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VwGH 23.02.2023, Ro 2022/11/0011

VwGH 23.02.2023, Ro 2022/11/0011

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §1 Abs1
BEinstG §9 Abs1
SMSG 2002 §1 Abs1
RS 1
§ 9 Abs. 1 BEinstG regelt die sachliche Zuständigkeit zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe mittels Bescheides. Zuständig ist das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, welches gemäß § 1 Abs. 1 SMSG 2002 die Kurzbezeichnung "Sozialministeriumservice" trägt. Bei dieser Zuständigkeit handelt es sich, wie sich aus der Rechtsform Bescheid ergibt, um eine behördliche Aufgabe. Schon die Festlegung der sachlichen Zuständigkeit im Materiengesetz nimmt nicht Bezug auf die Landesstellen des Sozialministeriumservice, sondern nennt das "Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen" als zuständige Behörde.
Normen
BEinstG §12 Abs1
BEinstG §13 Abs4
BEinstG §8 Abs2
BEinstG §9 Abs1
SMSG 2002
RS 2
Dass das BEinstG begrifflich zwischen dem Sozialministeriumservice und dessen Landesstellen differenziert, wenn es letzteren Aufgaben zuweist, zeigt sich - wenn auch nicht hinsichtlich der Begründung behördlicher Zuständigkeiten, sondern hinsichtlich der Einrichtung eines administrativen Hilfsapparates - in Zusammenhang mit der Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten. Diese obliegt gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG dem Behindertenausschuss (vgl. = VwSlg. 13.385 A). Gemäß § 12 Abs. 1 BEinstG wird ein solcher Ausschuss "bei jeder Landesstelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen" errichtet, wobei die Landesstelle gemäß § 13 Abs. 4 BEinstG der Büroapparat des Behindertenausschusses ist (vgl. ). Aus dem BEinstG ergibt sich somit keine behördliche Zuständigkeit der Landesstellen des Sozialministeriumservice zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe.
Normen
BEinstG §9 Abs1
SMSG 2002 §10 Abs1
SMSG 2002 §2 Abs1
RS 3
Gemäß § 2 Abs. 1 SMSG 2002 obliegen dem Sozialministeriumservice die Aufgaben und Befugnisse, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes von den Bundesämtern für Soziales und Behindertenwesen wahrgenommen wurden. Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob es sich dabei um eine normativ eigenständige Zuständigkeitsregelung handelt (vgl. zum Ineinandergreifen von Organisation und Materie VfSlg. 8466/1978, 527 f.), weil im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Sozialministeriumservicegesetzes mit (§ 10 Abs. 1 SMSG 2002) gemäß § 9 Abs. 1 BEinstG idF BGBl. I Nr. 60/2001 ohnedies eine Zuständigkeit des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe bestand.
Normen
BEinstG §9 Abs1
SMSG 2002 §4
SMSG 2002 §5
SMSG 2002 §5 Abs2 Z3
RS 4
Keine der in §§ 4 uns 5 SMSG 2002 aufgezählten Aufgaben begründen eine Zuständigkeit zur Erlassung eines Bescheides, mit welchem die Entrichtung einer Ausgleichstaxe iSd. § 9 BEinstG vorgeschrieben wird. Dies gilt insbesondere auch für die Zuweisung der "Führung der laufenden Geschäfte" zum Landesstellenleiter/zur Landesstellenleiterin in § 5 Abs. 2 Z 3 SMSG 2002, wie sich anhand der beispielhaften Nennung ("wie zB") der Organisation der ärztlichen Begutachtung zeigt.
Normen
B-VG Art77 Abs1
SMSG 2002 §1 Abs1
SMSG 2002 §10 Abs2
VwRallg
RS 5
§ 1 Abs. 1 SMSG 2002 richtet das Sozialministeriumservice als monokratisches Organ mit bundesweiter (örtlicher) Zuständigkeit ein, welches - als unterstelltes Amt iSd. Art. 77 Abs. 1 B-VG - unmittelbar dem zuständigen Bundesminister nachgeordnet ist (vgl. RV 1142 BlgNR 21. GP 4: "mit Zuständigkeit für das gesamte Bundesgebiet; "nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums"). Gleichzeitig wurden die bisherigen sieben Landesstellen aufgelöst (vgl. § 10 Abs. 2 zweiter Satz SMSG 2002). Die Gesetzesmaterialien betonen, dass dadurch, eine Organisationsreform umsetzend, das Sozialministeriumservice an die Stelle der bisherigen Landesstellen getreten ist, welche im Sozialministeriumservice als nunmehr einzigem Organ - "der neuen Behörde" - zusammengeführt wurden (vgl. RV 1142 BlgNR 21. GP 1, 4: "Zusammenführung von sieben Bundessozialämtern in eine Organisationseinheit"; aaO 4: "eine Organisationseinheit").
Normen
SMSG 2002 §2 Abs4
VwRallg
RS 6
Bei den Landesstellen handelt es sich um interne Organisationseinheiten des monokratischen Organs Sozialministeriumservice. Dies legt schon der Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 4 SMSG 2002 nahe, nach welchem sich das Sozialministeriumservice bei Erfüllung seiner Aufgaben "der Landesstellen zu bedienen hat", was terminologisch eine Eigenschaft vergleichbar derjenigen eines Geschäftsapparats zum Ausdruck bringt. Die Gesetzesmaterialien betonen, dass die Landesstellen "als Dienststellen anzusehen" sind, womit ihre unselbständige Stellung gegenüber dem Sozialministeriumservice als der "einen Organisationseinheit" (RV 1142 BlgNR 21. GP 4) hervorgehoben wird.
Normen
AVG §13 Abs1
AVG §3
SMSG 2002 §1
SMSG 2002 §2
VwRallg
RS 7
Dass dem SMSG 2002 die Vorstellung vom Sozialministeriumservice als einzigem (behördlichem) Organ zu Grunde liegt, zeigt sich auch anhand jener Ausführungen in den Gesetzesmaterialien, nach denen jeder Antrag als richtig eingebracht gelte, wenn er "bei irgendeiner Dienststelle" eingebracht wird (RV 1142 BlgNR 21. GP 6). Anbringen können nämlich gemäß § 13 Abs. 1 AVG nur bei der (sachlich und örtlich zuständigen) Behörde rechtskonform eingebracht werden, weswegen auch die Einbringung bei einer Landesstelle, welcher - nach den Kriterien des § 3 AVG über die örtliche Zuständigkeit - die Behandlung des Anbringens nicht zukäme, eine Einbringung bei der zuständigen Behörde, dem Sozialministeriumservice, darstellt.
Normen
SMSG 2002 §4
SMSG 2002 §5
VwRallg
RS 8
Bei der Aufgabenverteilung zwischen dem Amtsleiter/der Amtsleiterin und den Landesstellenleitern/Landesstellenleiterinnen gemäß den §§ 4 und 5 SMSG 2002 handelt es sich lediglich um eine organisationsinterne Regelung, welche - wie hier - in der Rechtsform eines Gesetzes ergehen kann, aber nicht muss. Dass die Landesstellenleiter/Landesstellenleiterinnen ihre Aufgaben nach den Gesetzesmaterialien "eigenständig und eigenverantwortlich" wahrnehmen sollen (RV 1142 BlgNR 21. GP 5), lässt noch nicht den Schluss zu, dass die Landesstellen die dem Sozialministeriumservice gesetzlich übertragenen Aufgaben als zuständige Behörden zu besorgen hätten. Ein solches Ergebnis scheidet vielmehr angesichts des klaren Befundes, welcher sich aus dem Gesetzeswortlaut und den übrigen Gesetzesmaterialien ergibt, aus.
Normen
BEinstG §9 Abs1
SMSG 2002 §4
SMSG 2002 §5
RS 9
Behördliche Aufgaben, welche durch die Materiengesetzgebung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bzw. dem Sozialministeriumservice - und nicht ausdrücklich seinen Landesstellen - übertragen werden, sind solche dieses Organs und nicht seiner Landesstellen. Die zuständige Behörde zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe gemäß § 9 Abs. 1 BEinstG ist somit das Sozialministeriumservice und nicht eine seiner Landesstellen.
Normen
AVG §1
SMSG 2002 §1
SMSG 2002 §2
SMSG 2002 §4
SMSG 2002 §5
RS 10
Dass eine Dienststelle des Sozialministeriumservice allenfalls die einer anderen Dienststelle zukommende Aufgabe versehen hat, ist angesichts der einheitlichen Behördeneigenschaft des Sozialministeriumservice nicht eine Frage der behördlichen Zuständigkeit, sondern nur eine Frage der inneren Gliederung, der nach außen keine rechtliche Bedeutung zukommt. Eine Unzuständigkeit der vor dem VwG belangten Behörde lag somit nicht vor (vgl. , zum Magistrat der Stadt Wien).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätinnen Dr. Pollak, Mag. Hainz-Sator und MMag. Ginthör sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) in 1010 Wien, Babenbergerstraße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. L501 2245266-1/4E, betreffend Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe nach dem BEinstG (mitbeteiligte Partei: S GmbH in R, vertreten durch die Weinhäupl Edtbauer Tremel Anwälte GmbH in 4910 Ried im Innkreis, Rossmarkt 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag des Revisionswerbers auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit (Vorstellungs-)Bescheid vom schrieb die belangte Behörde (der nunmehrige Revisionswerber) der Mitbeteiligten für das Kalenderjahr 2020 gemäß § 9 Behinderteneinstellungsgesetz - BEinstG die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in näher bestimmter Höhe vor.

2 1.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Verwaltungsgericht, in Stattgabe einer Beschwerde der Mitbeteiligten, diesen Bescheid „ersatzlos“ auf und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

3 Das Verwaltungsgericht stellte zusammengefasst fest, der Bescheid weise im Kopf das „Sozialministeriumservice“, „BASB Landesstelle Wien“, als bescheiderlassende Behörde aus. Die Fertigungsklausel laute „Für die Landesstellenleitung“. Der Bescheid sei mit einer Amtssignatur versehen, welche einen Hinweis auf das „Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Sozialministeriumservice“ als Verantwortlichen enthalte.

4 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, die Unzuständigkeit einer Behörde sei in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen.

5 Gemäß § 9 Abs. 1 BEinstG sei zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen sachlich zuständig. Aus dem Sozialministeriumservicegesetz - SMSG und den dazugehörigen Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass dem Amtsleiter/der Amtsleiterin zwar die Leitung des für das gesamte Bundesgebiet zuständigen Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) obliege, dieser/diese jedoch nicht zur Wahrnehmung der gesetzlich den Landesstellenleitern/Landesstellenleiterinnen zugewiesenen Aufgaben befugt sei. Die bescheidmäßige Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe zähle nicht zu den in § 4 SMSG dem Amtsleiter/der Amtsleiterin vorbehaltenen Aufgaben, sodass die Besorgung dieser Aufgaben gemäß § 5 SMSG in die Zuständigkeit des Landesstellenleiters/der Landesstellenleiterin falle.

6 Da das Unternehmen der Mitbeteiligten in R betrieben werde, ergebe sich gemäß § 3 Z 2 AVG eine Zuständigkeit der Landesstellenleiterin der Landesstelle Oberösterreich des Sozialministeriumservice. Der gegenständliche Bescheid sei jedoch von der Landesstelle Wien des Sozialministeriumservice erlassen worden. Die Zuständigkeit dieser Landesstelle zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe auch für den Bereich eines Bundeslandes, in dem gemäß § 5 Abs. 2 SMSG grundsätzlich eine andere Landesstelle zuständig sei, könne nur im Wege einer Übertragung gemäß § 6 SMSG durch den zuständigen Bundesminister begründet werden. Eine Übertragung von Aufgaben wie hier der Angelegenheiten der Ausgleichstaxe an die Landesstelle Wien sei jedoch nicht ersichtlich.

7 Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes müsse es sich bei Regelungen über die Änderung behördlicher Zuständigkeiten um eine Rechtsverordnung handeln, was auch für eine Übertragung von Zuständigkeiten nach § 6 SMSG gelte.

8 Da eine (gehörig kundgemachte) Verordnung des zuständigen Bundesministers zur Übertragung der Zuständigkeit zur Vorschreibung der Ausgleichstaxe an die Landesstelle Wien des Sozialministeriumservice nicht vorliege, sei im vorliegenden Fall gemäß § 5 Abs. 2 SMSG die Landesstelle Oberösterreich sachlich und örtlich zur Bescheiderlassung zuständig gewesen, weswegen der angefochtene Bescheid von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei.

9 Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob die Übertragung bestimmter Aufgaben an eine oder mehrere Landesstellen des Sozialministeriumservice gemäß § 6 SMSG durch Erlassung einer Verordnung des zuständigen Bundesministers zu erfolgen habe.

10 1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 2.1. § 9 Behinderteneinstellungsgesetz - BEinstG, BGBl. Nr. 22/1970 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, lautet (auszugsweise):

„Ausgleichstaxe

§ 9. (1) Vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ist die Entrichtung einer Ausgleichstaxe alljährlich für das jeweils abgelaufene Kalenderjahr mittels Bescheides vorzuschreiben, wenn die Beschäftigungspflicht nicht erfüllt ist.

...“

12 2.2.1. Das Sozialministeriumservicegesetz - SMSG, BGBl. I Nr. 150/2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 62/2018, lautet (auszugsweise):

„Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen

§ 1. (1) Zur Besorgung der im § 2 angeführten Aufgaben wird ein Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) mit Sitz in Wien errichtet. Das Sozialministeriumservice ist eine dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz unmittelbar nachgeordnete Dienstbehörde.

(2) In der Landeshauptstadt eines jeden Bundeslandes ist eine Landesstelle einzurichten. Außenstellen können mit Zustimmung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen eingerichtet werden, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben zweckmäßig ist.

Unmittelbare Bundesverwaltung

§ 1a.(Verfassungsbestimmung) Soweit durch Bundesgesetz eine Zuständigkeit des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vorgesehen ist, können diese Angelegenheiten in unmittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden.

Aufgaben

§ 2. (1) Dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen obliegen die Aufgaben und Befugnisse, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes von den Bundesämtern für Soziales und Behindertenwesen (BGBl. Nr. 314/1994) wahrgenommen werden.

(2) Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen tritt in alle Rechte und Pflichten der Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen zum jeweiligen Wirksamkeitszeitpunkt ein; insbesondere sind offene Verfahren fortzuführen.

(3) Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat das Schlichtungsverfahren gemäß §§ 14 ff des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes (BGStG), BGBl. I Nr. 82/2005, durchzuführen.

(4) Bei der Erfüllung dieser Aufgaben hat sich das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 4 und 5 der Landesstellen zu bedienen.

...

Leitung

§ 3. (1) Die Leitung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen obliegt dem Amtsleiter/der Amtsleiterin, die Leitung der Landesstellen jeweils einem Landesstellenleiter/einer Landesstellenleiterin.

...

Aufgaben des Amtsleiters/der Amtsleiterin

§ 4. (1) Der Amtsleiter/Die Amtsleiterin hat jene Angelegenheiten zu koordinieren, die über den Bereich eines Bundeslandes hinaus gehen oder hinsichtlich derer eine gesamtösterreichisch einheitliche Vorgangsweise erforderlich ist.

(2) Der Amtsleiter/Die Amtsleiterin hat zu sorgen für

1. die einheitliche Umsetzung der Zielvorgaben des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen,

2. die Koordination und Sicherstellung eines einheitlichen Vorgehens der Landesstellen unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten,

3. die Voraussetzungen zur Aufgabenerfüllung durch geeignete organisatorische und personelle Maßnahmen und die Erstattung von Vorschlägen hinsichtlich der personellen und finanziellen Ressourcen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen,

4. Maßnahmen der Qualitätssicherung.

Aufgaben des Landesstellenleiters/der Landesstellenleiterin

§ 5. (1) Die Aufgaben gemäß § 2 obliegen dem Landesstellenleiter/der Landesstellenleiterin, soweit sie nicht gemäß § 4 dem Amtsleiter/der Amtsleiterin vorbehalten sind.

(2) Dem Landesstellenleiter/Der Landesstellenleiterin obliegen im jeweiligen Bundesland insbesondere die folgenden Aufgaben:

1. Koordinierung der Maßnahmen der Landesstelle mit Tätigkeiten der Gebietskörperschaften, Interessenvertretungen und sonstiger Einrichtungen,

2. eigenständige Planung, Erarbeitung und Umsetzung von regionalen arbeitsmarktpolitischen Programmen für behinderte Menschen einschließlich des eigenverantwortlichen Abschlusses entsprechender Verträge,

3. Führung der laufenden Geschäfte wie zB die Organisation der ärztlichen Begutachtung,

4. Vertretung der Landesstelle nach außen,

5. Wahrnehmung der Aufgaben im Zusammenhang mit dem laufenden Betrieb von Integrativen Betrieben im Sinne des § 11 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970,

6. Wahrnehmung der Aufgaben im Zusammenhang mit den Schlichtungsverfahren gemäß §§ 14 ff BGStG.

Übertragung von Aufgaben

§ 6. Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen kann die Besorgung bestimmter Aufgaben an eine oder mehrere Landesstellen übertragen, sofern dies aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis geboten ist.

...

Bezugnahmen in anderen Bundesgesetzen

§ 9. (1) Soweit in anderen Rechtsvorschriften auf die Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen oder auf ein bestimmtes Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Bezug genommen wird, gilt dies als Bezugnahme auf das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Sinne dieses Bundesgesetzes. Soweit in anderen Bundesgesetzen die Bezeichnung „Bundessozialamt“ in der jeweiligen Endungsform oder „BSB“ enthalten ist, tritt an deren Stelle die Bezeichnung „Sozialministeriumservice“.

...

In-Kraft-Treten

§ 10.

(1) Dieses Bundesgesetz tritt mit in Kraft.

(2) Das Bundesgesetz über die Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen (Art. 33 des Arbeitsmarktservice-Begleitgesetzes, BGBl. Nr. 314/1994) wird mit In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes aufgehoben. Die Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien Niederösterreich Burgenland werden mit diesem Zeitpunkt aufgelöst.

...“

13 2.2.2. In den Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des SMSG wird Folgendes ausgeführt (RV 1142 BlgNR XXI. GP 1 ff):

„Vorblatt

...

Inhalt:

Zusammenführung von sieben Bundessozialämtern in eine Organisationseinheit; weitere Regionalisierung durch neue Landesgeschäftsstellen in Niederösterreich und Burgenland.

...

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

...

Nach den Ergebnissen des Reformdialoges der Bundesregierung vom  sollen künftig zur Optimierung der Effizienz die sieben Bundessozialämter in einer Organisationseinheit zusammengefasst werden, wobei für alle Länder eigenständige Landesstellen vorgesehen sind. Im Zuge der Neuordnung sollen Geschäftsfelder, die derzeit alle Bundessozialämter wahrnehmen, die aber durch eine Organisationseinheit effizienter und kostengünstiger durchgeführt werden können, in Zukunft in einer Landesstelle zusammengefasst werden (zB Rentenbemessungen, Hereinbringung von Ausgleichstaxen). Bei den Landesstellen sollen alle Agenden verbleiben, die für eine optimale Betreuung der behinderten Bürger erforderlich sind.

...

Besonderer Teil

Zu Art. 1 § 1 BSAG:

Im Zuge der Verwaltungsreform der Bundesregierung wurde auch die Organisationsstruktur der sieben Bundessozialämter eingehend durchleuchtet. Als Ergebnis soll nunmehr anstelle der bisherigen sieben Ämter eine Organisationseinheit, nämlich das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen mit Zuständigkeit für das gesamte Bundesgebiet errichtet werden. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ist eine nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen. Um eine bürgerfreundliche und kundennahe Verwaltung sicherzustellen, ist in jedem Bundesland - in Erweiterung zur bisherigen Situation also auch in Niederösterreich und dem Burgenland - eine eigene Landesstelle vorgesehen. Die Landesstellen sind als Dienststellen anzusehen. Der Grundsatz der Regionalisierung soll auch durch die Möglichkeit Außenstellen einzurichten, die organisatorisch der jeweiligen Landesstelle eines Bundeslandes zugehören, unterstrichen werden.

Eine weitere Konsequenz dieser organisatorischen Änderungen ist es, dass an die Stelle der Funktionen von sieben Amts- und vier Gruppenleitungen (davon eine in Personalunion) in den Bundessozialämtern künftig neun Landesstellenleitungen und eine Amtsleitung (diese in Personalunion) des Bundessozialamtes treten, wodurch eine Leitungsfunktion eingespart wird.

Zu Art. 1 § 2 BSAG:

Derzeit obliegen den Bundessozialämtern insbesondere folgende Aufgaben:

Vollziehung des sozialen Entschädigungsrechtes (zB Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, Heeresversorgungsgesetz, Impfschadengesetz, Verbrechensopfergesetz, Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz), des Bundespflegegeldgesetzes und der für die behinderten Menschen relevanten bundesgesetzlichen Vorschriften des Behinderteneinstellungsgesetzes und des Bundesbehindertengesetzes. Dazu zählen auch die Umsetzung von Fördermaßnahmen aus Mitteln des Ausgleichstaxfonds, des Europäischen Sozialfonds, des Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung und des Kriegsopfer- und Behindertenfonds sowie der „Behindertenmilliarde“. Diese Aufgaben gehen auf die neu errichtete Organisationseinheit über.

Mit Abs. 2 wird klargestellt, dass sämtliche Rechte und Pflichten einschließlich solcher, die sich aus privatrechtlichen Geschäften ergeben, von der neuen Behörde übernommen werden. Auch gerichtliche Verfahren sind fort zu führen.

...

Kernaufgabe des Bundessozialamtes ist es Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft zu integrieren und als zentrale Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung zu agieren sowie bundeseinheitliche Standards zu sichern. Bestimmte Kerngeschäfte, wie die berufliche Integration von Menschen mit Behinderung durch Individual- und Projektförderungen, die Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, das Kündigungsverfahren (Behindertenausschuss), die Beratung über behindertenspezifische Fragen sowie die medizinische Begutachtung sollen in allen Landesstellen vollzogen werden.

Zu Art. 1 § 3 BSAG:

Wie dem Aufgabenkatalog für den Amtsleiter/die Amtsleiterin in § 4 zu entnehmen ist, obliegt diesem die bundesweite Koordination und Steuerung der Umsetzung der Zielvorgaben des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen im Bereich der Behindertenpolitik. ...

Zu Art. 1 § 4 BSAG:

Die Aufgaben des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen umfassen im Wesentlichen Maßnahmen der Behindertenintegration und des sozialen Entschädigungsrechts. Die Durchführung dieser Agenden erfolgt auf der Grundlage der Zielvorgaben des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen, die beispielsweise in Form von behindertenpolitischen Arbeitsprogrammen, Richtlinien oder grundsätzlichen Erlässen ergehen. Die Umsetzung in den Landesstellen erfordert die Koordination durch den Amtsleiter/die Amtsleiterin um einen hohen Zielerreichungsgrad sicherzustellen. Dabei wird der Amtsleiter/die Amtsleiterin auf regionale Strukturen, die von den Landesstellen im Rahmen ihrer operativen Tätigkeit genutzt und mitgestaltet werden sollen, Rücksicht zu nehmen haben. So wird etwa bei Fördermaßnahmen zur beruflichen Eingliederung von Menschen mit einer Behinderung auf die Wirtschaftsstruktur des jeweiligen Bundeslandes Bedacht zu nehmen sein. Der Amtsleiter/Die Amtsleiterin hat somit eine Drehscheibenfunktion zwischen dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen und den Landesstellen, denen die Führung der laufenden Geschäfte obliegt, inne.

Um dieser Funktion gerecht zu werden, ist es erforderlich, entsprechende Vorschläge hinsichtlich der Finanz- und Personalplanung dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen zu unterbreiten. Es ist daher auch sinnvoll, dass zur Nutzung von Synergieeffekten bestimmte Aufgaben zentral für das gesamte Bundesamt erledigt werden. Dazu werden insbesondere zu zählen sein: Wirtschaftsverwaltung, EDV (Second Level Support)- und Finanzplanung, Qualitätssicherung sowie die laufende Effizienzüberprüfung innerorganisatorischer Abläufe. Diese Bereiche werden unmittelbar dem Amtsleiter/der Amtsleiterin unterstellt.

Dem Amtsleiter/Der Amtsleiterin wird nicht die Befugnis zur Ausübung eines haushaltsleitenden Organs übertragen. Die Zuständigkeiten und Aufgaben des bestehenden haushaltsleitenden Organs im Ressort bleiben deshalb von den gegenständlichen Organisationsänderungen unberührt.

Zu Art. 1 § 5 BSAG:

Im Rahmen der Vorgaben durch das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen und den Amtsleiter/die Amtsleiterin haben die Landesstellenleiter/Landesstellenleiterinnen eigenständig und eigenverantwortlich ihren operativen Aufgaben nachzugehen. Die Maßnahmen der Rehabilitation für Menschen mit Behinderung sind unter den einzelnen Trägern aufeinander abzustimmen (§ 2 des Bundesbehindertengesetzes). Es soll eine wesentliche Aufgabe der Landesstelle sein, im jeweiligen Bundesland für ein koordiniertes Vorgehen mit Land, Sozialversicherungsträgern, Arbeitsmarktservice sowie privaten Institutionen Sorge zu tragen. Da die Landesstellenleiter/Landesstellenleiterinnen die regionalen Gegebenheiten am Besten einzuschätzen vermögen, sollen sie auch eigenständig Planungsaufgaben wahrnehmen. Zu den Agenden in Konnex mit den Integrativen Betrieben gehören insbesondere die Abwicklung von Fördermaßnahmen sowie die Mitgliedschaft in dem gemäß § 11 Abs. 5 des Behinderteneinstellungsgesetzes eingerichteten Team zur Aufnahme von behinderten Menschen in einem Integrativen Betrieb. In manchen Bundesländern wird auch eine Aufgabe im Aufsichtsrat des Integrativen Betriebes wahrzunehmen sein.

Zu Art. 1 § 6 BSAG:

Die Bundessozialämter haben derzeit eine Reihe von Angelegenheiten zu vollziehen, die sehr hohe Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen. Dies bedingt insbesondere in den kleineren Ämtern einen hohen Fortbildungsaufwand und eine längere Verfahrensdauer vor allem in jenen Bereichen, die eine vergleichsweise geringe Fallzahl aufweisen wie etwa im Bereich der Versorgung von Verbrechensopfern. Mit der vorliegenden Regelung soll die Möglichkeit geschaffen werden, einzelne Materien bei einer oder mehreren Landesstellen zu konzentrieren. Dafür kämen beispielsweise die Rentenbemessung nach dem Heeresversorgungsgesetz, Regresse im Rahmen des sozialen Entschädigungsrechtes sowie die Vorschreibung und Hereinbringung der Ausgleichstaxe nach dem Behinderteneinstellungsgesetz in Betracht.

Im Hinblick darauf, dass es sich beim Bundessozialamt um eine österreichweit zuständige Behörde handelt, gilt jeder Antrag unter der Voraussetzung, dass es sich beim Bundessozialamt um die sachlich zuständige Behörde handelt, als richtig eingebracht, wenn er bei irgendeiner Dienststelle des Bundessozialamtes eingebracht wurde.

...

Zu Art. 1 § 10 BSAG:

Abs. 2 dient der Klarstellung, dass die Bundessozialämter (vormalige Landesinvalidenämter) nicht mehr existieren.

...“

14 3. Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage hinsichtlich der behördlichen Zuständigkeiten des Sozialministeriumservice zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe zulässig.

15 4. Sie ist auch begründet:

16 4.1. Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zu Grunde, der bei ihm angefochtene Bescheid sei von der Landesstelle Wien des Sozialministeriumservice erlassen worden. Rechtlich gelangte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass es sich dabei um eine unzuständige Behörde handle; zuständig wäre die Landesstelle Oberösterreich gewesen. Dieses Ergebnis stützte das Verwaltungsgericht auf die Auffassung, das Sozialministeriumservice sei zwar eine bundesweit zuständige Behörde, zuständig zur Erlassung des vorliegenden Bescheides sei jedoch der/die örtlich zuständige Landesstellenleiter/Landesstellenleiterin.

17 4.2. Diese Rechtsauffassung erweist sich als unzutreffend:

18 4.2.1. Gemäß § 1 AVG richtet sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Verwaltungsvorschriften.

19 4.2.2. § 9 Abs. 1 BEinstG regelt die sachliche Zuständigkeit zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe mittels Bescheides. Zuständig ist das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, welches gemäß § 1 Abs. 1 SMSG die Kurzbezeichnung „Sozialministeriumservice“ trägt. Bei dieser Zuständigkeit handelt es sich, wie sich aus der Rechtsform Bescheid ergibt, um eine behördliche Aufgabe.

20 Schon die Festlegung der sachlichen Zuständigkeit im Materiengesetz (vgl. dazu nur Hengstschläger/Leeb, AVG I2, 2014, § 1 Rn. 7 mwN) nimmt nicht Bezug auf die Landesstellen des Sozialministeriumservice, sondern nennt das „Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen“ als zuständige Behörde.

21 Dass das BEinstG begrifflich zwischen dem Sozialministeriumservice und dessen Landesstellen differenziert, wenn es letzteren Aufgaben zuweist, zeigt sich - wenn auch nicht hinsichtlich der Begründung behördlicher Zuständigkeiten, sondern hinsichtlich der Einrichtung eines administrativen Hilfsapparates - in Zusammenhang mit der Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten. Diese obliegt gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG dem Behindertenausschuss (vgl.  = VwSlg. 13.385 A). Gemäß § 12 Abs. 1 BEinstG wird ein solcher Ausschuss „bei jeder Landesstelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen“ errichtet, wobei die Landesstelle gemäß § 13 Abs. 4 BEinstG der Büroapparat des Behindertenausschusses ist (vgl. ).

22 Aus dem BEinstG ergibt sich somit keine behördliche Zuständigkeit der Landesstellen des Sozialministeriumservice zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe. Eine solche Zuständigkeit könnte sich nur, wovon das Verwaltungsgericht ausgeht, aus dem Sozialministeriumservicegesetz ergeben.

23 4.2.3. Auch dies ist aber nicht der Fall:

24 4.2.3.1. Gemäß § 2 Abs. 1 SMSG obliegen dem Sozialministeriumservice die Aufgaben und Befugnisse, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes von den Bundesämtern für Soziales und Behindertenwesen wahrgenommen wurden. Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob es sich dabei um eine normativ eigenständige Zuständigkeitsregelung handelt (vgl. zum Ineinandergreifen von Organisation und Materie VfSlg. 8466/1978, 527 f.), weil im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Sozialministeriumservicegesetzes mit (§ 10 Abs. 1 SMSG) gemäß § 9 Abs. 1 BEinstG idF BGBl. I Nr. 60/2001 ohnedies eine Zuständigkeit des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe bestand.

25 Gemäß § 1 Abs. 1 SMSG ist das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, welches die Kurzbezeichnung „Sozialministeriumservice“ führt, zur Besorgung der in § 2 angeführten Aufgaben mit Sitz in Wien errichtet. Das Sozialministeriumservice ist eine dem zuständigen Bundesminister (im Zeitpunkt der Bescheiderlassung: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) unmittelbar nachgeordnete Dienstbehörde. Seine Leitung obliegt gemäß § 3 Abs. 1 SMSG dem Amtsleiter/der Amtsleiterin.

26 Gemäß § 2 Abs. 4 SMSG hat sich das Sozialministeriumservice bei der Erfüllung der in § 2 genannten Aufgaben - somit auch bei der hier gegenständlichen Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe - nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 4 und 5 der Landesstellen zu bedienen.

27 Landesstellen sind gemäß § 1 Abs. 2 SMSG in der Landeshauptstadt eines jeden Bundeslandes einzurichten. Ihre Leitung obliegt gemäß § 3 Abs. 1 SMSG jeweils einem Landesstellenleiter/einer Landesstellenleiterin.

28 Die §§ 4 und 5 SMSG regeln die Aufgaben des Amtsleiters/der Amtsleiterin und des Landesstellenleiters/der Landesstellenleiterin in Form einer Generalklausel zugunsten der zuletzt Genannten (vgl. § 5 Abs. 1 SMSG). Dem Amtsleiter/der Amtsleiterin vorbehalten sind gemäß § 4 Abs. 1 SMSG die Koordination jener Angelegenheiten, die über den Bereich eines Bundeslandes hinausgehen oder hinsichtlich derer eine gesamtösterreichisch einheitliche Vorgangsweise erforderlich ist. § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 SMSG enthalten eine Aufzählung von Aufgaben des Amtsleiters/der Amtsleiterin einerseits und des Landesstellenleiters/der Landesstellenleiterin andererseits.

29 Keine der aufgezählten Aufgaben begründet jedoch eine Zuständigkeit zur Erlassung eines Bescheides, mit welchem die Entrichtung einer Ausgleichstaxe iSd. § 9 BEinstG vorgeschrieben wird. Dies gilt insbesondere auch für die Zuweisung der „Führung der laufenden Geschäfte“ zum Landesstellenleiter/zur Landesstellenleiterin in § 5 Abs. 2 Z 3 SMSG, wie sich anhand der beispielhaften Nennung („wie zB“) der Organisation der ärztlichen Begutachtung zeigt.

30 Gemäß § 6 SMSG kann der zuständige Bundesminister die Besorgung bestimmter Aufgaben an eine oder mehrere Landesstellen übertragen, sofern dies aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Einfachheit und Kostenersparnis geboten ist.

31 4.2.3.2. Das Verwaltungsgericht stützte seine Auffassung, zuständige Behörde zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe sei die (örtlich) zuständige Landesstelle, auf § 2 Abs. 4 SMSG, wonach sich das Sozialministeriumservice bei der Erfüllung seiner Aufgaben der Landesstellen zu bedienen habe, auf die Aufgabenverteilung zwischen den Leitern/Leiterinnen des Sozialministeriumservice und dessen Landesstellen in den §§ 4 und 5 SMSG sowie auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, nach welchen die Landesstellenleiter/Landesstellenleiterinnen „eigenständig und eigenverantwortlich ihre operativen Aufgaben“ zu erfüllen hätten (RV 1142 BlgNR 21. GP, 5).

32 Demgegenüber geht die Revision davon aus, dass lediglich das Sozialministeriumservice Behörde sei und die Aufgabenverteilung zwischen dessen Leiter/Leiterin und den Leitern/Leiterinnen der Landesstellen nur behördenintern wirke. Damit ist die Revision im Recht:

33 4.2.3.3. § 1 Abs. 1 SMSG richtet das Sozialministeriumservice als monokratisches Organ mit bundesweiter (örtlicher) Zuständigkeit ein, welches - als unterstelltes Amt iSd. Art. 77 Abs. 1 B-VG - unmittelbar dem zuständigen Bundesminister nachgeordnet ist (vgl. RV 1142 BlgNR 21. GP 4: „mit Zuständigkeit für das gesamte Bundesgebiet; „nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums“). Gleichzeitig wurden die bisherigen sieben Landesstellen aufgelöst (vgl. § 10 Abs. 2 zweiter Satz SMSG). Die Gesetzesmaterialien betonen, dass dadurch, eine Organisationsreform umsetzend, das Sozialministeriumservice an die Stelle der bisherigen Landesstellen getreten ist, welche im Sozialministeriumservice als nunmehr einzigem Organ - „der neuen Behörde“ - zusammengeführt wurden (vgl. RV 1142 BlgNR 21. GP 1, 4: „Zusammenführung von sieben Bundessozialämtern in eine Organisationseinheit“; aaO 4: „eine Organisationseinheit“).

34 Bei den Landesstellen handelt es sich um interne Organisationseinheiten des monokratischen Organs Sozialministeriumservice. Dies legt schon der Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 4 SMSG nahe, nach welchem sich das Sozialministeriumservice bei Erfüllung seiner Aufgaben „der Landesstellen zu bedienen hat“, was terminologisch eine Eigenschaft vergleichbar derjenigen eines Geschäftsapparats zum Ausdruck bringt. Die Gesetzesmaterialien betonen, dass die Landesstellen „als Dienststellen anzusehen“ sind, womit ihre unselbständige Stellung gegenüber dem Sozialministeriumservice als der „einen Organisationseinheit“ (RV 1142 BlgNR 21. GP 4) hervorgehoben wird.

35 Dass dem Sozialministeriumservicegesetz die Vorstellung vom Sozialministeriumservice als einzigem (behördlichem) Organ zu Grunde liegt, zeigt sich auch anhand jener Ausführungen in den Gesetzesmaterialien, nach denen jeder Antrag als richtig eingebracht gelte, wenn er „bei irgendeiner Dienststelle“ eingebracht wird (RV 1142 BlgNR 21. GP 6). Anbringen können nämlich gemäß § 13 Abs. 1 AVG nur bei der (sachlich und örtlich zuständigen) Behörde rechtskonform eingebracht werden, weswegen auch die Einbringung bei einer Landesstelle, welcher - nach den Kriterien des § 3 AVG über die örtliche Zuständigkeit - die Behandlung des Anbringens nicht zukäme, eine Einbringung bei der zuständigen Behörde, dem Sozialministeriumservice, darstellt.

36 Schließlich spricht auch die Verfassungsbestimmung des § 1a SMSG in Zusammenhang mit der gesetzlichen Begründung von Zuständigkeiten lediglich von solchen „des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen“ und erwähnt dessen Landesstellen nicht.

37 Bei der Aufgabenverteilung zwischen dem Amtsleiter/der Amtsleiterin und den Landesstellenleitern/Landesstellenleiterinnen in den §§ 4 und 5 SMSG, auf welche sich das Verwaltungsgericht für seine gegenteilige Auffassung beruft, handelt es sich lediglich um eine organisationsinterne Regelung, welche - wie hier - in der Rechtsform eines Gesetzes ergehen kann, aber nicht muss. Dass die Landesstellenleiter/Landesstellenleiterinnen ihre Aufgaben nach den Gesetzesmaterialien „eigenständig und eigenverantwortlich“ wahrnehmen sollen (RV 1142 BlgNR 21. GP 5), lässt noch nicht den Schluss zu, dass die Landesstellen die dem Sozialministeriumservice gesetzlich übertragenen Aufgaben als zuständige Behörden zu besorgen hätten. Ein solches Ergebnis scheidet vielmehr angesichts des klaren Befundes, welcher sich aus dem Gesetzeswortlaut und den übrigen Gesetzesmaterialien ergibt, aus.

38 Aus all dem folgt, dass behördliche Aufgaben, welche durch die Materiengesetzgebung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bzw. dem Sozialministeriumservice - und nicht ausdrücklich seinen Landesstellen - übertragen werden, solche dieses Organs und nicht seiner Landesstellen sind.

39 4.3. Im Revisionsfall war daher zuständige Behörde zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe gemäß § 9 Abs. 1 BEinstG das Sozialministeriumservice und nicht eine seiner Landesstellen.

40 4.4. Vor diesem Hintergrund kommt es im Revisionsfall nicht entscheidungsmaßgeblich darauf an, ob der beim Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid vom iSd. § 18 Abs. 4 AVG als Behörde die Landesstelle Wien des Sozialministeriumservice bezeichnet und für den Leiter dieser Landesstelle gefertigt wurde, obwohl das Unternehmen des Mitbeteiligten iSd. § 3 Z 2 AVG im Bundesland Oberösterreich betrieben wird. Dass eine Dienststelle des Sozialministeriumservice allenfalls die einer anderen Dienststelle zukommende Aufgabe versehen hat, ist angesichts der einheitlichen Behördeneigenschaft des Sozialministeriumservice nicht eine Frage der behördlichen Zuständigkeit, sondern nur eine Frage der inneren Gliederung, der nach außen keine rechtliche Bedeutung zukommt. Eine Unzuständigkeit der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde lag somit nicht vor (vgl. , zum Magistrat der Stadt Wien).

41 4.5. Angesichts dessen kann fallbezogen die Frage dahinstehen, ob eine Übertragung der Besorgung bestimmter Aufgaben gemäß § 6 SMSG die Rechtswirkung hätte, dass nicht mehr das Sozialministeriumservice, sondern die Landesstelle, auf welche die Übertragung erfolgt, zuständige Behörde wäre, weil fallbezogen weder vorgebracht noch aus den Verfahrensakten ersichtlich und vom Verwaltungsgericht sogar ausdrücklich ausgeschlossen wurde, dass eine solche Übertragung vorgelegen wäre.

42 5. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

43 6. Der Antrag des Revisionswerbers auf Aufwandersatz war gemäß § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen, weil im Fall des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG der Revisionswerber und der Rechtsträger im Sinne des Abs. 5 keinen Anspruch auf Aufwandersatz haben (vgl. etwa ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §1
AVG §1 Abs1
AVG §13 Abs1
AVG §3
BEinstG §12 Abs1
BEinstG §13 Abs4
BEinstG §8 Abs2
BEinstG §9 Abs1
B-VG Art77 Abs1
SMSG 2002
SMSG 2002 §1
SMSG 2002 §1 Abs1
SMSG 2002 §10 Abs1
SMSG 2002 §10 Abs2
SMSG 2002 §2
SMSG 2002 §2 Abs1
SMSG 2002 §2 Abs4
SMSG 2002 §4
SMSG 2002 §5
SMSG 2002 §5 Abs2 Z3
VwRallg
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022110011.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAF-46691