VwGH 26.08.2022, Ro 2020/13/0009
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | EStG 1988 Bewertung bestimmter Sachbezüge 2002 §4 Abs6 |
RS 1 | Der 20%ige Zuschlag gemäß § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung dient auch dazu, den Entfall der - tatsächlich nicht angefallenen - NoVA auszugleichen, sodass eine (zusätzliche) Hinzurechnung der NoVA zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Sachbezugswerte unzulässig ist (vgl. ; vgl. auch ; , Ra 2016/08/0128; , Ro 2017/08/0035). |
Normen | |
RS 2 | Wenn die Sachbezugswerteverordnung von den "tatsächlichen Anschaffungskosten" ausgeht, so kann es sich dabei nur um die Anschaffungskosten des Arbeitgebers handeln; nur bei diesem fielen Anschaffungskosten "tatsächlich" an. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der „B“ GmbH in W, vertreten durch die Knirsch Gschaider & Cerha Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7105785/2017, betreffend Haftung für Lohnsteuer für die Jahre 2008 bis 2012 und Festsetzung des Dienstgeberbeitrags sowie des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2008 bis 2012, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine im Fahrzeughandel tätige GmbH. In den Streitjahren 2008 bis 2012 überließ sie ihren Mitarbeitern Vorführkraftfahrzeuge zur Privatnutzung.
2 Im Bericht vom über eine bei der Revisionswerberin für die Streitjahre 2008 bis 2012 durchgeführte gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) führte die Prüferin u.a. aus, die Revisionswerberin habe als Sachbezugswert für die private Nutzung der arbeitgebereigenen Pkw 1,5 % der - um die USt erhöhten - Anschaffungskosten angesetzt. Der Ermittlung der Sachbezugswerte seien jedoch nach § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung die um 20 % erhöhten Anschaffungskosten (inklusive NoVA und USt) zu Grunde zu legen. Ausgehend davon ermittelte die Prüferin die Bemessungsgrundlagen für den Sachbezug der einzelnen Arbeitnehmer neu.
3 Am erließ das Finanzamt den Feststellungen der Prüferin Rechnung tragende Haftungsbescheide für die Lohnsteuer der Jahre 2008 bis 2012 samt Säumniszuschlägen. Weiters erließ das Finanzamt am selben Tag Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrags und des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2008 bis 2012.
4 In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin zusammengefasst vor, das Finanzamt gehe zu Unrecht davon aus, dass § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung auch anzuwenden sei, wenn Fahrzeughändler ihren Mitarbeitern Vorführkraftfahrzeuge zur Privatnutzung überließen. Die Finanzverwaltung habe § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung ursprünglich dahingehend interpretiert, dass der 20%ige Zuschlag dazu diene, „beim Vorführkraftfahrzeug als Gebrauchtwagen auf die Erstanschaffungskosten hochzurechnen“. Diese Regelung habe sich explizit auf „Nicht-Händler“ bezogen. Im Lohnsteuerprotokoll 2008 habe die Finanzverwaltung demgegenüber die Auffassung vertreten, dass sich § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung auf Fahrzeughändler beziehe und mit dem 20%igen Zuschlag die Handelsspanne des Händlers abgedeckt werden solle.
5 § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung führe bei einer solchen Auslegung zu einem gesetzwidrigen Ergebnis. Denn nach § 15 Abs. 2 EStG 1988 seien geldwerte Vorteile, wie die Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung, mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsortes anzusetzen. Dabei habe man sich nach Judikatur und Lehre an den relativ günstigsten Marktpreisen zu orientieren. Die Sachbezugswerteverordnung, die eine Vereinfachung der Vorgangsweise durch eine pauschale Bewertung bestimmter Sachbezüge bezwecke, dürfe diese gesetzliche Anordnung nur präzisieren. Der Sachbezugswerteverordnung fehle die verfassungsrechtliche bzw. die gesetzliche Grundlage, wenn die ermittelten Sachbezugswerte von den tatsächlich dem Endverbraucher zugänglichen günstigen Preisen erheblich abwichen. Führe die Anwendung des § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung dazu, dass die der Sachbezugsbewertung zugrundeliegende Basis systematisch und deutlich über dem am Markt erzielbaren Preis für das entsprechende Neufahrzeug liege, komme die Anwendung dieser Regelung von vornherein nicht Betracht. Dies sei - wie aus der als Beilage übermittelten Aufstellung hervorgehe - der Fall, lägen doch die tatsächlichen Marktpreise für die entsprechenden Neufahrzeuge deutlich unter dem Wert, der im Rahmen der GPLA der Sachbezugsbewertung zugrunde gelegt worden sei. Auch habe das Finanzamt die für Vorführkraftfahrzeuge bestehenden besonderen Nutzungsbeschränkungen nicht wertmindernd berücksichtigt.
6 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde der Revisionswerberin, soweit sie die Berechnung der Sachbezugswerte für die Vorführkraftfahrzeuge betraf, ab. Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Revisionswerberin hinsichtlich der Berechnung der Sachbezugswerte für die Vorführkraftfahrzeuge keine Folge.
8 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht zusammengefasst aus, § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung sei eine Einschränkung dahingehend, dass diese Bestimmung auf Mitarbeiter von Fahrzeughändlern nicht anzuwenden sei, nicht zu entnehmen. Der 20%ige Zuschlag diene auch bei Vorführkraftfahrzeugen dazu, auf die Erstanschaffungskosten zu gelangen.
9 Im Normenprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (Beschluss vom , V 46-47/2016) habe der Bundesminister für Finanzen darauf hingewiesen, dass der 20%ige Zuschlag zu den tatsächlichen Anschaffungskosten des Vorführkraftfahrzeugs aufzuteilen sei in den auf die NoVA durchschnittlich entfallenden Prozentsatz und auf die Margen (Bruttomarge und Vorführwagenbonus). Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom , Ro 2016/13/0013, unter Bezugnahme auf diese Rechtfertigung ausgeführt, dass danach auch berücksichtigt sei, dass Vorführkraftfahrzeuge gemäß § 3 Z 3 NoVAG 1991 von der NoVA befreit seien und der Verordnungsgeber offenbar davon ausgehe, dass diese - tatsächlich nicht angefallene - NoVA nicht bereits bei der Ermittlung der tatsächlich angefallenen Anschaffungskosten „im Sinne des Abs. 1“ hinzuzurechnen sei. Dieser Schlussfolgerung vermöge sich das Bundesfinanzgericht nicht anzuschließen. Mit den tatsächlichen Anschaffungskosten iSd § 4 Abs. 1 der Sachbezugswerteverordnung seien die Anschaffungskosten des Empfängers des geldwerten Vorteils (zB des Arbeitnehmers) gemeint und nicht die eigenen Anschaffungskosten des den geldwerten Vorteil Zuwendenden (zB des Arbeitgebers). Da der Empfänger des geldwerten Vorteils nicht gemäß § 3 Abs. 3 NoVAG 1991 von der NoVA befreit sei, zähle bei ihm die NoVA zu den tatsächlichen Anschaffungskosten gemäß § 4 Abs. 1 der Sachbezugswerteverordnung. Dementsprechend habe der Verwaltungsgerichtshof auch bereits im Erkenntnis vom , 95/13/0078, ausgeführt, dass bei der Sachbezugsbewertung die Vorsteuer nicht aus der Lohnsteuerbemessungsgrundlage auszuscheiden sei, weil der nichtselbständig Tätige nicht Unternehmer iSd UStG (mit der Berechtigung zum Vorsteuerabzug) sei.
10 Der von der Revisionswerberin vorgelegten Aufstellung, in der sie die nach § 4 Abs. 1 und 6 der Sachbezugswerteverordnung ermittelten Bemessungsgrundlagen den „tatsächlichen Marktpreisen“ gegenübergestellt habe, sei entgegen zu halten, dass in dieser Aufstellung nicht einmal die Hälfte und nur die ertragsschwächeren Fahrzeugverkäufe erfasst seien. Im Übrigen seien nach § 15 Abs. 2 EStG 1988 die geldwerten Vorteile mit den „üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes“ und nicht mit den „niedrigsten Preisen des den geldwerten Vorteil zuwendenden Unternehmens“ anzusetzen, sodass keine Bedenken ob der Gesetzeskonformität des § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung bestünden. Auch seien die von der Revisionswerberin als „Nutzungseinschränkungen“ ins Treffen geführten Auflagen einer Berücksichtigung im Rahmen der auf dem Prinzip der objektiven Wertigkeit beruhenden Konzeption des § 15 Abs. 2 EStG 1988 nicht zugänglich.
11 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil es mit seiner Entscheidung von der vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2016/13/0013, vertretenen Rechtsansicht abweiche. Die vom Verwaltungsgerichtshof (in Bezug auf die NoVA) in diesem Erkenntnis vertretene Auffassung stehe in Widerspruch zu der vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 95/13/0078, (in Bezug auf die USt) vertretenen Rechtsauffassung.
12 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , E 3399/2019-10, die Behandlung der Beschwerde ablehnte. Begründend wird u.a. ausgeführt, der Verfassungsgerichtshof vermöge nicht zu erkennen, dass der Zuschlag gemäß § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine sachgerechte Pauschalierung verletze, „zumal dieser nicht nur die Gewährung eines Vorführwagenbonus und den Entfall der Normverbrauchsabgabe (vgl. § 3 Z 3 NoVAG [...]; ) ausgleicht, sondern auch die Händlerspanne des Kraftfahrzeughändlers berücksichtigt“. Über nachträglichen Antrag der Revisionswerberin trat er die Beschwerde mit Beschluss vom , E 3399/2019-12, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
13 Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts richtet sich auch die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen hat:
14 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
15 Im Erkenntnis vom , Ro 2016/13/0013, führte der Verwaltungsgerichtshof aus:
„Mit dem Ansatz eines Sachbezugswertes soll jener Vorteil steuerlich erfasst werden, der darin besteht, dass sich der Arbeitnehmer jenen Aufwand erspart, der ihm erwachsen würde, wenn er für die Kosten eines vergleichbaren Kraftfahrzeuges aus Eigenem aufkommen müsste (vgl. nochmals , mwN). Nach dem System der Sachbezugswerteverordnung ist hierbei stets vom ursprünglichen Neuwert des Fahrzeuges auszugehen (vgl. ua).
Mit dem soeben zitierten Beschluss vom , V 46/2016 ua, hat der Verfassungsgerichtshof Anträge des Bundesfinanzgerichts auf Aufhebung der Regelung des § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung, BGBl. II Nr. 416/2001, über die Sachbezugsbewertung bei Vorführkraftfahrzeugen als vor dem Hintergrund der Bedenken zu eng gefasst zurückgewiesen. In der Begründung wies der Verfassungsgerichtshof darauf hin, dass die Anwendung des § 4 Abs. 1 der Sachbezugswerteverordnung, BGBl. II Nr. 416/2001 idF BGBl. II Nr. 467/2004, auf Vorführkraftfahrzeuge dem Verordnungsgeber nicht zusinnbar sei, weil in diesem Fall die tatsächlichen Anschaffungskosten (nach Abzug der Sonderkonditionen für derartige Fahrzeuge) anzusetzen wären. Im Hinblick auf die einem Kfz-Händler für die Anschaffung von Vorführkraftfahrzeugen vom Hersteller bzw. Generalimporteur regelmäßig eingeräumten besonderen Konditionen wäre dann die Privatnutzung von Vorführkraftfahrzeugen gegenüber der privaten Nutzung anderer Kraftfahrzeuge unzulässig bevorzugt.
Schon aus diesen verfassungsrechtlichen Überlegungen ergibt sich die Unrichtigkeit der Rechtsauffassung des Bundesfinanzgerichts, dass im vorliegenden Fall die Sachbezugsbewertung nicht nach § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung, sondern nach § 4 Abs. 1 dieser Verordnung vorzunehmen sei (vgl. in diesem Sinne auch Mayr/Hayden in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19, § 15 Tz 110, mwN). Anzumerken ist allerdings, dass laut dem erwähnten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom zur Rechtfertigung des Zuschlags von 20% nach § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung vom Bundesminister für Finanzen im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof darauf hingewiesen wurde, dass damit auch berücksichtigt sei, dass Vorführkraftfahrzeuge gemäß § 3 Z 3 NoVAG 1991 von der NoVA befreit seien (somit im Sinne des Verordnungsgebers offenbar davon auszugehen ist, dass diese - tatsächlich auch nicht angefallene - NoVA nicht bereits bei der Ermittlung der tatsächlich angefallenen Anschaffungskosten ‚im Sinne des Abs. 1‘ hinzuzurechnen ist). Unter diesem Aspekt der Rechtfertigung der Höhe des Zuschlags erweist sich aber die im vorliegenden Fall im Rahmen der GPLA vorgenommene (zusätzliche) Hinzurechnung der NoVA zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Sachbezugswerte als unzulässig.“
16 Damit hat der Verwaltungsgerichtshof die - auch von der Revisionswerberin im Beschwerdeverfahren vertretene - Ansicht, dass § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung nicht zur Anwendung komme, wenn ein Fahrzeughändler seinen Mitarbeitern Vorführkraftfahrzeuge zur Privatnutzung überlasse, verworfen. Jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis auch klar zum Ausdruck gebracht, dass der 20%ige Zuschlag gemäß § 4 Abs. 6 der Sachbezugswerteverordnung auch dazu dient, den Entfall der - tatsächlich nicht angefallenen - NoVA auszugleichen, sodass eine (zusätzliche) Hinzurechnung der NoVA zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Sachbezugswerte unzulässig ist (vgl. auch ; , Ra 2016/08/0128; , Ro 2017/08/0035; sowie ). Der vom Bundesfinanzgericht konstatierte Widerspruch zum Erkenntnis vom , 95/13/0078, besteht schon deshalb nicht, weil dieses Erkenntnis (anders als das Erkenntnis vom , Ro 2016/13/0013) die - damals noch gar nicht bestehende - Sachbezugswerteverordnung nicht behandelte. Wenn aber die Sachbezugswerteverordnung von den „tatsächlichen Anschaffungskosten“ ausgeht, so kann es sich dabei nur um die Anschaffungskosten des Arbeitgebers handeln; nur bei diesem fielen Anschaffungskosten „tatsächlich“ an.
17 Da das Bundesfinanzgericht von der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es schon deswegen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020130009.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAF-46554