VwGH 15.06.2023, Ro 2021/02/0011
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | B-VG Art130 Abs1 Z2 B-VG Art132 Abs2 BWG 1993 §60 Abs3 BWG 1993 §69 BWG 1993 §70 Abs1 BWG 1993 §70 Abs1 Z1 VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg |
RS 1 | Die FMA hat durch laufende Aufsicht dafür zu sorgen, dass die Kreditinstitute die gesetzlichen Vorgaben beachten, wobei ihr zur Erfüllung dieser Aufgabe die in § 70 Abs. 1 BWG 1993 angeführten Informations-, Eingriffs- und Einschaumöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die FMA kann auch ohne besonderen Anlass Einschauen vornehmen und in die Bücher, Schriftstücke und Datenträger Einsicht nehmen (vgl. ErläutRV 1130 BlgNR 18. GP 148f). Vom (jederzeitigen) Einsichtnahmerecht sind sämtliche aufsichtsrechtlich relevante Unterlagen umfasst, darunter auch der gesamte Schriftverkehr sowie Aktenvermerke, interne Anweisungen, Sitzungsprotokolle, Organisationsunterlagen und dergleichen. Einsichtnahme bedeutet Einschau in den Räumlichkeiten des beaufsichtigten Unternehmens. Diesen Befugnissen stehen entsprechende Pflichten der Betroffenen spiegelbildlich gegenüber. |
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RS 2 | Ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen einen individuell bestimmten Adressaten einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und damit unmittelbar - das heißt ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreift. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als Ausübung von "Zwangsgewalt", zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsakts in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt kein ausdrücklicher Befolgungsanspruch vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl. ). Entscheidend ist daher nicht, welche weitere Vorgangsweise seitens der Beamten im Fall der Weigerung des Betroffenen beabsichtigt war, sofern die geplante Vorgangsweise nach außen hin nicht zum Ausdruck kam (vgl.). |
Normen | |
RS 3 | Bei der Frage, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände des Einzelfalls zu lösen ist (vgl. ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision der Finanzmarktaufsichtsbehörde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W107 2208370-1/25E, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in einer Angelegenheit nach dem BWG (mitbeteiligte Partei: A AG [vormals: M AG]), vertreten durch die Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte - GmbH in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 3; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang, somit hinsichtlich der Spruchpunkte A) I. und III., wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erklärte das Bundesverwaltungsgericht - einer gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG teilweise stattgebend - das Erzwingen der Öffnung versperrter Geschäftsräumlichkeiten der mitbeteiligten Partei, ein zum damaligen Zeitpunkt eingetragenes konzessioniertes Kreditinstitut, und die darauffolgende behördliche Suche nach Unterlagen zum Thema „Tätigkeit der internen Revision im Jahr 2018“ durch Organe der revisionswerbenden Finanzmarktaufsichtbehörde (FMA) am von 14:00 bis 15:15 Uhr, für rechtswidrig (Spruchpunkt A) I.), verpflichtete den Bund als Rechtsträger der revisionswerbenden Partei zum Ersatz näher bezeichneter Kosten des Verfahrens (Spruchpunkt A) III.) und erklärte die Revision zu Spruchpunkt A) I. gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig (Spruchpunkt B).
2 Das Bundesverwaltungsgericht traf unter anderem folgende Feststellungen (Schreibweise im Original):
„Am , 14 Uhr, betraten drei Organe der FMA - S Z und W - die Räumlichkeiten der beschwerdeführenden Partei an deren Geschäftsadresse und verlangten bei der Empfangsdame, S, nach den Geschäftsleitern. Nach Bekanntgabe der Abwesenheit dieser verlangten die FMA-Organe nach der Leiterin der Internen Revision (der Z1) und wurden in ein Besprechungszimmer im 1. Stock geführt. Sodann wurde die Z1 intern von der Anwesenheit der FMA und deren Verlangen, sie zu sprechen, unterrichtet.
Festgestellt wird, dass das Erscheinen der drei Organe der FMA für diesen konkreten Zeitpunkt nicht angekündigt war, was große Aufregung am Geschäftssitz der beschwerdeführenden Partei auslöste (VP. S. 10, 28). Der Vorstand war zu diesem Zeitpunkt nicht im Hause, die Herstellung der Kommunikation mit diesem war aufgrund einer schlechten telefonischen Verbindung zunächst nicht möglich, und der Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei war ebenfalls zu diesem Zeitpunkt nicht erreichbar.
Von S (FMA) erging gegen die Z1 nach deren Erscheinen im Besprechungszimmer die Anordnung, der FMA die Einschau betreffend die Tätigkeit der Internen Revision zu ermöglichen. Dabei verlangten die Behördenorgane von der Z1, die Räumlichkeiten der Revision zu öffnen, um die geforderte Einsicht vornehmen zu können.
Festgestellt wird, dass zu den Räumlichkeiten der Internen Revision nur ein beschränkter Personenkreis Zugang hat - die Z1 als Leiterin, der Mitarbeiter Z2 und das Putzpersonal -, da diese immer versperrt und mit einem eigenen Schließmechanismus versehen sind, der nur mittels Zutrittskarten geöffnet werden kann. Der elektronische Schließmechanismus wurde laufend geändert (VP. S. 19).
Die Z1 befand sich zu diesem Zeitpunkt mit den drei Organen der FMA alleine im Besprechungszimmer und war, bedingt durch diese Situation und den Forderungen der Behörde, aufgeregt, gestresst und nervös. Sie entgegnete den Organen der FMA, dass die vertretungsbefugten Vorstandmitglieder außer Haus seien, sie daher nicht glaube, dass sie ‚das überhaupt dürfe‘, vielmehr der Vorstand ‚dabei sein sollte‘, und sie nicht wisse, ob sie die FMA eigenständig einlassen dürfe bzw. der FMA bezüglich geforderter Auskünfte ‚überhaupt helfen könne‘. Zudem berief sich auf ihre Verschwiegenheitsverpflichtung (Beilage ./1 zur Beschwerde; VP. S. 10).
S (FMA) - in Anwesenheit der beiden anderen Organe der FMA - hielt in Folge der Z1 das Schreiben der FMA, datiert , gerichtet an die beschwerdeführende Partei ‚z.H. Vorstand‘, versehen mit dem Vermerk ‚Persönlich übergeben‘ mit folgendem Inhalt vor ‚die Nase‘ (VP. S. 10), (wörtlich, auszugsweise, aus Beilage /2 der Beschwerde):
‚M
Aktiengesellschaf
z.H. Vorstand
Persönlich übergeben
Einsichtnahme gemäß § 70 Abs. 1 Z 1
BWG - Tätigkeit der internen Revision im Jahr 2018
Sehr geehrte Frau S!
Sehr geehrter Herr C!
Die Finanzmarktaufsichtsbehörde (‚FMA‘) teilt Ihnen mit, dass diese gemäß § 70 Abs. 1 Z 1 iVm 42 Bankwesengesetz (BWG), BGBI.Nr. 532/1993, idgF, in den Räumlichkeiten der M AG (‚MB‘), eine Einsichtnahme zum Thema ‚Tätigkeit der internen Revision im Jahr 2018‘ vornehmen wird und zu diesem Zwecke
a) von der MB Auskünfte zu allen Tätigkeiten der internen Revision, inklusive Prüftätigkeit, Prüfberichte, Berichtswesen sowie Kommunikation mit Vorstand und Aufsichtsrat einholen sowie
b) diesbezüglich in alle relevanten Bücher, Schriftstücke, und Datenträger der MB, insbesondere der internen Revision, des Vorstands und des Aufsichtsrates, Einsicht nehmen wird.
Der Vollständigkeit halber weisen wir darauf hin, dass die MB gemäß § 70 Abs. 1 BWG verpflichtet ist, uneingeschränkt alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in alle Unterlagen und Datenträger zu gewähren.
Mit freundlichen Grüßen,
Finanzmarktaufsichtsbehörde
Für den Vorstand‘
Die an die Z1 gerichtete Aufforderung durch die FMA zum Aufsperren der Räumlichkeiten der Internen Revision, aus den im o.a. Schreiben angeführten Gründen, wurde höflich (VP. S. 18) und nicht unter wörtlicher Androhung physischer Zwangsmaßnahmen ausgesprochen. Jedoch wurde der Z1 durch die belangte Behörde deutlich vermittelt, zum jederzeitigen Zutritt in das verschlossene Zimmer, auch ohne Anwesenheit oder Genehmigung des Vorstandes, berechtigt zu sein. Festgestellt wird, dass im Falle des Verweigerns des Zutritts durch Z1 diese nach Meinung der FMA unrechtmäßig gehandelt hätte: die belangte Behörde ging davon aus, im Falle einer Weigerung den Zugang mit Hilfe der Polizei ‚erzwingen‘ zu können (VP. S. 30).
Fest steht, dass die mit den drei Organen der FMA alleine im Besprechungszimmer im 1. Stock der Geschäftsräumlichkeiten der beschwerdeführenden Partei konferierende Z1 keine Möglichkeit sah, sich gegen den behördlichen Willen zu stellen. Ihr wurde von den Organen der FMA erklärt, dass sie verpflichtet sei, der FMA die Einschau zu ermöglichen und kam daher der behördlichen Aufforderung nach, obwohl sie Bedenken gegen diese Vorgehensweise hegte und diese auch vorbrachte (VP. S. 10, 11, 18).
Durch das Vorbringen der Organe der FMA wurde der Widerstand der Z1 gebrochen, da diese den Zugang zu den verschlossenen Räumlichkeiten ermöglichte, obwohl sie dies an sich nicht wirklich wollte und ohne die Druckausübung durch die Organe der FMA auch nicht getan hätte.
Auf Anordnung der Organe der FMA wurden in der Folge die stets versperrten Räumlichkeiten der Internen Revision etwa zwischen 14.10 Uhr und 14.30 Uhr von der Z1- zeitlich erheblich vor dem Eintreffen des rechtsfreundlichen Vertreters der beschwerdeführenden Partei sowie des Z2 (VP. S. 19) - entsperrt und geöffnet. Die Z1 führte die Organe in diese Räumlichkeiten (VP. S. 19).
Die beanstandeten Maßnahmen dienten gemäß Angaben der FMA dazu, dem Verdacht auf Mängel in einzelnen Prüfberichten nachzugehen (VP. S. 29) und zu verhindern, dass Berichte nicht der FMA vorgelegt würden (VP 29). Der Beschluss zur unangekündigten Einsichtnahme wegen des oben angeführten Verdachts wurde innerhalb der FMA zwischen S und Z gefasst und im Schreiben vom manifestiert (VP. S. 28; Beilage ./2 zur Beschwerde). Es kam der FMA gerade darauf an, sich in den verschlossenen Räumlichkeiten der Internen Revision umzusehen, mit dem Zweck, festzustellen, ob es neben den durch die Bank bereits übermittelten Revisionsberichten noch andere relevante Berichte und sonstige Aktenstücke gab, die die Bank - nach Meinung der belangten Behörde - versuchte, geheim zu halten.
Die FMA hat diesbezüglich die Z1 nicht ersucht, die relevanten Berichte, so sie existierten, im Besprechungszimmer auszuhändigen, sondern hat in der Absicht, vor Ort im Revisionszimmer den relevanten Status selbst zu verifizieren, von der Z1 die Öffnung der verschlossenen Räume verlangt. Dies wurde von der Behörde für notwendig gehalten, weil sie der Z1 nicht ausreichend vertraute, dass diese auf Ersuchen - und damit auch ohne behördliche Nachschau - alle existierenden Unterlagen herausgeben würde.
Mit Überwindung des Widerstands der Z1 wurde dieses Bestreben in der Folge in die Tat umgesetzt, wobei die Z1, die dem Drängen der Behörde auf Öffnung der Betriebsräumlichkeiten nachgab, die Behörde auf Geheiß bei der Suche nach den geforderten Unterlagen unterstützte und dieser Zugang zu den dort in diversen Schränken befindlichen Akten verschaffte. Auf dieser Basis nahmen die drei Organe der FMA unmittelbar nach dem Aufsperren Einsicht in die im Zimmer der Internen Revision befindlichen Unterlagen, Papiere bzw. Dokumente und auch in bestimmte am Computer befindliche Dateien, insbesondere in Revisionsunterlagen allgemein und in Prüfberichte zu 2018 (VP. S. 19).
Festgestellt wird, dass die Z1 dabei von der FMA auch aufgefordert wurde, Einsicht in ihren Computer zu ermöglichen. Die Z1 entsperrte ihren Computer in den Räumlichkeiten der Internen Revision selbst, erklärte dem Mitarbeiter der FMA die Ablagestruktur, zeigte diesem Ihre E-Mail Inbox und suchte einzelne E-Mails, so auch die E-Mail Korrespondenz mit dem Vorstand vom , selbst heraus. Dies wurde niederschriftlich am festgehalten (VP. S. 21).
In den Revisionsberichten befanden sich auch persönliche Daten von Kunden (VP. S. 21). Es bestand während der Einsichtnahme jedenfalls die Möglichkeit, auch auf andere Dokumente, etwa betreffend die Interne Revision 2017, zuzugreifen (VP. S. 20).
Über die von den drei Organen der FMA am durchgeführte ‚Einsichtnahme‘ wurde eine Niederschrift aufgenommen (Beilage 13 zur Beschwerde). Im Laufe der Einsichtnahme begann ein Organ der FMA, ‚eine Dame‘, handschriftlich mitzuschreiben (VP. S. 25). Diese Niederschrift wurde von den Organen der FMA unterschrieben, nicht jedoch von den sonstigen Anwesenden. Eine Kopie dieser handschriftlichen Niederschrift wurde den sonstigen Anwesenden am nicht ausgehändigt. Die Z1 und der rechtsfreundliche Vertreter der beschwerdeführenden Partei erhielten erst im Nachhinein eine ‚getippte‘ Fassung dieser Niederschrift. (VP. S. 12). Einwände dagegen wurden nicht erhoben. Die handschriftliche, am erstellte, Mitschrift durch ein Organ der FMA wurde nicht vorgelegt.
Um etwa 14.30 Uhr erschien der telefonisch herbeigerufene rechtsfreundliche Vertreter der beschwerdeführenden Partei in den Räumlichkeiten der Internen Revision und äußerte sich ‚verwundert‘ ob dieser - auch für die Z1 - ungewöhnlichen Vorgehensweise der FMA. Über seine Aufforderung wurde diesem ebenfalls das Schreiben der FMA vom vorgehalten (VP. S. 35).
Kurz nach Erscheinen des rechtsfreundlichen Vertreters betrat der Z2 die Räumlichkeiten der Internen Revision. Zu diesem Zeitpunkt hatte die FMA bereits einen Stapel an Unterlagen vorbereitet, um diese mitzunehmen. Dem Rechtsanwalt der beschwerdeführenden Partei wurde von der FMA erklärt, dass Unterlagen von der FMA im Rahmen ihrer Aufsichtsrechte jederzeit mitgenommen werden dürfen. In Folge wurde auf Anraten des Rechtsanwalts handschriftlich ein Verzeichnis erstellt und dokumentiert, welche Unterlagen der FMA übergeben wurden (VP. S. 27, 35, Beilage 13 zur Beschwerde).
Festgestellt wird, dass der rechtsfreundliche Vertreter der Bank punktuell Tätigkeiten der Organe der FMA beanstandete, und sich dabei gegen Fragen an die Z1 sowie die Übergabe bzw. Einsicht in AR-Protokolle, die keinen Konnex zur Internen Revision hatten, aussprach. Ein ‚aktives‘ Abhalten der Organe der FMA davon, die bereits gesichteten Unterlagen mitzunehmen, hielt der Rechtsanwalt für nicht adäquat, ebenso wenig einen Verweis der FMA Organe aus den Räumlichkeiten der Internen Revision durch Securitiy-Personal, zumal dem - eilends telefonisch herbeigerufenen - Rechtsvertreter der vollständige Sachverhalt zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war (VP. S. 36).
Zu dem Zeitpunkt, als der Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei eintraf, bestand für diesen keine Möglichkeit mehr, den Zugang der Behörde in das verschlossene Zimmer der Internen Revision bzw. die behördliche Einsichtnahme in die dort befindlichen Unterlagen zu verhindern, da diese Tätigkeiten damals bereits vollzogen waren.
Nach Kenntnis des vollständigen Sachverhalts wurde seitens der beschwerdeführenden Partei durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter am gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht (VP. S. 36, OZ1).
Festgestellt wird schließlich, dass die bemängelten Maßnahmen nicht aus Gründen der Dringlichkeit zwingend notwendig waren (VP. S. 29).“
3 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - zusammengefasst aus, dass die in § 70 Bankwesengesetz (BWG) normierten aufsichtsrechtlichen Maßnahmen (aufsichtsrechtliche Informations-, Eingriffs- und Einschaumöglichkeiten) im Rahmen der Hoheitsverwaltung erfolgt seien. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt könne von „Freiwilligkeit“ im vorliegenden Fall keine Rede sein. Die Organe hätten den Zutritt zu den verschlossenen Betriebsräumlichkeiten der mitbeteiligten Partei dadurch erzwungen, dass sie der Mitarbeiterin mit Nachdruck deutlich gemacht hätten, dass sie angeblich zum jederzeitigen Zutritt rechtlich berechtigt seien. Nach eigener Auffassung der FMA habe die Möglichkeit bestanden, im Fall einer Weigerung den Zugang mit Hilfe der Polizei zu erzwingen. Von dieser Ansicht getragen, hätten die Organe der FMA gegenüber der Mitarbeiterin keinen Zweifel aufkommen lassen, dass diese der Anordnung der normierten Maßnahme Folge zu leisten habe und diese Maßnahme im Falle der Weigerung mittels Zwang durchgesetzt werden würde. Die nervöse und aufgeregte Mitarbeiterin, die sich alleine mit den drei FMA-Organen im Besprechungszimmer der mitbeteiligten Partei aufgehalten habe, habe sich außerstande gesehen, der als Anordnung (oder auch als Befehl zu qualifizierenden) Aufforderung der FMA entgegenzutreten. Durch die behördliche Vorgangsweise sei der Effekt erzielt worden, den die Behörde mit ihrer Druckausübung beabsichtigt habe, nämlich sich den Zutritt zu den verschlossenen Betriebsräumlichkeiten auch gegen den Willen der Mitarbeiterin zu verschaffen. Die Handlungen der FMA seien nach dem Maßstab näher zitierter höchstgerichtlicher Judikatur als Befehl zu qualifizieren, bei dessen Nichtbefolgung ausgelöst durch die Ausführungen und Behauptungen der FMA in der subjektiven Wahrnehmung der Mitarbeiterin Zwang zwangsläufig hätte erwartet werden müssen.
4 Im Weiteren kam das Bundesverwaltungsgericht zur Rechtsauffassung, dass die revisionswerbende Behörde eine Hausdurchsuchung im Sinn des § 1 des Gesetzes zum Schutze des Hausrechtes vorgenommen habe. Nachdem sich die Organe Zutritt zu den verschlossenen Betriebsräumlichkeiten der mitbeteiligten Partei verschafft hätten, seien diverse Unterlagen selektiert und Einsicht in diverse Mappen sowie in das E-Mail-Konto der Mitarbeiterin genommen worden, um die Vollständigkeit der eingesehenen Unterlagen sicherzustellen. Es sei der Behörde darum gegangen, sich durch eigene Einschau ein Bild zu verschaffen, welche Unterlagen die Interne Revision der mitbeteiligten Partei aufbewahrt habe. Die FMA habe vermutet, dass ihr weitere Berichte der Internen Revision an den Aufsichtsrat zum zweiten Quartal 2018 vorenthalten worden seien. Unabhängig von der Mitarbeiterin habe man durch eine behördliche Amtshandlung feststellen wollen, ob Berichte zurückbehalten worden seien. Eine Freiwilligkeit sei nicht gegeben gewesen. Das Gesetz zum Schutz des Hausrechtes regle ausdrücklich, dass behördliche Hausdurchsuchungen nur mit gerichtlicher Genehmigung auf Basis einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung zulässig seien. Weder das BWG noch andere aufsichtsrechtliche Normen würden eine rechtliche Grundlage für die Vornahme einer Hausdurchsuchung als Maßnahme unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die FMA bieten. Selbst bei Gefahr im Verzug, welche fallbezogen nicht vorgelegen sei, könne die FMA nicht eigenmächtig eine Hausdurchsuchung vornehmen.
5 Die Zulässigkeit der Revision gegen Spruchpunkt A) I. begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung zur Rechtsfrage fehle, ob die FMA gemäß bankwesenrechtlichen Bestimmungen berechtigt sei, ihre Einsichtsrechte nach den gegenständlich angezogenen §§ 70 und 71 BWG durch Befehls- und/oder Zwangsgewalt auch ohne vorherige Erlassung eines Bescheides durchzusetzen und dabei allenfalls auch eine Hausdurchsuchung vorzunehmen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der FMA, die sich in der Anfechtungserklärung ausschließlich gegen die Spruchpunkte A) I. und III. richtet. Die Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten nach Durchführung des Verfahrens nach § 30a VwGG dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- oder Abweisung der Revision beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Die FMA schließt sich in der Revision den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Zulässigkeit der Revision an und macht zudem unter anderem geltend, das Bundesverwaltungsgericht sei bei der Beurteilung der gegenständlichen Einsichtnahme als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Weiters macht die revisionswerbende Behörde wesentliche Verfahrensmängel geltend, insbesondere liege eine unvertretbare Beweiswürdigung vor.
8 Die Revision ist zulässig. Ihr kommt auch Berechtigung zu.
9 Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des BWG, BGBl. Nr. 532/1993, in der im Zeitpunkt des bekämpften Geschehens maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 37/2018, lauten (auszugsweise):
Bankprüfer
§ 60. (1)
...
(3) Die Auskunfts-, Vorlage- und Einschaurechte (§ 272 UGB) des Bankprüfers erstrecken sich auf alle Unterlagen und Datenträger auch dann, wenn diese von einem Dritten geführt oder bei diesem verwahrt werden oder wenn sie im Ausland geführt oder verwahrt werden. Werden zu prüfende Unterlagen, insbesondere die Buchhaltung, im Ausland geführt oder verwahrt, so hat das Kreditinstitut unbeschadet der vorstehenden Einschaurechte des Bankprüfers für die jederzeitige Verfügbarkeit der Unterlagen des laufenden Geschäftsjahres und mindestens dreier vorhergehender Geschäftsjahre im Inland zu sorgen. Das Kreditinstitut hat dem Bankprüfer die Prüfungspläne und Prüfungsberichte der internen Revision zur Verfügung zu stellen.
...
Auskunfts- und Informationseinholungbefugnisse
§ 70. (1) In ihrem Zuständigkeitsbereich als Bankenaufsichtsbehörde (§ 69 Abs. 1 Z 1 und 2) kann die FMA unbeschadet der ihr auf Grund anderer Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zustehenden Befugnisse jederzeit zur Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Kreditinstitute-Verbünde und der Kreditinstitutsgruppen
1. von Kreditinstituten, Kreditinstitute-Verbünden, übergeordneten Kreditinstituten für Unternehmen der Kreditinstitutsgruppe sowie von Finanzholdinggesellschaften, gemischten Finanzholdinggesellschaften und gemischten Holdinggesellschaften die Vorlage von Zwischenabschlüssen, von Ausweisen in bestimmter Form und Gliederung und von Prüfungsberichten verlangen, ferner von den Kreditinstituten, Kreditinstitute-Verbünden, von den übergeordneten Kreditinstituten für Unternehmen der Kreditinstitutsgruppe sowie von Finanzholdinggesellschaften, gemischten Finanzholdinggesellschaften und gemischten Holdinggesellschaften und deren Organen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten fordern, in die Bücher, Schriftstücke und Datenträger Einsicht nehmen; auf den Umfang der Auskunfts-, Vorlage- und Einschaurechte der FMA und die Verpflichtung zur Verfügbarkeit von Unterlagen im Inland ist § 60 Abs. 3 anzuwenden;
...
(4) Liegt eine Konzessionsvoraussetzung gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 bis 14 nach Erteilung der Konzession nicht mehr vor oder verletzt ein Kreditinstitut, eine Finanzholdinggesellschaft, eine gemischte Finanzholdinggesellschaft oder eine gemischte Holdinggesellschaft Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, [...] so hat die FMA
1. dem Kreditinstitut, der Finanzholdinggesellschaft, der gemischten Finanzholdinggesellschaft oder der gemischten Holdinggesellschaft unter Androhung einer Zwangsstrafe aufzutragen, den rechtmäßigen Zustand binnen jener Frist herzustellen, die im Hinblick auf die Umstände des Falles angemessen ist;
2. im Wiederholungs- oder Fortsetzungsfall den Geschäftsleitern die Geschäftsführung ganz oder teilweise zu untersagen, es sei denn, dass dies nach Art und Schwere des Verstoßes unangemessen wäre, und die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch nochmaliges Vorgehen gemäß Z 1 erwartet werden kann; in diesem Fall ist die erstverhängte Zwangsstrafe zu vollziehen und der Auftrag unter Androhung einer höheren Zwangsstrafe zu wiederholen;
3. die Konzession eines Kreditinstitutes zurückzunehmen, wenn andere Maßnahmen nach diesem Bundesgesetz die Funktionsfähigkeit des Kreditinstitutes nicht sicherstellen können. Verletzt ein Kreditinstitut die Vorgaben der im ersten Satz angeführten Rechtsakte, oder besteht nach Ansicht der FMA nachweislich Grund zur Annahme, dass ein Kreditinstitut innerhalb der nächsten zwölf Monate voraussichtlich gegen diese Vorgaben verstoßen wird, kann die FMA auch Maßnahmen gemäß Abs. 4a Z 1 bis 12 ergreifen.
(5) Alle von der FMA gemäß Abs. 2 und 2a angeordneten Maßnahmen ruhen für die Dauer eines Geschäftsaufsichtsverfahrens (XVII. Abschnitt).
...“
10 Vorauszuschicken ist, dass die FMA durch laufende Aufsicht dafür zu sorgen hat, dass die Kreditinstitute die gesetzlichen Vorgaben beachten, wobei ihr zur Erfüllung dieser Aufgabe die in § 70 Abs. 1 BWG angeführten Informations-, Eingriffs- und Einschaumöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die FMA kann auch ohne besonderen Anlass Einschauen vornehmen und in die Bücher, Schriftstücke und Datenträger Einsicht nehmen (vgl. ErläutRV 1130 BlgNR 18. GP 148f; Johler in Dellinger, BWG § 70 Rn. 13; Fletzberger in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka, BWG4, § 70 Rn. 8). Vom (jederzeitigen) Einsichtnahmerecht sind sämtliche aufsichtsrechtlich relevante Unterlagen umfasst, darunter auch der gesamte Schriftverkehr sowie Aktenvermerke, interne Anweisungen, Sitzungsprotokolle, Organisationsunterlagen und dergleichen. Einsichtnahme bedeutet Einschau in den Räumlichkeiten des beaufsichtigten Unternehmens (Johler, aaO, Rn. 26; Fletzberger, aaO, Rn. 15). Diesen Befugnissen stehen entsprechende Pflichten der Betroffenen spiegelbildlich gegenüber (vgl. Johler, aaO, Rn. 13).
11 Nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass der Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dem Zweck dient, eine Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen. Mit dieser Beschwerde sollten aber nicht Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein und desselben Rechts geschaffen werden. Was in einem Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein (vgl. , mwN).
13 Die FMA beruft sich - wie bereits im Beschwerdeverfahren - auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Subsidiarität. Sie verweist in ihrem Revisionsvorbringen dazu auf den von ihr erlassenen Bescheid vom , FMA-Kl23 5304/0041-ABS/2018, mit dem der mitbeteiligten Partei gemäß § 70 Abs. 4 Z 1 BWG iVm § 39 Abs. 2 und 2b Z 5 und 11 BWG sowie § 31 Abs. 1 FM-GwG ein Auftrag zur Herstellung des rechtmäßigen Zustands erteilt wurde. Dieser Bescheid sei aufgrund der im Zuge der revisionsgegenständlichen Einsichtnahme eingesehenen Unterlagen und nach weiteren Ermittlungen ergangen. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, werden die hier gegenständlichen Akte durch den später erlassenen Bescheid aber keiner verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterworfen, sind doch die Unterlagen der internen Revision unbestrittenermaßen von aufsichtsrechtlicher Relevanz und daher von den aufsichtsrechtlichen Informations-, Eingriffs- und Einschaumöglichkeiten erfasst.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen einen individuell bestimmten Adressaten einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und damit unmittelbar - das heißt ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreift. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als Ausübung von „Zwangsgewalt“, zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von „Befehlsgewalt“ gedeutet werden kann. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsakts in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt kein ausdrücklicher Befolgungsanspruch vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl. etwa , mwN).
15 Entscheidend ist daher nicht, welche weitere Vorgangsweise seitens der Beamten im Fall der Weigerung des Betroffenen beabsichtigt war, sofern die geplante Vorgangsweise nach außen hin nicht zum Ausdruck kam (vgl., mwN).
16 Sofern weder ein Bescheid noch ein Vollstreckungsakt vorliegt, ist die mündliche Äußerung eines Verwaltungsorgans nur dann als Befehl zu werten, wenn sie nach den Umständen des Falles hinreichend deutlich als normative Anordnung zu erkennen ist. Werden keine Zwangsmaßnahmen gesetzt oder angedroht oder müssen diese nicht zwangsläufig erwartet werden, so liegt keine vor den Verwaltungsgerichten bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor (vgl. , mwN). Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa , mwN).
17 Bei der Frage, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände des Einzelfalls zu lösen ist (zur einzelfallbezogenen Beurteilung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anstatt vieler: , mwN).
18 Das Bundesverwaltungsgericht begründete das Vorliegen einer normativen Anordnung vorwiegend damit, dass die Bediensteten der FMA nach deren eigener Rechtsauffassung den Zugang zu den Räumlichkeiten im Fall einer Weigerung mit Hilfe der Polizei hätten erzwingen können und die Bediensteten der FMA somit gegenüber der Mitarbeiterin der mitbeteiligten Partei keine Zweifel hätten aufkommen lassen, dass sie der Anordnung Folge zu leisten habe und diese Maßnahme im Fall einer Weigerung mittels Zwang durchgesetzt werden würde.
19 Damit übersieht es jedoch, dass es nach der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weder auf die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht noch auf eine von den Beamten beabsichtigte - jedoch nicht nach außen hin kundgetane - weitere geplante Vorgangsweise ankommt. Den rechtlichen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nicht entnehmen, aufgrund welcher festgestellten konkreten Begleitumstände es davon ausgeht, dass objektiv aus dem Blickwinkel der Leiterin der internen Revision davon auszugehen gewesen sei, dass sich die Bediensteten der FMA für den Fall, dass ihnen der Zutritt verweigert wird, unverzüglich mit physischer Gewalt Zutritt zu den verschlossenen Räumlichkeiten der internen Revision verschaffen werden. Der vom Bundesverwaltungsgericht ins Treffen geführte Hinweis der FMA-Bediensteten auf ihre aufsichtsrechtliche Einsichtsberechtigung reicht für eine derartige Schlussfolgerung nicht aus, sind doch Einsichtsbefugnisse von deren Durchsetzungsmöglichkeiten zu unterscheiden.
20 Das angefochtene Erkenntnis im genannten Umfang erweist sich demnach schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig.
21 Die FMA bestreitet zudem in ihrer Revision unter anderem die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach „der Widerstand der Z1 gebrochen [wurde], da diese den Zugang zu den verschlossenen Räumlichkeiten ermöglichte, obwohl sie dies an sich nicht wirklich wollte“.
22 Der Verwaltungsgerichtshof ist grundsätzlich als Rechtsinstanz tätig; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. , mwN).
23 Eine dem § 60 AVG entsprechende Entscheidungsbegründung muss (auch) zu widersprechenden Beweisergebnissen im einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was das Verwaltungsgericht veranlasst hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen; die dabei vorgenommenen Erwägungen müssen schlüssig sein, das heißt mit den Gesetzen der Logik und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut im Einklang stehen (vgl. , mwN).
24 Nach der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses stützt das Bundesverwaltungsgericht die genannten Feststelllungen darauf, dass die „apodiktisch zum Ausdruck gebrachte Behauptung der Behörde, sie hätten ein Recht auf Zugang, sehr ʼbestimmtʼ und eindeutig so zu verstehen [war], dass die FMA, wie diese selbst in der mündlichen Verhandlung angab, im Falle einer Weigerung die Hilfe der Polizei in Anspruch genommen hätte, ʼum den Zugang zu erzwingenʻ“.
25 Der vorliegenden Niederschrift vom lässt sich allerdings die Aussage der als Zeugin einvernommenen damaligen Leiterin der internen Revision entnehmen, dass sie „aus dem Schreiben die Bestimmung des § 70 durchgelesen [habe] und da aufgrund dieser Bestimmung offensichtlich nichts dagegensprach, habe ich dem Verlangen der FMA entsprochen“ (vgl. Protokoll S 10). Auch auf ausdrückliche Frage der Richterin, ob es aus Sicht der Zeugin eine Möglichkeit gegeben hätte, den Vertretern der FMA den Zutritt in die Räume nicht zu gestatten, gab diese an, sie habe „keinen Grund gesehen, den Vertretern der FMA den Zutritt in die Räume der Bank nicht zu gestatten. Vielmehr war es meine Absicht zu kooperieren“ (vgl. Protokoll S. 13). Die Frage, ob sie in irgendeiner Weise eingeschüchtert gewesen sei, als die drei Organe der FMA Einschau verlangten, beantwortete sie mit „Ein[ge]schüchtert kann man nicht sagen.“ (Protokoll S. 15).
26 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit diesen im Widerspruch zu der getroffenen Feststellung stehenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt. Die beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts halten zudem auch einer Schlüssigkeitsprüfung nicht stand, weil sich aus dem bloßen Hinweis auf die aufsichtsrechtliche Einsichtnahmebefugnis der FMA - wie bereits ausgeführt - nicht in schlüssiger Weise folgern lässt, dass damit auch zum Ausdruck gekommen ist, dass die FMA im Fall einer Weigerung die Hilfe der Polizei in Anspruch genommen hätte, zumal sich nach dem unbekämpft gebliebenen Inhalt des Schreibens der FMA, das der Mitarbeiterin vorgehalten worden ist, darin lediglich Angaben zu den in § 70 Abs. 1 BWG normierten Auskunfts- und Einsichtsrechten sowie den entsprechenden Mitwirkungspflichten finden. Hingegen enthält das Schreiben keinen Hinweis auf etwaige Folgen im Falle einer Weigerung.
27 Das Verwaltungsgericht hat somit auch Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung es zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
28 Das angefochtene Erkenntnis ist somit - prävalierend - mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet, weshalb es im Umfang des Abspruchs über die Rechtswidrigkeit des Erzwingens der Öffnung versperrter Geschäftsräumlichkeiten der mitbeteiligten Partei und die Suche nach Unterlagen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Auf das weitere Vorbringen in der Revision war daher nicht mehr einzugehen.
29 Wegen des untrennbaren Zusammenhangs mit dem Ausspruch über den Kostenersatz war auch dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
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Normen | B-VG Art130 Abs1 Z2 B-VG Art132 Abs2 BWG 1993 §60 Abs3 BWG 1993 §69 BWG 1993 §70 Abs1 BWG 1993 §70 Abs1 Z1 VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Verfahrensbestimmungen |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RO2021020011.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-46589