VwGH 22.06.2022, Ro 2020/13/0004
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | DBAbk Ungarn 1976 Art14 DBAbk Ungarn 1976 Art5 OECD-MusterAbk Art14 OECD-MusterAbk Art5 OECD-MusterAbk Art7 |
RS 1 | Der Begriff der "festen Einrichtung" im Sinne des Art. 14 des OECD-Musterabk ist mit dem Begriff der - als Anknüpfungspunkt für die Zuteilung von Unternehmensgewinnen gemäß Art. 7 OECD-Musterabk dienenden - "Betriebsstätte" im Sinne des Art. 5 OECD-Musterabk inhaltsgleich und im selben Sinne auszulegen (vgl. , mwN). Für das Vorliegen einer Betriebsstätte bzw. einer festen Einrichtung gelten daher idente Voraussetzungen (vgl. ; , 96/14/0084, jeweils mwN; zur ersatzlosen Streichung des Art. 14 mit der Revision des OECD-Musterabk im Jahr 2000 aufgrund der praktisch nicht vorhandenen Unterschiede zwischen den Begriffen der "Betriebsstätte" und der "festen Einrichtung" vgl. OECD-Musterkommentar zu Art. 14 sowie Bendlinger/Waser, in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 Art. 14 Rz 2). |
Normen | DBAbk Ungarn 1976 Art5 OECD-MusterAbk Art5 Abs1 |
RS 2 | Zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Betriebsstätte - im Sinne einer festen Geschäftseinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 1 OECD-Musterabk - gehört u.a. die Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die für die unternehmerische Tätigkeit genutzten Räumlichkeiten (vgl. ). Nach der Rechtsprechung des VwGH ist die Möglichkeit der Mitbenutzung eines Schreibtisches in Büroräumlichkeiten eines anderen Steuerpflichtigen nicht ausreichend, um die Verfügungsmacht über eine feste Geschäftseinrichtung zu bejahen (vgl. ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der D in K (Ungarn), vertreten durch Mag. Dr. Eva Neudörfler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Kirchberggasse 13/R1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7102485/2019, betreffend Abweisung eines Antrages auf Veranlagung zur Einkommensteuer 2013 und 2014 sowie Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 gemäß § 299 BAO, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin war - als ungarische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Ungarn - in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen (2013 bis 2016) in Österreich als Übersetzerin und Dolmetscherin tätig. Im Jahr 2017 reichte sie Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2013 bis 2016 elektronisch über FinanzOnline beim Finanzamt ein und erklärte darin - unter gleichzeitiger Ausübung der Option zur unbeschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 - Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
2 Das Finanzamt erließ zunächst im Jahr 2017 Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 und 2016 und setzte darin die Einkommensteuer erklärungsgemäß fest. In weiterer Folge - nach Durchführung ergänzender Erhebungen - wies das Finanzamt im Jahr 2018 die Anträge der Revisionswerberin auf Veranlagung der Einkommensteuer für die Jahre 2013 und 2014 ab und hob die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 und 2016 gemäß § 299 BAO auf. Begründend führte das Finanzamt jeweils an, aufgrund einer mehrmaligen Nachschau (durch die Finanzpolizei) sei festgestellt worden, dass sich an der von der Revisionswerberin bekanntgegebenen (österreichischen) Adresse keine Betriebsstätte der Revisionswerberin befinde, sondern es sich um eine „Briefkastenfirma“ handle.
3 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerde und führte darin u.a. an, sie sei seit Juli 2013 in Österreich selbständig erwerbstätig und ihr „Standort“ sei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum am Sitz eines ihrer Auftraggeber (der P GmbH & Co KG) gewesen, wo sie - kostenfrei - ihre Tätigkeit habe ausüben und die Büroinfrastruktur habe benützen können. Seit Mitte Dezember 2016 habe sie ihre Tätigkeit - ohne feste Bürozeiten - in einem eigenen angemieteten Büro ausgeübt.
4 Nach Ergehen abweisender Beschwerdevorentscheidungen beantragte die Revisionswerberin, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte das Bundesfinanzgericht „mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung betreffend die Voraussetzungen fester Einrichtungen einer Dolmetscherin und Übersetzerin“ für zulässig.
6 Das Bundesfinanzgericht führte - nach Wiedergabe des Verfahrensgangs - im Wesentlichen aus, es sei strittig, ob die Revisionswerberin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in Österreich eine feste Einrichtung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 DBA Österreich-Ungarn gehabt und deshalb in Österreich zu versteuernde Einkünfte erzielt habe. Die fallweise Benützung eines Schreibtisches in den Büroräumlichkeiten der P GmbH & Co KG stelle keine feste Einrichtung in diesem Sinne dar, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der gesamte Raum - samt weiteren Einrichtungsgegenständen und Hilfsmitteln zur Ausübung der Tätigkeit - zur Verfügung der Revisionswerberin hätte stehen müssen. Zudem habe die Revisionswerberin die „jederzeitige“ Verfügungsmöglichkeit über die betreffenden Räumlichkeiten - somit die Möglichkeit, die Büroräumlichkeiten auch außerhalb der Betriebszeiten der P GmbH & Co KG betreten und nutzen zu können - weder behauptet noch nachgewiesen oder glaubhaft gemacht.
7 Der Begriff der „festen Einrichtung“ habe grundsätzlich dieselbe Bedeutung und Reichweite wie der Begriff der „Betriebsstätte“ gemäß Art. 5 DBA Österreich-Ungarn bei gewerblichen Tätigkeiten. Merkmal einer Betriebsstätte sei u.a., dass in ihr ganz oder teilweise die Tätigkeit des Unternehmens ausgeübt werde, was im gegenständlichen Fall nicht gegeben sei, weil sich die Revisionswerberin nur geringfügig (ein bis zwei Stunden täglich) in den betreffenden Büroräumlichkeiten aufgehalten habe und im überwiegenden Ausmaß „unterwegs“ gewesen sei. Eine Betriebsstätte werde auch nicht aufgrund des Vorliegens eines Ortes der Leitung des Gesamtunternehmens gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. a DBA Österreich-Ungarn begründet, weil sich der Leitungsort des Unternehmens der Revisionswerberin - im verfahrensgegenständlichen Zeitraum - in ihrer ungarischen Wohnstätte befunden habe. Eine Änderung der Ausgestaltung ihrer beruflichen Tätigkeit mit Anmietung des eigenen Büros im Dezember 2016 habe die Revisionswerberin nicht behauptet und auch nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht, zumal die - eine fremdübliche Kundenbetreuung ermöglichende - Einrichtung des unmöbliert vermieteten Büros bis zum Ende des Jahres 2016 weder von der Revisionswerberin behauptet worden noch als glaubhaft anzusehen sei.
8 Mangels einer österreichischen Betriebsstätte gemäß Art. 5 DBA Österreich-Ungarn bzw. mangels regelmäßiger Verfügung über eine feste Einrichtung in Österreich gemäß Art. 14 DBA Österreich-Ungarn, habe Ungarn als Ansässigkeitsstaat das Recht, die gesamten Einkünfte der Revisionswerberin zu besteuern.
9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende ordentliche Revision, zu der von der belangten Behörde keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa , mwN).
13 Das Bundesfinanzgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „betreffend die Voraussetzungen fester Einrichtungen einer Dolmetscherin und Übersetzerin“ fehle. Die Revision enthält kein eigenständiges Vorbringen zur Zulässigkeit, sondern verweist lediglich auf die Zulässigkeitsbegründung des Bundesfinanzgerichtes.
14 Damit wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass der Begriff der „festen Einrichtung“ im Sinne des Art. 14 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) mit dem Begriff der - als Anknüpfungspunkt für die Zuteilung von Unternehmensgewinnen gemäß Art. 7 OECD-MA dienenden - „Betriebsstätte“ im Sinne des Art. 5 OECD-MA inhaltsgleich und im selben Sinne auszulegen ist (vgl. , mwN). Für das Vorliegen einer Betriebsstätte bzw. einer festen Einrichtung gelten daher idente Voraussetzungen (vgl. ; , 96/14/0084, jeweils mwN; zur ersatzlosen Streichung des Art. 14 mit der Revision des OECD-MA im Jahr 2000 aufgrund der praktisch nicht vorhandenen Unterschiede zwischen den Begriffen der „Betriebsstätte“ und der „festen Einrichtung“ vgl. OECD-Musterkommentar zu Art. 14 sowie Bendlinger/Waser, in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 Art. 14 Rz 2). Die in der Revision umfangreich behandelte Frage, ob die Revisonswerberin Einkünfte aus einem freien Beruf (iSd. Art. 14 des anwendbaren DBA) bezieht (oder es sich um „gewerbliche“ Einkünfte handelt), ist demnach für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung. Zu den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Betriebsstätte - im Sinne einer festen Geschäftseinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 1 OECD-MA - gehört u.a. die Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die für die unternehmerische Tätigkeit genutzten Räumlichkeiten (vgl. erneut ; vgl. zum Merkmal der Verfügungsmacht Bendlinger, Die Betriebsstätte in der Praxis des internationalen Steuerrechts3, 76 ff). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Möglichkeit der Mitbenutzung eines Schreibtisches in Büroräumlichkeiten eines anderen Steuerpflichtigen nicht ausreichend, um die Verfügungsmacht über eine feste Geschäftseinrichtung zu bejahen (vgl. ).
16 Im Hinblick auf die bereits bestehende Rechtsprechung wird in der Revision keine Rechtsfrage aufgezeigt, der iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem (der Entscheidung des Verwaltungsgerichts) völlig vergleichbaren Sachverhalt (zu einer bestimmten Rechtsnorm) fehlt, begründet noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. ; , Ra 2019/15/0039).
17 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
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Normen | DBAbk Ungarn 1976 Art14 DBAbk Ungarn 1976 Art5 OECD-MusterAbk Art14 OECD-MusterAbk Art5 OECD-MusterAbk Art5 Abs1 OECD-MusterAbk Art7 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020130004.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAF-46550