodass in diesem Umfang auch das Kapitalkonto nur in einem geringeren Ausmaß belastet worden war (und daher auch nur ein geringerer negativer Betrag ausgewiesen wurde).
29 Schließlich ist aber dem Vorbringen der Revisionswerber entgegenzuhalten, dass der Ansatz einer entsprechenden (steuerlich zu berücksichtigenden) Forderung der stillen Gesellschafter zwar dazu führen würde, dass der nach § 24 Abs. 2 EStG 1988 der Besteuerung zugrunde liegende Betrag des negativen Kapitalkontos damit (allenfalls) ausgeglichen (oder reduziert) worden wäre. Dies hätte aber gleichzeitig bedeutet, dass insoweit ebenfalls steuerlich zu berücksichtigende Einnahmen (vgl. z.B. Zorn in DKMZ, EStG19, § 4 Tz 225) anzusetzen gewesen wären. Es kann insoweit offenbleiben, ob diese (allfälligen) Einnahmen als laufende Einnahmen oder im Rahmen des Veräußerungsgewinnes zu berücksichtigen wären; durch die hier erfolgte Berücksichtigung im (steuerlich begünstigten) Veräußerungsgewinn sind die Revisionswerber jedenfalls nicht beschwert.
30 Die Revisionswerber machen weiters geltend, es sei zu klären, ob die atypisch stillen Gesellschaftsverträge zivilrechtlich lediglich ein Vertragsbündel einzelner schuldrechtlicher Verträge ohne Rechtsbeziehung der stillen Gesellschafter zueinander bildeten, sodass eine Vereinbarung der Fortführung mit einigen Gesellschaftern nicht gehindert sei. Dabei sei auch die Frage zu klären, ob eine mündliche oder schlüssige Zustimmung zur Fortsetzung handelsrechtlich gültig sei.
31 Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass dem Verwaltungsgerichtshof bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der Verwaltung fallenden Rechtsmaterien keine Leitfunktion zukommt; er ist zur Fällung grundlegender Entscheidungen auf dem Gebiet des Zivilrechts nicht berufen, sodass die Auslegung zivilrechtlicher Normen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründen kann, solange den Verwaltungsgerichten dabei keine krasse Fehlentscheidung unterlaufen ist (vgl. , mwN).
32 Es ist aber auch nicht entscheidend, ob eine Zustimmung (wie in der Revision geltend gemacht) zivilrechtlich oder „handelsrechtlich“ wirksam wäre; entscheidend ist im vorliegenden Fall hingegen, ob die steuerliche Mitunternehmerschaft beendet (und allenfalls „fortgesetzt“) wurde. Dazu ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, dass die bei einer atypisch stillen Gesellschaft bestehende steuerliche Mitunternehmerschaft mit der Eröffnung des Konkursverfahrens endet (vgl. ; vgl. auch ). Eine steuerlich rückwirkende Fortsetzung dieser Mitunternehmerschaft (durch einen Fortsetzungsbeschluss der Gesellschafter, allenfalls - wie in der Revision auch geltend gemacht - durch einen Zwangsausgleich, der durch Rückstehungserklärungen der stillen Gesellschafter ermöglicht worden sei) ist schon im Hinblick darauf ausgeschlossen, dass rückwirkende Rechtsgeschäfte ungeachtet ihrer zivil- oder unternehmensrechtlichen Zulässigkeit für den Bereich des Steuerrechts nicht anzuerkennen sind, es sei denn, der Gesetzgeber selbst hätte diesen Grundsatz durch eine besondere Vorschrift ausdrücklich oder schlüssig zu Gunsten einer steuerlichen Relevanz rückwirkender Tatbestände durchbrochen (vgl. , mwN). Eine derartige gesetzliche Durchbrechung dieses Grundsatzes liegt hier nicht vor. Damit kam es im Jahr 2003 jedenfalls zu einer Beendigung der Mitunternehmerschaft. Darauf, ob in der Folge neuerlich eine Mitunternehmerschaft gegründet wurde, kommt es dabei nicht an.
33 Schließlich wird geltend gemacht, es sei zu klären, ob das Ableben eines Gesellschafters zur absoluten Nichtigkeit eines Bescheides führe, in dem dies nicht beachtet werde. Dabei stelle sich auch die Frage, ob diesfalls auch das angefochtene Erkenntnis absolut nichtig sei, da nunmehr ein weiterer Gesellschafter verstorben sei.
34 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor der Einfügung der Bestimmungen des § 188 Abs. 5 BAO (mit dem Abgabenverwaltungsreformgesetz, BGBl. I Nr. 20/2009) und des § 191 Abs. 5 BAO (mit dem Betrugsbekämpfungsgesetz 2006, BGBl. I Nr. 99), dass im Hinblick auf den Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewinnfeststellungsverfahrens (vgl. z.B. ) Erledigungen in einem Verfahren nach § 188 BAO, die nicht berücksichtigten, dass zwischenzeitig Beteiligte verstorben waren oder dass die Einantwortung der Verlassenschaft erfolgt war (vgl. dazu auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage Betrugsbekämpfungsgesetz 2006, 1435 BlgNR 22. GP 5), unwirksam sind (vgl. z.B. ). Dass bereits das Finanzamt und auch das Bundesfinanzgericht die für das Jahr 2003 (vor dem Bescheid vom ) ergangenen Erledigungen als unwirksam angesehen hatten, weil (unbestritten) die Einantwortung an einen Erben nicht berücksichtigt worden war, entspricht daher der ständigen Rechtsprechung. Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts ist hingegen auch dann (jedenfalls teilweise) wirksam (und anfechtbar), wenn - wie in der Revision behauptet - im angefochtenen Erkenntnis das Ableben eines Beteiligten (nunmehr die Verlassenschaft nach diesem Beteiligten als Sechstrevisionswerber) nicht berücksichtigt wurde. Zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts waren die Bestimmungen des § 188 Abs. 5 und § 191 Abs. 5 BAO bereits (seit langem) in Kraft; diese Bestimmungen bewirken, dass die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts im vorliegenden Fall (jedenfalls) den übrigen Beteiligten gegenüber wirksam ist. Ob das angefochtene Erkenntnis auch gegenüber dem Sechstrevisionswerber wirksam ist, kann im Hinblick auf die Zurückweisung der Revision offen bleiben.
35 Die Revision kann sohin nicht aufzeigen, dass sie von der Lösung einer Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
36 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022130018.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-46704