VwGH 18.03.2021, Ro 2020/21/0009
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | AsylG 2005 §70 AVG §76 Abs1 BFA-VG 2014 §22a Abs1 BFA-VG 2014 §22a Abs1a BFA-VG 2014 §53 Abs1 Z2 B-VG Art130 Abs1 Z2 B-VG Art133 Abs4 VwGG §34 Abs1 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §35 VwGVG 2014 §35 Abs4 Z1 |
RS 1 | Als Barauslagen gelten nach § 76 Abs. 1 AVG ausdrücklich auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Diese Bestimmung ist einerseits auch im Maßnahmenbeschwerdeverfahren - wobei die Beschwerde als verfahrensleitender Antrag gilt - und andererseits gemäß § 17 VwGVG 2014 auch im Verfahren vor den VwG anzuwenden (vgl. ; ). Für Beschwerden nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014 gelten gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG 2014 die für Maßnahmenbeschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG 2014. Dazu gehört jedenfalls § 35 VwGVG 2014 betreffend die Kostentragung (vgl. ), der in seinem Abs. 4 Z 1 u.a. den Ersatz der Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, vorsieht. Damit wird an § 76 AVG angeknüpft, weshalb es keinem Zweifel unterliegen kann, dass auch diese Bestimmung im Schubhaftbeschwerdeverfahren anwendbar ist. Sie wird auch nicht von § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG 2014 verdrängt, gilt doch diese Bestimmung nicht auch im (Schubhaft-)Beschwerdeverfahren (vgl. ; ). Vielmehr erfasst sie nur jene Dolmetscherkosten, die "im Rahmen von Verfahrenshandlungen gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FrPolG 2005" entstehen, worunter zwar Verfahrenshandlungen des BFA bei der Vollziehung der im 8. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FrPolG 2005 enthaltenen Bestimmungen über die Schubhaft fallen, nicht aber auch solche im Rahmen des Verfahrens über eine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die darauf gegründete Anhaltung. Es besteht auch keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass durch diese Regelung eine Barauslagenersatzpflicht des Fremden im Schubhaftbeschwerdeverfahren ausgeschlossen werden soll, zumal er dort im Fall seines Obsiegens - anders als bei Amtshandlungen des BFA - nach § 35 VwGVG 2014 seinerseits einen Ersatzanspruch für die ihm auferlegten Barauslagen hat (vgl. demgegenüber die ausdrückliche Befreiung von Barauslagen in § 70 AsylG 2005). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , W112 2193993-1/25Z, betreffend Barauslagen in einem Verfahren nach dem BFA-VG (Partei im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht: J V, vor dem Bundesverwaltungsgericht vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH in 1170 Wien, Wattgasse 48), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der nach seinen eigenen Angaben staatenlose J.V. erhob mit Schriftsatz vom gemäß § 22a BFA-VG Beschwerde gegen einen ihm gegenüber am erlassenen Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und die seither fortdauernde Anhaltung in Schubhaft. Das Bundesverwaltungsgericht führte am eine mündliche Verhandlung durch. Mit am Ende der Verhandlung mündlich verkündetem und am gekürzt ausgefertigtem Erkenntnis gab es der Beschwerde statt, indem es den Schubhaftbescheid aufhob und gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG feststellte, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorgelegen seien. Gemäß § 35 VwGVG verpflichtete es den Bund, J.V. seine Aufwendungen in Höhe von € 1.659,60 (Schriftsatzaufwand und Verhandlungsaufwand) zu ersetzen. Die Entscheidung über den Barauslagenersatz wurde in der Begründung ausdrücklich einer separaten Entscheidung vorbehalten.
2 Die zur Verhandlung beigezogene Dolmetscherin beantragte mit Honorarnote vom den Zuspruch von Gebühren nach dem Gebührenanspruchsgesetz. Das Bundesverwaltungsgericht bestimmte daraufhin mit gegenüber der Dolmetscherin ergangenem Beschluss vom gemäß § 17 VwGG iVm §§ 53a Abs. 2 und 53b AVG deren gebührenrechtliche Ansprüche antragsgemäß mit € 229,60.
3 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Beschluss vom erlegte das Bundesverwaltungsgericht J.V. gemäß § 17 VwGG iVm § 76 Abs. 1 AVG den Ersatz der Barauslagen für die Dolmetscherin in Höhe von € 229,60 auf.
4 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. Es fehle nämlich Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der Regelung des Barauslagenersatzes nach § 76 Abs. 1 AVG im Schubhaftbeschwerdeverfahren.
5 Dieser Beschluss wurde dem BFA nicht zugestellt. Es erhob die gegenständliche Revision, nachdem es am von der Entscheidung Kenntnis erlangt hatte.
6 Es kann dahingestellt bleiben, ob dem BFA im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht betreffend Barauslagenersatz Parteistellung als belangte Behörde zugekommen ist und es daher - wie in der Revision vorgebracht wird - gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG revisionslegitimiert ist. Die Revision erweist sich nämlich schon wegen Fehlens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig.
7 Nach dieser Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist diese Bestimmung gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG sinngemäß anzuwenden.
8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision in dieser Hinsicht ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Revision zwar auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, beruft, diese aber fallbezogen keine Rolle (mehr) spielen oder zur Begründung der Zulässigkeit der konkret erhobenen Revision nicht ausreichen (vgl. , Rn. 8, mwN).
9 Das BFA beruft sich auf die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision und führt ergänzend aus, dass § 76 AVG zwar im Maßnahmenbeschwerdeverfahren und im Verfahren über Verhaltensbeschwerden anwendbar sei; im vorliegenden Fall habe J.V. mit seiner Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie gegen die Festnahme und Anhaltung auf Grund dieses Schubhaftbescheides aber „verfassungsrechtlich betrachtet“ sowohl eine Bescheidbeschwerde als auch „Verhaltensbeschwerden“ erhoben, denen allerdings im Sinn des § 22a Abs. 1 und 1a BFA-VG letztlich ein einheitlicher Beschwerdegegenstand zugrunde liege. Es stelle sich daher die Frage, ob angesichts der „Bescheidbeschwerdekomponente“ (gegen einen von Amts wegen erlassenen Bescheid) J.V. als Antragsteller im Sinn des § 76 Abs. 1 AVG für das Schubhaftbeschwerdeverfahren anzusehen sei; nach Ansicht des BFA sei das angesichts des einheitlichen Beschwerdegegenstandes zu verneinen. Weiters werde § 76 Abs. 1 AVG in Bezug auf Dolmetscherkosten nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (somit auch für Schubhaftangelegenheiten) von § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG „vollkommen verdrängt“. Auch wenn § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG auf Dolmetscherkosten des Beschwerdeverfahrens nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht anwendbar sei, so sei dennoch § 76 Abs. 1 AVG unanwendbar.
10 Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt. Zwar fehlt zur Anwendbarkeit des § 76 Abs. 1 AVG im Schubhaftbeschwerdeverfahren ausdrückliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, doch stellt sich die Rechtslage als klar und eindeutig dar, was der Zulässigkeit einer Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG entgegensteht (vgl. , Rn. 9, mwN).
11 Gemäß § 76 Abs. 1 AVG hat für die der Behörde bei einer Amtshandlung erwachsenden Barauslagen, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten nach dieser Bestimmung ausdrücklich auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Dass diese Bestimmung einerseits auch im Maßnahmenbeschwerdeverfahren - wobei die Beschwerde als verfahrensleitender Antrag gilt - und andererseits gemäß § 17 VwGVG auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anzuwenden ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt (vgl. , und , Punkt 1. der Entscheidungsgründe).
12 Für Beschwerden nach § 22a Abs. 1 BFA-VG gelten gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG die für Maßnahmenbeschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG. Dazu gehört jedenfalls § 35 VwGVG betreffend die Kostentragung (vgl. erneut , Rn. 9), der in seinem Abs. 4 Z 1 u.a. den Ersatz der Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, vorsieht. Damit wird an § 76 AVG angeknüpft, weshalb es keinem Zweifel unterliegen kann, dass auch diese Bestimmung im Schubhaftbeschwerdeverfahren anwendbar ist.
13 Sie wird auch nicht von § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG verdrängt, gilt doch diese Bestimmung, wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits klargestellt hat, nicht auch im (Schubhaft-)Beschwerdeverfahren (vgl. , sowie , Rn. 10 ff). Vielmehr erfasst sie nur jene Dolmetscherkosten, die „im Rahmen von Verfahrenshandlungen gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG“ entstehen, worunter zwar Verfahrenshandlungen des BFA bei der Vollziehung der im 8. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG enthaltenen Bestimmungen über die Schubhaft fallen, nicht aber auch solche im Rahmen des Verfahrens über eine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die darauf gegründete Anhaltung. Es besteht auch keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass durch diese Regelung eine Barauslagenersatzpflicht des Fremden im Schubhaftbeschwerdeverfahren ausgeschlossen werden soll, zumal er dort im Fall seines Obsiegens - anders als bei Amtshandlungen des BFA - nach § 35 VwGVG seinerseits einen Ersatzanspruch für die ihm auferlegten Barauslagen hat (vgl. demgegenüber die ausdrückliche Befreiung von Barauslagen in § 70 AsylG 2005).
14 Die Revision war daher - nach Durchführung des Vorverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht, in dem J.V. und der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts befasst wurden, sich aber nicht äußerten - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
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Normen | AsylG 2005 §70 AVG §76 Abs1 BFA-VG 2014 §22a Abs1 BFA-VG 2014 §22a Abs1a BFA-VG 2014 §53 Abs1 Z2 B-VG Art130 Abs1 Z2 B-VG Art133 Abs4 VwGG §34 Abs1 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §35 VwGVG 2014 §35 Abs4 Z1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020210009.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-46580