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VwGH 28.04.2021, Ro 2018/16/0001

VwGH 28.04.2021, Ro 2018/16/0001

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
RS 1
Eine Revision hängt nur dann von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ab, wenn sich die Rechtsfrage innerhalb des vom Revisionswerber durch den Revisionspunkt selbst definierten Prozessthemas stellt. Die Prüfung des angefochtenen Beschlusses, auch der Zulässigkeit einer Revision, hat daher im Rahmen des Revisionspunktes zu erfolgen und sich auf das dort geltend gemachte Recht zu beschränken (vgl. etwa bis 0017, und ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/16/0096 B RS 1
Norm
VwGG §28 Abs1 Z4
RS 2
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Revisionswerber behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/16/0031, und den hg. Beschluss vom , Ra 2014/16/0019).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2015/16/0040 B RS 1
Normen
RS 3
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine Bindung der Abgabenbehörden und des Bundesfinanzgerichts im Falle rechtskräftiger verurteilender Entscheidungen eines Strafgerichts, einer Finanzstrafbehörde oder des Bundesfinanzgerichts nach einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren an die Tatsachenfeststellungen, auf denen der Schuldspruch beruht, wozu auch jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt (vgl. etwa , , Ra 2018/16/0043, und , 99/16/0141).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des S V in T, vertreten durch Mag. Lukas Friedl, Rechtsanwalt in 4650 Lambach, Marktplatz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5200172/2013, betreffend Haftung nach § 11 BAO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: nunmehr Zollamt Österreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis zog das Bundesfinanzgericht den Revisionswerber gemäß § 11 BAO zur Haftung für Mineralölsteuer mit einem näher angeführten Betrag heran und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

2 Der Revisionswerber sei mit Berufungsentscheidung des damaligen unabhängigen Finanzsenats vom nach § 11 Abs. 1 MinStG 1995 iVm § 11, § 38 Abs. 1 lit. a und § 13 FinStrG der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Mineralölsteuer rechtskräftig schuldig erkannt worden. Er habe im Zeitraum vom bis zum im Amtsbereich des Zollamts Wels bzw. Linz Wels vorsätzlich 62.513,58 Liter im Sinne des § 9 Abs. 1 MinStG 1995 gekennzeichnetes Gasöl (Heizöl) verbotswidrig verwendet bzw. zu verwenden versucht, indem er die Arbeiter der S-KEG ( bis ) bzw. der S-KG (1. Jänner bis ) angewiesen habe, das vom Tankstellenpächter F in W, an die S-KEG bzw. die S-KG gelieferte Heizöl zu einem anderen Zweck als zum Verheizen, nämlich zur Befüllung der Motorentanks der von der genannten Gesellschaft betriebenen Estrichpumpen zu verwenden.

3 Im finanzstrafbehördlichen Verfahren sei festgestellt worden - wovon auch das Bundesfinanzgericht nunmehr ausgehe -, dass der Revisionswerber Arbeiter der S-KEG bzw. (ab. ) der S-KG angewiesen habe, das vom Tankstellenpächter F in W, gelieferte, gekennzeichnete Gasöl (Heizöl) zu einem anderen Zweck als zum Verheizen, nämlich zur Befüllung der Motorentanks der von der genannten Gesellschaft betriebenen Estrichpumpen zu verwenden.

4 Der Revisionswerber sei ein an der Tat Beteiligter im Sinne des § 11 BAO, jedoch im Hinblick auf die anzuwendende Bestimmung des § 10 MinStG 1995 nicht auch Schuldner der Mineralölsteuer. Schuldner des Nachversteuerungsbetrags sei gemäß § 10 Abs. 1 MinStG 1995 derjenige, der gekennzeichnetes Gasöl verbotswidrig verwende, also derjenige, der tatsächlich die verbotswidrige Verwendung ausführe.

5 Nach § 9 Abs. 8 MinStG 1995 dürfe - mit Ausnahme der hier nicht interessierenden Fälle des Abs. 6 - gekennzeichnetes Mineralöl nicht in einen Behälter eingefüllt werden, der mit einem Motor in Verbindung stehe. Solches Mineralöl, das sich in einem Behälter befinde, der mit dem Motor eines Fahrzeuges verbunden sei, gelte als vorschriftswidrig verwendet. Der Revisionswerber habe nach den Feststellungen der Finanzstrafbehörde das Einfüllen in die Motorentanks der Estrichpumpen nicht selbst vorgenommen und das steuerbegünstigte Gasöl nicht selbst verwendet. Die tatsächliche Verwendung, das Einfüllen des gekennzeichneten Gasöls in die mit einem Motor verbundenen Estrichpumpen hätten die Arbeiter der Gesellschaft vorgenommen. Der Revisionswerber sei somit nicht Handelnder und deshalb auch nicht Steuerschuldner im Sinne des § 10 Abs. 1 MinStG 1995.

6 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesfinanzgericht damit, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob ein geschäftsführender Gesellschafter einer Personengesellschaft, der andere Personen anweise, gekennzeichnetes Gasöl (Heizöl) verbotswidrig zu verwenden, selbst zum Abgabenschuldner werde und somit nicht zur Haftung nach § 11 BAO herangezogen werden könne.

7 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens und einer mit Schriftsatz vom eingereichten Revisionsbeantwortung des damaligen Zollamts Linz Wels, worin kein Aufwandersatz begehrt wird, dem Verwaltungsgerichtshof vor.

8 Der Revisionswerber erachtet sich im Recht verletzt, für eigene Abgabenschuldigkeiten nicht gemäß § 11 BAO zur Haftung herangezogen zu werden.

9 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden.

11 Eine Revision hängt nur dann von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ab, wenn sich die Rechtsfrage innerhalb des vom Revisionswerber durch den Revisionspunkt selbst definierten Prozessthemas stellt. Die Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses, auch die Zulässigkeit einer Revision, hat daher im Rahmen des Revisionspunkts zu erfolgen und sich auf das dort geltend gemachte Recht zu beschränken. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Revisionswerber behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlichen ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. etwa , mwN).

12 Der Revisionswerber trägt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, abgesehen von der schon vom Bundesfinanzgericht zur Zulässigkeit der Revision formulierten Rechtsfrage sei die Revision deshalb zulässig, weil das Bundesfinanzgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () abweiche und im Haftungsverfahren nach § 11 BAO abweichend vom Schuldspruch eines bindenden Strafurteils von einer fremden Abgabenschuld ausgehe.

13 Gemäß § 9 Abs. 6 des Mineralölsteuergesetzes 1995 (im Folgenden: MinStG) in der im Revisionsfall noch maßgeblichen Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, ist die Verwendung von gekennzeichnetem Gasöl zu einem anderen Zweck als zum Verheizen und zum Antrieb von hier nicht interessierenden Anlagen verboten.

14 Gemäß § 9 Abs. 8 MinStG darf gekennzeichnetes Gasöl, ausgenommen in den Fällen des § 9 Abs. 6 leg. cit., nicht in einen Behälter eingefüllt werden, der mit einem Motor verbunden ist, und gilt solches Mineralöl, das sich in einem Behälter befindet, der mit dem Motor eines Fahrzeugs verbunden ist, als verbotswidrig verwendet.

15 Wer gekennzeichnetes Gasöl verbotswidrig verwendet, hat gemäß § 10 Abs. 1 MinStG in der im Revisionsfall noch maßgeblichen Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, für die verbotswidrig verwendeten Mengen den Unterschiedsbetrag zwischen der nicht ermäßigten und der ermäßigten Mineralölsteuer zu entrichten (Nachversteuerung).

16 Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine Bindung der Abgabenbehörden und des Bundesfinanzgerichts im Falle rechtskräftiger verurteilender Entscheidungen eines Strafgerichts, einer Finanzstrafbehörde oder des Bundesfinanzgerichts nach einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren an die Tatsachenfeststellungen, auf denen der Schuldspruch beruht, wozu auch jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt (vgl. etwa , , Ra 2018/16/0043, und , 99/16/0141).

18 Dem finanzstrafrechtlichen Schuldspruch lag unbestritten die Tatsachenfeststellung zu Grunde, dass der Revisionswerber Arbeiter einer Personengesellschaft angewiesen habe, das in Rede stehende Gasöl zur Befüllung der Motorentanks der von der Gesellschaft betriebenen Estrichpumpen zu verwenden.

19 An diese Feststellung war das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis gebunden. Eine finanzstrafrechtliche Beurteilung der Täterschaftsform (§ 11 FinStrG) oder der Person des Abgabenschuldners ändert daran nichts. Ein Abweichen von der in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zitierten Rechtsprechung liegt nicht vor.

20 Solcherart kann es dahingestellt bleiben, ob diese Tatsachenfeststellung rechtlich zu einer Abgabenschuld der einzelnen angewiesenen Arbeiter der Gesellschaft oder der die Estrichpumpen betreibenden Gesellschaft selbst oder zu einer Gesamtschuld jener führt. Eine eigene Abgabenschuld des Revisionswerbers lässt sich aus diesen Tatsachenfeststellungen aufgrund der insoweit klaren Bestimmungen der §§ 9 und 10 MinStG nicht ableiten. Der mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, in § 10 MinStG eingefügte Abs. 2a, nach dem als Verwender iSd Abs. 1 leg. cit. auch jede Person gilt, die an der verbotswidrigen Verwendung des gekennzeichneten Gasöls beteiligt ist, war im revisionsgegenständlichen Fall noch nicht anzuwenden.

21 In dem durch den Revisionspunkt geltend gemachten Recht konnte der Revisionswerber sohin nicht verletzt werden.

22 Damit werden weder mit der vom Bundesfinanzgericht zur Begründung der Zulässigkeit der Revision formulierten Rechtsfrage noch mit den Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgeworfen. Die Revision war daher - unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof nach § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §116 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwRallg
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2018160001.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-46492