VwGH 18.12.2024, Ro 2022/13/0013
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic-Marinkovic, über die Revision des Amtes für Betrugsbekämpfung in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5300013/2021, betreffend Akteneinsicht (mitbeteiligte Partei: T in R, vertreten durch die Puttinger Vogl Rechtsanwälte OG, 4910 Ried i.I., Claudistraße 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Am wurde bei der Mitbeteiligten aufgrund einer anonymen Anzeige eine Kontrolle durch Organe des Amtes für Betrugsbekämpfung durchgeführt. Dabei wurden keine Übertretungen festgestellt, sodass es zu keinen Strafanträgen und somit zu keinen Verwaltungsstrafverfahren kam. Vom Amt für Betrugsbekämpfung wurden in dem Zusammenhang keine bescheidförmigen Maßnahmen gesetzt. Die im Zuge der Kontrolle erhobenen Unterlagen wurden der Österreichischen Gesundheitskasse in Zusammenhang mit einer von dieser durchgeführten gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben übermittelt.
2 Die Mitbeteiligte ersuchte im März 2021 um Übermittlung der anonymen Anzeige. Dies wurde vom Amt für Betrugsbekämpfung unter Hinweis auf § 17 AVG abgelehnt. Mit Schreiben vom stellte die Mitbeteiligte einen Antrag auf Akteneinsicht.
3 Das Amt für Betrugsbekämpfung wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab, weil kein der Akteneinsicht zugängliches Verfahren vorliege.
4 Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Bundesfinanzgericht Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Zur Frage der Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts stellte es fest, dass es sich bei der am durchgeführten Kontrolle um eine Maßnahme nach § 3 Abs. 2 lit. e ABBG handle, weshalb die Organe des Amtes für Betrugsbekämpfung weder als Organe der Abgabenbehörde noch als Finanzstrafbehörde tätig geworden seien. Durch Einfügung der Wortfolge „oder das Amt für Betrugsbekämpfung“ mit dem Finanz-Organisationsreformgesetz - FORG, BGBl. I Nr. 104/2019, in § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG habe aber gewährleistet werden sollen, dass die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts für Maßnahmenbeschwerden im Bereich ordnungspolitischer Maßnahmen bestehen bleibe. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits ausgesprochen, dass ein Begehren auf Akteneinsicht im Zusammenhang mit einer ordnungspolitischen Maßnahme durch Organe der Finanzpolizei in die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts falle.
5 In der Sache führte das Bundesfinanzgericht aus, das Recht auf Akteneinsicht stehe nur den Parteien zu, die an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligt seien. Sie stehe nur gegenüber jener Behörde zu, die ein konkretes Verwaltungsverfahren führe. Bei der durch die Finanzpolizei durchgeführten Kontrolle handle es sich um eine die Antragstellerin individuell betreffende Maßnahme der Hoheitsverwaltung. Die Verweigerung der Akteneinsicht sei damit begründet worden, dass ein konkretes Verwaltungsverfahren, in dem die Akteneinsicht zu gewähren wäre, nicht vorliege, was jedoch nicht zutreffe. Der Bescheid sei daher aufzuheben. Die Revision wurde vom Bundesfinanzgericht zugelassen, weil es noch keine Rechtsprechung zur Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts zu Maßnahmenbeschwerden gegen das Amt für Betrugsbekämpfung gebe.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Amtes für Betrugsbekämpfung, das ausführt, dass die Zuständigkeit für die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht gelegen wäre. Dies würde sich schon aus einer verfassungskonformen Interpretation ergeben. Weiters fehle aber auch höchstgerichtliche Judikatur zum Verfahrensbegriff im Zusammenhang mit einer Verweigerung der Akteneinsicht bzw. weiche das Bundesfinanzgericht von bisheriger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage ab. Die Kontrollschritte der Finanzpolizei beträfen den Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bzw. dem ASVG, was bejahendenfalls zu einem Strafantrag bzw. einer Anzeige hätte führen können, welche in ein Verwaltungsverfahren einer anderen Behörde hätte münden können. Im Revisionsfall seien aber nicht einmal Beanstandungen im Hinblick auf eine Verwaltungsübertretung erfolgt.
7 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Zuständigkeit:
9 Artikel 130 Abs. 1 B-VG lautet:
„(1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.“
10 Art. 131 Abs. 3 B-VG lautet:
„(3) Das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen erkennt über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 3 in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.“
11 § 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) idF BGBl. I Nr. 104/2019 lautet:
„§ 1. (1) Dem Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen (Bundesfinanzgericht - BFG) obliegen Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 3 B-VG in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.
(3) Zu den sonstigen Angelegenheiten (Abs. 1) gehören
1. Angelegenheiten der Beiträge an öffentliche Fonds oder an Körperschaften des öffentlichen Rechts, die nicht Gebietskörperschaften sind, soweit diese Beiträge durch Abgabenbehörden des Bundes (Abs. 2) zu erheben sind,
2. Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen Abgabenbehörden des Bundes oder das Amt für Betrugsbekämpfung, soweit nicht Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (Abs. 1) oder der Beiträge (Z 1) betroffen sind,
3. Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 2a B-VG von Personen, die durch das Bundesfinanzgericht in Ausübung seiner gerichtlichen Zuständigkeiten in ihren Rechten gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. Nr. L 119 vom S. 1 (im Folgenden: DSGVO), verletzt zu sein behaupten,
4. Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens des Bundesministers für Finanzen oder dessen bevollmächtigten Vertreters in Vollziehung des EU-Besteuerungsstreitbeilegungsgesetzes - EU-BStbG, BGBl. I Nr. 62/2019,
5. Benennungen einer unabhängigen Person und deren Stellvertreterin bzw. Stellvertreter gemäß § 42 EU-BStbG.“
12 § 58 Abs. 1 FinStrG lautet:
“§ 58. (1) Zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens sind zuständig:
a) für Finanzvergehen, die bei oder im Zusammenhang mit der Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Waren begangen werden sowie für Abgabenhehlerei und Monopolhehlerei, und für Finanzvergehen, durch welche sonst Abgaben- oder Monopolvorschriften oder andere Rechtsvorschriften, deren Handhabung der Zollverwaltung oder ihren Organen obliegt, verletzt werden, das Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde;
b) für alle übrigen Finanzvergehen das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde;
c) in den Fällen des § 52 jene Finanzstrafbehörde, die für die Verfolgung des dem Berauschten nicht zurechenbaren Finanzvergehens zuständig wäre.
Dem Vorstand der Finanzstrafbehörde obliegt die Erstellung der jeweiligen Geschäftsverteilung. Diese ist auf der Internet-Seite des Bundesministeriums für Finanzen zu veröffentlichen.“
13 Die § 2 und 3 des Bundesgesetzes über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung (ABBG) in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung lauteten:
„Organisation
§ 2. (1) Die Leitung des Amtes für Betrugsbekämpfung erfolgt durch den Vorstand. Ihm obliegt insbesondere die organisatorische, personelle, wirtschaftliche und finanzielle Leitung.
(2) Dem Vorstand können für die dienstliche und fachliche Leitung Geschäftsbereichsleiter zur Seite gestellt werden. Einer der Geschäftsbereichsleiter hat im Fall der Verhinderung des Vorstandes dessen Aufgaben als sein Stellvertreter wahrzunehmen. Das Amt für Betrugsbekämpfung besteht aus folgenden Geschäftsbereichen:
1. Finanzstrafsachen
2. Finanzpolizei
3. Steuerfahndung
4. Zentralstelle Internationale Zusammenarbeit
(3) Im Amt für Betrugsbekämpfung ist weiters
1. eine Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz des Amtes für Betrugsbekämpfung (Zentrale Koordinationsstelle), welcher die Wahrnehmung der im Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 und im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz - LSD-BG, BGBl. I Nr. 44/2016 zugewiesenen Aufgaben obliegt sowie
2. ein Daten-, Informations- und Aufbereitungscenter (DIAC) insbesondere zur Wahrnehmung der Aufgaben gemäß § 82 Abs. 9 Kraftfahrgesetz 1967 - KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967, einzurichten.
(4) Organe des Amtes für Betrugsbekämpfung werden in nachstehenden Fällen jeweils als Organ der zuständigen Abgabenbehörde tätig:
1. bei Erfüllung finanzpolizeilicher Aufgaben gemäß § 3 Z 2 lit. a bis c,
2. bei Erfüllung von Aufgaben der Steuerfahndung gemäß § 3 Z 3 lit. g und h und
3. bei Erfüllung von Aufgaben der Zentralstelle Internationale Zusammenarbeit gemäß § 3 Z 4 lit. a, sofern diese Aufgaben nicht dem Bundesminister für Finanzen vorbehalten sind.“
„Aufgaben
§ 3. Dem Amt für Betrugsbekämpfung obliegt insbesondere
1. im Geschäftsbereich Finanzstrafsachen
a) die Durchführung von Finanzstrafverfahren nach dem Finanzstrafgesetz - FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958,
b) die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten im Dienste der Strafrechtspflege gemäß § 196 Abs. 1 FinStrG,
c) die Wahrnehmung der Privatbeteiligtenstellung und sonstiger Aufgaben und Befugnisse gemäß §§ 195 bis 245 FinStrG,
d) die Einhebung, Sicherung, Einbringung sowie der Vollzug der nach dem FinStrG verhängten Geld- und Freiheitsstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) sowie
e) die internationale Amts- und Rechtshilfe in Finanzstrafsachen
soweit diese Aufgaben mit Ausnahme der lit. b nicht gemäß § 53 FinStrG in die Zuständigkeit der Gerichte fallen oder gemäß § 58 Abs. 1 lit. a FinStrG vom Zollamt Österreich zu vollziehen sind;
2. im Geschäftsbereich Finanzpolizei
a) die Wahrnehmung von allgemeinen Aufsichtsmaßnahmen gemäß §§ 143 f der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961,
b) die Durchführung von Ermittlungshandlungen für Zwecke der Verhinderung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen gegen die von den Finanzämtern zu vollziehenden Rechtsvorschriften sowie die in diesen Rechtsvorschriften vorgesehene Durchführung von Maßnahmen bei Gefahr in Verzug,
c) die Durchführung von Abgabensicherungsmaßnahmen nach den Vorschriften der BAO und der Abgabenexekutionsordnung - AbgEO, BGBl. Nr. 104/1949, bei Gefahr im Verzug,
d) die Durchführung von Maßnahmen zur Sicherung und Einbringung von nach dem FinStrG verhängten Geldstrafen,
e) die Vollziehung anderer durch unmittelbar anwendbares Recht der Europäischen Union oder Bundesgesetz außerhalb der Abgabenvorschriften dem Amt für Betrugsbekämpfung oder dessen Organen übertragenen Aufgaben,
f) die Vollziehung der im AuslBG und im LSD-BG der Zentralen Koordinationsstelle im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 übertragenen Aufgaben,
g) die Vollziehung der in § 82 Abs. 9 KFG 1967 dem Daten-, Informations- und Aufbereitungscenter übertragenen Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 2,
h) die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten im Dienste der Strafrechtspflege gemäß § 6 des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes - SBBG, BGBl. I Nr. 113/2015 sowie die Vornahme von Maßnahmen gegen Scheinunternehmen gemäß § 8 SBBG;
3. im Geschäftsbereich Steuerfahndung
a) die Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahmen nach den Bestimmungen des FinStrG,
b) die Erstellung von in § 100 StPO vorgesehenen Berichten an die Staatsanwaltschaft,
c) die Auswertung und Analyse von Beweismitteln und Daten sowie die forensische Datensicherung,
d) die Vornahme von oder die Mitwirkung an gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG angeordneten Prüfungsmaßnahmen,
e) die Vertretung vor Gericht als Privatbeteiligtenvertreter,
f) die Erledigung von Amts- und Rechtshilfeersuchen in Finanzstrafsachen, soweit diese nicht in die Zuständigkeit des Zollamtes Österreich fallen,
g) die Durchführung von Ermittlungshandlungen für Zwecke der Verhinderung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen gegen die von den Finanzämtern zu vollziehenden Rechtsvorschriften,
h) die Durchführung von Abgabensicherungsmaßnahmen nach den Vorschriften der BAO und der AbgEO bei Gefahr im Verzug sowie
4. im Geschäftsbereich Zentralstelle Internationale Zusammenarbeit die Wahrnehmung der sich aus gesetzlichen Vorschriften, unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Union oder völkerrechtlichen Vereinbarungen ergebenden Aufgaben, soweit diese nicht den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden obliegen,
a) als Central Liaison Office die Durchführung der internationalen Amts- und Rechtshilfe in Abgabensachen,
b) als Competence Center for International Cooperation in Fiscal Criminal Investigations (CC ICFI) die Durchführung der internationalen Amts- und Rechtshilfe in Finanzstrafsachen sowie
c) im Rahmen von EUROFISC nach den Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABl. Nr. L 268 vom S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2018/1909, ABl. Nr. L 311 vom S. 1.“
14 § 49 BAO idF BGBl. I Nr. 99/2020 lautet:
„§ 49. Die Bundesfinanzverwaltung besteht aus
1. den Abgabenbehörden des Bundes, nämlich:
a) dem Bundesminister für Finanzen,
b) den Finanzämtern, und zwar
– dem Finanzamt Österreich und
– dem Finanzamt für Großbetriebe und
c) dem Zollamt Österreich;
2. dem Amt für Betrugsbekämpfung,
3. den Zentralen Services und
4. dem Prüfdienst für Lohnabgaben und Beiträge.“
15 Art. 131 Abs. 3 B-VG in der hier anwendbaren Fassung wurde durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, eingeführt. Die Bestimmung sieht eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts neben den Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben und des Finanzstrafrechts auch für Beschwerden in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten vor, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.
16 Das Amt für Betrugsbekämpfung ist gemäß § 49 BAO keine Abgabenbehörde. Das Bundesfinanzgericht kann somit nur dann für Maßnahmenbeschwerden in Angelegenheiten außerhalb des Abgabenrechts zuständig sein, wenn es sich bei dem Amt für Betrugsbekämpfung um eine Finanzstrafbehörde im Sinne des Art. 131 Abs. 3 B-VG handelt.
17 Im Jahr 2014 gab es keine eigenen Finanzstrafbehörden des Bundes; gemäß § 58 FinStrG iVm § 29 AVOG waren die Zollämter und Finanzämter auch als Finanzstrafbehörden zuständig für die Durchführung der Finanzstrafverfahren.
18 Der Verfassungsgesetzgeber ist bei seiner Regelung der Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts somit davon ausgegangen, dass als Finanzstrafbehörden im Sinne des Art. 131 Abs. 3 B-VG jene Behörden zu verstehen sind, die nach dem Finanzstrafgesetz als Finanzstrafbehörden tätig waren.
19 Eine Betrauung der Abgaben- und Finanzstrafbehörden des Bundes mit der Besorgung von anderen Angelegenheiten als jenen der öffentlichen Abgaben und des Finanzstrafrechtes war und ist im Rahmen der allgemeinen Kompetenzverteilung möglich (vgl. Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Art. 131 B-VG, Rz 41). Eine derartige Betrauung führt nicht dazu, dass eine Abgabenbehörde oder eine Finanzstrafbehörde ihre Eigenschaft als eine solche im Sinne des Art. 131 Abs. 3 B-VG verliert.
20 Mit dem Finanz-Organisationsreformgesetz - FORG, BGBl. I Nr. 104/2019, wurde das AVOG aufgehoben, ein Amt für Betrugsbekämpfung eingerichtet und unter anderem die Organisation der Finanzstrafbehörden neu geregelt. Anstelle der Finanzämter ist nun gemäß § 58 FinStrG das Amt für Betrugsbekämpfung - neben dem Zollamt Österreich - als Finanzstrafbehörde tätig.
21 Das Amt für Betrugsbekämpfung ist somit eine Finanzstrafbehörde im Sinne des Art. 131 Abs. 3 B-VG (vgl. auch Ziniel in Korinek/Holoubek, B-VG17, Art. 131/3, Rz 20), unabhängig davon, ob es auch mit der Besorgung anderer Angelegenheiten als denen des Finanzstrafrechtes betraut wurde. § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG konnte daher - verfassungsrechtlich zulässig - eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts auch in jenen Fällen vorsehen, in denen das Amt für Betrugsbekämpfung Aufgaben außerhalb des Finanzstrafrechtes besorgt.
22 § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG legt eine Zuständigkeit für Maßnahmenbeschwerden gegen Maßnahmen des Amtes für Betrugsbekämpfung in jenen Fällen vor, in denen nicht Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (Abs. 1) oder der Beiträge (Z 1) betroffen sind. Davon umfasst ist somit etwa die im Revisionsfall vorliegende Kontrolle im Sinne des AuslBG und des ASVG.
23 Hinsichtlich der Kontrolle gemäß § 89 Abs. 3 EStG 1988, die im Rahmen von Aufsichtsmaßnahmen nach § 143 BAO erfolgt, ist schon deshalb eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts gegeben, weil diesfalls die Organe des Amtes für Betrugsbekämpfung gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 iVm § 3 Z 2 lit. a ABBG als Organe der zuständigen Abgabenbehörde tätig sind.
24 Das Bundesfinanzgericht war somit für die Erledigung der Beschwerde im Revisionsfall zuständig.
25 Wenn die Amtsrevision dazu noch vorbringt, dass in § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG nur Maßnahmenbeschwerden erfasst sind und die Subsumierung einer Akteneinsicht unter diese Bestimmung dem Gesetz widerspreche, ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/13/0062 zu verweisen, in dem dieser bereits ausgesprochen hat, dass eine Akteneinsicht, die im Zusammenhang mit einer ordnungspolitischen Maßnahme steht, gegen die beim Bundesfinanzgericht Beschwerde erhoben werden kann, ebenfalls unter § 1 Abs. 3 Z 2 BFGG fällt.
In der Sache:
26 Begründet ist die Revision allerdings mit ihrem Vorbringen, es liege im Revisionsfall kein Verfahren vor, bei dem das Amt für Betrugsbekämpfung Akteneinsicht hätte gewähren müssen.
27 Das Recht zur Akteneinsicht steht nur den Parteien zu, die an einem bestimmten Verwaltungsverfahren beteiligt sind. Es steht nur gegenüber jener Behörde zu, die ein konkretes Verwaltungsverfahren führt (vgl. , mwN).
28 Damit ein Verfahren als behördliches Verfahren qualifiziert werden kann, in dem gegebenenfalls Akteneinsicht zu gewähren ist, muss es individuelle Verwaltungsakte der Hoheitsverwaltung zum Gegenstand haben. Schritte, die lediglich die Einleitung eines behördlichen Verfahrens (durch eine andere Behörde) anregen sollen, können eine Akteneinsicht nicht begründen (vgl. ). Ein Verfahren, welches der Behörde Sachverhaltsgrundlagen zur Prüfung der Frage liefern soll, ob sie bescheidförmige Maßnahmen zu setzen hat oder aber ob solche zu unterbleiben haben, ist hingegen ein derartiges behördliches Verfahren (vgl. und 0022, VwSlg. 17639/A).
29 Die Kontrollhandlung vom diente der Prüfung der Frage, ob Bestimmungen des AuslBG oder des ASVG eingehalten wurden. Dabei handelte es sich um Nachforschungen oder vorbereitende Anordnungen im Hinblick auf nach diesen Bestimmungen allenfalls zu führende Verfahren anderer Behörden. Vom Amt für Betrugsbekämpfung waren in dem Zusammenhang keine Bescheide zu erlassen, es hatte vielmehr gegebenenfalls Anzeige an die zuständige Behörde (Verwaltungsstrafbehörde) zu erstatten. § 17 AVG erfordert ein bei der Behörde geführtes Verwaltungsverfahren. Ein solches liegt beim revisionsgegenständlichen verfahrensfreien Verwaltungsakt nicht vor.
30 Das Amt für Betrugsbekämpfung hat somit zu Recht den auf § 17 AVG gestützten Antrag auf Akteneinsicht abgewiesen.
31 Das Bundesfinanzgericht hat sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtwidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RO2022130013.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAF-46699