VwGH 08.02.2022, Ro 2021/13/0008
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | ALSAG 1989 §3 Abs1 Z4 ALSAG 1989 §3 Abs1 Z4 idF 2013/I/103 AWG 2002 Anh2 VwRallg |
RS 1 | Nach der Rechtsprechung des VwGH zu § 3 Abs. 1 Z 4 ALSAG 1989 idF vor BGBl. I Nr. 103/2013 kam es auf die "erste" Behandlung nach der Verbringung an. Die "erste" Behandlung nach der Verbringung ist jene, zu deren ersten (unmittelbaren) Zweck die Verbringung außerhalb des Bundesgebietes erfolgte, nicht eine daran anschließende weitere bzw. eine abschließende Tätigkeit (vgl. ; , 2012/07/0032; , 2011/07/0134). Nach der nunmehrigen Rechtslage - sowohl nach dem klaren Wortlaut der novellierten Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 4 ALSAG 1989 als auch der aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2293 BlgNR 24. GP 18 f) erkennbaren Absicht des Gesetzgebers - unterliegt das Befördern von Abfällen zu einer Tätigkeit außerhalb des Bundesgebietes auch dann dem Altlastenbeitrag, wenn einer Tätigkeit nach § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a ALSAG 1989 ein oder mehrere "Behandlungsverfahren" vorgeschaltet sind. Es kann nicht angenommen werden, dass es sich bei den vorgeschalteten Behandlungsverfahren lediglich um "Hilfstätigkeiten" handeln solle. Mit dem Begriff der "Behandlungsverfahren" knüpft der Gesetzgeber erkennbar an die in der Anlage 2 zum AWG 2002 dort benannten "Behandlungsverfahren" an (z.B. also das dort genannte Verwertungsverfahren R12). |
Norm | ALSAG 1989 §3 Abs1 Z4 idF 2013/I/103 |
RS 2 | Es kommt nicht darauf an, ob es sich um einen Beförderungsvorgang oder um mehrere handelt. Entscheidend ist vielmehr der Zweck der Beförderung; nach der Regelung des § 3 Abs. 1 Z 4 ALSAG 1989 idF BGBl. I Nr. 103/2013 reicht es aus, dass eine Tätigkeit nach § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a ALSAG 1989 nicht der erste (unmittelbare) Zweck der Beförderung ist. |
Normen | ALSAG 1989 §3 Abs1 Z4 idF 2013/I/103 ALSAG 1989 §4 Abs1 Z2 ALSAG 1989 §4 Z2 idF 2008/I/040 |
RS 3 | Im Rahmen der Änderung des § 3 Abs. 1 Z 4 ALSAG 1989 hat der Gesetzgeber auf eine Anpassung des § 4 (Abs. 1) Z 2 ALSAG 1989 verzichtet und seinen bisherigen Inhalt unverändert gelassen. Die Rechtsprechung zum Verständnis des § 4 (Abs. 1) Z 2 ALSAG 1989 vor der Novelle BGBl. I Nr. 103/2013 ist damit nach wie vor anwendbar. Insoweit ist demnach unverändert die Tätigkeit ausschlaggebend, zu deren unmittelbaren Zweck die Verbringung der Abfälle erfolgt ("erste Tätigkeit"); auf eine nachfolgende, in weiterer (unbestimmter) Zukunft liegende Tätigkeit kommt es hingegen nicht an (vgl. ). |
Normen | ALSAG 1989 §3 Abs1 Z1 ALSAG 1989 §3 Abs1 Z2 ALSAG 1989 §3 Abs1 Z3 ALSAG 1989 §3 Abs1 Z3a ALSAG 1989 §4 Abs1 Z2 ALSAG 1989 §4 Abs1 Z3 ALSAG 1989 §4 Z2 idF 2008/I/040 ALSAG 1989 §4 Z3 idF 2008/I/040 |
RS 4 | Da sich § 4 (Abs. 1) Z 2 ALSAG 1989 nur auf den Fall des Beförderns zum (unmittelbaren) Zweck einer Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a ALSAG 1989 außerhalb des Bundesgebietes bezieht, ist § 4 (Abs. 1) Z 3 ALSAG 1989 ("in allen übrigen Fällen") insbesondere auch auf den Fall anzuwenden, in dem das Befördern nur mittelbar - nach vorgeschalteten Behandlungsverfahren - zu einer Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a ALSAG 1989 erfolgt. |
Normen | ALSAG 1989 §3 Abs1 ALSAG 1989 §3 Abs1a ALSAG 1989 §4 Abs1 Z3 ALSAG 1989 §4 Z3 idF 2008/I/040 |
RS 5 | Beitragspflichtig ist eine Tätigkeit dann, wenn sie unter § 3 Abs. 1 ALSAG 1989 unter Berücksichtigung der in § 3 Abs. 1a ALSAG 1989 normierten Ausnahmebestimmungen fällt. Als Veranlasser einer beitragspflichtigen Tätigkeit ist derjenige anzusehen, in dessen Verantwortung die Tätigkeit vorgenommen wird. Hat jemand einen anderen beauftragt, bestimmte Abbruchmaterialien auf einem von ihm als Auftraggeber bestimmten Grundstück zu verwenden, und sich daher des anderen zur Ausführung dieses Vorhabens bedient, so ist der Auftraggeber als Veranlasser im Sinn des § 4 Z 3 ALSAG 1989 anzusehen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/13/0080 E RS 1 (hier ohne den ersten Satz) |
Normen | ALSAG 1989 §4 Abs1 Z3 ALSAG 1989 §4 Z3 idF 2008/I/040 |
RS 6 | Hat jemand einen Anderen beauftragt, bestimmte Abbruchmaterialien auf einem von ihm als Auftraggeber bestimmten Grundstück zu verfüllen, und sich daher des Anderen zur Ausführung dieses Vorhabens bedient, ohne dass der Auftragnehmer ein Grundstück für die Ablagerung des Abfalls zu bestimmen hatte, so ist der Auftraggeber als Beitragsschuldner iSd § 4 Z 3 ALSAG 1989 anzusehen (Hinweis E , 2003/07/0038). Wird ein Anderer mit dem Abbruch und dem Abtransport von Baurestmassen beauftragt, wobei der Auftraggeber den Ablagerungsort nicht bestimmt, sondern dessen Auswahl in der Verantwortung des Auftragnehmers gelegen ist, so ist dem Auftraggeber die Ablagerungs- oder Verfüllungstätigkeit iSd § 4 Z 3 ALSAG 1989 nicht zuzurechnen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2004/07/0141 E VwSlg 16977 A/2006 RS 2 (hier nur der letzte Satz) |
Normen | ALSAG 1989 §3 Abs1 Z1 ALSAG 1989 §3 Abs1 Z2 ALSAG 1989 §3 Abs1 Z3 ALSAG 1989 §3 Abs1 Z3a ALSAG 1989 §3 Abs1 Z4 ALSAG 1989 §4 Abs1 Z3 ALSAG 1989 §4 Z3 idF 2008/I/040 |
RS 7 | Als Veranlasser des dem Altlastenbeitrag unterliegenden Beförderns iSd § 3 Abs. 1 Z 4 ALSAG 1989 ist derjenige anzusehen, in dessen Veranwortung es liegt, dass der Abfall mit dem mittelbaren Zweck einer Tätigkeit nach § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a ALSAG 1989 außerhalb des Bundesgebietes befördert wird. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision der e GmbH in W, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 53, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7200015/2019, betreffend Festsetzung Altlastenbeiträge (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Österreich, Dienststelle Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom beantragte die Revisionswerberin die Festsetzung des Altlastenbeitrages für den Zeitraum 3. Quartal 2013 bis 2. Quartal 2018 jeweils mit 0 € und die Rückzahlung der für diese Zeiträume ohne entsprechende Rechtsgrundlage bereits entrichteten Altlastenbeiträge.
2 Mit (Sammel-)Bescheid vom setzte das Zollamt den Altlastenbeitrag für den Zeitraum 3. Quartal 2013 bis 2. Quartal 2018 mit jeweils näher genannten Beträgen fest. Es sprach dazu jeweils auch aus, dass kein Zahlungsgebot ergehe, da der festgesetzte Betrag fristgerecht entrichtet worden sei.
3 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Zollamt die Beschwerde als unbegründet ab.
5 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht den angefochtenen Bescheid gemäß § 279 Abs. 1 BAO (ersatzlos) auf. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
7 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei als Entsorgungsunternehmen im Bereich der Abfallwirtschaft tätig. Alleinige Gesellschafterin der Revisionswerberin sei eine slowakische Gesellschaft (ES s.r.o.; in der Folge als ES bezeichnet).
8 Die Revisionswerberin habe mit der ES als Empfängerin der Abfälle sowie der H (Betreiberin eines Zementwerks in der Slowakei) „Notifizierungsverträge“ über die Verbringung von näher bezeichneten Abfällen in die Slowakei zur vorläufigen und abschließenden Verwertung geschlossen. Die ES habe sich zur Annahme und vorläufigen Verwertung der Abfälle, die H zur abschließenden Verwertung der Abfälle in ihren Anlagen verpflichtet. Mit insgesamt zwölf Notifizierungsbescheiden des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, sei der Revisionswerberin die Zustimmung erteilt worden, innerhalb bestimmter Zeiträume von Anfang Jänner 2013 bis Ende Mai 2018 die genannten Abfälle zur vorläufigen Verwertung „R12“ (Austausch von Abfällen, um sie einem der unter R1 bis R11 angeführten Verfahren zu unterziehen) zur ES und weiter zur endgültigen Verwertung „R1“ (Hauptverwendung als Brennstoff) in einem Zementwerk in der Slowakei zu verbringen. In den Zustimmungsbescheiden sei darauf hingewiesen worden, dass die ES den Abschluss der vorläufigen Verwertung spätestens ein Kalenderjahr nach Erhalt der Abfälle der Revisionswerberin zu bescheinigen habe; auch habe die Revisionswerberin spätestens ein Kalenderjahr nach Verbringung dieser Abfälle eine Bescheinigung der endgültigen Verwertung zu erhalten.
9 Die Revisionswerberin habe die Abfälle in die Anlage der ES zur Aufbereitung transportiert. Danach habe die ES die „konditionierten“ Abfälle in die Verwertungsanlage der H gebracht. Dort seien die Abfälle der Verbrennung zugeführt worden.
10 Die Revisionswerberin habe für die in die Slowakei verbrachten Abfallmengen die Altlastenbeiträge selbst berechnet und an das Zollamt abgeführt.
11 Im vorliegenden Fall sei der eigentliche Zweck der Verbringungen, nämlich die Verbrennung der Abfälle, bereits zu Beginn der Beförderungen festgestanden. Der Austausch dieser Abfälle, um sie dieser Verwertung zuzuführen, sei als Behandlungsverfahren zur Ermöglichung der beitragspflichtigen Tätigkeit anzusehen. Da aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Z 4 ALSAG nicht ableitbar sei, dass die beitragspflichtige Tätigkeit unmittelbar an die vorbehandelnde Hilfstätigkeit anschließen müsse, also ein und derselbe Beförderungsvorgang zu beiden Tätigkeiten geführt haben müsse, sei die Beitragsschuld entstanden, auch wenn mehrere Beförderungsvorgänge vorlägen.
12 Aufgrund der Hinweise in den Zustimmungsbescheiden habe die Revisionswerberin gewusst, wann die beitragspflichtigen Tätigkeiten spätestens zu erfolgen hätten. Der Betreiber der Verwertungsanlage habe sich in den Notifizierungsverträgen gegenüber der Revisionswerberin zur endgültigen Verwertung der Abfälle verpflichtet. Im Hinblick auf die Anführung des Codes „R1“ in den Notifizierungsformularen sei bereits von Beginn der Beförderungen an eine beitragspflichtige Tätigkeit festgestanden. Der Entstehung der Beitragsschuld mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die Beförderungen begonnen hätten (§ 7 Abs. 1 ALSAG), sei damit nichts im Wege gestanden.
13 Dass nur derjenige, der die Abfälle zur beitragspflichtigen Tätigkeit befördere, die beitragspflichtige Tätigkeit veranlasse und sohin als Beitragsschuldner nach § 4 Abs. 1 Z 3 ALSAG anzusehen sei, könne aus dem Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung nicht herausgelesen werden. Veranlassen bedeute, dafür zu sorgen, dass etwas Bestimmtes geschehe. Die Revisionswerberin habe aufgrund ihrer Mitteilung in den Notifizierungsverfahren die Zustimmung der zuständigen Behörde zur abschließenden thermischen Verwertung der Abfälle außerhalb des Bundesgebiets erhalten und durch die Beförderung dieser Abfälle in die Anlage der ES zur Durchführung von für die Abfallverbrennung notwendigen Vorbehandlungen dafür gesorgt, dass beitragspflichtige Verbrennungen auch tatsächlich durchgeführt worden seien. Die Revisionswerberin sei daher Beitragsschuldnerin.
14 Die von der Revisionswerberin vorgenommenen Selbstberechnungen der Altlastenbeiträge erwiesen sich demnach als richtig. Voraussetzung für die Festsetzung einer selbst zu berechnenden Abgabe sei, dass kein selbst berechneter Betrag bekannt gegeben worden sei oder dass sich diese Selbstberechnung als unrichtig erweise. Da sich die Selbstberechnung aber als richtig erwiesen habe, seien die Voraussetzungen für eine bescheidmäßige Festsetzung der Altlastenbeiträge nicht vorgelegen. Der Festsetzungsantrag wäre sohin als unbegründet abzuweisen gewesen.
15 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.
16 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht, worauf die Revisionswerberin replizierte.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 Die Revision ist zulässig und begründet.
19 § 3 Abs. 1 Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) in der Fassung vor BGBl. I Nr. 103/2013 lautete (auszugsweise):
„Dem Altlastenbeitrag unterliegen
1. das Ablagern von Abfällen oberhalb oder unterhalb (dh. unter Tage) der Erde; als Ablagern im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt auch
[...]
2. das Verbrennen von Abfällen in einer Verbrennungs- oder Mitverbrennungsanlage im Sinne der Abfallverbrennungsverordnung, BGBl. II Nr. 389/2002,
3. das Verwenden von Abfällen zur Herstellung von Brennstoffprodukten,
3a. das Einbringen von Abfällen, ausgenommen hüttenspezifische Abfälle, in einen Hochofen zur Herstellung von Roheisen oder das Verwenden von Abfällen zur Herstellung von Produkten für das Einbringen in einen Hochofen zur Herstellung von Roheisen, ausgenommen hüttenspezifische Abfälle,
4. das Befördern von Abfällen zu einer Tätigkeit gemäß Z 1 bis 3a außerhalb des Bundesgebietes.“
20 Mit BGBl. I Nr. 103/2013 wurde § 3 Abs. 1 Z 4 ALSAG dahin geändert, dass diese Ziffer nunmehr lautet:
„4. das Befördern von Abfällen zu einer Tätigkeit gemäß Z 1 bis 3a außerhalb des Bundesgebietes, auch dann, wenn dieser Tätigkeit ein oder mehrere Behandlungsverfahren vorgeschaltet sind, um die jeweilige beitragspflichtige Tätigkeit zu ermöglichen.“
21 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2293 BlgNR 24. GP 18 f) wurde hiezu u.a. ausgeführt:
„In den Erkenntnissen vom , Zl. 2010/07/0215 und Zl. 2012/07/0032 sowie vom , Zl. 2011/07/0134 hat der VwGH festgestellt, dass der Beurteilung nach § 3 Abs. 1 Z 4 jene Tätigkeit zu Grunde zu legen ist, zu deren ersten (unmittelbaren) Zweck die Verbringung außerhalb des Bundesgebietes erfolgte, nicht daran anschließende weitere bzw. eine abschließende Tätigkeit (Behandlung). Dies führt zu einem ungewollten Ergebnis: Für Abfälle, die in Österreich (vor-)behandelt und anschließend in Österreich einer der beitragspflichtigen Tätigkeiten gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a zugeführt werden, ist ein Altlastenbeitrag zu bezahlen, für Abfälle, die ins Ausland transportiert, dort (vor-)behandelt und anschließend im Ausland einer beitragspflichtigen Tätigkeit zugeführt werden, ist jedoch kein Beitrag zu bezahlen. Damit wäre der Anreiz der Umgehung des Altlastenbeitrags verbunden.
Zielsetzung der Neufassung dieses Beitragstatbestandes ist die Sicherstellung der umweltgerechten Behandlung der Abfälle, die Gleichbehandlung von Sachverhalten in Bezug auf beitragspflichtige Tätigkeiten und dass die Wirksamkeit der Lenkungsmaßnahme des Altlastensanierungsgesetzes nicht beeinträchtigt wird.
Daher wird § 3 Abs. 1 Z 4 dahingehend abgeändert, dass das Befördern von Abfällen zu einer Tätigkeit gemäß Z 1 bis 3a außerhalb des Bundesgebietes auch dann der Beitragspflicht unterliegt, wenn die Abfälle nicht unmittelbar der beitragspflichtigen Tätigkeit zugeführt werden. Beitragspflicht ist vielmehr auch dann gegeben, wenn notwendige Behandlungsschritte vor der beitragspflichtigen Tätigkeit gesetzt werden, um diese zu ermöglichen. Die Beurteilung, ob ein Behandlungsverfahren dazu dient, die beitragspflichtige Tätigkeit zu ermöglichen, hat unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände unter Beachtung österreichischer Rechtsvorschriften zu erfolgen. Dabei ist die Zielsetzung zu beachten und Sorge zu tragen, dass keine Umgehungsmaßnahme gesetzt wird.
Ist zum Beispiel das Befördern von gemischten Siedlungsabfällen in einen anderen EU-Mitgliedstaat, die zuerst mechanisch-biologisch aufbereitet und in Folge zu einem Teil in einer Mitverbrennungsanlage verbrannt, zum anderen Teil auf einer Deponie abgelagert werden, zu beurteilen, so ergibt sich Folgendes:
Da die mechanisch-biologische Aufbereitung von gemischten Siedlungsabfällen vor dem Ablagern nach österreichischen Vorschriften erforderlich ist, erfolgt diese jedenfalls um die beitragspflichtige Tätigkeit zu ermöglichen. Auch dürfen gemischte Siedlungsabfälle nicht ohne Aufbereitungsschritt in einer Mitverbrennungsanlage verbrannt werden. Somit ist auch die Aufbereitung vor der Mitverbrennung dieser Abfälle erforderlich, um das Verbrennen in einer Mitverbrennungsanlage zu ermöglichen. Die Beitragspflicht ergibt sich hier zum einen aus § 3 Abs. 1 Z 1 ALSAG, zum anderen aus § 3 Abs. 1 Z 2 ALSAG. Erfolgt in diesem Fall zusätzlich ein kürzer als einjähriges Lagern vor Aufbereitung der gemischten Siedlungsabfälle oder von Fraktionen nach der Aufbereitung, ändert dieses Lagern nichts an der Beurteilung der Beitragspflicht. Denn entsprechend der allgemeinen Lebenserfahrung ermöglicht auch dieses Lagern die Durchführung der beitragspflichtigen Tätigkeit.
In vielen Fällen ist eine Vorbehandlung, dh zB Aufbereitung oder Konditionierung der Abfälle erforderlich. Werden zB Ölabscheideinhalte in einen EU-Mitgliedstaat befördert, um sie dort vor einer Mitverbrennung in einem Zementwerk aufzubereiten, so ist eine Beitragspflicht gegeben.
Beitragspflichtig ist auch die Beförderung von Kunststoffabfällen zur Konditionierung und Einsatz als Ersatzbrennstoff in eine Mitverbrennungsanlage, denn die Konditionierung von Kunststoffabfällen als Ersatzbrennstoff erfolgt in der Regel, um das Verbrennen in einer Mitverbrennungsanlage zu ermöglichen.
Der Beitragspflicht unterliegt zB auch das Befördern von Abfällen außerhalb des Bundesgebietes zum Ablagern auf einer Deponie, wenn die Abfälle davor einem Stabilisierungsprozess unterworfen werden. Der Stabilisierungsprozess erfolgt nämlich, um das Ablagern zu ermöglichen.
Demgegenüber können folgende beitragsfreie Beispiele für die Beförderung von Abfällen zum Zweck der Verwertung (abschließende Tätigkeit) genannt werden:
So unterliegt beispielsweise die Beförderung von Salzschlacken aus Aluminium-Schmelzwerken außerhalb des Bundesgebietes, um daraus Salze und Metalle rückzugewinnen, auch dann nicht der Beitragspflicht, wenn die prozessbedingt anfallenden entzündlichen Gase in Folge einer Verbrennung zugeführt werden oder die prozessbedingt anfallenden Reststoffe abgelagert werden.
Werden zB Bildröhren außerhalb des Bundesgebietes befördert, dort zerlegt, die sortenreine Fraktion von Metallen und Glasscherben in Hüttenwerke und in der Glasproduktion verwertet, so ist auch dann keine Beitragspflicht gegeben, wenn die verbleibenden Reststoffe abgelagert werden.
Das Befördern von Altpapier zur Papiererzeugung außerhalb des Bundesgebietes unterliegt zB auch dann nicht der Beitragspflicht, wenn die anfallenden Spuckstoffe in Folge einer Verbrennung zugeführt werden.“
22 § 4 ALSAG (idF BGBl. I Nr. 40/2008) lautete:
„Beitragsschuldner ist
1. der Inhaber einer im Bundesgebiet gelegenen Anlage, in der eine Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a vorgenommen wird,
2. im Fall des Beförderns von gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Abfallvorschriften notifizierungspflichtigen Abfällen zu einer Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a außerhalb des Bundesgebietes die notifizierungspflichtige Person,
3. in allen übrigen Fällen derjenige, der die beitragspflichtige Tätigkeit veranlasst hat; sofern derjenige, der die beitragspflichtige Tätigkeit veranlasst hat, nicht feststellbar ist, derjenige, der die beitragspflichtige Tätigkeit duldet.“
23 Mit dem Verwaltungsreformgesetz BMLFUW, BGBl. I Nr. 58/2017, erhielt der bisherige (und unverändert bleibende) Text des § 4 ALSAG die Absatzbezeichnung „(1)“; es wurde ein zweiter Absatz angefügt.
24 § 7 Abs. 1 ALSAG (idF BGBl. I Nr. 40/2008) lautet:
„Die Beitragsschuld entsteht im Fall der Beförderung von Abfällen zu einer Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a außerhalb des Bundesgebietes mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die Beförderung begonnen wurde, bei allen übrigen beitragspflichtigen Tätigkeiten mit Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die beitragspflichtige Tätigkeit vorgenommen wurde.“
25 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 3 Abs. 1 Z 4 ALSAG idF vor BGBl. I Nr. 103/2013 kam es dabei auf die „erste“ Behandlung nach der Verbringung an. Die „erste“ Behandlung nach der Verbringung ist jene, zu deren ersten (unmittelbaren) Zweck die Verbringung außerhalb des Bundesgebietes erfolgte, nicht eine daran anschließende weitere bzw. eine abschließende Tätigkeit (vgl. ; , 2012/07/0032; , 2011/07/0134).
26 Nach der nunmehrigen Rechtslage - sowohl nach dem klaren Wortlaut der novellierten Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 4 ALSAG als auch der aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage erkennbaren Absicht des Gesetzgebers - unterliegt das Befördern von Abfällen zu einer Tätigkeit außerhalb des Bundesgebietes auch dann dem Altlastenbeitrag, wenn einer Tätigkeit nach § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a ALSAG ein oder mehrere „Behandlungsverfahren“ vorgeschaltet sind. Entgegen dem Revisionsvorbringen kann nicht angenommen werden, dass es sich bei den vorgeschalteten Behandlungsverfahren lediglich um „Hilfstätigkeiten“ handeln solle. Mit dem Begriff der „Behandlungsverfahren“ knüpft der Gesetzgeber erkennbar an die in der Anlage 2 zum Abfallwirtschaftsgesetz 2002 dort benannten „Behandlungsverfahren“ an (z.B. also das dort genannte Verwertungsverfahren R12). Wenn die Revisionswerberin dazu weiters auf das SITA EcoService Nederland, C-116/01, verweist, so betraf diese Entscheidung die Frage, wie ein aus mehreren gesonderten Abschnitten bestehendes Verfahren zur Verarbeitung von Abfällen nach der hier nicht mehr anwendbaren Verordnung Nr. 259/93 des Rates vom einzustufen sei. Dies ist für die vorliegende Frage nicht von Bedeutung, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die nunmehr anzuwendende Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Verbringung von Abfällen gerade auch den hier zu beurteilenden Fall einer vorläufigen Verwertung und Beseitigung mit daran anschließender nicht vorläufiger Verwertung oder Beseitigung regelt (vgl. insbesondere Art. 15 der genannten Verordnung).
27 Im vorliegenden Fall war der Tätigkeit nach § 3 Abs. 1 Z 2 ALSAG (Verbrennen in der Mitverbrennungsanlage) ein Behandlungsverfahren („R12“: Austausch von Abfällen, um sie einem der unter R1 bis R11 aufgeführten Verfahren zu unterziehen) vorgeschaltet; dieses Behandlungsverfahren war - nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts - für das nachfolgende Verbrennen eine notwendige Vorbehandlung.
28 Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts, dass es nicht darauf ankommt, ob es sich um einen Beförderungsvorgang oder um mehrere handelt. Entscheidend ist vielmehr der Zweck der Beförderung; nach der novellierten Regelung reicht es aus, dass eine Tätigkeit nach § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a ALSAG nicht der erste (unmittelbare) Zweck der Beförderung ist.
29 Im Rahmen der Änderung des § 3 Abs. 1 Z 4 ALSAG hat der Gesetzgeber auf eine Anpassung des § 4 (Abs. 1) Z 2 ALSAG verzichtet und seinen bisherigen Inhalt unverändert gelassen. Die Rechtsprechung zum Verständnis des § 4 (Abs. 1) Z 2 ALSAG vor der genannten Novelle ist damit nach wie vor anwendbar. Insoweit ist demnach unverändert die Tätigkeit ausschlaggebend, zu deren unmittelbaren Zweck die Verbringung der Abfälle erfolgt („erste Tätigkeit“); auf eine nachfolgende, in weiterer (unbestimmter) Zukunft liegende Tätigkeit kommt es hingegen nicht an (vgl. ).
30 Die Revisionswerberin ist sohin (weiterhin) - im Revisionsverfahren unbestritten - nicht nach § 4 (Abs. 1) Z 2 ALSAG Beitragsschuldner.
31 Das Bundesfinanzgericht geht aber davon aus, dass die Revisionswerberin nach § 4 (Abs. 1) Z 3 ALSAG Beitragsschuldner sei.
32 Nach § 4 (Abs. 1) Z 3 ALSAG ist „in allen übrigen Fällen“ Beitragsschuldner jene Person, die die beitragspflichtige Tätigkeit veranlasst (oder sie geduldet) hat.
33 Da sich § 4 (Abs. 1) Z 2 ALSAG nur auf den Fall des Beförderns zum (unmittelbaren) Zweck einer Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a ALSAG außerhalb des Bundesgebietes bezieht, ist § 4 (Abs. 1) Z 3 ALSAG („in allen übrigen Fällen“) insbesondere auch auf den Fall anzuwenden, in dem das Befördern nur mittelbar - nach vorgeschalteten Behandlungsverfahren - zu einer Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a ALSAG erfolgt.
34 Nach § 4 (Abs. 1) Z 3 ALSAG ist Beitragsschuldner derjenige, der die beitragspflichtige Tätigkeit veranlasst hat. Die damit angesprochene Tätigkeit ist im vorliegenden Fall das Befördern von Abfällen mit dem mittelbaren Zweck einer Tätigkeit nach § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a ALSAG (hier: Z 2 Verbrennen) außerhalb des Bundesgebietes.
35 Als Veranlasser einer beitragspflichtigen Tätigkeit ist jene Person anzusehen, in deren Verantwortung sie vorgenommen wird. Hat etwa jemand einen anderen beauftragt, bestimmte Abbruchmaterialien auf einem von ihm als Auftraggeber bestimmten Grundstück zu verwenden, und sich daher des anderen zur Ausführung dieses Vorhabens bedient, so ist der Auftraggeber als „Veranlasser“ anzusehen (vgl. , mwN). Wird jedoch ein anderer etwa mit dem Abbruch und dem Abtransport von Baurestmassen beauftragt, wobei der Auftraggeber den Ablagerungsort nicht bestimmt, sondern dessen Auswahl in der Verantwortung des Auftragsnehmers gelegen ist, so ist dem Auftraggeber die Ablagerungs- und Verfüllungstätigkeit nicht zuzurechnen (vgl. ; , 2006/07/0105).
36 Als Veranlasser des dem Altlastenbeitrag unterliegenden Beförderns iSd § 3 Abs. 1 Z 4 ALSAG ist damit derjenige anzusehen, in dessen Veranwortung es liegt, dass der Abfall mit dem mittelbaren Zweck einer Tätigkeit nach § 3 Abs. 1 Z 1 bis 3a ALSAG außerhalb des Bundesgebietes befördert wird.
37 Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass die Revisionswerberin die beitragspflichtigen Verbrennungen veranlasst habe. Dass nur derjenige, der die Abfälle zur beitragspflichtigen Tätigkeit befördert habe, die beitragspflichtige Tätigkeit veranlasst habe, könne aus dem Wortlaut des § 4 (Abs. 1) Z 3 ALSAG nicht abgeleitet werden. Die Revisionswerberin habe aufgrund ihrer Mitteilung in den Notifizierungsverfahren die Zustimmung der zuständigen Behörde zur abschließenden thermischen Verwertung der Abfälle außerhalb des Bundesgebietes erhalten und durch die Beförderung dieser Abfälle in die Anlage der ES zur Durchführung von für die Verbrennung notwendigen Vorbehandlungen dafür gesorgt, dass die beitragspflichtigen Verbrennungen auch tatsächlich durchgeführt worden seien.
38 Zutreffend ist, dass es für das Veranlassen der beitragspflichtigen Tätigkeit, also des Beförderns mit dem Zweck des Verbrennens, nicht darauf ankommt, wer die Abfälle unmittelbar zum Ort der Verbrennung geführt hat. Das Bundesfinanzgericht hat aber bei der Beurteilung der Frage, wer Beitragsschuldner ist, im Hinblick auf seine vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilte Rechtsansicht keine Feststellungen dazu getroffen, wer die beitragspflichtige Tätigkeit des Beförderns von Abfällen mit dem Zweck des Verbrennens im Ausland veranlasst hat.
39 Wenn in der Revision schließlich auch darauf verwiesen wird, dass zum Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsschuld keine Kenntnis des beitragsauslösenden Tatbestandes vorliege, so knüpft aber § 7 ALSAG das Entstehen der Beitragsschuld an das dem Veranlasser dieser Tätigkeit jedenfalls erkennbare Befördern an.
40 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
41 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | ALSAG 1989 §3 Abs1 ALSAG 1989 §3 Abs1 Z1 ALSAG 1989 §3 Abs1 Z2 ALSAG 1989 §3 Abs1 Z3 ALSAG 1989 §3 Abs1 Z3a ALSAG 1989 §3 Abs1 Z4 ALSAG 1989 §3 Abs1 Z4 idF 2013/I/103 ALSAG 1989 §3 Abs1a ALSAG 1989 §4 Abs1 Z2 ALSAG 1989 §4 Abs1 Z3 ALSAG 1989 §4 Z2 idF 2008/I/040 ALSAG 1989 §4 Z3 idF 2008/I/040 AWG 2002 Anh2 VwRallg |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021130008.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-46621