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VwGH 01.09.2022, Ro 2021/09/0002

VwGH 01.09.2022, Ro 2021/09/0002

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Ein Verfahren zur Vermittlung von Ersatzkräften nach § 4b Abs. 1 AuslBG bezweckt den Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung sicher zu stellen. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluss auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein. Zugleich dient ein solches Verfahren dem vom Gesetz gewünschten Ergebnis, dass die freie Stelle besetzt und der Bedarf des Arbeitgebers nach seinem Anforderungsprofil entsprechenden Arbeitskräften befriedigt wird (vgl. E November 2010, 2007/09/0199).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2013/09/0070 E RS 1
Normen
RS 2
Es ist grundsätzlich Sache des Beschäftigers, das Anforderungsprofil hinsichtlich des zu besetzenden Arbeitsplatzes und der konkreten von der Arbeitskraft zu leistenden Tätigkeiten auf abstrakte Weise festzulegen. Der Beschäftiger hat zwar nach § 4b Abs. 1 letzter Satz AuslBG den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen der gewünschten Arbeitskraft zu erbringen. Die Behörde ist in diesem Rahmen aber grundsätzlich an das von der antragstellenden Partei formulierte Anforderungsprofil gebunden (vgl. ; , 2009/09/0149; , 2005/09/0106).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/09/0136 E RS 2
Normen
RS 3
Weder ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der bisherigen Judikatur des VwGH in Verfahren betreffend Zulassung als Schlüsselkraft, dass der Arbeitsplatz, der besetzt werden soll, bereits zuvor von einem anderen Arbeitnehmer ausgefüllt gewesen sein muss, also im Betrieb des Arbeitgebers nicht neu geschaffen worden sein darf. Auch die vom VwG für notwendig erachtete weitere Anforderung, dass der Arbeitsplatz zur Aufrechterhaltung eines bereits laufenden Geschäftsbetriebs erforderlich ist oder in einem laufenden Unternehmen nicht im Hinblick auf eine Änderung des Geschäftsmodells erforderlich geworden sein darf, hat weder das Gesetz noch die höchstgerichtliche Rechtsprechung für sich, soll doch grundsätzlich der Bedarf des Arbeitgebers nach seinem Anforderungsprofil entsprechenden Arbeitskräften befriedigt werden. Nur dann, wenn der im Antrag angeführte Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers tatsächlich nicht besetzt werden soll, die Arbeitskraft also gar nicht, oder nicht in der behaupteten Art und Weise beschäftigt werden soll, hätte dies unter dem angeführten Gesichtspunkt zur Antragsabweisung zu führen (vgl. ; ). Im vorliegenden Fall schadet es daher nicht, dass die Arbeitgeberin, eine bereits im Firmenbuch eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eine operative Tätigkeit bislang noch nicht entfaltet hat, verneinte das VwG doch nicht, dass eine solche entsprechend dem festgestellten Geschäftsplan tatsächlich beabsichtigt sei und bei Besetzung des Arbeitsplatzes aufgenommen werden würde. Dass diese Tätigkeit erst mit dem auf die zu besetzende Arbeitsstelle aufzunehmenden Arbeitnehmer begonnen werden soll, kann eine Abweisung des Antrags oder das Unterlassen einer Arbeitsmarktprüfung daher nicht begründen.
Normen
RS 4
Bereits der Überschrift zu § 24 AuslBG "Gutachten für selbständige Schlüsselkräfte und Start-up-GründerInnen" lässt sich entnehmen, dass sich diese Bestimmung auf eine selbständige Erwerbstätigkeit von Ausländerinnen und Ausländern bezieht. Die Antragstellerin kann mit ihrer beabsichtigten unselbständigen Beschäftigung nicht erfolgreich auf einen solchen Titel verwiesen werden. Eher spricht der sich aus § 24 AuslBG ergebende Umstand, dass bereits für eine erst beabsichtigte Erwerbstätigkeit eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden kann, und die in diesem Zusammenhang ausdrücklich angeführte Möglichkeit der Schaffung neuer Arbeitsplätze dafür, dass auch bei unselbständigen Arbeitnehmern die Durchführung eines Verfahrens für erst zu besetzende Stellen nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Indem das VwG alleine im Hinblick darauf, dass die geplante Geschäftstätigkeit - deren beabsichtigte Aufnahme vom VwG nicht per se verneint wurde - noch nicht begonnen wurde, eine Arbeitsmarktprüfung für nicht erforderlich erachtete, belastete es sein Erkenntnis daher insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Normen
RS 5
Im Verfahren betreffend Zulassung als Schlüsselkraft dürfen keine Umstände vorliegen, die nach der Überzeugung der Behörde für das in Aussicht genommene Beschäftigungsverhältnis die künftige Einhaltung der in Betracht kommenden allgemeinen und besonderen lohn- und arbeitsrechtlichen Vorschriften als zweifelhaft erscheinen lassen. Der Begriff der Arbeitsbedingungen ist weit zu verstehen (vgl. ). Die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften fallen nicht darunter (). Allein daraus, dass das Unternehmen in den ersten 18 Monaten noch nicht mit einem "ausreichenden Gewinn" rechnen könne, ist jedoch nicht abzuleiten, dass die Lohnzahlungen nicht erfolgen oder die Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht eingehalten würden (vgl. ). Für eine solche (negative) Prognoseentscheidung bedarf es vielmehr konkreter Feststellungen, aus denen sich ableiten lässt, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit überhaupt nicht aufgenommen oder ein Interesse an der Geschäftstätigkeit gar nicht bestehen wird. Der Umstand allein, dass zunächst noch keine Gewinne erwirtschaftet werden, lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht eingehalten werden, kann ein Unternehmen - gerade auch zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit - doch auch über weiteres Fremd- oder Eigenkapital, also eine Kreditfinanzierung oder durch Nachschüsse der Gesellschafter ins Gesellschaftsvermögen finanziert werden.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die Revision der A B in C, vertreten durch die Schwarz Schönherr Rechtsanwälte KG in 1010 Wien, Parkring 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W156 2231258-1/15E, betreffend Versagung der Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem im Beschwerdeverfahren nach mündlicher Verhandlung ergangenen angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht - in Bestätigung des Bescheids der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom und nach Beschwerdevorentscheidung vom und anschließendem Vorlageantrag - den Antrag der Revisionswerberin vom auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot - Karte als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für eine Tätigkeit bei einer näher bezeichneten Handelsgesellschaft (in der Folge kurz: Arbeitgeberin) ab.

Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für zulässig.

2 Das Bundesverwaltungsgericht ging in seiner Entscheidung im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

3 Die Revisionswerberin sei eine am geborene iranische Staatsangehörige. Laut Arbeitgebererklärung solle sie bei der Arbeitgeberin in der Beratung und im Vertrieb mit einem monatlichen Bruttolohn von € 3.300,-- im Ausmaß von 38,5 Wochenstunden an einem Arbeitsplatz im eigenen Betrieb beschäftigt werden. Die Revisionswerberin verfüge über ein abgeschlossenes Studium der Humanmedizin und zehn Jahre Berufserfahrung. Sie weise Englischkenntnisse auf dem Niveau C1 und Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 auf.

4 Bei der Arbeitgeberin handle es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Wien, die am in das Firmenbuch eingetragen worden sei. Seit dem verfüge sie über eine Gewerbeberechtigung „Handelsgewerbe mit Ausnahme reglementierter Handelsgewerbe“. Eine Geschäftstätigkeit habe sie bis dato nicht entfaltet. Die Arbeitgeberin verfüge über kein Geschäftslokal und keine Homepage. Geschäftsgegenstand solle der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln sein, vorrangig in der iranischen Gemeinschaft in Österreich. Sofern eine Gewerbeberechtigung für Medizinprodukte erworben werde, solle der Vertrieb auf diese ausgedehnt werden. Dahingehende Schritte seien bis dato nicht unternommen worden.

5 Zum Stichtag hätten 1.492 iranische Staatsangehörige und insgesamt 24.733 im Iran geborene Personen in Österreich gelebt.

6 Der Jahresabschluss der Arbeitgeberin zum weise Aktiva in Höhe von € 17.335,02 auf, keinerlei Anlagevermögen, ein Umlaufvermögen in Höhe von € 17.335,02, wobei € 0,-- auf Vorräte, € 32,-- auf Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände und € 17,303,02 auf Wertpapiere und Anteile entfielen. Es sei nicht geplant, sich um Investoren zu bemühen. Die Geschäftsführerin der Arbeitgeberin sei Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin einer weiteren Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die ein gleichgelagertes Verfahren betreffend Ablehnung der Zulassung eines iranischen Arztes als Schlüsselkraft für den Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln beim Bundesverwaltungsgericht anhängig gemacht habe. Ein weiteres inhaltlich gleichgelagertes Verfahren sei beim Bundesverwaltungsgericht in der Gerichtsabteilung W 178 anhängig, wobei die Firmenadresse dieser Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit jener des gegenständlichen Verfahrens ident sei. Drei weitere gleichgelagerte Verfahren seien noch beim Arbeitsmarktservice anhängig.

7 Nach Darlegung der zu diesen Sachverhaltsfeststellungen führenden Beweiswürdigung begründete das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung rechtlich - nach Darstellung maßgeblicher rechtlicher Bestimmungen - fallbezogen im Wesentlichen dahingehend, dass die Revisionswerberin laut Arbeitgebererklärung von der Arbeitgeberin in Beratung und Vertrieb beschäftigt werden solle.

8 Die Revisionswerberin erfülle aufgrund ihrer beruflichen Qualifikationen, der ausbildungsadäquaten Berufserfahrung, den nachgewiesenen Sprachkenntnissen und ihres Alters unstrittig die gemäß § 12b Abs. 1 AuslBG erforderliche Mindestpunkteanzahl. Dennoch führe ihre Beschwerde nicht zum Erfolg:

9 Die Rot-Weiß-Rot - Karte „sonstige Schlüsselkraft“ ermögliche bei Vorliegen der Voraussetzungen (§ 12b Z 1 AuslBG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AuslBG) und wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts nach Prüfung gemäß § 4b AuslBG eine Erteilung zulasse, dass eine drittstaatsangehörige Arbeitskraft für einen inländischen Arbeitgeber tätig werden könne. Der Prüfung gemäß § 4b AuslBG sei das Anforderungsprofil zugrunde zu legen, das in den betrieblichen Notwendigkeiten seine Deckung finden müsse. Die betriebliche Notwendigkeit werde jedenfalls zu bejahen sein, wenn das Anforderungsprofil und damit die für die Arbeitsstelle in Aussicht genommene Person bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise (also objektiv) erforderlich sei, um den Betrieb in seinem wirtschaftlichen Bestand zu sichern.

10 Die Arbeitgeberin habe bisher nach eigenem Vorbringen keinen Geschäftsbetrieb entfaltet. Der Begriff „betriebliche Notwendigkeit“ setze aber einen Geschäftsbetrieb voraus, dessen grundsätzlicher Bestand durch die Einstellung eines Arbeitnehmers gesichert werden solle. Für die Einstellung der Revisionswerberin könne somit mangels Vorliegen eines Geschäftsbetriebs auch keine betriebliche Notwendigkeit geltend gemacht werden. Dass es nach dem Willen des Gesetzgebers ausreichend sei, die Geschäftstätigkeit überhaupt erst durch die Einstellung der beantragten sonstigen Schlüsselkraft aufzunehmen, könne nicht unterstellt werden, zumal beispielsweise (nach § 41 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz [NAG] und § 24 AuslBG) eine eigene Rot-Weiß-Rot - Karte für Start-up-Gründer vorgesehen sei.

11 Darüber hinaus sehe § 4 Abs. 1 Z [richtig: 2] AuslBG als eine der Voraussetzungen vor, dass die Gewähr gegeben erscheine, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhalte, wofür eine Prognoseentscheidung betreffend die Zuverlässigkeit des Arbeitgebers zu treffen sei (Hinweis auf ). Hier lägen jedoch Umstände vor, die diese als zweifelhaft erscheinen lasse, seien im gegenständlichen Fall doch bis dato weder eine Geschäftstätigkeit entfaltet worden, noch liege ein nachvollziehbarer Businessplan vor. Es sei nach den Angaben der Arbeitgeberin in den ersten 18 Monaten auch nicht mit einem ausreichenden Gewinn zu rechnen, sodass berechtigte Zweifel daran bestünden, dass die vorgesehene Entlohnung von € 3.300,--, somit der vertraglich geschuldete Lohn, der Revisionswerberin auch gesichert ausgezahlt werden könne. Somit lägen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot - Karte „sonstige Schlüsselkraft“ schon aus diesem Grund nicht vor.

12 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehle, ob die Voraussetzungen für das Zulassen einer Schlüsselkraft auf Unternehmensseite erfüllt sein könnten, wenn das Unternehmen bis dato keine Geschäftstätigkeit entfaltet habe und erst die beantragte Schlüsselkraft eine Geschäftstätigkeit aufbauen solle und wenn für den Zeitraum des Aufbaus der Geschäftstätigkeit die Einhaltung der lohn- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen (insbesondere die Zahlung des Entgelts und die Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge) beispielsweise mangels eines entsprechenden Gewinns nicht gewährleistet scheine.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Revision. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Die Revisionswerberin schließt sich in der Frage der Zulässigkeit der Revision der Begründung des Bundesverwaltungsgerichts an und macht unter diesem Aspekt zudem ein Abweichen des Bundesverwaltungsgerichts von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der „betrieblichen Notwendigkeiten“ gemäß § 4b Abs. 1 AuslBG geltend.

15 Die Revision ist aus den angeführten Gründen zulässig. Sie ist im Hinblick darauf auch begründet.

16 Ausländer werden zu einer Beschäftigung als „sonstige Schlüsselkraft“ gemäß § 12b Z 1 AuslBG zugelassen, wenn sie die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C (zum Ausländerbeschäftigungsgesetz) angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 v.H. oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 v.H. der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 198/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG mit Ausnahme dessen Z 1 erfüllt sind.

17 Nach dem - hier sinngemäß - anzuwendenden § 4 Abs. 1 AuslBG ist einem Arbeitgeber auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und unter anderem die Gewähr gegeben erscheint, dass der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält (Z 2 leg. cit.).

18 Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts lässt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4b Abs. 1 AuslBG zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. Unter den verfügbaren Ausländern sind jene mit Anspruch auf Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, EWR-Bürger, Schweizer, türkische Assoziationsarbeitnehmer (§ 4c AuslBG) und Ausländer mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang (§ 17 AuslBG) zu bevorzugen. Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten Deckung finden muss, zugrunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikation hat der Arbeitgeber zu erbringen.

19 Im konkreten Fall sind nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts die in der Person der Revisionswerberin gelegenen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Bewilligung (Mindestpunkteanzahl) gegeben. Auch die Erfüllung des konkreten Anforderungsprofils durch die Revisionswerberin wurde im angefochtenen Erkenntnis nicht in Zweifel gezogen.

20 Das Bundesverwaltungsgericht begründete die Ablehnung der Erteilung der beantragten Rot-Weiß-Rot - Karte „sonstige Schlüsselkraft“ nach § 12b Z 1 AuslBG hingegen zum einen damit, dass die in § 4b AuslBG vorgeschriebene Prüfung, ob das angegebene Anforderungsprofil in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finde, nicht durchgeführt werden könne, weil eine „betriebliche Notwendigkeit“ einen (bereits aufgenommenen) Geschäftsbetrieb voraussetze. Zum anderen argumentierte es seine Ablehnung damit, dass in den ersten 18 Monaten noch nicht mit einem ausreichenden Gewinn zu rechnen sei. Es bestünden deshalb Zweifel daran, dass die vorgesehene Entlohnung von monatlich € 3.300,-- gesichert ausbezahlt werden könne.

21 Die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Gründe tragen die ausgesprochene Abweisung des Antrags nicht:

22 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezweckt ein Verfahren zur Vermittlung von Ersatzkräften nach § 4b Abs. 1 AuslBG, den Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung sicher zu stellen. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluss auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein. Zugleich dient ein solches Verfahren dem vom Gesetz gewünschten Ergebnis, dass die freie Stelle besetzt und der Bedarf des Arbeitgebers nach seinem Anforderungsprofil entsprechenden Arbeitskräften befriedigt wird (vgl. , mwN).

23 In diesem Sinn ist es - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat - grundsätzlich Sache des Beschäftigers, das Anforderungsprofil hinsichtlich des zu besetzenden Arbeitsplatzes und der konkreten von der Arbeitskraft zu leistenden Tätigkeiten auf abstrakte Weise festzulegen. Der Beschäftiger hat zwar nach § 4b Abs. 1 letzter Satz AuslBG den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikation der gewünschten Arbeitskraft zu erbringen. Die belangte Behörde ist in diesem Rahmen aber grundsätzlich an das von der antragstellenden Partei formulierte Anforderungsprofil gebunden (, mwN).

24 Weder ergibt sich jedoch aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Arbeitsplatz, der besetzt werden soll, bereits zuvor von einem anderen Arbeitnehmer ausgefüllt gewesen sein muss, also im Betrieb des Arbeitgebers nicht neu geschaffen worden sein darf. Auch die vom Bundesverwaltungsgericht für notwendig erachtete weitere Anforderung, dass der Arbeitsplatz zur Aufrechterhaltung eines bereits laufenden Geschäftsbetriebs erforderlich ist oder in einem laufenden Unternehmen nicht im Hinblick auf eine Änderung des Geschäftsmodells erforderlich geworden sein darf, hat weder das Gesetz noch die höchstgerichtliche Rechtsprechung für sich, soll doch - wie oben dargelegt - grundsätzlich der Bedarf des Arbeitgebers nach seinem Anforderungsprofil entsprechenden Arbeitskräften befriedigt werden. Nur dann, wenn der im Antrag angeführte Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers tatsächlich nicht besetzt werden soll, die Arbeitskraft also gar nicht, oder nicht in der behaupteten Art und Weise beschäftigt werden soll, hätte dies unter dem angeführten Gesichtspunkt zur Antragsabweisung zu führen (vgl. etwa , mit Hinweis auf ).

25 Im vorliegenden Fall schadet es daher nicht, dass die Arbeitgeberin, eine bereits im Firmenbuch eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eine operative Tätigkeit bislang noch nicht entfaltet hat, verneinte das Bundesverwaltungsgericht doch nicht, dass eine solche entsprechend dem festgestellten Geschäftsplan tatsächlich beabsichtigt sei und bei Besetzung des Arbeitsplatzes aufgenommen werden würde. Dass diese Tätigkeit erst mit dem auf die zu besetzende Arbeitsstelle aufzunehmenden Arbeitnehmer begonnen werden soll, kann eine Abweisung des Antrags oder das Unterlassen einer Arbeitsmarktprüfung daher nicht begründen.

26 Sofern im angefochtenen Erkenntnis in diesem Zusammenhang damit argumentiert wird, dass eine eigene Rot-Weiß-Rot - Karte für Start-up-Gründer vorgesehen sei und in diesem Zusammenhang auf § 41 NAG und § 24 AuslBG verwiesen wird, ist dies ebenfalls nicht tragfähig.

27 Wie in der Revision zutreffend aufgezeigt wird und sich bereits der Überschrift zu § 24 AuslBG „Gutachten für selbständige Schlüsselkräfte und Start-up-GründerInnen“ entnehmen lässt, bezieht sich diese Bestimmung auf eine selbständige Erwerbstätigkeit von Ausländerinnen und Ausländern. Die Revisionswerberin kann mit ihrer beabsichtigten unselbständigen Beschäftigung nicht erfolgreich auf einen solchen Titel verwiesen werden.

28 Eher spricht der sich aus § 24 AuslBG ergebende Umstand, dass bereits für eine erst beabsichtigte Erwerbstätigkeit eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden kann, und die in diesem Zusammenhang ausdrücklich angeführte Möglichkeit der Schaffung neuer Arbeitsplätze dafür, dass auch bei unselbständigen Arbeitnehmern die Durchführung eines Verfahrens für erst zu besetzende Stellen nicht von vornherein ausgeschlossen ist.

29 Indem das Bundesverwaltungsgericht daher alleine im Hinblick darauf, dass die geplante Geschäftstätigkeit - deren beabsichtigte Aufnahme vom Verwaltungsgericht nicht per se verneint wurde - noch nicht begonnen wurde, eine Arbeitsmarktprüfung für nicht erforderlich erachtete, belastete es sein Erkenntnis daher insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

30 Aber auch der zweite vom Verwaltungsgericht herangezogene Ablehnungsgrund ist nicht tragfähig. So judizierte der Verwaltungsgerichtshof, dass keine Umstände vorliegen dürfen, die nach der Überzeugung der Behörde für das in Aussicht genommene Beschäftigungsverhältnis die künftige Einhaltung der in Betracht kommenden allgemeinen und besonderen lohn- und arbeitsrechtlichen Vorschriften als zweifelhaft erscheinen lassen und hielt in diesem Zusammenhang fest, dass der Begriff der Arbeitsbedingungen weit zu verstehen sei (siehe etwa , zum damaligen § 4 Abs. 3 Z 4 AuslBG). Er hat in diesem Zusammenhang jedoch auch festgehalten, dass die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften nicht darunterfallen (). Eine Unterentlohnung - wie sie in , VwSlg. 15.622 A/2001, gegenständlich war - nahm das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht an.

31 Allein aus der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Feststellung, dass das Unternehmen in den ersten 18 Monaten noch nicht mit einem „ausreichenden Gewinn“ rechnen könne, ist jedoch nicht abzuleiten, dass die Lohnzahlungen nicht erfolgen oder die Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht eingehalten würden (vgl. zu einem eröffneten Konkursverfahren ). Für eine solche (negative) Prognoseentscheidung bedürfte es vielmehr konkreter Feststellungen, aus denen sich ableiten ließe, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit überhaupt nicht aufgenommen oder ein Interesse an der Geschäftstätigkeit gar nicht bestehen würde, wovon das Bundesverwaltungsgericht aber offenbar gerade nicht ausging. Der Umstand allein, dass zunächst noch keine Gewinne erwirtschaftet werden, lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht eingehalten werden, kann ein Unternehmen - gerade auch zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit - doch auch über weiteres Fremd- oder Eigenkapital, also eine Kreditfinanzierung oder durch Nachschüsse der Gesellschafter ins Gesellschaftsvermögen finanziert werden. Davon, dass auf Dauer keine gewinnbringende Geschäftstätigkeit entfaltet würde, ging auch das Bundesverwaltungsgericht nicht aus.

32 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

33 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

34 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Besondere Rechtsgebiete
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021090002.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-46608