VwGH 26.05.2023, Ro 2020/13/0006
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des J K und der H K in W, vertreten durch die Novacount Wirtschaftstreuhand GmbH in 1180 Wien, Vinzenzgasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7105996/2016, betreffend Umsatzsteuer und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO, jeweils für die Jahre 2011 bis 2014, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerber haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die verheirateten Revisionswerber waren im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Miteigentümer einer Liegenschaft (Einfamilienhaus), das sie teilweise selbst bewohnten und teilweise vermieteten. In den Jahren 2011 und 2012 wurden umfangreiche Umbauten vorgenommen und ein Zubau errichtet. Dabei wurden sowohl vorhandene Wohneinheiten erweitert als auch neue Wohneinheiten (Wohnungen) geschaffen. Anschließend wurden die Wohnungen - neben der beibehaltenen Eigennutzung - zum Teil an fremde Dritte und zum Teil an Familienangehörige - eine Wohnung an den Sohn (Top 2b) und eine Wohnung an den Schwiegersohn (Top 1) der Revisionswerber - vermietet.
2 Das Finanzamt erkannte die beiden Mietverhältnisse mit den Familienangehörigen mangels Fremdüblichkeit nicht an und erließ entsprechende Feststellungs- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2014, in denen anteilige Aufwendungen bzw. Vorsteuern nicht berücksichtigt wurden.
3 Die Revisionswerber erhoben dagegen Beschwerden und stellten - teilweise nach Ergehen abweisender Beschwerdevorentscheidungen, teilweise unter Beantragung des Unterbleibens einer Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen gemäß § 262 Abs. 2 BAO - Vorlageanträge.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - den Beschwerden gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012 und gegen die Feststellungsbescheide für die Jahre 2011 bis 2014 teilweise Folge und änderte die angefochtenen Bescheide ab. Die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2013 und 2014 wies das Bundesfinanzgericht als unbegründet ab. Es sprach weiters aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
5 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht - auf das für das Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst - aus, es seien die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung der beiden strittigen Mietverhältnisse, zu denen jeweils schriftliche und vergebührte Mietverträge vorliegen würden, näher zu prüfen.
6 Der Schwiegersohn der Revisionswerber habe die im Erdgeschoß liegende Wohnung Top 1 mit einer Fläche von rund 130 m2 zu einem wertgesicherten Mietzins in Höhe von 4,29 € pro m2 gemietet. Diese Wohnung bestehe zum Teil (rund 70 m2) aus Räumen, die bereits vor dem Zu- und Umbau in den Jahren 2011 und 2012 vorhanden gewesen seien („Altbau“), zum Teil (rund 60 m2) aus neu errichteten Räumen. Die Wohnung sei nach einer zeitgleich mit dem Mietvertrag abgeschlossenen Zusatzvereinbarung in unfertigem Zustand vermietet worden, wobei der Mieter weitere, näher angeführte Investitionen vorzunehmen gehabt habe. Bei der Vereinbarung des Hauptmietzinses seien diese Leistungen berücksichtigt worden.
7 Aufgrund des Fortbestandes maßgeblicher Teile des alten Gebäudes liege nach der - näher angeführten - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kein neu errichteter Zubau im Sinne des MRG vor. Die Wohnung unterliege daher - entgegen der Ansicht des Finanzamtes - dem Vollanwendungsbereich des MRG, womit die Vorschriften zur Mietzinsbildung (Richtwertmietzins) im Sinne des § 16 MRG zu beachten seien. Die Revisionswerber seien bei der Bemessung der Miethöhe von der Ausstattungskategorie B gemäß § 15a MRG - was nach Berücksichtigung verschiedener Zuschläge (etwa für das Vorhandensein einer Terrasse) und eines Abschlags (für die Lage im Erdgeschoß) einen Richtwertmietzins von 4,29 € pro m2 ergebe - ausgegangen, was zu einem Ausgleich für von dem Mieter vertraglich zu übernehmende Kosten für Investitionen führen solle. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes würde jedoch ein fremder Vermieter ausgehend vom Richtwertmietzins für die Ausstattungskategorie A - der unter Berücksichtigung derselben Zuschläge und des Abschlags 5,58 € m2 betrage - eine Reduktion für die vom Mieter getragenen Investitionen vornehmen. Der von den Revisionswerbern vorgenommene pauschale Abschlag - der im Ergebnis zu einem für die Ausstattungskategorie B anzusetzenden Richtwertmietzins führe - sei problematisch, weil die Höhe der vom Mieter zu tragenden Investitionskosten nicht festgelegt worden sei und auch eine Vereinbarung fehle, wonach die Miete nach Aufrechnung mit diesen (künftigen, allenfalls nicht vorhersehbaren) Investitionen auf ein der Ausstattungskategorie A (mit Zu- und Abschlägen) entsprechendes Niveau angehoben werde. Ausgehend von den vom Mieter übernommenen - nur zum Teil nachgewiesenen - Kosten hätte der Mietzins nach spätestens 20 Jahren auf das Niveau der Ausstattungskategorie A angehoben werden müssen.
8 Im Mietvertrag sei aber auch vereinbart worden, dass im Fall der Beendigung des Mietverhältnisses in den ersten 10 Jahren dem Mieter ein - auf § 10 MRG gestützter - Ersatz zu leisten sei. Dies käme einer mehrfachen Berücksichtigung der Eigenleistungen des Mieters zu Lasten der Revisionswerber gleich, weil diese Eigenleistungen bereits über einen verringerten Mietzins abgegolten worden seien. Diese Vereinbarung sei daher als fremdunüblich zu beurteilen.
9 Die Zusatzvereinbarung entspreche auch nicht dem Erfordernis eines nach außen ausreichend zum Ausdruck kommenden, eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhaltes, weil sich daraus das Finanzierungserfordernis für den Mieter mangels Spezifizierung des Ausstattungsniveaus nicht ableiten lasse.
10 Ein fremder Dritter würde nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes angesichts eines unbefristeten Mietverhältnisses keinen verminderten Mietzins ohne gleichzeitige betragliche Festlegung der Höhe der vom Mieter zu erbringenden Investitionen oder eine Vereinbarung, wonach die der Höhe nach noch unbekannten, künftigen Investitionen mit einer befristet verringerten Miete so lange zu verrechnen sind, bis für beide Vertragspartner eine Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung sichergestellt sei, abschließen.
11 Mangels Fremdüblichkeit des Bestandsverhältnisses mit dem Schwiegersohn sei von einer - steuerlich unbeachtlichen - Gebrauchsüberlassung durch die Revisionswerber an nahe Angehörige zur Befriedigung derer Wohnbedürfnisse auszugehen.
12 Die vom Sohn der Revisionswerber zu einem monatlichen Mietzins von 7,68 € pro m2 gemietete - eine Fläche von rund 29 m2 aufweisende - Wohnung Top 2b falle nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes unter den Teilanwendungsbereich des MRG. Entgegen den Feststellungen des Finanzamtes sei die Wohnung nicht mit einer Innentreppe mit der elterlichen Wohnung verbunden und verfüge auch über eine Dusch- und Kochmöglichkeit. Der Sohn habe auch - anders als vom Finanzamt angenommen - die angefallenen Betriebskosten gezahlt, wenn auch nicht monatlich, sondern am Jahresende. Diese Wohnung sei zudem ab Oktober 2015 an eine fremde Person vermietet worden. Das Mietverhältnis sei daher als fremdüblich anzuerkennen.
13 Das Bundesfinanzgericht erklärte die Revision für zulässig, weil zur Frage, ob bei einem Zubau iSd § 1 Abs. 4 Z 2a MRG vom „Überwiegensgrundsatz“ auszugehen sei und das vermietete Objekt damit dem Vollanwendungsbereich des MRG (mit „Rückwirkung auf Ertragsteuern“) unterliege, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
17 Die Revisionswerber bringen zur Zulässigkeit der Revision ergänzend vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wie sich Mieterinvestitionen im Anwendungsbereich des MRG auf den gesetzlichen Mietzins und damit auf die Fremdüblichkeit des Mietzinses auswirken würden.
18 Wie das Finanzamt in der Revisionsbeantwortung zutreffend ausführt, kommt dem Verwaltungsgerichtshof bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der Verwaltung fallenden Rechtsmaterien keine Leitfunktion zu; er ist zur Fällung grundlegender Entscheidungen auf dem Gebiet des Zivilrechts - etwa des Mietrechts (vgl. , mwN) - nicht berufen, sodass die Auslegung zivilrechtlicher Normen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründen kann, solange den Verwaltungsgerichten dabei keine krasse Fehlentscheidung unterlaufen ist. Eine derartige Unvertretbarkeit ist in der Regel dann auszuschließen, wenn die Verwaltungsgerichte eine zivilrechtliche Vorfrage im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gelöst haben (vgl. etwa , mwN).
19 Abgesehen davon, dass die Revisionswerber gar nicht behaupten, dem Bundesfinanzgericht sei eine derartige Fehlbeurteilung unterlaufen, ist das Bundesfinanzgericht - unter Verweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - zum Ergebnis gelangt, dass die dem Schwiegersohn vermietete Wohnung dem Vollanwendungsbereich des MRG - und damit den entsprechenden Mietzinsbildungsvorschriften - unterliegt. Dies entspricht dem Vorbringen der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren, womit sie durch diese Beurteilung von vornherein nicht beschwert sein können.
20 Das Bundesfinanzgericht ist zum Ergebnis gekommen, die Vereinbarung mit dem Schwiegersohn sei nicht fremdüblich, weil ein fremder Dritter einen unbefristeten Mietvertrag nicht mit einem verminderten Mietzins abgeschlossen hätte, ohne insbesondere eine Befristung der Verminderung des Mietzinses vorzusehen. Vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Wirksamkeit derartiger Vereinbarungen (vgl. z.B. , mwN; RIS-Justiz RS0070204) können die Revisionswerber nicht aufzeigen, dass die Beweiswürdigung, die dieser Sachverhaltsannahme zu Grunde liegt, mit einem die Zulässigkeit der Revision begründenden Mangel behaftet wäre.
21 In der Revision werden soweit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
22 Dazu kommt, dass mit dem Recht auf „inhaltlich richtige Steuerbescheide 2011-2015“, keine „zu hohe Festsetzung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung“ und keine „zu hohe Umsatzsteuer“ keine tauglichen Revisionspunkte geltend gemacht werden (vgl. ; , Ra 2021/16/0030). Die Revision war daher aus diesem Grund zurückzuweisen.
23 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RO2020130006.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-46552