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VwGH 23.06.2021, Ro 2019/03/0020

VwGH 23.06.2021, Ro 2019/03/0020

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
ORF-G 2001 §13 Abs1
ORF-G 2001 §13 Abs3 Z6
RS 1
Bei Verstößen gegen das Erkennbarkeitsgebot des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G 2001 und gegen das Irreführungsverbot des § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G 2001 handelt es sich um zwei unterschiedliche, jeweils getrennt voneinander erfüllbare Tatbestände.
Normen
ORF-G 2001 §13
ORF-G 2001 §13 Abs1
RS 2
Wie sich bereits aus dessen Überschrift ergibt, legt § 13 ORF-G 2001 inhaltliche Anforderungen und Beschränkungen für die kommerzielle Kommunikation fest. Diese Anforderungen und Beschränkungen gelten für alle Formen der kommerziellen Kommunikation in allen Inhaltsangeboten des ORF und seiner Tochtergesellschaften - sohin auch für das Online-Angebot -, sofern sich nicht aus dem Wortlaut oder den zugrundeliegenden Definitionen ergibt, dass sie sich nur auf Fernseh- oder Radiosendungen/-programme oder Sendungen in Abrufdiensten beziehen.
Norm
ORF-G 2001 §13 Abs1
RS 3
§ 13 Abs. 1 zweiter Satz ORF-G 2001 normiert für Programme und Sendungen das Verbot der Schleichwerbung und der Subliminalwerbung. Dieses Verbot ist sohin nach seinem klaren Wortlaut auf Fernseh- und Radiosendungen/-programme und Sendungen in Abrufdiensten beschränkt. Hingegen ist Schleichwerbung im sonstigen Online-Angebot nach dem klaren Wortlaut des § 13 Abs. 1 zweiter Satz ORF-G 2001 davon nicht umfasst.
Norm
ORF-G 2001 §13 Abs1
RS 4
Neben dem speziellen Verbot der Schleichwerbung in Programmen und Sendungen gemäß § 13 Abs. 1 zweiter Satz ORF-G beinhaltet § 13 Abs. 1 ORF-G 2001 in seinem ersten Satz ein allgemein geltendes Erkennbarkeitsgebot von kommerzieller Kommunikation. Dieses Erkennbarkeitsgebot gilt für alle Formen der kommerziellen Kommunikation in allen Inhaltsangeboten des ORF und ist somit auch für Online-Angebote zu beachten. Schleichwerbung, welche bereits nach ihrer Definition den Werbezweck nicht offenlegt und eine Werbemaßnahme so "tarnt", dass sie dem Durchschnittszuseher als solche nicht erkennbar wird (vgl. zu den Voraussetzungen von Schleichwerbung etwa ), verstößt damit - sofern sie im sonstigen Online-Angebot aufscheint - jedenfalls gegen das Erkennbarkeitsgebot des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G 2001. Entgegen dem Revisionsvorbringen wird § 13 Abs. 1 zweiter Satz ORF-G 2001 dadurch auch nicht "seines Inhalts beraubt", zumal der zweite Satz des § 13 Abs. 1 ORF-G 2001 ein spezielles Verbot der Schleich- und Subliminalwerbung in Programmen und Sendungen enthält und insofern das allgemein geltende Erkennbarkeitsgebot des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G 2001 bei Erfüllung des § 13 Abs. 1 zweiter Satz ORF-G 2001 hinter diese Bestimmung zurücktritt.
Normen
VStG §22 Abs2
VwGVG 2014 §38
RS 5
Im Falle der Scheinkonkurrenz, also wenn der gesamte Unrechtsgehalt eines Deliktes von jenem eines anderen, ebenfalls verwirklichten in jeder Beziehung mitumfasst ist, ist es unzulässig, dem Täter ein und denselben Unwert mehrmals zuzurechnen, sie führt zu einem Zurücktreten eines Tatbestandes hinter einen anderen, wenn sich aus konkreten Umständen des Tatgeschehens dessen Vorrang ergibt.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/02/0123 E RS 1
Norm
VStG §22 Abs2 idF 2013/I/033
RS 6
Der Begriff "Scheinkonkurrenz" bringt zum Ausdruck, dass in Wahrheit keine Konkurrenz von Strafbestimmungen vorliegt, sondern eben nur eine Bestimmung, nach der bestraft werden kann (vgl. , mwN). Zu den Fällen der Scheinkonkurrenz zählen die Subsidiarität, die Spezialität und die Konsumtion (vgl. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2019/04/0012 E RS 2
Normen
ORF-G 2001 §13 Abs1
ORF-G 2001 §13 Abs3 Z6
VStG §22 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
RS 7
War die gegenständliche kommerzielle Kommunikation als solche nicht leicht erkennbar, wurde zutreffend ein Verstoß gegen das Erkennbarkeitsgebot des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G 2001 angenommen. Diese mangelnde Erkennbarkeit der kommerziellen Kommunikation führte im gegenständlichen Fall - zumal der Werbezweck nicht offengelegt wurde und auch nicht offensichtlich war - zwangsläufig auch zu einer Irreführung. Im hier vorliegenden Fall war sohin die Irreführung die (bloße) Konsequenz der mangelnden Erkennbarkeit der werblichen Berichterstattung. Die Irreführung bestand somit ausschließlich in der Nichterkennbarkeit der kommerziellen Kommunikation. Wäre die gegenständliche Online-Berichterstattung hingegen im Sinne des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G 2001 durch eine entsprechende Kennzeichnung als kommerzielle Kommunikation erkennbar gewesen, wäre fallbezogen auch eine Irreführung nicht eingetreten. Für den Revisionsfall ergibt sich somit, dass durch die Unterstellung des vorliegenden Sachverhalts unter den Tatbestand des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G 2001 (Verstoß gegen das Erkennbarkeitsgebot) der gesamte Unrechtswert des Täterverhaltens erfasst wird. Für eine zusätzliche Anlastung einer Übertretung des § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G 2001 bleibt sohin kein Raum. Vielmehr tritt in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation der Tatbestand des Irreführungsverbots hinter den Tatbestand des Erkennbarkeitsgebots zurück.
Normen
AVG §37
VStG §25 Abs2
VStG §5 Abs1
VwGVG 2014 §38
RS 8
Die Beweislast dahin, ob eine beschuldigte Person den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt hat, trifft das VwG (bzw. davor die Verwaltungsbehörde); eine Umkehrung tritt erst dann in den Blick, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht und lediglich das Vorliegen eines Verschuldens in Abrede gestellt wird (vgl. ; , 2005/17/0090). Das VwG (bzw. davor die Verwaltungsbehörde) hat allerdings bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die am Verschulden des Beschuldigten zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären. Die Regelung des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG befreit derart angesichts des § 25 Abs. 2 VStG das VwG bzw. die Verwaltungsbehörde nicht von der Verpflichtung, von sich aus Umstände zu berücksichtigen, von denen sie etwa bereits bei der Ermittlung des äußeren Tatbestandes Kenntnis erlangt hat (vgl. 904/55, VwSlg. 4046 A; , 95/17/0618, mwH).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/03/0092 B RS 18
Normen
VStG §5 Abs1
VStG §5 Abs1a
VStG §9
VwRallg
RS 9
Auch nach den Gesetzesmaterialien zu § 5 Abs. 1a VStG (vgl. ErläutRV 193 BlgNR 26. GP, 5) ist weiterhin vom Verantwortlichen nachzuweisen, dass er eine qualitätsgesicherte Organisation eingerichtet und geführt hat, die durch externe Prüfung oder durch interne Überwachung regelmäßig kontrolliert wird, damit ein Verschulden nicht anzunehmen sein soll. Diese nach den Gesetzesmaterialien im Rahmen einer qualitätsgesicherten Organisation einzurichtenden (regelmäßigen) Kontrollen der Organisation samt deren Tätigkeit - somit unter Einschluss präventiver Kontrollmaßnahmen - müssen nach der hg. Rechtsprechung mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Rechtsvorschriften gewährleistet ist (vgl. , 0010, mwN).
Normen
StGB §6 Abs1
VStG §5 Abs1
VStG §9
RS 10
Gemäß § 5 Abs. 1 erster Satz VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Zur Verschuldensform der Fahrlässigkeit hat der VwGH bereits festgehalten, dass die Außerachtlassung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt dem Täter im Sinn des § 6 Abs. 1 StGB nur dann vorgeworfen werden kann, wenn es ihm unter dem besonderen Verhältnis des Einzelfalles auch zuzumuten war, sie tatsächlich aufzuwenden. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der VwGH wiederholt ausgesprochen, dass der dafür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte. Die notwendige Beachtung dieses Sorgfaltsmaßstabs umfasst einerseits die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems und andererseits die Beachtung dieses Kontrollsystems im Einzelfall. Ist in einer dem § 9 VStG unterliegenden juristischen Person kein den Vorgaben der Leitlinien entsprechendes konkretes wirksames Kontrollsystem ausgebildet, wird dieser objektive Sorgfaltsmaßstab nicht beachtet (vgl. dazu grundlegend , mwN).

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

Ro 2019/03/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision 1. des Dr. K K, LL.M. und 2. des Österreichischen Rundfunks, beide in W, beide vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 53, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W271 2211503-1/9E und W271 2211664-1/9E, betreffend Übertretungen des ORF-G (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kommunikationsbehörde Austria; weitere Partei: Bundeskanzler), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) vom wurde dem Erstrevisionswerber als für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter für Übertretungen des Österreichischen Rundfunks nach § 38 Abs. 1 Z 2 ORF-G zur Last gelegt, er habe zu verantworten, dass jedenfalls von bis zumindest die unter einer näher genannten Webseite abrufbare Online-Berichterstattung „HD-TV-Umstellung: Die wichtigsten Informationen“ Schleichwerbung zugunsten von „sTV“ enthalten habe und somit dem Erkennbarkeitsgebot des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G und dem Irreführungsverbot nach § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G widersprochen worden sei. Der Erstrevisionswerber habe dadurch „§ 38 Abs. 1 Z 2 iVm § 13 Abs. 1 Satz 1 iVm § 13 Abs. 3 Z 6 iVm § 1a Z 7 ORF-G iVm § 9 Abs. 2 VStG“ verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen) verhängt wurde. Ferner wurde ausgesprochen, dass die zweitrevisionswerbende Partei (ORF) für die verhängte Geldstrafe sowie die Verfahrenskosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand hafte.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insofern statt, als es die verhängte Geldstrafe auf € 3.500,-- herabsetzte und den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens entsprechend reduzierte. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das BVwG für zulässig.

3 Nach Darlegung des bisherigen Verfahrensganges traf das BVwG Feststellungen zum Inhalt der Online-Berichterstattung mit dem Titel „HD-TV-Umstellung: Die wichtigsten Informationen“, welche unter einem näher genannten Link zur Information über die DVB-T2-Umstellung u.a. folgende Abschnitte enthalten habe:

HD-TV-Umstellung: Die wichtigsten Informationen

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[Abbildung]

[...] dann ist das TV-Programm auch wirklich in High Definition, also in perfekter Bild-Qualität.

[Abbildung]“

4 Diese Online-Berichterstattung sei von bis über die genannte Internetadresse abrufbar gewesen, wobei sie seit dem nur mehr als über Suchmaschinen auffindbare „Archivversion“ bestanden habe.

5 In weiterer Folge traf das BVwG Feststellungen zu den Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen des Erstrevisionswerbers.

6 In rechtlicher Hinsicht schloss sich das BVwG der Ansicht der KommAustria an, dass die gegenständliche Online-Berichterstattung verbotene Schleichwerbung iSd § 1a Z 7 ORF-G enthalten habe und diese dem Erkennbarkeitsgebot des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G sowie dem Irreführungsverbot nach § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G widerspreche.

7 Bei der Beurteilung des Vorliegens von Schleichwerbung führte das BVwG zusammengefasst aus, dass der Inhalt der Berichterstattung Bedarf wecke und die Vorzüge von sTV und des Erwerbs eines sTV-Moduls hervorstreiche. Der Text erwecke den Eindruck, dass sTV notwendig sei, um überhaupt weiter fernsehen zu können. Die Anpreisung des Leistungsumfangs des Angebots durch näher dargestellte Aussagen weise eindeutig Absatzförderungseignung auf. Durch die Erwähnung, dass die genannten Preise nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gelten würden, könnten sich unentschlossene Personen unter Druck gesetzt fühlen, rasch eine Kaufentscheidung zugunsten der dargestellten Produkte zu treffen. Die Aussagen seien klar geeignet, bislang uninformierte bzw. unentschlossene Personen für den Erwerb des „sTV-Abos“ bzw. eines sonstigen „sTV-Produkts“ zu gewinnen. Die Absatzförderungsabsicht werde auch durch die Nennung von Bezugsquellen ersichtlich. Die gegenständliche Darstellung und werbliche Hervorhebung der Produkte erfolge üblicherweise gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung, weshalb von einer Entgeltlichkeit auszugehen sei. Das Kriterium der Absichtlichkeit lasse sich bereits aus der Gestaltung des Beitrags ableiten. Auch die Irreführungseignung sei zu bejahen, weil der Titel des Artikels den Eindruck erwecke, dass tatsächlich (nur) über die wichtigsten Themen im Zuge der Umstellung auf DVB-T2 informiert werde. Die Erwartungshaltung sei auf objektive Sachinformationen über diese Umstellung gerichtet, nicht auf eine werbliche Darstellung von Produkt- und Leistungsinformationen eines konkreten Anbieters. Im Artikel seien Sachinformationen und werbliche Aussagen nahezu ununterscheidbar miteinander vermengt. Es liege sohin Schleichwerbung gemäß § 1a Z 7 ORF-G vor.

8 In weiterer Folge führte das BVwG aus, dass die gegenständliche Online-Berichterstattung dem Erkennbarkeitsgebot des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G sowie dem Irreführungsverbot des § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G widerspreche.

9 Die „Tarnung“ der Werbung unter der Vorgabe einer - laut Titel und Aufmachung - objektiven Berichterstattung sei nicht leicht durchschaubar und die erfolgte Werbung sohin nicht leicht als solche erkennbar. Dies verstoße gegen das Erkennbarkeitsgebot des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G.

10 Die Berichterstattung widerspreche aber auch § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G, da der gegenständliche Artikel über den ihm innewohnenden Werbezweck irreführe und der Werbezweck für den durchschnittlich informierten und aufmerksamen Zuseher bzw. Verbraucher nicht leicht erkennbar sei. Es sei auch eine Schädigung von Verbraucherinteressen eingetreten. Die gegenständliche als Informationsbericht getarnte Werbung, die die Notwendigkeit des Erwerbs bestimmter Produkte wegen der bevorstehenden Umstellung nahebringe und die ausschließlich Produkte eines Anbieters für die Stillung des Bedarfs bewerbe und somit wesentliche Informationen, dass es auch andere Anbieter gebe, vorenthalte, führe dazu, dass der Verbraucher um einen objektiven Vergleich und einen Überblick über die am Markt verfügbaren Alternativen gebracht werde. Die Werbung verstoße damit auch gegen § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G.

11 Zur subjektiven Tatseite führte das BVwG aus, dass gemäß dem hier anzuwendenden § 5 Abs. 1a VStG dem Täter nicht nur der objektive Tatbestand, sondern auch das subjektive Verschulden, das zumindest in der Schuldform Fahrlässigkeit sein müsse, nachzuweisen sei. Nach näherer Darlegung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Fahrlässigkeit (Hinweis auf ) führte das BVwG weiter aus, dass das von den revisionswerbenden Parteien beschriebene Kontrollsystem weder abstrakt geeignet sei, Verwaltungsübertretungen wie die gegenständlichen zu verhindern, noch sei dies im konkreten Fall gelungen. Es sei nicht erkennbar, wie die Befassung der Abteilung Recht und Auslandsbeziehungen des ORF mit werberechtlichen Fragen und die interne Verteilung der daraus gewonnenen Ansichten zu einem wirksamen Kontrollsystem im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beitragen soll. Bloß interne Erkundigungen würden in der Regel auch keinen entschuldbaren Verbotsirrtum zu begründen vermögen. Es sei in Aussicht gestellt worden, die genannte Abteilung werde regelmäßig Kontrollen und Überprüfungen durchführen; außerdem schlage sich ein Werbeverstoß negativ in der sogenannten „Erfolgsbilanz“ des jeweiligen Landesstudios nieder. Die revisionswerbenden Parteien hätten jedoch nicht dargelegt, wie diese Maßnahmen beaufsichtigt bzw. die Einhaltung dieser Maßnahmen kontrolliert und welche persönlichen Sanktionen im Falle eines Verstoßes gesetzt würden und im konkreten Fall gesetzt worden seien. Die genannten Maßnahmen könnten daher gerade nicht mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten lassen. Auch die weiteren dargelegten Maßnahmen („Motivation“ zur Rechtstreue, Erarbeitung eines „Skriptums“, Schulungen, etc.) würden nichts an der Unwirksamkeit der vorgebrachten Kontrollmaßnahmen ändern, weil sich auch daraus nicht ergebe, wie die Begehung von Verwaltungsübertretungen effektiv verhindert werden solle. Der objektive Sorgfaltsmaßstab hätte geboten, ein wirksames Kontrollsystem einzurichten und entsprechend wirksame Anweisungen zu geben, die Schleichwerbung zu unterbinden und allfällige Verstöße entsprechend zu ahnden. Die Maßfigur des einsichtigen und besonnenen Menschen hätte dies auch getan. Gerade dies habe der Erstrevisionswerber aber unterlassen. Dies sei ihm als langjährigen Mitarbeiter der Rechtsabteilung des ORF und als deren verantwortlicher Beauftragter auch subjektiv vorzuwerfen. Trotz eines bereits rechtskräftigen Straferkenntnisses der belangten Behörde gegenüber dem Vorgänger des Erstrevisionswerbers iZm einem ähnlich gelagerten Sachverhalt zu Schleichwerbung sei es nicht gelungen, weitere Verstöße dieser Art zu verhindern. Die Aufwendung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt sei dem Erstrevisionswerber auch zuzumuten gewesen. Er habe in Ermangelung dessen sohin fahrlässig gehandelt. Schließlich begründete das BVwG die Höhe der verhängten Strafe.

12 Die Zulassung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof begründete das BVwG damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 5 Abs. 1a VStG fehle.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, welche zur Zulässigkeit mit näherer Begründung vorbringt, dass die gegenständliche Online-Berichterstattung weder unter das in § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G verankerte Erkennbarkeitsgebot zu subsumieren sei, noch unter das Irreführungsverbot des § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G. Dass die in Rede stehende Online-Berichterstattung sowohl einen Verstoß gegen § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G als auch gegen § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G darstelle - wie vom BVwG angenommen - führe in unzulässiger Weise zu einer doppelten Sanktionierung von Schleichwerbung im Online-Angebot, während Schleichwerbung in Programmen und Sendungen nach bislang unstrittiger Spruchpraxis (nur) nach § 13 Abs. 1 zweiter Satz ORF-G sanktioniert werde. Zum Verhältnis dieser Bestimmungen im Hinblick auf den Online-Bereich fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters habe das BVwG die Bestimmung des § 5 Abs. 1a VStG fehlerhaft angewandt. Im Regelungskontext von § 5 Abs. 1 und Abs. 1a VStG könne kein Zweifel daran bestehen, dass die Anforderungen an den Beschuldigten zur Darlegung der Wirksamkeit des Kontrollsystems in den Fällen des § 5 Abs. 1a VStG nicht in gleicher Weise an den Beschuldigten überwälzt werden dürften, wie dies in den Fällen des § 5 Abs. 1 VStG angenommen werde. Dies habe das BVwG verkannt.

14 Die KommAustria nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

16 Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen fehlt; sie ist auch begründet.

17 § 1a ORF-G, BGBl. Nr. 379/1984 in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2010, lautet auszugsweise wie folgt:

Begriffsbestimmungen

§ 1a. Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet

(...)

6. ‚Kommerzielle Kommunikation‘ jede Äußerung, Erwähnung oder Darstellung, die

a) der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, oder

b) der Unterstützung einer Sache oder Idee dient und einer Sendung oder einem Angebot gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder im Fall der lit. a als Eigenwerbung beigefügt oder darin enthalten ist. Zur kommerziellen Kommunikation zählen jedenfalls Produktplatzierung, die Darstellung von Produktionshilfen von unbedeutendem Wert, Sponsorhinweise und auch Werbung gemäß Z 8;

7. ‚Schleichwerbung‘ die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen, wenn sie vom Österreichischen Rundfunk oder einer seiner Tochtergesellschaften absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zweckes dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt;

(...)“

18 § 13 ORF-G, BGBl. Nr. 379/1984 in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2010, lautet auszugsweise wie folgt:

3. Abschnitt
Kommerzielle Kommunikation

Inhaltliche Anforderungen und Beschränkungen

§ 13. (1) Kommerzielle Kommunikation muss als solche leicht erkennbar sein. Schleichwerbung und unter der Wahrnehmungsgrenze liegende kommerzielle Kommunikation in Programmen und Sendungen sind untersagt.

(...)

(3) Kommerzielle Kommunikation darf nicht

(...)

6. irreführen und den Interessen der Verbraucher schaden oder

(...)“

19 § 18 ORF-G, BGBl. Nr. 379/1984 in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2018, lautet auszugsweise wie folgt:

Anforderungen an Teletext und Online-Angebote

§ 18. (1) Auf die Veranstaltung von Teletext und die Bereitstellung von Online-Angeboten im öffentlich-rechtlichen Auftrag finden die Regelungen dieses Bundesgesetzes uneingeschränkt Anwendung. (...)

(2) Auf die Veranstaltung von Teletext und die Bereitstellung von Online-Angeboten im Rahmen der kommerziellen Tätigkeiten (§ 8a) finden in inhaltlicher Hinsicht §§ 10 und 13 bis 17 Anwendung, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. (...)“

20 § 38 ORF-G, BGBl. Nr. 379/1984 in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2010, lautet auszugsweise wie folgt:

Verwaltungsstrafen

§ 38. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 58 000 Euro zu bestrafen, wer - soweit die nachfolgend genannten Bestimmungen auf seine Tätigkeit Anwendung finden - nach diesem Bundesgesetz ein Programm veranstaltet, einen Abrufdienst anbietet oder sonst ein Online-Angebot bereitstellt und dabei

(...)

2. § 13 Abs. 4, § 13 Abs. 1 bis 6, § 14 Abs. 1, 3 bis 5 und 9 oder den §§ 15 bis 17 zuwiderhandelt;

(...)“

21 Zunächst ist festzuhalten, dass die gegenständliche Online-Berichterstattung unstrittig „kommerzielle Kommunikation“ im Sinne des § 1a Z 6 ORF-G, welcher auch das Online-Angebot miterfasst (vgl. Kogler/Traimer/Truppe, Österreichische Rundfunkgesetze4 (2018) 13), beinhaltet. Dies wird von der Revision auch nicht in Abrede gestellt.

22 Vielmehr wenden sich die revisionswerbenden Parteien gegen die Subsumtion des gegenständlichen Sachverhalts unter die Tatbestände des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G und § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G.

23 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei Verstößen gegen das Erkennbarkeitsgebot des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G und gegen das Irreführungsverbot des § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G um zwei unterschiedliche, jeweils getrennt voneinander erfüllbare Tatbestände handelt. Das BVwG hat im gegenständlichen Fall - wie bereits die KommAustria - die Erfüllung beider Tatbestände bejaht.

24 Soweit sich die revisionswerbenden Parteien zunächst gegen die Subsumtion des gegenständlichen Sachverhalts unter § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G wenden, ist dem Folgendes entgegenzuhalten:

25 Wie sich bereits aus dessen Überschrift ergibt, legt § 13 ORF-G inhaltliche Anforderungen und Beschränkungen für die kommerzielle Kommunikation fest. Diese Anforderungen und Beschränkungen gelten für alle Formen der kommerziellen Kommunikation in allen Inhaltsangeboten des ORF und seiner Tochtergesellschaften - sohin auch für das Online-Angebot -, sofern sich nicht aus dem Wortlaut oder den zugrundeliegenden Definitionen ergibt, dass sie sich nur auf Fernseh- oder Radiosendungen/-programme oder Sendungen in Abrufdiensten beziehen (vgl. § 18 Abs. 1 und 2 ORF-G; Kogler/Traimer/Truppe, Rundfunkgesetze4 155).

26 § 13 Abs. 1 zweiter Satz ORF-G normiert für Programme und Sendungen das Verbot der Schleichwerbung und der Subliminalwerbung. Dieses Verbot ist sohin nach seinem klaren Wortlaut auf Fernseh- und Radiosendungen/-programme und Sendungen in Abrufdiensten beschränkt. Hingegen ist - wie die Revision zutreffend ausführt und auch das BVwG zutreffend erkannt hat - Schleichwerbung im sonstigen Online-Angebot nach dem klaren Wortlaut des § 13 Abs. 1 zweiter Satz ORF-G davon nicht umfasst (vgl. Kogler/Traimer/Truppe, Rundfunkgesetze4 156).

27 Neben dem speziellen Verbot der Schleichwerbung in Programmen und Sendungen gemäß § 13 Abs. 1 zweiter Satz ORF-G beinhaltet § 13 Abs. 1 ORF-G in seinem ersten Satz ein allgemein geltendes Erkennbarkeitsgebot von kommerzieller Kommunikation. Dieses Erkennbarkeitsgebot gilt für alle Formen der kommerziellen Kommunikation in allen Inhaltsangeboten des ORF und ist somit auch für Online-Angebote zu beachten. Schleichwerbung, welche bereits nach ihrer Definition den Werbezweck nicht offenlegt und eine Werbemaßnahme so „tarnt“, dass sie dem Durchschnittszuseher als solche nicht erkennbar wird (vgl. zu den Voraussetzungen von Schleichwerbung etwa ), verstößt damit - sofern sie im sonstigen Online-Angebot aufscheint - jedenfalls gegen das Erkennbarkeitsgebot des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G (vgl. Kogler/Traimer/Truppe, Rundfunkgesetze4 156). Entgegen dem Revisionsvorbringen wird § 13 Abs. 1 zweiter Satz ORF-G dadurch auch nicht „seines Inhalts beraubt“, zumal der zweite Satz des § 13 Abs. 1 ORF-G ein spezielles Verbot der Schleich- und Subliminalwerbung in Programmen und Sendungen enthält und insofern das allgemein geltende Erkennbarkeitsgebot des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G bei Erfüllung des § 13 Abs. 1 zweiter Satz ORF-G hinter diese Bestimmung zurücktritt. Das BVwG hat den gegenständlichen Sachverhalt sohin zutreffend unter § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G subsumiert.

28 Soweit sich die revisionswerbenden Parteien jedoch gegen die zusätzliche Subsumtion des Sachverhalts unter den Tatbestand des § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G wenden und insofern eine unzulässige Doppelbestrafung rügen, ist die Revision im Recht.

29 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass es im Falle einer Scheinkonkurrenz, also wenn der gesamte Unrechtsgehalt eines Delikts von jenem eines anderen, ebenfalls verwirklichten in jeder Beziehung mitumfasst ist, unzulässig ist, dem Täter ein und denselben Unwert mehrmals zuzurechnen; sie führt zu einem Zurücktreten eines Tatbestandes hinter einen anderen, wenn sich aus den konkreten Umständen des Tatgeschehens dessen Vorrang ergibt (vgl. etwa ; , Ra 2020/02/0046, 0047, jeweils mwN).

30 Der Begriff „Scheinkonkurrenz“ bringt zum Ausdruck, dass in Wahrheit keine Konkurrenz von Strafbestimmungen vorliegt, sondern eben nur eine Bestimmung, nach der bestraft werden kann. Zu den Fällen der Scheinkonkurrenz zählen die Subsidiarität, die Spezialität und die Konsumtion (vgl. erneut , mwN).

31 Konsumtion liegt dabei vor, wenn die wertabwägende Auslegung der formal (durch eine Handlung oder durch mehrere Handlungen) erfüllten zwei Tatbestände zeigt, dass durch die Unterstellung der Tat(en) unter den einen der deliktische Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhalts bereits für sich allein abgegolten ist. Voraussetzung ist, dass durch die Bestrafung wegen des einen Delikts tatsächlich der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfasst wird (vgl. erneut ; , Ra 2020/02/0046, 0047, jeweils mwN).

32 Ein derartiges Scheinkonkurrenzverhältnis ist für die hier vorliegende Konstellation gegeben. Wie bereits oben ausgeführt, war die gegenständliche kommerzielle Kommunikation als solche nicht leicht erkennbar, weshalb zutreffend ein Verstoß gegen das Erkennbarkeitsgebot des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G angenommen wurde. Diese mangelnde Erkennbarkeit der kommerziellen Kommunikation führte im gegenständlichen Fall - zumal der Werbezweck nicht offengelegt wurde und auch nicht offensichtlich war - zwangsläufig auch zu einer Irreführung. Im hier vorliegenden Fall war sohin die Irreführung die (bloße) Konsequenz der mangelnden Erkennbarkeit der werblichen Berichterstattung. Die Irreführung bestand somit ausschließlich in der Nichterkennbarkeit der kommerziellen Kommunikation. Wäre die gegenständliche Online-Berichterstattung hingegen im Sinne des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G durch eine entsprechende Kennzeichnung als kommerzielle Kommunikation erkennbar gewesen, wäre fallbezogen auch eine Irreführung nicht eingetreten.

33 Dass die hier vorliegende Online-Berichterstattung neben der mangelnden Erkennbarkeit der kommerziellen Kommunikation darüber hinaus auch inhaltlich irreführende Aussagen enthalten hätte, kann den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen hingegen nicht entnommen werden. Vielmehr lässt auch die vom BVwG vorgenommene rechtliche Argumentation darauf schließen, dass bloß die mangelnde Erkennbarkeit des Werbezwecks der gegenständlichen Berichterstattung zu einer Irreführung geführt hat (siehe Rz 10).

34 Für den gegenständlichen Revisionsfall ergibt sich somit, dass durch die Unterstellung des vorliegenden Sachverhalts unter den Tatbestand des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G (Verstoß gegen das Erkennbarkeitsgebot) der gesamte Unrechtswert des Täterverhaltens erfasst wird. Für eine zusätzliche Anlastung einer Übertretung des § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G bleibt sohin kein Raum. Vielmehr tritt in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation der Tatbestand des Irreführungsverbots hinter den Tatbestand des Erkennbarkeitsgebots zurück.

35 Indem das BVwG dem Erstrevisionswerber neben einer Übertretung des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G zusätzlich die Verwirklichung des Tatbestands des § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G anlastet, hat es sein Erkenntnis sohin mit Rechtswidrigkeit belastet.

36 Aufgrund dieses Ergebnisses erweist sich auch der - vom BVwG insofern bestätigte - Spruch des Straferkenntnisses der KommAustria vom als rechtswidrig.

37 Gemäß § 44a Z 2 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu enthalten. § 44a Z 2 VStG räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint (vgl. etwa ; , Ra 2021/02/0023, jeweils mwN).

38 Wird bei der Bezeichnung der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift eine Norm mitzitiert, die vom Beschuldigten nicht verletzt worden ist, kommt es darauf an, ob die mitzitierte Norm einen eigenen Tatbestand einer Verwaltungsübertretung bildet oder nicht. Stellt die mitzitierte Norm für sich allein keine verletzbare Verwaltungsvorschrift dar, sondern zB nur eine Erläuterung oder die damit im Zusammenhang stehende Strafsanktionsnorm, dann schadet das Mitzitieren nicht. Bildet die mitzitierte Norm dagegen - wie im vorliegenden Fall - einen eigenen Tatbestand, den der Beschuldigte nicht erfüllt hat, wird der Spruch durch das Anführen dieser Norm als verletzte Verwaltungsvorschrift rechtswidrig (vgl. , 0093, mwN).

39 Dadurch, dass dem Erstrevisionswerber im - vom BVwG insofern bestätigten - Spruch des Straferkenntnisses der KommAustria vom eine Übertretung des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G und eine Übertretung des § 13 Abs. 3 Z 6 ORF-G - welche jeweils eigene Tatbestände bilden - vorgeworfen wurde, obwohl im gegenständlichen Fall aufgrund des oben ausgeführten Scheinkonkurrenzverhältnisses lediglich der Tatbestand des § 13 Abs. 1 erster Satz ORF-G erfüllt wurde, erweist sich der Spruch des vom BVwG bestätigten Straferkenntnisses der KommAustria als rechtswidrig.

40 Zu den von den revisionswerbenden Parteien und vom BVwG aufgeworfenen Rechtsfragen zur Bestimmung des § 5 Abs. 1a VStG ist schließlich auf Folgendes zu verweisen:

41 § 5 Abs. 1a VStG sieht vor, dass die (widerlegliche) gesetzliche Vermutung, dass den Beschuldigten ein Verschulden trifft (§ 5 Abs. 1 leg. cit.) nicht gilt, wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über € 50.000,-- bedroht ist.

42 Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits festgehalten, dass auch nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 57/2018, mit welcher die Bestimmung des § 5 Abs. 1a VStG in Kraft getreten ist, die Beweislast dahin, ob eine beschuldigte Person den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt hat, das Verwaltungsgericht (bzw. davor die Verwaltungsbehörde) trifft; eine Umkehrung tritt erst dann in den Blick, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht und lediglich das Vorliegen eines Verschuldens in Abrede gestellt wird. Das Verwaltungsgericht (bzw. davor die Verwaltungsbehörde) hat bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die am Verschulden des Beschuldigten zweifeln lassen, (unabhängig von der Höhe der Strafdrohung iSd § 5 Abs. 1a VStG) auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären. Die Regelung des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG befreit derart angesichts des § 25 Abs. 2 VStG das Verwaltungsgericht bzw. die Verwaltungsbehörde nicht von der Verpflichtung, von sich aus Umstände zu berücksichtigen, von denen sie etwa bei der Ermittlung des äußeren Tatbestandes Kenntnis erlangt hat (vgl. , 0010; , Ra 2019/03/0068, 0069, jeweils mwN).

43 Im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1a VStG hat sohin - wie das BVwG zutreffend ausgeführt hat - das Verwaltungsgericht (bzw. die Verwaltungsbehörde) - wie bereits bei Anwendung des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die am Verschulden des Beschuldigten zweifeln lassen - neben der Erfüllung des objektiven Tatbestands auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären.

44 Dem Grundsatz der Amtswegigkeit entspricht jedoch die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken. Die Offizialmaxime entbindet daher die Parteien nicht davon, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei jenen betriebsbezogenen Umständen der Fall sein wird, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. etwa , mwN). Auch im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1a VStG obliegt es somit dem Beschuldigten, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht Ausführungen zum eingerichteten Kontrollsystem zu erstatten.

45 Auch nach den Gesetzesmaterialien zu § 5 Abs. 1a VStG (vgl. ErläutRV 193 BlgNR 26. GP, 5) ist weiterhin vom Verantwortlichen nachzuweisen, dass er eine qualitätsgesicherte Organisation eingerichtet und geführt hat, die durch externe Prüfung oder durch interne Überwachung regelmäßig kontrolliert wird, damit ein Verschulden nicht anzunehmen sein soll. Diese nach den Gesetzesmaterialien im Rahmen einer qualitätsgesicherten Organisation einzurichtenden (regelmäßigen) Kontrollen der Organisation samt deren Tätigkeit - somit unter Einschluss präventiver Kontrollmaßnahmen - müssen nach der hg. Rechtsprechung mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Rechtsvorschriften gewährleistet ist (vgl. erneut , 0010, mwN).

46 Gemäß dem auch hier anzuwendenden § 5 Abs. 1 erster Satz VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Zur Verschuldensform der Fahrlässigkeit hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass die Außerachtlassung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt dem Täter im Sinn des § 6 Abs. 1 StGB nur dann vorgeworfen werden kann, wenn es ihm unter dem besonderen Verhältnis des Einzelfalles auch zuzumuten war, sie tatsächlich aufzuwenden. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass der dafür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte. Nach der hg. Rechtsprechung umfasst die notwendige Beachtung dieses Sorgfaltsmaßstabs einerseits die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems und andererseits die Beachtung dieses Kontrollsystems im Einzelfall. Ist in einer dem § 9 VStG unterliegenden juristischen Person kein den Vorgaben der Leitlinien entsprechendes konkretes wirksames Kontrollsystem ausgebildet, wird dieser objektive Sorgfaltsmaßstab nicht beachtet (vgl. dazu grundlegend , mwN).

47 Entgegen den Revisionsausführungen ist dem BVwG eine fehlerhafte Anwendung des § 5 Abs. 1a VStG nicht vorzuwerfen. Im gegenständlichen Fall hat das BVwG das Verschulden nicht ohne weiteres iSd § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG angenommen, sondern ausführlich begründet, weshalb der Erstrevisionswerber objektiv und subjektiv sorgfaltswidrig und sohin fahrlässig gehandelt hat. Die objektive Sorgfaltswidrigkeit hat das BVwG mit näherer Begründung darauf gestützt, dass der Erstrevisionswerber kein entsprechendes Kontrollsystem eingerichtet habe, was Fahrlässigkeit indiziere. Zur subjektiven Sorgfaltswidrigkeit hat es ausgeführt, dass ihm als langjährigem Mitarbeiter der Rechtsabteilung die Einhaltung auch subjektiv möglich gewesen und zumutbar gewesen wäre. Ausgehend davon hat das BVwG die Fahrlässigkeit bejaht. Eine Fehlerhaftigkeit des Erkenntnisses ist insoweit nicht zu sehen. Dass im gegenständlichen Fall eine - wie in den oben zitierten Gesetzesmaterialien gefordert - „qualitätsgesicherte Organisation“ eingerichtet worden wäre, legt auch die Revision nicht dar.

48 Im Ergebnis war das angefochtene Erkenntnis daher aufgrund des vom BVwG unberücksichtigt gelassenen Scheinkonkurrenzverhältnisses der angelasteten Tatbestände gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

49 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §37
ORF-G 2001 §13
ORF-G 2001 §13 Abs1
ORF-G 2001 §13 Abs3 Z6
StGB §6 Abs1
VStG §22 Abs2
VStG §22 Abs2 idF 2013/I/033
VStG §25 Abs2
VStG §5 Abs1
VStG §5 Abs1a
VStG §9
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019030020.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-46495