VwGH 25.04.2022, Ro 2020/06/0001
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Der Systematik des Stmk ROG 2010 ist zu entnehmen, dass der Landesgesetzgeber mit den §§ 25 ff leg. cit. die Flächenwidmungsplanung und mit den §§ 40 ff leg. cit die Erlassung von Bebauungsplänen normiert. Mit § 40 Abs. 1 leg. cit. soll klar zum Ausdruck gebracht werden, dass die Erlassung von Bebauungsplänen in Weiterführung der örtlichen Raumplanung erfolgt. Die Bebauungsplanung ist sowohl in inhaltlicher als auch in verfahrensmäßiger Hinsicht der Flächenwidmungsplanung nachgeordnet. |
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RS 2 | Nach § 26 Abs. 4 Stmk ROG 2010 hat die Gemeinde im Flächenwidmungsplan jene Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland festzulegen, für die durch Verordnung Bebauungspläne zu erlassen sind (Bebauungsplanzonierung). Durch den ersten Satz dieser Bestimmung wurde neu eingeführt, dass auch für Sondernutzungsflächen im Freiland festgelegt werden kann, dass Bebauungspläne zu erlassen sind. § 26 Abs. 4 zweiter Satz leg. cit. stellt klar, dass Flächen gemäß § 40 Abs. 4 Z 2 bis 4 leg. cit. (zur Errichtung von Einkaufszentren, in einem Landschaftsschutzgebiet oder beim Erfordernis einer Grundumlegung) jedenfalls in die Zonierung aufzunehmen sind (vgl. ). Dies dient der zweifelsfreien Feststellung eines Bebauungsplanerfordernisses und der Schaffung eines Überblicks über alle zu erlassenden Bebauungspläne. Diese Bestimmung enthält keine Einschränkung des Erfordernisses der Erstellung eines Bebauungsplans im Hinblick auf die jeweilige Widmung der Fläche. Gemäß § 40 Abs. 4 Z 3 leg. cit. ist die Erstellung eines Bebauungsplanes in Landschaftsschutzgebieten für zusammenhängende unbebaute Grundflächen, die 3000m² übersteigen, notwendig, wenn die Gemeinde kein räumliches Leitbild in Form eines Sicherheitskonzeptes erstellt hat. Aus der eindeutigen Wortinterpretation des § 40 Abs. 4 Z 3 Stmk ROG 2010, der die dargestellten Einschränkungen im Hinblick auf die Größe der unbebauten Grundfläche und das Vorliegen eines räumlichen Leitbildes vornimmt, demgegenüber aber keine Einschränkung bezüglich der jeweiligen Widmung trifft, ergibt sich, dass die Erstellung des Bebauungsplanes für Landschaftsschutzgebiete unabhängig von der jeweiligen Widmung - bei Vorliegen der sonst normierten Voraussetzungen - zu erfolgen hat. Dies entspricht der in § 26 Abs. 4 leg. cit. dargestellten Regelung. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der Agrargemeinschaft O, vertreten durch Mag. Reinhard Traumüller, Rechtsanwalt in 8820 Neumarkt in der Steiermark, Wienerstraße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 50.37-2382/2017-27, betreffend Versagung der Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Marktgemeinde Neumarkt in der Steiermark, vertreten durch die Hohenberg, Strauss, Buchbauer, Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der Marktgemeinde Neumarkt in der Steiermark Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. X, KG G, welches laut Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom (LGBl. Nr. 41/1981) im Landschaftsschutzgebiet Nr. 6 (Zirbitzkogel) liegt. Das Grundstück ist als Freiland gewidmet, ein räumliches Leitbild wurde nicht erlassen.
2 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Neumarkt in der Steiermark vom wurde das Ansuchen der Revisionswerberin vom um Erteilung der nachträglichen Bewilligung für die Errichtung einer Jagd- und Almerhalterunterstandshütte auf ihrem Grundstück abgewiesen.
3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (Landesverwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderats der Marktgemeinde Neumarkt in der Steiermark vom , mit welchem ihre gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer ordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
4 Begründend führte es - soweit hier relevant - aus, nach § 40 Abs. 4 Z 3 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 2010 (StROG) habe für das gegenständliche Landschaftsschutzgebiet die Erlassung von Bebauungsplänen jedenfalls zu erfolgen. Für das zu bebauende Grundstück liege entgegen der Vorschrift des § 40 Abs. 4 Z 3 StROG kein Bebauungsplan vor. Bestehe für ein bestimmtes Gebiet die Verpflichtung zur Erlassung eines Bebauungsplanes, habe dies zur Folge, dass vor Erlassung eines Bebauungsplanes keine Baubewilligung erteilt werden dürfe. Die Beschwerde sei sohin abzuweisen.
5 Die Erhebung einer ordentlichen Revision sei zulässig, weil die Rechtsfrage, ob auch hinsichtlich einer im Freiland ausgewiesenen Fläche in einem Landschaftsschutzgebiet iSd § 40 Abs. 4 Z 3 StROG die Erlassung eines Bebauungsplanes jedenfalls - vor allem auch unter Bezugnahme auf § 26 Abs. 4 StROG - zu erfolgen habe, höchstgerichtlich nicht beantwortet sei, und ob unabhängig der ausgewiesenen Flächenwidmung im Flächenwidmungsplan sämtliche Flächen gemäß § 40 Abs. 4 Z 2 bis 4 StROG - und sohin auch Flächen mit einer Freilandwidmung - unter § 26 Abs. 4 zweiter Satz StROG zu subsumieren seien.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit schließt sich die vorliegende Revision den vom Landesverwaltungsgericht aufgeworfenen Rechtsfragen an und führt aus, es bedürfe insbesondere einer höchstgerichtlichen Klarstellung, ob Liegenschaftsflächen nach § 40 Abs. 4 Z 2 bis 4 StROG immer zwingend einem Bebauungsplan zu unterwerfen seien, oder ob § 26 Abs. 4 StROG dahingehend zu verstehen sei, dass eine Bebauungsplatzzonierung hinsichtlich der Flächen gemäß § 40 Abs. 4 Z 2 bis 4 StROG nur jene Flächen betreffe, die widmungsgemäß Bauland oder Freiland mit Sondernutzung seien.
10 Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes LGBl. Nr. 49/2010 lauten auszugsweise:
„§ 26 Inhalt des Flächenwidmungsplans
(1) Der Flächenwidmungsplan hat das gesamte Gemeindegebiet räumlich zu gliedern und die Nutzungsart für alle Flächen entsprechend den räumlich funktionellen Erfordernissen festzulegen. Dabei sind folgende Nutzungsarten vorzusehen:
1. Bauland
2. Verkehrsfläche
3. Freiland
(...)
(4) Im Flächenwidmungsplan hat die Gemeinde jene Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland festzulegen, für die durch Verordnung Bebauungspläne zu erlassen sind (Bebauungsplanzonierung). Flächen gemäß § 40 Abs. 4 Z 2 bis 4 sind jedenfalls in die Zonierung aufzunehmen. Die Festlegungen sind bei der nächsten regelmäßigen Revision oder Änderung des Flächenwidmungsplanes im Flächenwidmungsplan zu treffen. Bei jeder weiteren Fortführung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes sind die Bebauungsplanzonierung sowie der Inhalt der Festlegungen zu überprüfen.“
„§ 40 Bebauungsplanung
(1) Jede Gemeinde hat zur Umsetzung der im Flächenwidmungsplan festgelegten Bebauungsplanzonierung durch Verordnung Bebauungspläne zu erstellen und fortzuführen. Der Bebauungsplan besteht aus einer zeichnerischen Darstellung und einem Verordnungswortlaut. Zur Begründung ist ein Erläuterungsbericht zu erstellen.
(2) Mit der Bebauungsplanung ist eine den Raumordnungsgrundsätzen entsprechende Entwicklung der Struktur und Gestaltung des im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Baulandes und des Freilandes (Sondernutzung) anzustreben.
(...)
(4) Die Erlassung von Bebauungsplänen hat jedenfalls zu erfolgen:
(...)
3. In einem Landschaftsschutzgebiet gemäß den naturschutzrechtlichen Bestimmungen, wenn die zusammenhängend unbebauten Grundflächen 3000 m2 übersteigen, sofern kein räumliches Leitbild gemäß § 22 Abs. 7 erlassen wurde.
(...)
(8) Für die Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland, für die gemäß § 26 Abs. 4 Bebauungspläne zu erlassen sind, haben die Gemeinden spätestens im Anlassfall (z. B. Ansuchen um Erstellung eines Bebauungsplanes nach erfolgter Abklärung aller Vorfragen) Bebauungspläne zu erstellen. Dabei ist das Verfahren zur Erstellung oder Änderung der Bebauungspläne unverzüglich nach Eintreten des Anlassfalles einzuleiten und spätestens innerhalb von 18 Monaten abzuschließen. Baubewilligungen sowie Genehmigungen nach § 33 des Steiermärkischen Baugesetzes dürfen erst nach Vorliegen eines rechtswirksamen Bebauungsplanes erteilt werden. Für Zubauten ist ein Gutachten eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Raumplanung ausreichend.“
11 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa , mwN). Die in der Zulässigkeitsbegründung formulierte Rechtsfrage, ob Liegenschaftsflächen nach (dem im konkreten Fall relevanten) § 40 Abs. 4 Z 3 StROG jedenfalls in die Bauplatzzonierung nach § 26 Abs. 4 StROG aufzunehmen seien, lässt sich - wie auch die Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt - aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmungen beantworten. Der Systematik des StROG ist zu entnehmen, dass der Landesgesetzgeber mit den §§ 25 ff leg. cit. die Flächenwidmungsplanung und mit den §§ 40 ff leg. cit die Erlassung von Bebauungsplänen normiert. Mit § 40 Abs. 1 leg. cit. soll klar zum Ausdruck gebracht werden, dass die Erlassung von Bebauungsplänen in Weiterführung der örtlichen Raumplanung erfolgt. Die Bebauungsplanung ist sowohl in inhaltlicher als auch in verfahrensmäßiger Hinsicht der Flächenwidmungsplanung nachgeordnet (vgl. die Ausführungen in Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht5, § 40 StROG, Anm. 2, S 1328). Nach § 26 Abs. 4 leg. cit hat die Gemeinde im Flächenwidmungsplan jene Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland festzulegen, für die durch Verordnung Bebauungspläne zu erlassen sind (Bebauungsplanzonierung). Durch den ersten Satz dieser Bestimmung wurde neu eingeführt, dass auch für Sondernutzungsflächen im Freiland festgelegt werden kann, dass Bebauungspläne zu erlassen sind (vgl. aaO, § 26 StROG, S 1108 ff. [insbesondere Anm. 9], mit Hinweisen auf die dort abgedruckten EB zur Novelle 2010). § 26 Abs. 4 zweiter Satz leg. cit. stellt klar, dass Flächen gemäß § 40 Abs. 4 Z 2 bis 4 leg. cit. (zur Errichtung von Einkaufszentren, in einem Landschaftsschutzgebiet oder beim Erfordernis einer Grundumlegung) jedenfalls in die Zonierung aufzunehmen sind (vgl. ). Dies dient der zweifelsfreien Feststellung eines Bebauungsplanerfordernisses und der Schaffung eines Überblicks über alle zu erlassenden Bebauungspläne (vgl. aaO, § 40 StROG, Anm. 13, S 1329). Entgegen dem Revisionsvorbringen enthält diese Bestimmung keine Einschränkung des Erfordernisses der Erstellung eines Bebauungsplans im Hinblick auf die jeweilige Widmung der Fläche. Gemäß § 40 Abs. 4 Z 3 leg. cit. ist die Erstellung eines Bebauungsplanes in Landschaftsschutzgebieten für zusammenhängende unbebaute Grundflächen, die 3000m² übersteigen, notwendig, wenn die Gemeinde - wie im vorliegenden Fall - kein räumliches Leitbild in Form eines Sicherheitskonzeptes erstellt hat (vgl. aaO, § 40 StROG, S 1327, mit Hinweisen auf die dort abgedruckten EB zur Novelle 2010). Aus der eindeutigen Wortinterpretation des § 40 Abs. 4 Z 3 StROG, der die dargestellten Einschränkungen im Hinblick auf die Größe der unbebauten Grundfläche und das Vorliegen eines räumlichen Leitbildes vornimmt, demgegenüber aber keine Einschränkung bezüglich der jeweiligen Widmung trifft, ergibt sich, dass die Erstellung des Bebauungsplanes für Landschaftsschutzgebiete unabhängig von der jeweiligen Widmung - bei Vorliegen der sonst normierten Voraussetzungen - zu erfolgen hat. Dies entspricht der in § 26 Abs. 4 leg. cit. dargestellten Regelung.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
13 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Planung Widmung BauRallg3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020060001.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-46535