VwGH 14.12.2023, Ro 2021/13/0013
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Gemäß § 23 Abs. 1 AlVG 1977 kann Arbeitslosen, die die Zuerkennung näher genannter Leistungen aus der Pensionsversicherung beantragt haben, bis zur Entscheidung über ihren Antrag auf diese Leistungen als Vorschuss auf die Leistung Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe gewährt werden. Wird die beantragte Leistung aus der Pensionsversicherung nicht zuerkannt, so gilt der Vorschuss gemäß § 23 Abs. 8 AlVG 1977 als Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Wird die beantragte Leistung hingegen zuerkannt, ist die gewährte Leistung des Arbeitsmarktservice als steuerpflichtiger Vorschuss auf die beantragte - und zuerkannte - Leistung aus der Pensionsversicherung zu beurteilen (vgl. ). Dies gilt für alle in § 23 Abs. 1 AlVG 1977 genannten Leistungen. Zugleich stellt die Rückzahlung der erhaltenen Vorschüsse an das Arbeitsmarktservice - im Wege der Legalzession gemäß § 23 Abs. 6 AlVG 1977 - eine als Werbungskosten - im Abflusszeitpunkt - zu berücksichtigende Erstattung von Einnahmen gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 dar (vgl. erneut ). |
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RS 2 | Die Einstufung der vom Arbeitsmarktservice gewährten Vorschüsse als (endgültig) steuerfreie Leistungen gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 (Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe) oder als steuerpflichtige Vorschüsse auf eine - zu einem späteren Zeitpunkt, wenn auch allenfalls rückwirkend - zuerkannte (steuerpflichtige) Pensionsleistung kann erst erfolgen, wenn über den Antrag des Leistungsbeziehers auf Zuerkennung der nämlichen Pensionsleistung (rechtskräftig) abgesprochen worden ist. |
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RS 3 | Wird die beantragte Pensionsleistung zuerkannt, sind die vom Arbeitsmarktservice gewährten Vorschüsse nachträglich als steuerpflichtige Bezüge zu erfassen. Wird die beantragte Pensionsleistung nicht im selben Jahr, in dem die vom Arbeitsmarktservice gewährten Vorschüsse bezogen wurden, sondern in einem späteren Jahr zuerkannt, hat die Erfassung der Vorschüsse als steuerpflichtige Einkünfte in den jeweiligen Jahren, in denen sie bezogen worden sind, zu erfolgen. Sind für die betreffenden Jahre bereits Einkommensteuerbescheide ergangen, müssen diese daher - im Rahmen verfahrensrechtlicher Möglichkeiten - entsprechend abgeändert werden. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/13/0101
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revisionen des Finanzamtes Österreich (Dienststelle Baden Mödling) in Baden bei Wien, Josefsplatz 13, gegen die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts vom , 1. RV/7101083/2018, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2013 bis 2016 (Ra 2021/13/0101), und 2. RV/7103009/2020, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2017 (Ro 2021/13/0013) (mitbeteiligte Partei jeweils: DI S in L, vertreten durch die Eckert Fries Carter Rechtsanwälte GmbH in 2500 Baden, Weihburgstraße 16a), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit dem erstangefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden des Mitbeteiligten gegen die - nach Wiederaufnahme der Verfahren neu erlassenen - Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2016 teilweise Folge und änderte diese Bescheide ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Das Bundesfinanzgericht führte aus, der Mitbeteiligte habe im Jahr 2013 zunächst bis eine vorläufige Berufsunfähigkeitspension von der Pensionsversicherungsanstalt - in näher genannter, dem übermittelten Lohnzettel für das Jahr 2013 entnommener Höhe - bezogen. Von bis habe er steuerfreie Leistungen des Arbeitsmarktservice und einer Gebietskrankenkasse bezogen. Im Jahr 2015 habe der Mitbeteiligte ausschließlich steuerfreie Leistungen des Arbeitsmarktservice bezogen. Von bis habe er steuerfreie Leistungen des Arbeitsmarktservice und steuerpflichtige Leistungen einer Gebietskrankenkasse (Krankengeld) bezogen.
3 Daneben habe der Mitbeteiligte in den Jahren 2013 bis 2016 - nicht verfahrensgegenständliche - Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit aus einem Dienstverhältnis sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt.
4 Im Jahr 2013 habe der Mitbeteiligte bei der Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag auf Gewährung einer (unbefristeten) Berufsunfähigkeitspension gestellt. Nach Abweisung dieses Antrags habe er - im Jahr 2016 - Klage beim Landesgericht L eingebracht.
5 Am habe der Mitbeteiligte vor dem Landesgericht L einen Vergleich mit der Pensionsversicherungsanstalt abgeschlossen, wobei sich diese verpflichtete, ihm die Berufsunfähigkeitspension in gesetzlicher Höhe über den hinaus unbefristet zu gewähren.
6 Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom seien dem Mitbeteiligten Pensionseinkünfte - rückwirkend ab dem - zuerkannt worden, was zur Ausstellung von Lohnzetteln für die betreffenden Jahre durch die Pensionsversicherungsanstalt geführt habe. Gegen diesen Bescheid habe er zunächst eine Klage beim Landesgericht W erhoben, die Klage jedoch am zurückgezogen. In der Folge sei kein neuer Bescheid durch die Pensionsversicherungsanstalt erlassen worden.
7 Von den mit Bescheid vom zugesprochenen Pensionseinkünften (samt Nachzahlungen) habe die Pensionsversicherungsanstalt die anfallende Lohnsteuer in Abzug gebracht und den verbleibenden Nettobetrag zwecks Verrechnung mit dem Arbeitsmarktservice - aufgrund der in § 23 Abs. 6 AlVG geregelten Legalzession - zurückbehalten. Nach Überweisung des von der Legalzession umfassten Betrages an das Arbeitsmarktservice sei der verbleibende Betrag im Jahr 2018 an den Mitbeteiligten ausgezahlt worden.
8 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, bei der verfahrensgegenständlichen Nachzahlung der Berufsunfähigkeitspension handle es sich um eine Pension, die bescheidmäßig zuerkannt worden sei. Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 seien gegeben, womit die nachträglich zuerkannten Pensionsbeträge steuerlich in dem Kalenderjahr als zugeflossen gelten, für das der Anspruch besteht. Der von der pensionsauszahlenden Stelle vorgenommene Lohnsteuerabzug wirke sich daher ebenfalls für das jeweilige Anspruchsjahr aus. Eine vom Mitbeteiligten begehrte Besteuerung der Nachzahlung gemäß § 67 Abs. 8 lit. a und c EStG 1988 scheide - mit näherer Begründung - hingegen aus.
9 Der Abfluss der von der Pensionsversicherungsanstalt an das Arbeitsmarktservice überwiesenen Beträge - als zu Werbungskosten führende Rückzahlung von Einnahmen - habe in den Jahren 2013 bis 2016 nicht stattgefunden, weil in diesen Jahren noch nicht einmal festgestanden sei, ob der Mitbeteiligte überhaupt die Berufsunfähigkeitspension zuerkannt bekommen werde. Eine Verteilung einer Rückzahlung von Einnahmen auf jene Zeiträume, für die der Anspruch der Nachzahlung einer bescheidmäßig zuerkannten Pension bestehe, sei in § 19 EStG 1988 nicht vorgesehen.
10 Die in den Jahren 2013 bis 2016 vom Mitbeteiligten bezogenen Leistungen des Arbeitsmarktservice wurden vom Bundesfinanzgericht unverändert als steuerfrei behandelt.
11 Mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
12 Das Bundesfinanzgericht führte im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte habe im Jahr 2017 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von mehreren Arbeitgebern und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, sowie Krankengelder von einer Gebietskrankenkasse erhalten. Zunächst habe er für die Monate Jänner bis Oktober auch Leistungen des Arbeitsmarktservice bezogen, weil über seinen Antrag auf Zuerkennung einer unbefristeten Berufsunfähigkeitspension durch die Pensionsversicherungsanstalt noch nicht entschieden worden sei.
13 Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom seien nach Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches dem Mitbeteiligten Pensionseinkünfte - rückwirkend ab dem - zuerkannt worden. Damit habe sich die Berufsunfähigkeitspension des Mitbeteiligten letztlich aus laufenden Pensionszahlungen ab November 2017 sowie aus einer Nachzahlung für die Monate Jänner bis Oktober 2017 zusammengesetzt.
14 Die Pensionsversicherungsanstalt habe zunächst den gesamten Nachzahlungsbetrag für den Zeitraum November 2013 bis Oktober 2017 - vermindert um Krankenversicherungsbeiträge und Lohnsteuer - einbehalten, um (insbesondere) Regressforderungen des Arbeitsmarktservice begleichen zu können. Das Arbeitsmarktservice habe erstmals im November 2013 der Pensionsversicherungsanstalt unter Hinweis auf § 23 Abs. 6 AlVG bekannt gegeben, dass der Mitbeteiligte eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung als Vorschuss auf eine Pension erhalte, den exakten Betrag der an den Mitbeteiligten gewährten Leistungen der Pensionsversicherungsanstalt erst im Jahr 2018 mitgeteilt. Nach Überweisung des bekanntgegebenen Betrages an das Arbeitsmarktservice - sowie eines weiteren Betrages an die Ehegattin des Mitbeteiligten - sei der Restbetrag an den Mitbeteiligten überwiesen worden.
15 Hinsichtlich des Jahres 2017 sei lediglich die Frage der Berücksichtigung des an das Arbeitsmarktservice überwiesenen Betrages dem Grunde nach (als Werbungskosten) bzw. in zeitlicher Hinsicht strittig.
16 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht - wie bereits im erstangefochtenen Erkenntnis - aus, die Einkünfte aus der nachträglich bescheidmäßig zuerkannten Berufsunfähigkeitspension würden gemäß § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in dem Kalenderjahr als zugeflossen gelten, für das der Anspruch bestehe. Eine Besteuerung der Nachzahlung gemäß § 67 Abs. 8 lit. a und c EStG 1988 scheide dabei aus.
17 Werde eine steuerpflichtige Leistung zuerkannt, würden gemäß § 23 Abs. 1 AlVG die bis dahin vom Arbeitsmarktservice bezogenen Leistungen als Vorschuss auf diese - nachträglich gewährten - steuerpflichtigen Leistungen gelten, zumal diese steuerpflichtigen Leistungen auch für jenen Zeitraum gewährt würden, für den zunächst die Leistung des Arbeitsmarktservice gebührt habe. In weiterer Folge habe das Arbeitsmarktservice einen Rückzahlungsanspruch aufgrund einer in § 23 Abs. 6 AlVG geregelten Legalzession, womit der Empfänger der Leistungen des Arbeitsmarktservice und nunmehrige Empfänger der steuerpflichtigen Leistung (z.B. Rehabilitationsgeld) die Bevorschussung zurückzahlen müsse. Diese Grundsätze würden auch für die verfahrensgegenständliche Berufsunfähigkeitspension gelten. Die Rückzahlung der vom Arbeitsmarktservice gewährten Vorschüsse sei daher - entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2017/15/0025 - als Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 anzusehen.
18 Seien die Einnahmen bei richtiger rechtlicher Beurteilung steuerpflichtig gewesen, aber als nicht steuerpflichtig behandelt worden, führe die Rückzahlung dieser Einnahmen zu Werbungskosten, wobei im Rückzahlungsjahr die unrichtige rechtliche Beurteilung eines Vorjahres nicht berichtigt werden könne. Auch die Erstattung steuerlich zu Unrecht nicht erfasster oder wegen Verjährung nicht mehr erfassbarer, aber steuerpflichtiger Einnahmen führe zu Werbungskosten.
19 Zum Zeitpunkt des Abflusses der an das Arbeitsmarktservice überwiesenen Beträge führte das Bundesfinanzgericht aus, eine Ausgabe liege erst vor, wenn der geleistete Betrag aus der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ausgeschieden sei. Eine Zession lasse die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Zedenten grundsätzlich unberührt. Ihm fließe die Einnahme (erst) mit Zugang beim Zessionar zu. Bei einer erfüllungshalber (zahlungshalber) hingegebenen Forderung erfolge der Zufluss und ebenso der Abfluss erst dann, wenn die Forderung beim Zessionar eingehe.
20 Im vorliegenden Fall sei die Pensionsversicherungsanstalt Schuldner der Berufsunfähigkeitspension. Der Zuflusszeitpunkt dieser Berufsunfähigkeitspension liege gemäß § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in jenem Kalenderjahr, für das der Anspruch bestehe. Ohne diese Bestimmung, wäre die Berufsunfähigkeitspension (Nachzahlung) für die die Jahre 2013 bis 2016 und für das Jahr 2017 erst im Sommer 2018 zugeflossen.
21 Die Legalzession des § 23 Abs. 6 AlVG - bei der es sich nicht um eine Zession an Zahlungs statt handle - sei von einem Tätigwerden des Arbeitsmarktservice als Zessionar abhängig. Der Anspruch des Mitbeteiligten als Gläubiger der Pensionsversicherungsanstalt gehe mit der Geltendmachung gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt auf das Arbeitsmarktservice über. Das Arbeitsmarktservice bestimme somit den Zeitpunkt und die Höhe des Anspruchs, der übergehen soll.
22 Inhalt dieser Legalzession sei, dass eine Forderung, die der Empfänger des Nachzahlungsbetrages gegen die auszahlende Stelle habe, ihm nicht in voller Höhe ausbezahlt werde, sondern abzüglich jenes Teils, den der Empfänger des Nachzahlungsbetrages einer anderen Stelle - dem Arbeitsmarktservice - schulde. Die Verbindlichkeit gegenüber der anderen Stelle sei aus dem Nachzahlungsbetrag zu leisten. Damit könne der Abflusszeitpunkt erst nach dem Zuflusszeitpunkt liegen.
23 Das Arbeitsmarktservice habe zwar erstmals im Jahr 2013 die Pensionsversicherungsanstalt davon in Kenntnis gesetzt, dass Vorschusszahlungen erbracht worden seien, der Gesamtbetrag der Forderung könne jedoch nicht bereits im Jahr 2013 auf das Arbeitsmarktservice übergegangen sein, weil in den Folgejahren weitere Leistungen erbracht worden seien. Tatsächlich habe das Arbeitsmarktservice erst im Jahr 2018 den konkreten Betrag der Pensionsversicherungsanstalt bekannt gegeben.
24 Im Jahr 2017 habe die Pensionsversicherungsanstalt den Mitbeteiligten über die Einbehaltung des Nachzahlungsbetrags in Kenntnis gesetzt. Dieser habe somit über diesen Anspruch nicht frei verfügen können. Er habe zu diesem Zeitpunkt weder gewusst, welchen Betrag das Arbeitsmarktservice als Rückforderungsbetrag geltend machen werde, noch habe er wissen können, ob bzw. welche seiner Gläubiger Exekution führen würden und die Pensionsversicherungsanstalt deshalb nicht schuldbefreiend an den Mitbeteiligten hätte leisten können. Letztlich habe auch eine Gläubigerin Exekution geführt. Erst im Jahr 2018 sei sodann die Auszahlung - unter anderem an das Arbeitsmarktservice - erfolgt. Von einem Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht im Jahr 2017 könne daher nicht ausgegangen werden, womit im Jahr 2017 keine Werbungskosten hinsichtlich des Rückzahlungsbetrages vorliegen würden.
25 Die im Jahr 2017 vom Mitbeteiligten bezogenen Leistungen des Arbeitsmarktservice wurden vom Bundesfinanzgericht unverändert als steuerfrei behandelt.
26 Das Bundesfinanzgericht erklärte die Revision für zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Verlustes der wirtschaftlichen Verfügungsmacht bei Legalzessionen nicht ersichtlich sei. Auch sei die Frage, ob die Rechtsprechung zu den Rehabilitationsgeldern auf Berufsunfähigkeitspensionen anzuwenden sei, nicht höchstgerichtlich geklärt.
27 Gegen diese Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts richten sich die beiden Amtsrevisionen, die der Verwaltungsgerichtshof auf Grund ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beschlussfassung verbunden hat.
28 Das Finanzamt bringt zur Zulässigkeit der beiden Revisionen ergänzend vor, es sei insbesondere die Frage der Steuerpflicht der als Vorschuss gewährten Leistungen des Arbeitsmarktservice - entsprechend dem zur steuerlichen Behandlung von Vorschüssen auf Rehabilitationsgeld ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2017/15/0025 - nicht höchstgerichtlich geklärt.
29 Nach Einleitung des Vorverfahrens betreffend das erstangefochtene Erkenntnis hat der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
30 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
31 Die Revisionen sind zulässig und begründet.
32 Gemäß § 23 Abs. 1 AlVG kann Arbeitslosen, die die Zuerkennung näher genannter Leistungen aus der Pensionsversicherung beantragt haben, bis zur Entscheidung über ihren Antrag auf diese Leistungen als Vorschuss auf die Leistung Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe gewährt werden.
33 Wird die beantragte Leistung aus der Pensionsversicherung nicht zuerkannt, so gilt der Vorschuss gemäß § 23 Abs. 8 AlVG als Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe. Wird die beantragte Leistung hingegen zuerkannt, ist die gewährte Leistung des Arbeitsmarktservice als steuerpflichtiger Vorschuss auf die beantragte - und zuerkannte - Leistung aus der Pensionsversicherung zu beurteilen (vgl. ). Dies gilt für alle in § 23 Abs. 1 AlVG genannten Leistungen.
34 Zugleich stellt die Rückzahlung der erhaltenen Vorschüsse an das Arbeitsmarktservice - im Wege der Legalzession gemäß § 23 Abs. 6 AlVG - eine als Werbungskosten - im Abflusszeitpunkt - zu berücksichtigende Erstattung von Einnahmen gemäß § 16 Abs. 2 EStG 1988 dar (vgl. erneut ).
35 Daraus ergibt sich, dass die Einstufung der vom Arbeitsmarktservice gewährten Vorschüsse als (endgültig) steuerfreie Leistungen gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 (Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe) oder als steuerpflichtige Vorschüsse auf eine - zu einem späteren Zeitpunkt, wenn auch allenfalls rückwirkend - zuerkannte (steuerpflichtige) Pensionsleistung erst erfolgen kann, wenn über den Antrag des Leistungsbeziehers auf Zuerkennung der nämlichen Pensionsleistung (rechtskräftig) abgesprochen worden ist.
36 Wird die beantragte Pensionsleistung zuerkannt, sind daher die vom Arbeitsmarktservice gewährten Vorschüsse nachträglich als steuerpflichtige Bezüge zu erfassen. Wird - wie im vorliegenden Revisionsfall - die beantragte Pensionsleistung nicht im selben Jahr, in dem die vom Arbeitsmarktservice gewährten Vorschüsse bezogen wurden, sondern in einem späteren Jahr zuerkannt, hat die Erfassung der Vorschüsse als steuerpflichtige Einkünfte in den jeweiligen Jahren, in denen sie bezogen worden sind, zu erfolgen. Sind für die betreffenden Jahre bereits Einkommensteuerbescheide ergangen, müssen diese daher - im Rahmen verfahrensrechtlicher Möglichkeiten - entsprechend abgeändert werden.
37 Im vorliegenden Revisionsfall hat das revisionswerbende Finanzamt die Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2013 bis 2016 gemäß § 303 BAO wiederaufgenommen und für diese Jahre geänderte Einkommensteuerbescheide erlassen sowie die Einkommensteuer für das Jahr 2017 erstmalig festgesetzt. Das Bundesfinanzgericht hätte daher mit den angefochtenen Entscheidungen die - nunmehr steuerpflichtigen - Vorschüsse neben den gemäß § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 auf die jeweiligen Kalenderjahre zu verteilende Pensionsnachzahlung erfassen und die entsprechende Einkommensteuer festsetzen müssen.
38 Die angefochtenen Erkenntnisse erweisen sich somit als mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastet und waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
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Schlagworte | Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RO2021130013.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-46626