VwGH 01.07.2021, Ro 2021/02/0006
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Verjährungsbestimmungen sind keine Normen des materiellen Rechtes, sondern des Verfahrensrechtes. Bei Änderungen verfahrensrechtlicher Rechtsvorschriften ist im Allgemeinen das neue Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden, und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechtes ereignet haben (etwa ). Diese Judikatur gilt "im Allgemeinen", also in jenen Fällen, in denen die (zeitliche) Anwendung der geänderten Verjährungsbestimmung nicht anders geregelt wird. Eine solche spezielle Regelung trifft § 36 FM-GwG 2017, der die Anwendung der fünfjährigen statt der dreijährigen Strafbarkeitsverjährung nur bei Verwaltungsübertretungen "gemäß diesem Bundesgesetz" vorsieht. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung kommt die verlängerte Strafbarkeitsverjährung nur bei Übertretungen des FM-GwG 2017 in Betracht, das am in Kraft getreten ist. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2021/02/0003 E RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Finanzmarktaufsichtsbehörde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W172 2138108-1/65E, betreffend Übertretung des BWG (mitbeteiligte Partei: W GmbH in W, vertreten durch die Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Nibelungengasse 11/4, weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
3 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden FMA vom wurde die mitbeteiligte Partei, ein konzessioniertes Kreditinstitut, gemäß § 99d BWG einer Übertretung des § 41 Abs. 4 Z 1 BWG iVm § 98 Abs. 5a Z 3 BWG schuldig erachtet. Die Verantwortlichkeit der mitbeteiligten Partei ergebe sich daraus, dass die im Tatzeitraum ( bis ) zur Vertretung nach außen berufenen Mitglieder des Vorstandes der mitbeteiligten Partei durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle der mit der Durchführung der Aufgaben befassten Mitarbeiter die Begehung dieses Verstoßes ermöglicht hätten.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht im dritten Rechtsgang der Beschwerde der mitbeteiligten Partei Folge und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 iVm § 31 Abs. 2 VStG ein.
Nach der Begründung sei hier die allgemeine dreijährige Strafbarkeitsverjährung gemäß § 31 Abs. 2 VStG anzuwenden, die am abgelaufen sei. Die Tat sei daher verjährt. Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob hier die dreijährige Strafbarkeitsverjährung nach § 31 Abs. 2 VStG oder die fünfjährige Strafbarkeitsverjährung gemäß § 36 FM-GwG gelte, wonach die Strafbarkeit der Tat noch nicht verjährt wäre.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhalts. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurück- bzw. Abweisung der Revision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem ebenfalls eine Übertretung auch des § 41 Abs. 4 Z 1 BWG betreffenden Erkenntnis vom , Ro 2021/02/0003, zu der auch hier wesentlichen Verjährungsfrage ausgeführt (Rn 21 bis 27):
„Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre.
Nach § 31 Abs. 2 VStG erlischt die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt bei Dauerdelikten in dem Zeitpunkt, in dem das strafbare Verhalten aufgehört hat. In die Verjährungsfrist werden die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist und die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, nicht eingerechnet (Z 3 und 4 leg. cit.).
Verjährungsbestimmungen sind keine Normen des materiellen Rechtes, sondern des Verfahrensrechtes. Bei Änderungen verfahrensrechtlicher Rechtsvorschriften ist im Allgemeinen das neue Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden, und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechtes ereignet haben (etwa , mwN).
Diese Judikatur gilt ‚im Allgemeinen‘, also in jenen Fällen, in denen die (zeitliche) Anwendung der geänderten Verjährungsbestimmung nicht anders geregelt wird.
Eine solche spezielle Regelung trifft § 36 FM-GwG, der die Anwendung der fünfjährigen statt der dreijährigen Strafbarkeitsverjährung nur bei Verwaltungsübertretungen ‚gemäß diesem Bundesgesetz‘ vorsieht.
Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung kommt die verlängerte Strafbarkeitsverjährung nur bei Übertretungen des FM-GwG in Betracht, das am in Kraft getreten ist.
Für die vorliegende Übertretung des BWG im Jahr 2015 gilt daher die allgemeine Frist für die Strafbarkeitsverjährung von drei Jahren gemäß § 31 Abs. 2 VStG.“
6 Auch im Revisionsfall wurde die mitbeteiligte Partei nach dem BWG bestraft, weshalb gemäß der eben zitierten Rechtsprechung eine Anwendung der (längeren) Frist für die Strafbarkeitsverjährung nicht in Frage kommt. Das Verwaltungsgericht ist daher zutreffend von einer dreijährigen Strafbarkeitsverjährung gemäß § 31 Abs. 2 VStG ausgegangen. Damit ist nach den unbekämpft gebliebenen Berechnungen des Verwaltungsgerichtes auch die Strafbarkeit der Tat erloschen, weshalb das Verwaltungsgericht das Verfahren zu Recht eingestellt hat.
7 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
8 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021020006.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-46587