VwGH 18.04.2023, Ro 2021/17/0006
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | GSpG 1989 §59 Abs4 lita idF 2010/I/054 GSpG 1989 §59 Abs4 litb idF 2010/I/054 GSpG 1989 §59 Abs7 idF 2011/I/076 VwRallg |
RS 1 | Nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG 1989 haftet für die korrekte Entrichtung der (Glücksspiel-)Abgaben derjenige zur ungeteilten Hand, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt. Die Begriffe "Verfügungsbereich" und "erlaubt" definiert das Gesetz nicht näher; auch die Materialien zur GSpG 1989-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, (ErläutRV 658 BlgNR 24. GP 9) enthalten dazu keine näheren Erläuterungen. Im GSpG 1989 verwendet der Gesetzgeber den Begriff "Verfügungsbereich" nicht nur in § 59 Abs. 4 lit. a, sondern auch in dessen lit. b, wonach bei Ausspielungen mit Glücksspielautomaten unter anderen derjenige für die korrekte Entrichtung der Abgaben haftet, "der die Aufstellung eines Glücksspielautomaten in seinem Verfügungsbereich erlaubt". Ferner gelten gemäß § 59 Abs. 7 GSpG 1989 entgeltliche Veröffentlichungen iZm Gewinnspielen ohne vermögenswerte Leistung unter weiteren Voraussetzungen "nicht als Ausspielung im Verfügungsbereich des Medieninhabers (Abs. 4 lit. a)". Dieser systematische Zusammenhang, insbesondere der Verweis auf § 59 Abs. 4 lit. a in (dem durch die Novelle BGBl. I Nr. 76/2011 eingefügten) Abs. 7 legcit. zeigt, dass der Gesetzgeber mit "Verfügungsbereich" nicht alleine (potentiell Haftenden zuzuordnende) Örtlichkeiten bezeichnet, wo Ausspielungen stattfinden oder Glücksspielautomaten aufgestellt werden können, sondern es für die Qualifikation als "Verfügungsbereich" darauf ankommt, dass dieser in einer solchen Einflusssphäre des potentiell Haftenden steht, dass diesem die Befugnis zukommt, die Durchführung der Ausspielung auch zu untersagen. Bestätigt wird dieses Verständnis von "Verfügungsbereich" dadurch, dass nach § 59 Abs. 4 lit. a wie lit. b GSpG 1989 derjenige haften soll, der - im Fall der lit. a die Ausspielung oder im Fall der lit. b die Aufstellung eines Glücksspielautomaten - "erlaubt", daher diese Vorgänge nicht nur nicht untersagt, sondern ihnen sogar seine Zustimmung erteilt. |
Normen | |
RS 2 | Ein Verständnis, wonach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG 1989 erlauben würde, die bloße Vermieterin von Räumlichkeiten, in denen Glücksspiele durchgeführt werden, zur Haftung für die dabei entstehenden Glücksspielabgabenschuldigkeiten heranzuziehen, würde dieser Bestimmung einen sachlich nicht gerechtfertigten und mithin verfassungswidrigen Inhalt unterstellen. Bei der Umschreibung des für eine Steuer haftenden Personenkreises ist dem Gesetzgeber durch den insbesondere aus Art. 7 B-VG abzuleitenden Gleichheitsgrundsatz insofern eine Grenze gezogen, als er nur solche Personen zur Haftung heranziehen darf, bei denen eine Haftung sachlich begründet ist (vgl. VfSlg. 2896/1955, 11.771/1988, 11.921/1988, 13.583/1993, 15.773/2000). Die sachliche Rechtfertigung für die Haftung als solche ist einerseits aus dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Einbringlichkeit öffentlicher Abgaben und andererseits aus einem durch eine Rechtsbeziehung begründeten sachlichen Zusammenhang zwischen der Person des Abgabepflichtigen und des Haftungspflichtigen herzuleiten (vgl. VfSlg. 11.942/1988; 15.773/2000). Es erscheint unsachlich, wenn jemand verhalten wird, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet, also auch für Umstände, die außerhalb seiner Interessen- und Einflusssphäre liegen (vgl. VfSlg. 5.318/1966, 15.773/2000). Selbst bei Unbedenklichkeit einer Haftung dem Grunde nach muss eine adäquate Begrenzung des Haftungsumfanges gegeben sein. Für die sachliche Rechtfertigung entscheidend ist, ob es dem Haftenden möglich ist, den Umfang der Haftung abzuschätzen und mit Hilfe von Vertragsgestaltungen für sich eine Limitierung des Risikos zu erreichen (vgl. VfSlg. 11.771/1988, 11.921/1988, 15.773/2000) bzw. ob der Zusammenhang der Haftung mit der Partizipation des Haftenden am Unternehmensertrag des Primärschuldners beachtet wurde (vgl. VfSlg. 11.921/1988, 12.572/1990, 15.773/2000). Der Gleichheitsgrundsatz verwehrt es dem Gesetzgeber, eine Haftung für fremde Abgaben in jedwedem Umfang vorzusehen. Grenzt der Gesetzgeber die Haftung unzureichend ein, sodass es dem in Anspruch Genommenen unmöglich gemacht wird, durch entsprechende Vertragsgestaltung eine Begrenzung des Risikos zu erreichen, so entbehrt eine derartige Regelung ebenso einer sachlichen Rechtfertigung wie eine ihrer Höhe nach nicht oder kaum begrenzte Haftung, die den ebenfalls für die sachliche Rechtfertigung relevanten Zusammenhang der Haftung mit der Teilnahme des in Anspruch Genommenen am Unternehmensertrag des Primärschuldners völlig außer Acht lässt (vgl. VfSlg. 12.572/1990; VfSlg. 14.263/1995). |
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RS 3 | Die Möglichkeit, Haftungsrisiken durch entsprechende Vertragsgestaltung (etwa durch Ausbedingen von Einschaurechten, allenfalls verbunden mit Kündigungsbestimmungen, Kautionsvereinbarung o.ä.; vgl. VfSlg. 11.921/1988) zu begrenzen oder ganz auszuschließen, stellt nach der Rechtsprechung des VfGH eine wesentliche Voraussetzung der sachlichen Rechtfertigung der Haftung für fremde Abgabenschulden dar. Wenn diese Möglichkeit der Risikobegrenzung nicht besteht, etwa weil der maßgebliche Mietvertrag bei Auftreten des durch den neu erlassenen § 59 Abs. 4 lit. a GSpG 1989 ausgelösten Haftungsrisikos bereits abgeschlossen und nicht mehr einseitig änderbar war, wird der Haftungsbestimmung bei Anwendung auf diese Konstellation ein sachlich nicht gerechtfertigter und somit gleichheitswidriger Inhalt unterstellt. Daher wäre eine Auslegung der Haftungsbestimmung des § 59 Abs. 4 lit. a GSpG 1989, wonach der Vermieter der Räumlichkeit, in der abgabepflichtige Glücksspiele durchgeführt wurden, in jedem Fall zur Haftung herangezogen werden darf, aus verfassungsrechtlichen Gründen bedenklich (vgl. ; VfSlg. 12.572/1990). An diesem Ergebnis vermag auch die Befugnis der Abgabenbehörde, das ihr bei der Heranziehung zur Haftung eingeräumte Ermessen gemäß § 20 BAO zugunsten des Haftenden auszuüben, nichts zu ändern. Denn nach der Rechtsprechung des VfGH vermag die Möglichkeit der Mäßigung der Haftung im Ermessensweg deren grundsätzlich fehlende sachliche Rechtfertigung nicht zu ersetzen (vgl. VfSlg. 12.764/1991, 12.844/1991). |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ro 2021/17/0005 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz, Mag. Berger, Dr. Terlitza und Dr. Horvath als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die Revision des Finanzamts Österreich - Dienststelle Sonderzuständigkeiten in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7103149/2020, betreffend Haftung für Glücksspielabgaben (mitbeteiligte Partei: B GmbH, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Am schloss die B KEG, die damalige Eigentümerin der Liegenschaft K Gasse x, als Vermieterin mit der C GmbH als Mieterin einen Hauptmietvertrag über ein auf dieser Liegenschaft gelegenes Geschäftslokal mit der vereinbarten Nutzung zur Veranstaltung von Pokerspielen ab.
2 Mit Vertrag vom verkaufte die B KEG die genannte Liegenschaft an die mitbeteiligte Partei.
3 Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom wurde über das Vermögen der Mieterin C GmbH der Konkurs eröffnet.
4 In der Folge wurden bei der C GmbH abgabenrechtliche Prüfungen durchgeführt, welche für den gegenständlichen Standort eine Glücksspielabgabe von € 81.108.552,87 ergaben.
5 Mit Bescheid vom nahm das Finanzamt die mitbeteiligte Partei gemäß § 59 Abs. 4 lit. a GSpG als Haftungspflichtige für die nicht entrichteten Glücksspielabgaben ihrer Mieterin, der C GmbH, für den Abgabenzeitraum von Jänner 2011 bis Juni 2015 iHv insgesamt € 1.216.628,29 in Anspruch. Die Beschränkung dieser Inanspruchnahme zur Haftung auf 1,5 % der gesamten Abgabenschuldigkeiten von € 81.108.552,87 begründete das Finanzamt mit dem ihm gemäß § 20 BAO eingeräumten Ermessen, das derart zu üben sei, dass der Haftenden kein wirtschaftlich unvertretbarer Vermögensnachteil zugefügt werde.
6 Die mitbeteiligte Partei erhob dagegen Beschwerde. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt diese als unbegründet ab. Die mitbeteiligte Partei stellte einen Vorlageantrag.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht (BFG) der Beschwerde der mitbeteiligten Partei Folge und hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf. Es erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.
8 Dazu traf das BFG folgende Feststellungen:
Zwischen der B KEG als Verkäuferin der gegenständlichen Liegenschaft und der mitbeteiligten Partei als Käuferin habe kein über den Grundstücksverkauf hinausgehendes Naheverhältnis bestanden. Der Kauf sei zu einem fremdüblichen Preis erfolgt.
Die Vermietung der beiden Geschäftslokale der Liegenschaft (darunter das verfahrensgegenständliche Pokercasino) sei an zwei getrennte Gesellschaften erfolgt, die in keinem Naheverhältnis zueinander gestanden seien. Anlässlich des Kaufes der Liegenschaft durch die mitbeteiligte Partei sei vertraglich „festgeschrieben“ worden, dass diese bestehenden Hauptmietverträge an den jeweiligen Geschäftslokalen auf die mitbeteiligte Partei als Vermieterin übergingen. Daher sei das Hauptmietverhältnis zur Mieterin des Pokercasinos, das auf einen Mietvertrag vom zurückgehe und mit zu laufen begonnen habe, auf die mitbeteiligte Partei als Vermieterin übergegangen. Dieses Mietverhältnis habe über den gesamten Abgabenzeitraum (Jänner 2011 bis Juni 2015) bestanden; es habe erst infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Mieterin mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom geendet. Der Mietvertrag habe die Verwendung des Geschäftslokals ausschließlich zu Geschäftszwecken, konkret als Casinobetrieb mit integriertem Gastronomiebetrieb, gestattet; jede zweckwidrige Verwendung hätte laut Vertrag einen Kündigungsgrund dargestellt. Die Höhe des Mietzinses sei über die gesamte Dauer des Mietverhältnisses fremdüblich und unabhängig von Umsatz, wirtschaftlichem Erfolg und der Geschäftstätigkeit der Mieterin des Pokercasinos festgelegt gewesen. Die mitbeteiligte Partei sei - abgesehen von der Verbindung durch das Mietverhältnis - zur Mieterin des Pokercasinos in keinem Naheverhältnis gestanden.
Das Mietverhältnis sei auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. Der Mietvertrag habe festgelegt, dass das Mietverhältnis durch die mitbeteiligte Partei als Vermieterin nur aus wichtigem Grund gekündigt werden könne; als solche wichtigen Gründe habe der Mietvertrag unter anderen die Verwendung des Mietgegenstandes zu einem anderen Zweck als vertraglich vereinbart, einen qualifizierten Zahlungsverzug sowie die Eröffnung eines Konkurs- oder Ausgleichsverfahrens über das Vermögen der Mieterin vorgesehen. Zudem habe der Mietvertrag auf die Auflösungsgründe gemäß § 1118 ABGB verwiesen und das MRG als auf diese Geschäftsraummiete anwendbar erklärt. Zumindest seit dem Kauf der Liegenschaft durch die mitbeteiligte Partei bis zum Ende des für die Entstehung der Abgabenschuld maßgeblichen Zeitraums sei weder ein vertraglich vereinbarter Kündigungsgrund noch ein solcher gemäß § 30 Abs. 2 MRG oder § 1118 ABGB eingetreten. Insbesondere sei der Mietzins bis zur Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Mieterin im Februar 2016 stets entrichtet worden.
Seit Beginn des Mietverhältnisses habe die Mieterin im Geschäftslokal ein Pokercasino betrieben; dabei seien „Poker-Cashgames“ sowie Poker-Turniere durchgeführt worden. Ausspielungen mit Spielautomaten seien nicht vorgenommen worden. Die mitbeteiligte Partei sei in den Betrieb und die Veranstaltung der Pokerspiele nicht involviert gewesen; sie sei auch nicht am dabei erzielten Umsatz oder geschäftlichen Erfolg beteiligt gewesen. Seit Erwerb der Liegenschaft im Oktober 2008 - einschließlich des für die Entstehung der Abgabenschuld maßgeblichen Zeitraums - seien der mitbeteiligten Partei keine Einfluss- oder Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich des Geschäftsverlaufs sowie der Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Mieterin zugekommen. Die mitbeteiligte Partei habe keine Möglichkeit gehabt, auf die Geschäftstätigkeit der Mieterin einzuwirken, Bewilligungen zu erteilen oder die Einhaltung behördlicher Auflagen zu überwachen. Das Bestehen offener Abgabenforderungen gegen die Mieterin sei den Organen der mitbeteiligten Partei erst im Verfahren über ihre Heranziehung zur Haftung bekannt geworden.
Das Finanzamt habe zahlreiche Handlungen zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs gegenüber der Mieterin gesetzt; insbesondere seien laufend Säumniszuschläge vorgeschrieben worden. Diese Handlungen seien klar nach außen erkennbar gewesen. Im Konkursverfahren der Mieterin seien sämtliche Abgabenrückstände angemeldet worden. Bis zur Entscheidung des Bundesfinanzgerichts sei der Konkurs nicht aufgehoben worden.
9 In rechtlicher Hinsicht ging das BFG im Wesentlichen von Folgendem aus:
Nach der Rechtsprechung von Verfassungs- wie Verwaltungsgerichtshof würden die durch die Mieterin der mitbeteiligten Partei organisierten Pokerspiele als Ausspielungen gemäß § 2 Abs. 1 GSpG unzweifelhaft der Glücksspielabgabenpflicht unterliegen.
Die Verjährung der Abgabenschuld sei durch die Amtshandlungen des Finanzamts zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs gemäß § 238 Abs. 2 BAO sowie durch deren Anmeldung im Konkursverfahren nach § 9 Abs. 1 IO unterbrochen worden und stehe der Heranziehung der mitbeteiligten Partei zur Haftung mithin nicht entgegen.
Die Bestimmung des § 59 Abs. 4 lit. a GSpG sehe die Haftung desjenigen für die korrekte Entrichtung der Abgaben vor, der die Durchführung der Ausspielung „in seinem Verfügungsbereich erlaubt“.
Ein Vermieter sei bloßer Sachbesitzer des von ihm vermieteten Objekts, während dessen Mieter Rechtsbesitz erlange. Rechtsbesitz schließe den vertragsgemäßen und den im Umfang der Verkehrssitte liegenden Gebrauch am Mietobjekt ein. Der Sachbesitz des Vermieters reiche nur soweit, als er nicht durch den Rechtsbesitz des Mieters eingeschränkt werde. Daher übe ein Mieter von Geschäftsräumlichkeiten seine Tätigkeit in seinem eigenen Verfügungsbereich und nicht in jenem des Vermieters aus, weswegen die Mieterin bei Veranstaltung der Ausspielungen in ihrem eigenen Verfügungsbereich gehandelt habe. Daher habe die mitbeteiligte Partei iSd. § 59 Abs. 4 lit. a GSpG in ihrem Verfügungsbereich die Durchführung der Ausspielungen auch nicht erlauben können. Im Ergebnis begründe § 59 Abs. 4 lit. a GSpG keine Haftung der mitbeteiligten Partei aus einem laufenden Mietverhältnis (Hinweis auf Beiser, Haften Vermieter für Glücksspielabgaben der Mieter? taxlex 2018, 87, sowie ders, Der Rechtsschutz gegen gesetzes-, verfassungs- oder unionsrechtswidrige Abgaben - Anträge auf Normprüfung zur Aufhebung oder Auslegung nach höherrangigem Recht? ÖStZ 2020/590, 453).
10 Ferner - so das BFG - sei eine haftungsbegründende Erlaubnis zur Durchführung der Ausspielungen auch nicht durch den Abschluss des Mietvertrags an sich erteilt worden, möge das Mietobjekt bis dahin auch im Verfügungsbereich der Vermieterin gestanden haben und ausdrücklich zum Geschäftszweck des Betriebs eines Pokercasinos vermietet worden sein. Denn die Wendung „in seinem Verfügungsbereich erlaubt“ in § 59 Abs. 4 lit. a GSpG lasse eher auf die Notwendigkeit der Erteilung der Erlaubnis zur Durchführung von Ausspielungen in konkreten Zeiträumen und weniger darauf schließen, dass die Zustimmung in einem einzelnen Zeitpunkt ausreiche, um die Haftung pro futuro für sämtliche künftigen Ausspielungen auszulösen. Alleine auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags abzustellen, würde die Haftung und die Kausalität der Erlaubnis der Ausspielung unsachlich erweitern, zumal die mitbeteiligte Partei das Mietverhältnis ursprünglich nicht selbst eingegangen sei. Stattdessen sei das Mietverhältnis anlässlich des Kaufs der Liegenschaft auf die mitbeteiligte Partei übergegangen, ohne dass diese jemals die Verfügungsgewalt über die Räumlichkeiten erlangt hätte. Die mitbeteiligte Partei habe auch nicht das Recht gehabt, das Mietverhältnis im Zuge des Liegenschaftserwerbs aufzulösen. Der vorgefundene Mietvertrag habe ihr die Auflösung nur aus wichtigem Grund gestattet; die Durchführung einer Ausspielung habe keinen solchen Grund dargestellt. Auch sonst sei kein zulässiger Kündigungsgrund eingetreten. Daher habe die mitbeteiligte Partei das Mietverhältnis weder im Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbs noch während des für die Entstehung der Abgabenschuld maßgeblichen Zeitraums auflösen können.
11 Ferner sei zu berücksichtigen, dass das Mietverhältnis im Jahr 2003 vor Inkrafttreten der Haftungsbestimmung des § 59 Abs. 4 lit. a GSpG eingegangen worden sei; bei Abschluss des Mietvertrags sei auch keine vergleichbare Haftungsvorschrift in Geltung gestanden.
Die Ansicht, wonach in § 59 Abs. 4 lit. a GSpG eine Haftung bloßer Vermieter festgelegt sei, unterstelle dieser Haftungsbestimmung zudem einen dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz widersprechenden Inhalt (Hinweis nochmals auf Beiser, Haften Vermieter für Glücksspielabgaben der Mieter? taxlex 2018, 87; ders, Der Rechtsschutz gegen gesetzes-, verfassungs- oder unionsrechtswidrige Abgaben - Anträge auf Normprüfung zur Aufhebung oder Auslegung nach höherrangigem Recht? ÖStZ 2020/590, 453, sowie auf Gunacker-Slawitsch, Amtswegigkeit und Mitwirkung im Abgabenverfahren [2020] 57). Denn nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes widerspreche es dem aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebot, jemanden gesetzlich dazu zu verhalten, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbinde; eine Haftung für Umstände, die außerhalb der Interessen- und Einflusssphäre des Haftenden lägen, widerspreche also dem Gleichheitsgrundsatz. Es müsse ein hinreichender, durch eine Rechtsbeziehung begründeter sachlicher Zusammenhang zwischen Abgabepflichtigen und Haftungspflichtigen bestehen, damit eine Haftungsregelung mit dem Sachlichkeitsgebot in Einklang stehe. Ein bloßes Mietverhältnis ohne Beteiligung an Umsatz, wirtschaftlichem Erfolg sowie der Durchführung von Ausspielungen und ohne hinreichende Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten stelle keine Rechtsbeziehung dar, welche die Heranziehung der Vermieterin zur Haftung sachlich rechtfertige (Hinweis u.a. auf VfSlg. 11.921/1988).
12 Die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG begründete das BFG damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehle, ob eine bloße Vermieterin gemäß § 59 Abs. 4 lit. a GSpG zur Haftung für die Glücksspielabgaben ihrer Mieterin herangezogen werden dürfe.
13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des nunmehrigen Finanzamts Österreich - Dienststelle Sonderzuständigkeiten.
Die Zulässigkeit der Revision begründet das Finanzamt damit, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliege, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehle, „wer“ als Haftender in Frage komme, insbesondere ob ein Vermieter, der eine in seinem Eigentum stehende Räumlichkeit mit dem Zweck der Durchführung von Ausspielungen vermiete, als Haftender für Glücksspielabgaben herangezogen werden dürfe. Die Rechtsfrage habe Bedeutung über den Einzelfall hinaus, weil mehrere gleich gelagerte Beschwerdeverfahren beim BFG anhängig seien.
14 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, die Revision kostenpflichtig als unzulässig zurück-, in eventu abzuweisen. Sie regte an, der Verwaltungsgerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG beantragen, § 59 Abs. 4 GSpG oder Teile der Bestimmung als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Die Amtsrevision ist zulässig, weil - wie das BFG und die amtsrevisionswerbende Partei zutreffend vorbringen - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage fehlt, inwieweit (bloße) Vermieter von Räumlichkeiten, in welchen Mieter Ausspielungen durchführen, gemäß § 59 Abs. 4 lit. a GSpG für die dafür zu entrichtenden Glücksspielabgaben haften.
16 Sie ist jedoch nicht begründet.
17 § 59 Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 54/2010, lautet (auszugsweise):
„ ...
Entstehung und Entrichtung der Abgabenschuld
§ 59. (1) ...
...
(4) Es haften für die korrekte Entrichtung der Abgaben zur ungeteilten Hand
a) derjenige, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt;
b) bei Ausspielungen mit Glücksspielautomaten derjenige, der die Aufstellung eines Glücksspielautomaten in seinem Verfügungsbereich erlaubt sowie andere am Glücksspielautomaten umsatz- oder erfolgsbeteiligte Unternehmer sowie ein etwaiger gesonderter Veranstalter der Ausspielung und der Vermittler (Abs. 5).
(5) Als Vermittlung gelten jedenfalls die Annahme und die Weiterleitung von Spieleinsätzen oder -gewinnen sowie die Mitwirkung am Zustandekommen des Glücksspielvertrages auf andere Art und Weise.
(6) ...“
Durch die Novelle BGBl. I Nr. 76/2011 wurde folgender Abs. 7 angefügt:
„(7) Bloße entgeltliche Veröffentlichungen (§ 26 Mediengesetz) im Zusammenhang mit Gewinnspielen (Preisausschreiben) ohne vermögenswerte Leistung (§ 58 Abs. 3) gelten weder als Veranstaltung einer Ausspielung durch den Medieninhaber (Abs. 2 Z 1) noch als Ausspielung im Verfügungsbereich des Medieninhabers (Abs. 4 lit. a), wenn der Medieninhaber nicht selbst als (Mit-) Veranstalter auftritt.“
18 Nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG haftet für die korrekte Entrichtung der (Glücksspiel-)Abgaben derjenige zur ungeteilten Hand, der die Durchführung der Ausspielung in seinem Verfügungsbereich erlaubt. Die Begriffe „Verfügungsbereich“ und „erlaubt“ definiert das Gesetz nicht näher; auch die Materialien zur GSpG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, (ErläutRV 658 BlgNR 24. GP 9) enthalten dazu keine näheren Erläuterungen.
19 Im GSpG verwendet der Gesetzgeber den Begriff „Verfügungsbereich“ allerdings nicht nur in § 59 Abs. 4 lit. a, sondern auch in dessen lit. b, wonach bei Ausspielungen mit Glücksspielautomaten unter anderen derjenige für die korrekte Entrichtung der Abgaben haftet, „der die Aufstellung eines Glücksspielautomaten in seinem Verfügungsbereich erlaubt“. Ferner gelten gemäß § 59 Abs. 7 GSpG entgeltliche Veröffentlichungen im Zusammenhang mit Gewinnspielen ohne vermögenswerte Leistung unter weiteren Voraussetzungen „nicht als Ausspielung im Verfügungsbereich des Medieninhabers (Abs. 4 lit. a)“. Dieser systematische Zusammenhang, insbesondere der Verweis auf § 59 Abs. 4 lit. a in (dem durch die Novelle BGBl. I Nr. 76/2011 eingefügten) Abs. 7 leg. cit. zeigt, dass der Gesetzgeber mit „Verfügungsbereich“ nicht alleine (potentiell Haftenden zuzuordnende) Örtlichkeiten bezeichnet, wo Ausspielungen stattfinden oder Glücksspielautomaten aufgestellt werden können, sondern es für die Qualifikation als „Verfügungsbereich“ darauf ankommt, dass dieser in einer solchen Einflusssphäre des potentiell Haftenden steht, dass diesem die Befugnis zukommt, die Durchführung der Ausspielung auch zu untersagen. Bestätigt wird dieses Verständnis von „Verfügungsbereich“ dadurch, dass nach § 59 Abs. 4 lit. a wie lit. b GSpG derjenige haften soll, der - im Fall der lit. a die Ausspielung oder im Fall der lit. b die Aufstellung eines Glücksspielautomaten - „erlaubt“, daher diese Vorgänge nicht nur nicht untersagt, sondern ihnen sogar seine Zustimmung erteilt.
20 Nach den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses hat die zur Haftung nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG herangezogene mitbeteiligte Partei den Mietvertrag zwischen der früheren Grundeigentümerin und der Betreiberin des Pokercasinos beim Ankauf der Liegenschaft vorgefunden. Sie ist durch den Kauf in die Rechtsposition der früheren Vermieterin eingetreten, ohne dass sie das Mietverhältnis ohne wichtigen Grund (vgl. oben Rn. 8) hätte beenden und die Zurückstellung des Mietobjekts verlangen können. Daher stand ihr nicht die Befugnis zu, die im Betrieb des Pokercasinos liegende Durchführung von Ausspielungen zu untersagen. Schon dieser Umstand spricht gegen die Ansicht des Finanzamts, die mitbeteiligte Partei habe mit der vermieteten Räumlichkeit, in der das Pokercasino betrieben wurde, iSd § 59 Abs. 4 lit. a GSpG einen Verfügungsbereich innegehabt und dort die Durchführung der Ausspielung erlaubt.
Somit ist im Revisionsfall § 59 Abs. 4 lit. a GSpG in Bezug auf die mitbeteiligte Partei als bloße Vermieterin der Räumlichkeit nicht anzuwenden, sodass sie nicht zur Haftung für die Glücksspielabgabenschuld ihrer Mieterin C GmbH herangezogen werden darf.
21 Darüber hinaus würde ein Verständnis, wonach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG erlauben würde, in einer Konstellation wie der vorliegenden die bloße Vermieterin von Räumlichkeiten, in denen Glücksspiele durchgeführt werden, zur Haftung für die dabei entstehenden Glücksspielabgabenschuldigkeiten heranzuziehen, dieser Bestimmung einen sachlich nicht gerechtfertigten und mithin verfassungswidrigen Inhalt unterstellen:
22 Der Verfassungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei der Umschreibung des für eine Steuer haftenden Personenkreises dem Gesetzgeber durch den insbesondere aus Art. 7 B-VG abzuleitenden Gleichheitsgrundsatz insofern eine Grenze gezogen ist, als er nur solche Personen zur Haftung heranziehen darf, bei denen eine Haftung sachlich begründet ist (vgl. VfSlg. 2896/1955, 11.771/1988, 11.921/1988, 13.583/1993, 15.773/2000). Er hat die sachliche Rechtfertigung für die Haftung als solche einerseits aus dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Einbringlichkeit öffentlicher Abgaben und andererseits aus einem durch eine Rechtsbeziehung begründeten sachlichen Zusammenhang zwischen der Person des Abgabepflichtigen und des Haftungspflichtigen hergeleitet (vgl. VfSlg. 11.942/1988 sowie 15.773/2000, jeweils mwN) und allgemein ausgesprochen, dass es unsachlich erscheint, wenn jemand verhalten wird, für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet, also auch für Umstände, die außerhalb seiner Interessen- und Einflusssphäre liegen (vgl. VfSlg. 5.318/1966, 15.773/2000). Der Verfassungsgerichtshof hat darüber hinaus auch wiederholt ausgesprochen, dass selbst bei Unbedenklichkeit einer Haftung dem Grunde nach eine adäquate Begrenzung des Haftungsumfanges gegeben sein muss. Für die sachliche Rechtfertigung entscheidend ist, ob es dem Haftenden möglich ist, den Umfang der Haftung abzuschätzen und mit Hilfe von Vertragsgestaltungen für sich eine Limitierung des Risikos zu erreichen (vgl. etwa VfSlg. 11.771/1988, 11.921/1988, 15.773/2000) bzw. ob der Zusammenhang der Haftung mit der Partizipation des Haftenden am Unternehmensertrag des Primärschuldners beachtet wurde (vgl. etwa VfSlg. 11.921/1988, 12.572/1990, 15.773/2000).
23 In diesem Sinn geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass es der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber verwehrt, eine Haftung für fremde Abgaben in jedwedem Umfang vorzusehen. Grenzt der Gesetzgeber die Haftung unzureichend ein, sodass es dem in Anspruch Genommenen unmöglich gemacht wird, durch entsprechende Vertragsgestaltung eine Begrenzung des Risikos zu erreichen, so entbehrt eine derartige Regelung ebenso einer sachlichen Rechtfertigung wie eine ihrer Höhe nach nicht oder kaum begrenzte Haftung, die den ebenfalls für die sachliche Rechtfertigung relevanten Zusammenhang der Haftung mit der Teilnahme des in Anspruch Genommenen am Unternehmensertrag des Primärschuldners völlig außer Acht lässt (vgl. VfSlg. 12.572/1990; ähnlich VfSlg. 14.263/1995).
24 Im Revisionsfall wurde der Mietvertrag mit der C GmbH im Jahr 2003 abgeschlossen. Mit Vertrag vom kaufte die mitbeteiligte Partei die Liegenschaft und trat in den geltenden Mietvertrag mit der C GmbH in die Rechtsposition als Vermieterin ein. Erst im Jahr 2010 wurden im Rahmen der GSpG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, die Glücksspielabgaben der §§ 57 ff GSpG einschließlich der Haftungsbestimmung nach § 59 Abs. 4 lit. a GSpG in das GSpG aufgenommen. Diese abgabenrechtlichen Bestimmungen der §§ 57 bis 59 GSpG traten am in Kraft (§ 60 Abs. 22 zweiter Satz GSpG).
25 Damit bestand für die mitbeteiligte Partei aber keine Möglichkeit mehr, ihr Risiko, zur Haftung herangezogen zu werden, durch entsprechende Vertragsgestaltung auszuschließen oder den Umfang ihrer Haftung zu begrenzen, zumal vor der genannten Novelle keine vergleichbare Haftungsbestimmung in Geltung stand. Denn weder im GSpG noch andernorts - insbesondere auch nicht im GebG, das die hier interessierenden Glücksspiele bis zum Inkrafttreten der GSpG-Novelle 2008 der Gebührenpflicht unterwarf - war eine vergleichbare Haftung vorgesehen (vgl. zum Übergang von der Gebührenpflicht nach dem GebG zur Abgabenpflicht nach dem GSpG für die hier interessierenden Glücksspiele , Rn. 73 und 76). Die Möglichkeit, Haftungsrisiken durch entsprechende Vertragsgestaltung (etwa durch Ausbedingen von Einschaurechten, allenfalls verbunden mit Kündigungsbestimmungen, Kautionsvereinbarung o.ä.; vgl. VfSlg. 11.921/1988) zu begrenzen oder ganz auszuschließen, stellt aber nach der dargestellten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine wesentliche Voraussetzung der sachlichen Rechtfertigung der Haftung für fremde Abgabenschulden dar. Da für die mitbeteiligte Partei diese Möglichkeit der Risikobegrenzung nicht bestand, weil der maßgebliche Mietvertrag bei Auftreten des durch den neu erlassenen § 59 Abs. 4 lit. a GSpG ausgelösten Haftungsrisikos bereits abgeschlossen und nicht mehr einseitig änderbar war, wird der Haftungsbestimmung bei Anwendung auf diese Konstellation ein sachlich nicht gerechtfertigter und somit gleichheitswidriger Inhalt unterstellt.
26 Daher wäre die Auslegung der Haftungsbestimmung, wonach der Vermieter der Räumlichkeit, in der abgabepflichtige Glücksspiele durchgeführt wurden, in jedem Fall zur Haftung herangezogen werden darf, auch aus verfassungsrechtlichen Gründen bedenklich (vgl. zur Notwendigkeit der zeitlichen Begrenzung der Anwendung auf nach dem Inkrafttreten von Haftungsbestimmungen eingegangene Vertragsverhältnisse im Interesse einer verfassungskonformen Interpretation auch , sowie VfSlg. 12.572/1990). Entgegen der Ansicht des Finanzamts vermag an diesem Ergebnis auch die Befugnis der Abgabenbehörde, das ihr bei der Heranziehung zur Haftung eingeräumte Ermessen gemäß § 20 BAO zugunsten des Haftenden auszuüben, nichts zu ändern. Denn nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vermag die Möglichkeit der Mäßigung der Haftung im Ermessensweg deren grundsätzlich fehlende sachliche Rechtfertigung nicht zu ersetzen (vgl. VfSlg. 12.764/1991, 12.844/1991).
Da - wie gezeigt - § 59 Abs. 4 lit. a GSpG auf die mitbeteiligte Partei nicht anzuwenden ist, war deren Anregung, beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG die Aufhebung dieser Bestimmung als verfassungswidrig zu beantragen, nicht zu folgen.
27 Da die Amtsrevision keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzuzeigen vermochte, war diese gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
28 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 48 Abs. 3 Z 2 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BAO §20 B-VG Art7 GSpG 1989 §59 Abs4 lita idF 2010/I/054 GSpG 1989 §59 Abs4 litb idF 2010/I/054 GSpG 1989 §59 Abs7 idF 2011/I/076 VwRallg |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Ermessen VwRallg8 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RO2021170006.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-46668