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VwGH 11.07.2024, Ro 2021/16/0009

VwGH 11.07.2024, Ro 2021/16/0009

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
FamLAG 1967 §2 Abs1
FamLAG 1967 §2 Abs2
RS 1
Gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG besteht der Anspruch auf Familienbeihilfe des Elternteils, welcher im Bundesgebiet wohnt und die Unterhaltskosten des Kindes überwiegend trägt, wenn der andere Elternteil, zu dessen Haushalt das Kind gehört, im Bundesgebiet weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt hat und somit die Voraussetzung des § 2 Abs. 1 FLAG nicht erfüllt. Insoweit bedarf es einer Verdrängung der nationalen Bestimmung des Wohnsitzerfordernisses in § 2 Abs. 1 FLAG durch Art. 60 Abs. 1 zweiter Satz der VO 987/2009 nicht, um den Anspruch für das Kind zu begründen. Erst wenn der in Österreich wohnhafte Elternteil die Unterhaltskosten für das Kind nicht überwiegend trägt und deshalb aus § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG keinen Anspruch ableiten kann, und auch sonst nach nationalem Recht keine andere Person in Betracht käme, greift die Verdrängung des Wohnsitzerfordernisses in § 2 Abs. 1 FLAG für einen in § 2 Abs. 2 erster Satz FLAG genannten Anspruchsberechtigten.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2018/16/0040 E RS 7 (hier nur der erste Satz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Gmunden-Vöcklabruck, in 4840 Vöcklabruck, Franz Schubert-Straße 37, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5101783/2018, betreffend Familienbeihilfe ab Mai 2015 (mitbeteiligte Partei: T U in B), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des damaligen Finanzamts Gmunden Vöcklabruck vom (in der berichtigten Fassung vom ), mit dem dessen Antrag auf Familienbeihilfe ab Mai 2015 für seine beiden minderjährigen Kinder abgewiesen worden war, Folge und hob diesen Bescheid - ersatzlos - auf. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

2 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, der Mitbeteiligte und die beiden anspruchsvermittelnden minderjährigen Kinder seien österreichische Staatsbürger. Die Kindesmutter sei griechische Staatsbürgerin. Am habe der Mitbeteiligte die Gewährung der Familienbeihilfe ab August 2013 für seine beiden Kinder beantragt. Die Kindesmutter habe mit Eingabe vom gegenüber dem Finanzamt eine Verzichtserklärung im Sinne des § 2a Abs. 2 FLAG abgegeben. Für den Zeitraum August 2013 bis Dezember 2014 seien dem Mitbeteiligten Ausgleichszahlungen und für den Zeitraum Jänner bis April 2015 sei Familienbeihilfe für die beiden Kinder gewährt worden. Der Mitbeteiligte sei - wie schon bis April 2015 - im Zeitraum Mai 2015 bis Juli 2018 in Österreich selbständig erwerbstätig gewesen. Anfang Mai 2015 sei die Kindesmutter mit den Kindern nach Griechenland gereist, habe dort mit den Kindern in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und sei dort ab erwerbstätig gewesen. Die Kindesmutter sei mit den Kindern von bis vorübergehend in Österreich gewesen. Seit September 2015 lebe die Kindesmutter dauernd vom Mitbeteiligten getrennt. Sie habe bestätigt, dass der Mitbeteiligte auch nach der Trennung den überwiegenden Kindesunterhalt getragen habe. Dies habe auch der Mitbeteiligte in seiner Stellungnahme vom umfangreich dargestellt und glaubhaft gemacht. Am sei die Ehe des Mitbeteiligten mit der Kindesmutter geschieden worden. Im Juli 2018 sei die Kindesmutter gemeinsam mit den beiden Kindern nach Österreich gezogen. Die Kindesmutter habe einen Antrag auf Familienbeihilfe für beide Kinder ab August 2018 gestellt, dem vom Finanzamt entsprochen worden sei. Ab August 2018 sei der Kindesmutter für beide Kinder Familienbeihilfe gewährt worden.

3 Strittig sei im gegenständlichen Fall nur die Frage, wer den im Zeitraum Mai 2015 bis Juli 2018 bestehenden Anspruch auf Familienbeihilfe geltend machen könne: die Kindesmutter oder der Mitbeteiligte. Ein Anspruch auf griechisches Kindergeld habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum - wie sich auch aus der Bestätigung des griechischen Trägers ergebe - nicht bestanden, sodass die Ausgleichszahlung, zu deren Leistung Österreich ab Verlegung des Wohnorts der Kinder nach Griechenland verpflichtet sei, betragsmäßig der vollen österreichischen Familienbeihilfe entspreche. Da die Kindesmutter im gegenständlichen Fall ihr Recht nicht wahrgenommen habe, Anspruch auf die zustehenden Familienleistungen zu erheben, sei der Antrag des Mitbeteiligten, der im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die überwiegenden Unterhaltskosten für die Kinder getragen habe, zulässig und berechtigt.

4 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht im Hinblick auf das zu Ro 2018/16/0040 noch anhängige Revisionsverfahren, bei dem es um die grundsätzliche Frage des absoluten Vorrangs des Anspruchs auf Familienleistungen der in einem EU-Staat lebenden haushaltsführenden Kindesmutter gehe, für zulässig.

5 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene ordentliche Amtsrevision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

9 Das Finanzamt verweist in der Zulässigkeitsbegründung auf den Ausspruch des Bundesfinanzgerichts und das vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren zu Ro 2018/16/0040. Darüber hinaus führt es zur Zulässigkeit aus, Tatsache sei, dass der Mitbeteiligte im streitgegenständlichen Zeitraum keine Haushaltszugehörigkeit zu den Kindern gehabt habe.

10 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu beantwortende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung auch nach Einbringung der Revision bereits geklärt, liegt keine solche Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. , mwN).

11 Eine solche Situation ist im vorliegenden Fall gegeben: Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ro 2018/16/0040, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass gemäß § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG der Anspruch auf Familienbeihilfe des Elternteils besteht, welcher im Bundesgebiet wohnt und die Unterhaltskosten des Kindes überwiegend trägt, wenn der andere Elternteil, zu dessen Haushalt das Kind gehört, im Bundesgebiet weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt hat und somit die Voraussetzung des § 2 Abs. 1 FLAG nicht erfüllt.

12 Es besteht somit nunmehr Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der geltend gemachten Rechtsfrage. Das angefochtene Erkenntnis weicht von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Ergebnis nicht ab, hat es doch den Antrag des Mitbeteiligten, der nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die überwiegenden Unterhaltskosten für die Kinder getragen hat, als berechtigt angesehen.

13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
FamLAG 1967 §2 Abs1
FamLAG 1967 §2 Abs2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RO2021160009.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAF-46665