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VwGH 25.10.2022, Ro 2021/08/0015

VwGH 25.10.2022, Ro 2021/08/0015

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Die Hinterbliebenenpension stellt - wie auch ein Unterhaltsanspruch in Geld - ein eigenes Einkommen dar. Sowohl eine Hinterbliebenenpension als auch ein monetärer Unterhaltsanspruch wäre nach der vor dem geltenden Rechtslage nicht als Partnereinkommen, sondern als eigenes Einkommen anzurechnen gewesen (vgl. zu Unterhaltszahlungen etwa , sowie ; zur Hinterbliebenenpension ). Durch die Novelle BGBl. I Nr. 157/2017 wurde nur die Anrechnung des Partnereinkommens beseitigt. Dass demgegenüber Unterhaltsbezüge weiterhin der Anrechnung unterliegen sollen, ergibt sich schon daraus, dass dafür in Form des - im Plenum des Nationalrats angefügten - letzten Satzes des § 36 Abs. 3 AlVG 1977 eine eigene Regelung geschaffen wurde, wonach diese Anrechnung nur mit dem die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Betrag zu erfolgen hat. Der VwGH hat - in Zusammenhang mit der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem damaligen § 34 AlVG 1977 - auch schon ausgesprochen, dass die unterschiedliche Behandlung eines Anspruchs auf Unterhalt gegen im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatten oder eingetragene Partner und eines eigenen Einkommens - mag es auch, wie im Fall von Geldleistungen des nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Unterhaltsverpflichteten oder einer Hinterbliebenenpension, dem Unterhalt dienen - zulässig sein kann, weil das eigene Einkommen selbständige Dispositionsmöglichkeiten eröffnet (vgl. ). In diesem Sinn bestehen auch gegen die Anrechnung von Geldunterhalt und Hinterbliebenenpensionen nach Abschaffung der Anrechnung des Partnereinkommens auf die Notstandshilfe keine gleichheitsrechtlichen Bedenken.
Normen
AlVG 1977 §12
AlVG 1977 §36 Abs3 idF 2017/I/157
ASVG §5 Abs2
NotstandshilfeV §5 Abs2
VwRallg
RS 2
Die Regelung betreffend Unterhaltsbezüge (§ 36 Abs. 3 letzter Satz AlVG 1977) geht auf eine Änderung im Plenum des Nationalrats zurück. Sie wird im Gesamtändernden Abänderungsantrag (AA-248 25. GP, 3) wie folgt begründet: "Zusätzlich wird klargestellt, dass Unterhaltsansprüche von getrennten Partnern als Eigeneinkommen nur angerechnet werden, soweit sie die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG übersteigen." Damit wird weitgehend der Gleichklang mit Erwerbseinkommen hergestellt, wie er auch bisher - auf Grund der insoweit nicht differenzierenden Bestimmung des § 5 Abs. 2 der NotstandshilfeV (vgl. dazu , mwN) - gegeben war. Nach der durch die Novelle BGBl. I Nr. 157/2017 geschaffenen Rechtslage besteht nun nur insoweit ein Unterschied, als bei Erwerbseinkommen die Geringfügigkeitsgrenze nicht einen Freibetrag absteckt, sondern eine Freigrenze bildet - diese Einkommen sind also, solange sie unter der Geringfügigkeitsgrenze liegen, gar nicht, sobald sie diese aber überschreiten, voll anzurechnen (wobei in diesen Fällen zumindest in aller Regel gemäß § 12 AlVG 1977 keine Arbeitslosigkeit mehr vorliegen wird, sodass der Anspruch schon wegen Wegfalls dieser Voraussetzung zur Gänze verloren geht).
Normen
RS 3
Der Begriff der Unterhaltsbezüge wird in § 36 Abs. 3 AlVG 1977 durch Verweis auf § 29 Z 1 zweiter Teilstrich EStG 1988 konkretisiert. Hinterbliebenenpensionen fallen nicht unter diese Bezüge bzw. unter die in § 29 EStG 1988 geregelten "sonstigen Einkünfte", sondern sind - ebenso wie Eigenpensionen - Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988). Eine "Klarstellung" im AlVG 1977 wie für Unterhaltsbezüge hat der Gesetzgeber für Hinterbliebenenpensionen nicht als erforderlich angesehen. Vor dem dargestellten einkommensteuerrechtlichen Hintergrund ist vielmehr davon auszugehen, dass Hinterbliebenenpensionen als "Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit" im Sinn des § 36 Abs. 3 zweiter Satz AlVG 1977 verstanden werden sollen, sodass die Freigrenze nach der genannten Bestimmung zur Anwendung kommt. Wollte man Hinterbliebenenpensionen nicht unter diesen Tatbestand subsumieren, sondern unabhängig vom Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze stets (zur Gänze) auf die Notstandshilfe anrechnen, käme es zu einer Schlechterstellung gegenüber der früheren Rechtslage; dafür, dass das vom Gesetzgeber gewollt war, ist aber - gerade im Licht der grundsätzlichen Intention der Novelle, Frauen als typischerweise von den Anrechnungsbestimmungen Betroffene besserzustellen (vgl. die Begründung des Initiativantrags 1366/A 25. GP, 2) - kein Anhaltspunkt ersichtlich. Umgekehrt ist es aber nicht geboten, die nach dem Gesetzeswortlaut nur für Unterhaltsbezüge im Sinn des § 29 Z 1 zweiter Teilstrich EStG 1988 geltende, gegenüber der früheren Rechtslage günstigere Anrechnungsregel des § 36 Abs. 3 letzter Satz AlVG 1977 auch auf Hinterbliebenenpensionen anzuwenden. Auch wenn diese an die Stelle bisheriger Unterhaltsleistungen durch den Verstorbenen treten, handelt es sich um Zahlungen grundlegend anderer Art. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Anspruch darauf im öffentlichen Recht begründet ist, gegenüber dem Pensionsversicherungsträger mit Ausfallhaftung des Bundes besteht und von Einkommensschwankungen eines Unterhaltsverpflichteten unabhängig ist. Das dürfte u.a. auch die unterschiedliche einkommensteuerrechtliche Behandlung der daraus resultierenden Einkünfte gegenüber den (grundsätzlich steuerfreien) Bezügen von einem Unterhaltsverpflichteten rechtfertigen. Auch das Argument, dass mit dem Freibetrag für Unterhaltszahlungen ein Anreiz geschaffen werden soll, Unterhaltsansprüche gegenüber den jeweiligen Verpflichteten zu verfolgen, während ein solcher Anreiz für die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Pensionsversicherungsträger nicht erforderlich erscheint, kann als sachlicher Grund für die differenzierende Regelung in § 36 Abs. 3 AlVG 1977 angesehen werden. Vor diesem Hintergrund erscheint weder eine verfassungskonforme Interpretation erforderlich noch die Annahme einer durch Analogie zu schließenden planwidrigen Gesetzeslücke indiziert.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schramel, über die Revision des Ing. M S in W, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W229 2216197-1/11E, betreffend Bemessung der Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Hietzinger Kai), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) sprach mit Bescheid vom aus, dass dem Revisionswerber ab Notstandshilfe in der Höhe von € 24,73 täglich gebühre. Dem lag insbesondere zugrunde, dass die vom Revisionswerber bezogene Witwerpension in Höhe von € 18,27 täglich auf die Notstandshilfe angerechnet wurde.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, in der sich der Revisionswerber gegen die Anrechnung der Witwerpension wandte, als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

3 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - auf das Wesentlichste zusammengefasst - aus, dass der Anspruch des Revisionswerbers auf Witwerpension ein eigenes Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit begründe, das gemäß § 36 Abs. 1, 2 und 3 1. und 2. Satz AlVG anzurechnen sei. Zwar sei seit (Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 157/2017) nicht mehr das Partnereinkommen auf die Notstandshilfe anzurechnen. Die Witwerpension unterscheide sich davon aber insofern, als sie dem Revisionswerber aus einer Versicherungsleistung nach dem ASVG unmittelbar zufließe und ihm dementsprechende Dispositionsmöglichkeiten eröffne. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im AlVG die Hinterbliebenenpension anders behandle als das Partnereinkommen. Soweit der Revisionswerber eine analoge Anwendung des § 36 Abs. 3 letzter Satz AlVG auf Bezieher einer Hinterbliebenenpension und damit die Anrechnung nur mit dem die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Betrag fordere, sei auf die strenge Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit der Analogie zu verweisen. Eine planwidrige Lücke im Sinn dieser Rechtsprechung liege hier nicht vor. Aus den Materialien zu § 36 Abs. 3 AlVG idF BGBl. I Nr. 157/2017 sei nicht zu erschließen, weshalb der Gesetzgeber eine begünstigende Regelung im Hinblick auf die Anrechnung von wiederkehrenden Bezügen gesetzlich unterhaltsberechtigter Personen gegenüber Einkommen aus Erwerbstätigkeit, wozu auch die Hinterbliebenenpension zähle, vorgenommen habe. Umgekehrt könne den Gesetzesmaterialien auch nicht entnommen werden, dass der Wille des Gesetzgebers im Hinblick auf Hinterbliebenenpensionen tatsächlich in eine andere Richtung gegangen sei als sie in der Regelung des § 36 Abs. 3 letzter Satz AlVG zum Ausdruck komme. Vielmehr sei davon auszugehen, dass diese Regelung, welche ausschließlich wiederkehrende Bezüge gesetzlich unterhaltsberechtigter Personen nenne und diese durch den Verweis auf § 29 Z 1 2. Teilstrich EStG 1988 auch klar definiere, vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen sei. Dies begegne, weil es sich bei den Unterhaltsbezügen einerseits und den Hinterbliebenenpensionen andererseits um Leistungen unterschiedlicher Natur handle, auch keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken. Die Anrechnung der Witwerpension im vollen Ausmaß sei daher zu Recht erfolgt.

4 Die Revision sei zulässig, weil es zur Anrechnung der Hinterbliebenenpension nach der Novelle BGBl. I Nr. 157/2017 keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision - nach Durchführung des Vorverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch das AMS - erwogen:

6 Die Revision ist aus dem vom Bundesverwaltungsgericht genannten Grund, auf den auch in der Revision zurückgekommen wird, zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

7 Gemäß § 36 Abs. 3 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 157/2017 (durch die nachfolgende Novelle BGBl. I Nr. 100/2018 wurde - ohne inhaltliche Änderung - lediglich der Verweis auf das EStG 1988 berichtigt) ist bei der Anrechnung von Einkommen auf den Notstandshilfeanspruch so vorzugehen, dass das in einem Kalendermonat erzielte und ohne Auswirkung auf den Leistungsanspruch in diesem Kalendermonat gebliebene Einkommen des Arbeitslosen im Folgemonat nach Abzug des zur Erzielung des Einkommens notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe anzurechnen ist. Ausgenommen ist ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, das den der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat entsprechenden Betrag nicht übersteigt. „Wiederkehrende Bezüge an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen (§ 29 Z 1 zweiter Teilstrich EStG 1988)“ sind nur insoweit anzurechnen, als sie den Betrag der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG übersteigen.

8 Der Revisionswerber vertritt die Ansicht, dass in einer verfassungskonformen Auslegung des § 36 Abs. 3 AlVG keine Anrechnung der Witwerpension auf den Notstandshilfeanspruch vorzunehmen sei. Die Witwerpension ersetze nämlich zumindest teilweise den Betrag, den die verstorbene Ehepartnerin zum Familieneinkommen beigetragen habe. Insofern sei sie einer Unterhaltsleistung bei aufrechter Ehe gleichzuhalten. Der Gesetzgeber habe aber entschieden, ab das Partnereinkommen von der Anrechnung auf die Notstandshilfe auszunehmen. Aus Gründen der Gleichbehandlung müsse dies auch für die Witwerpension gelten.

9 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Hinterbliebenenpension - wie auch ein Unterhaltsanspruch in Geld - ein eigenes Einkommen darstellt. Sowohl eine Hinterbliebenenpension als auch ein monetärer Unterhaltsanspruch wäre nach der vor dem geltenden Rechtslage nicht als Partnereinkommen, sondern als eigenes Einkommen anzurechnen gewesen (vgl. zu Unterhaltszahlungen etwa , sowie ; zur Hinterbliebenenpension ). Durch die Novelle BGBl. I Nr. 157/2017 wurde nur die Anrechnung des Partnereinkommens beseitigt. Dass demgegenüber Unterhaltsbezüge weiterhin der Anrechnung unterliegen sollen, ergibt sich schon daraus, dass dafür in Form des - im Plenum des Nationalrats angefügten - letzten Satzes des § 36 Abs. 3 AlVG eine eigene Regelung geschaffen wurde, wonach diese Anrechnung nur mit dem die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Betrag zu erfolgen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat - in Zusammenhang mit der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem damaligen § 34 AlVG - auch schon ausgesprochen, dass die unterschiedliche Behandlung eines Anspruchs auf Unterhalt gegen im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatten oder eingetragene Partner und eines eigenen Einkommens - mag es auch, wie im Fall von Geldleistungen des nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Unterhaltsverpflichteten oder einer Hinterbliebenenpension, dem Unterhalt dienen - zulässig sein kann, weil das eigene Einkommen selbständige Dispositionsmöglichkeiten eröffnet (vgl. ). In diesem Sinn bestehen auch gegen die Anrechnung von Geldunterhalt und Hinterbliebenenpensionen nach Abschaffung der Anrechnung des Partnereinkommens auf die Notstandshilfe keine gleichheitsrechtlichen Bedenken.

10 Der Revisionswerber wendet sich auch gegen die Ungleichbehandlung von Einkommen aus Hinterbliebenenpensionen gegenüber Einkommen aus Unterhaltsbezügen: Nur für Letztere besteht nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 3 letzter Satz AlVG ein Freibetrag bis zur Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG.

11 Die Regelung betreffend Unterhaltsbezüge geht, wie bereits erwähnt, auf eine Änderung im Plenum des Nationalrats zurück. Sie wird im Gesamtändernden Abänderungsantrag (AA-248 25. GP, 3) wie folgt begründet: „Zusätzlich wird klargestellt, dass Unterhaltsansprüche von getrennten Partnern als Eigeneinkommen nur angerechnet werden, soweit sie die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG übersteigen.“ Damit wird weitgehend der Gleichklang mit Erwerbseinkommen hergestellt, wie er auch bisher - auf Grund der insoweit nicht differenzierenden Bestimmung des § 5 Abs. 2 der Notstandshilfeverordnung (vgl. dazu , mwN) - gegeben war. Nach der durch die Novelle BGBl. I Nr. 157/2017 geschaffenen Rechtslage besteht nun nur insoweit ein Unterschied, als bei Erwerbseinkommen die Geringfügigkeitsgrenze nicht einen Freibetrag absteckt, sondern eine Freigrenze bildet - diese Einkommen sind also, solange sie unter der Geringfügigkeitsgrenze liegen, gar nicht, sobald sie diese aber überschreiten, voll anzurechnen (wobei in diesen Fällen zumindest in aller Regel gemäß § 12 AlVG keine Arbeitslosigkeit mehr vorliegen wird, sodass der Anspruch schon wegen Wegfalls dieser Voraussetzung zur Gänze verloren geht).

12 Der Begriff der Unterhaltsbezüge wird in § 36 Abs. 3 AlVG durch Verweis auf § 29 Z 1 zweiter Teilstrich EStG 1988 konkretisiert. Hinterbliebenenpensionen fallen nicht unter diese Bezüge bzw. unter die in § 29 EStG 1988 geregelten „sonstigen Einkünfte“, sondern sind - ebenso wie Eigenpensionen - Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988). Eine „Klarstellung“ im AlVG wie für Unterhaltsbezüge hat der Gesetzgeber für Hinterbliebenenpensionen nicht als erforderlich angesehen. Vor dem dargestellten einkommensteuerrechtlichen Hintergrund ist vielmehr davon auszugehen, dass Hinterbliebenenpensionen als „Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit“ im Sinn des § 36 Abs. 3 zweiter Satz AlVG verstanden werden sollen, sodass die Freigrenze nach der genannten Bestimmung zur Anwendung kommt. Wollte man Hinterbliebenenpensionen nicht unter diesen Tatbestand subsumieren, sondern unabhängig vom Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze stets (zur Gänze) auf die Notstandshilfe anrechnen, käme es zu einer Schlechterstellung gegenüber der früheren Rechtslage; dafür, dass das vom Gesetzgeber gewollt war, ist aber - gerade im Licht der grundsätzlichen Intention der Novelle, Frauen als typischerweise von den Anrechnungsbestimmungen Betroffene besserzustellen (vgl. die Begründung des Initiativantrags 1366/A 25. GP, 2) - kein Anhaltspunkt ersichtlich.

13 Umgekehrt ist es entgegen der Ansicht des Revisionswerbers aber nicht geboten, die nach dem Gesetzeswortlaut - wie dargestellt - nur für Unterhaltsbezüge im Sinn des § 29 Z 1 zweiter Teilstrich EStG 1988 geltende, gegenüber der früheren Rechtslage günstigere Anrechnungsregel des § 36 Abs. 3 letzter Satz AlVG auch auf Hinterbliebenenpensionen anzuwenden. Auch wenn diese an die Stelle bisheriger Unterhaltsleistungen durch den Verstorbenen treten, handelt es sich um Zahlungen grundlegend anderer Art. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Anspruch darauf im öffentlichen Recht begründet ist, gegenüber dem Pensionsversicherungsträger mit Ausfallhaftung des Bundes besteht und von Einkommensschwankungen eines Unterhaltsverpflichteten unabhängig ist. Das dürfte u.a. auch die unterschiedliche einkommensteuerrechtliche Behandlung der daraus resultierenden Einkünfte gegenüber den (grundsätzlich steuerfreien) Bezügen von einem Unterhaltsverpflichteten rechtfertigen. Auch das vom AMS in der Revisionsbeantwortung ins Treffen geführte Argument, dass mit dem Freibetrag für Unterhaltszahlungen ein Anreiz geschaffen werden soll, Unterhaltsansprüche gegenüber den jeweiligen Verpflichteten zu verfolgen, während ein solcher Anreiz für die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Pensionsversicherungsträger nicht erforderlich erscheint, kann als sachlicher Grund für die differenzierende Regelung in § 36 Abs. 3 AlVG angesehen werden. Vor diesem Hintergrund erscheint weder eine verfassungskonforme Interpretation erforderlich noch die Annahme einer durch Analogie zu schließenden planwidrigen Gesetzeslücke indiziert.

14 Das bedeutet, dass im vorliegenden Fall die volle Anrechnung der Witwerpension, die mit ihrer unstrittigen Höhe von € 548,10 monatlich über der für das Jahr 2018 geltenden Geringfügigkeitsgrenze von € 438,05 lag, rechtskonform war.

15 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

16 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Normen
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021080015.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAF-46606