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VwGH 22.02.2021, Ro 2020/02/0008

VwGH 22.02.2021, Ro 2020/02/0008

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
AVG §37
AVG §46
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
RS 1
Ein allgemeines Vorbringen, das aus Mutmaßungen besteht, läuft auf einen unzulässigen, Erkundungsbeweis hinaus, zu dessen Aufnahme das VwG nicht verpflichtet ist (vgl. E , 98/02/0114; E , 2000/02/0255; E , 2003/02/0243; E , 2007/02/0018; E , 2009/02/0377).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2014/02/0059 B RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der S GmbH & Co. Besitz KG in W (Deutschland), vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W107 2165580-1/14E, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , W107 2165580-1/19E, betreffend Vorstellungsbescheid nach dem BaSAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzmarktaufsichtsbehörde), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Partei war zum Stichtag  mit einem Guthaben von € 1.544.542,22 Gläubigerin der H. AG.

2 Mit Mandatsbescheid vom ordnete die belangte Behörde in ihrer Funktion als Abwicklungsbehörde gemäß § 3 Abs. 1 Sanierungs- und Abwicklungsgesetz - BaSAG, BGBl. I Nr. 98/2014, unter Berufung auf die Abwicklungsvoraussetzungen bei der H. AG gemäß § 50 Abs. 1 iVm § 74 Abs. 2 iVm § 58 Abs. 1 BaSAG für die H. AG und sämtliche Gläubiger Maßnahmen an; unter anderem wurden die Nennwerte nachrangiger Verbindlichkeiten auf null herabgesetzt und für alle berücksichtigungsfähigen vorrangigen Verbindlichkeiten ein Schuldenschnitt um 53,98 % auf 46,02 % verfügt (Mandatsbescheid II).

3 Aufgrund von - unter anderem auch von der revisionswerbenden Partei - erhobenen Vorstellungen erließ die belangte Behörde den Vorstellungsbescheid vom . Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung ordnete die belangte Behörde in Spruchpunkt II. unter anderem an, dass der Nennwert oder der ausstehende Restbetrag der restlichen gemäß § 86 BaSAG berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten der H. AG jeweils einschließlich der bis zum aufgelaufenen Zinsen auf einen Betrag von 64,4 % des jeweiligen zum bestehenden Nennwertes oder des ausstehenden Restbetrages samt der bis zum aufgelaufenen Zinsen herabgesetzt werde. Im Spruchpunkt III. ordnete die belangte Behörde auch an, dass der Zinssatz auf berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten mit Wirkung ab auf null gesetzt werde.

4 Das Bundesverwaltungsgericht wies die von der revisionswerbenden Partei gegen diesen Vorstellungsbescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5 In der Begründung traf das Verwaltungsgericht Feststellungen zur Chronologie der Ereignisse (unter anderem Verstaatlichung, Einbindung der Europäischen Kommission, Gesetzesbeschlüsse), zur Anzeige gemäß § 114 Abs. 1 iVm § 51 Abs. 1 Z 3 BaSAG, zur vorläufigen Prüfung der Werthaltigkeit der Aktiva durch eine Wirtschaftsprüfungs GmbH, zur abschließenden Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der H. AG durch einen unabhängigen Bewertungsprüfer, zur Bilanz- und Kapitalstruktur der H. AG, deren Verbindlichkeiten und Vermögenswerten sowie der Forderung der revisionswerbenden Partei als berücksichtigungsfähige Verbindlichkeit.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, gemäß § 117 BaSAG gingen die Abwicklungsinstrumente allen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, somit auch allfälligen Verboten von Einlagenrückgewähr, vor. Der Ausnahmetatbestand des § 86 Abs. 2 Z 7 lit. c BaSAG erfasse jene Verbindlichkeiten, die die H. AG gegenüber Geschäfts- oder Handelsgläubigern habe. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nahm das Verwaltungsgericht Abstand, da lediglich Rechtsfragen zu klären gewesen seien und eine mündliche Verhandlung von den Parteien nicht beantragt worden sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

8 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Zunächst erachtet die revisionswerbende Partei die Revision als zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 117 BaSAG den auf die Revisionswerberin anwendbaren Kapitalerhaltungsvorschriften vorgehe. Die Bestimmung sei im Einklang mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der Richtlinie 2014/59/EU zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (Bank Recovery and Resolution Directive - BRRD), die durch das BaSAG umgesetzt worden sei, auszulegen.

13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Norm noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. , mwN).

14 Nach dem hier in Rede stehenden § 117 BaSAG gehen bei der Anwendung von Abwicklungsinstrumenten, -befugnissen und -mechanismen gemäß den §§ 48 ff die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entgegenstehenden gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen vor. Die Abwicklungsbehörde hat gesellschaftsrechtliche Vorschriften insoweit einzuhalten, als dies mit diesem Bundesgesetz vereinbar ist.

15 Gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom (BRRD) können die Mitgliedstaaten strengere als die in dieser Richtlinie und den auf ihrer Grundlage erlassenen dirigierten Rechtsakten oder Durchführungsrechtsakten vorgesehenen Bestimmungen erlassen oder beibehalten oder zusätzliche Bestimmungen erlassen, vorausgesetzt, dass die Bestimmungen allgemein gelten und nicht im Widerspruch zu dieser Richtlinie und die auf ihrer Grundlage erlassenen dirigierten Rechtsakten oder Durchführungsrechtsakten stehen.

16 Vor dem Hintergrund dieser Richtlinienbestimmung ist angesichts des klaren Gesetzeswortlautes von § 117 BaSAG für die von der revisionswerbenden Partei für ihren Standpunkt ins Treffen geführte Auslegungsvariante keinerlei Spielraum, während das vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Verständnis von dieser Bestimmung, die Abwicklungsinstrumente gingen den ins Treffen geführten gesellschaftsrechtlichen Vorschriften vor, im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung steht (vgl. neuerlich den auch den Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom betreffenden ).

17 Weiter erachtet die revisionswerbende Partei die Revision für zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Auslegung von § 86 Abs. 2 Z 7 BaSAG vorliege, insbesondere ob als Verbindlichkeit gegenüber Geschäfts- und Handelsgläubigern auch Verbindlichkeiten des in Abwicklung befindlichen Instituts gegenüber seinen (mittelbaren) Tochtergesellschaften, welche im Rahmen des Zahlungsverkehrs auf den vom in Abwicklung befindlichen Institut geführten Konten entstehen, wirtschaftlich als Verbindlichkeiten des ausfallenden Instituts gegenüber den Geschäfts- oder Handelsgläubigern der jeweiligen Tochtergesellschaft einzustufen seien. Das Verwaltungsgericht habe weder eine positive noch eine negative Feststellung darüber getroffen, ob das Kontoguthaben der revisionswerbenden Partei für den alltäglichen Geschäftsbetrieb der H. AG von wesentlicher Bedeutung sei.

18 Nach § 86 Abs. 2 Z 7 lit. c BaSAG ist eine Herabschreibungs- oder Umwandlungsanordnung gemäß § 85 Abs. 1 leg. cit. in Bezug auf Verbindlichkeiten gegenüber Geschäfts- oder Handelsgläubigern aufgrund von Lieferungen und Dienstleistungen, die für den alltäglichen Geschäftsbetrieb des Instituts oder Unternehmens gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 bis 4 leg. cit. von wesentlicher Bedeutung sind, einschließlich IT-Diensten, Versorgungsdiensten sowie Anmietung, Bewirtschaftung und Instandhaltung von Gebäuden, nicht zulässig, unabhängig davon, ob diese dem Recht eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands unterliegen.

19 Bei den Verbindlichkeiten von § 86 Abs. 2 Z 7 lit. c BaSAG handelt es sich im vorliegenden Fall nach dem - wiederum klaren - Gesetzeswortlaut um Verbindlichkeiten gegenüber Geschäfts- oder Handelsgläubigern der H. AG. Anders als die revisionswerbende Partei meint, hat das Verwaltungsgericht, wenn auch disloziert in der rechtlichen Beurteilung, die Feststellung getroffen, dass es sich bei den von der revisionswerbenden Partei erbrachten Lieferungen und Dienstleistungen nicht um solche im Sinne der Z 7 leg. cit. handle, also dass die Forderung (das Guthaben) der revisionswerbenden Partei nicht auf Grund der Durchführung von Lieferungen und Dienstleistungen, die für den alltäglichen Geschäftsbetrieb der H. AG von wesentlicher Bedeutung seien, besteht. Entsprechende Überlegungen zu dieser Feststellung finden sich auch in der Beweiswürdigung.

20 Erbrachte aber die revisionswerbende Partei keine solchen Leistungen, erübrigen sich in diesem Zusammenhang Überlegungen zur Frage, ob sie (noch) eine (mittelbare) Tochtergesellschaft der H. AG ist bzw. war.

21 Weiter soll die Revision zulässig sein, weil keine Rechtsprechung zur Auslegung des § 86 Abs. 4 Z 2 BaSAG vorliege, insbesondere zur Frage, ob die Ausnahmevorschrift auch dann anzuwenden sei, wenn die Sicherstellung der Kontinuität der kritischen Funktionen und Kerngeschäftsbereiche des in Abwicklung befindlichen Instituts dadurch beeinträchtigt werde, dass die Herabsetzung der Verbindlichkeit die - in der Beschwerde behauptete - Insolvenz einer (mittelbaren) Tochtergesellschaft bewirke.

22 Zu dieser Frage hat die revisionswerbende Partei jedoch nicht offengelegt, welchen konkreten Sachverhalt sie bei der Beantwortung der von ihr gestellten Rechtsfragen im Auge hat, somit keinen Bezug zum konkreten Einzelfall hergestellt, anhand dessen beurteilt werden könnte, ob eine Rechtsfrage grundsätzlicher Natur vorliege. Zur Beantwortung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aufgrund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zuständig (vgl. , mwN).

23 Schließlich erachtet die revisionswerbende Partei die Revision für zulässig, weil das Verwaltungsgericht keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Diese wäre zur Erörterung des Beschwerdevorbringens notwendig gewesen, dass die revisionswerbende Partei mittelbar zu 100 % an der H. AG beteiligt sei, sich das Kontoguthaben zur Sicherstellung des Zahlungsverkehrs mit ihren Handels- und Geschäftsgläubigern angesammelt habe, die von der belangten Behörde angeordnete Herabsetzung der Verbindlichkeiten bei der Revisionswerberin zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Liquidität führe, die ohne weitere Kapitalmaßnahmen seitens der Kommanditistin der Revisionswerberin die Insolvenz der Revisionswerberin bedeuten würde und die im Vorstellungsbescheid II angeordneten Abwicklungsmaßnahmen daher die Kontinuität des Kerngeschäftsbereichs der H. AG gefährde. Zudem sei ein Zeugenbeweis zur drohenden Insolvenz der revisionswerbenden Partei gestellt worden.

24 Zur Unbeachtlichkeit der Frage der Beteiligung der revisionswerbenden Partei an der H. AG sei auf die obigen Ausführungen zu § 86 Abs. 4 Z 2 BaSAG verwiesen.

25 Das weitere Vorbringen, weswegen das Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung hätte durchführen sollen, ist unkonkret und unbestimmt und liefe wegen der Allgemeinheit der Behauptungen im vorliegenden Fall auf einen unzulässigen, weil auf Mutmaßungen basierenden, Erkundungsbeweis hinaus, zu dessen Aufnahme das Verwaltungsgericht im konkreten Fall nicht verpflichtet war (vgl. , mwN). Aus welchem anderen Grund das Verwaltungsgericht mündlich verhandeln hätte müssen, wird nicht dargetan.

26 In der Revision werden demnach insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG mit Beschluss zurückzuweisen.

27 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

28 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Normen
AVG §37
AVG §46
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
Schlagworte
Ablehnung eines Beweismittels Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des Beweisantrages
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020020008.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-46528