VwGH 29.05.2024, Ra 2024/16/0026
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2024/16/0027
Ra 2024/16/0028
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revisionen 1. des Dr. A M (protokolliert zu Ra 2024/16/0026), 2. der F GmbH (protokolliert zu Ra 2024/16/0027), und 3. der F C GmbH (protokolliert zu Ra 2024/16/0028), alle in W, alle vertreten durch Mag. Stefan Schuster, LL.M. MBA MSc, Steuerberater in 1130 Wien, Joseph Lister-Gasse 31c/12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7300026/2023, betreffend Finanzvergehen der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG sowie Verbandsverantwortlichkeit nach dem VbVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Amt für Betrugsbekämpfung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem I. Spruchpunkt des angefochtenen Erkenntnisses gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde des Erstrevisionswerbers gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom dahingehend statt, dass das gegen ihn geführte Verfahren betreffend der Finanzvergehen der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung - in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und abgabenrechtlicher Verantwortlicher der zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien - hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2016 bis 2018 der zweitrevisionswerbenden Partei und der Umsatzsteuer sowie der Körperschaftsteuer jeweils für die Jahre 2016 und 2017 der drittrevisionswerbenden Partei - jeweils in näher genannter Höhe - eingestellt werde. Für die verbleibenden, ihm angelasteten Finanzvergehen der grob fahrlässigen Abgabenverkürzung hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2016 bis 2018 der zweitrevisionswerbenden Partei (in Höhe von jeweils 7.000 €) und der Umsatzsteuer für die Jahre 2016 und 2017 der drittrevisionswerbenden Partei (in Höhe von jeweils 8.000 €) bestätigte das Bundesfinanzgericht die Schuldsprüche nach § 34 FinStrG (in der Tatvariante des § 33 Abs. 3 lit. c FinStrG) und verurteilte den Erstrevisionswerber zu einer Geldstrafe iHv 9.000 € (Ersatzfreiheitsstrafe 22 Tage), sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens (Spruchpunkt I.).
2 Das Bundesfinanzgericht gab weiters im Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses der Beschwerde der Zweitrevisionswerberin gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom dahingehend statt, dass das Verfahren betreffend die Verbandsverantwortlichkeit für durch den Erstrevisionswerber als Entscheidungsträger begangene Finanzvergehen hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2016 bis 2018 - in näher genannter Höhe - eingestellt werde. Für die verbleibenden, durch den Erstrevisionswerber als Entscheidungsträger begangenen Finanzvergehen hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2016 bis 2018 (in Höhe von jeweils 7.000 €) bestätigte das Bundesfinanzgericht die Verbandsverantwortlichkeit nach § 28a Abs. 2 FinStrG iVm § 3 Abs. 1 und 2 VbVG und verurteilte die Zweitrevisionswerberin zu einer Verbandsgeldbuße iHv 3.900 €, sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens (Spruchpunkt II.).
3 Das Bundesfinanzgericht gab schließlich im Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses der Beschwerde der Drittrevisionswerberin gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom dahingehend statt, dass das Verfahren betreffend die Verbandsverantwortlichkeit für durch den Erstrevisionswerber als Entscheidungsträger begangene Finanzvergehen hinsichtlich der Umsatzsteuer sowie der Körperschaftsteuer jeweils für die Jahre 2016 und 2017 - jeweils in näher genannter Höhe - eingestellt werde. Für die verbleibenden, durch den Erstrevisionswerber als Entscheidungsträger begangenen Finanzvergehen hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2016 und 2017 (in Höhe von jeweils 8.000 €) bestätigte das Bundesfinanzgericht die Verbandsverantwortlichkeit nach § 28a Abs. 2 FinStrG iVm § 3 Abs. 1 und 2 VbVG und verurteilte die Drittrevisionswerberin zu einer Verbandsgeldbuße iHv 3.200 €, sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens (Spruchpunkt III.).
4 Das Bundesfinanzgericht sprach zudem aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Das Bundesfinanzgericht führte nach ausführlicher Wiedergabe des Verfahrensgangs und unter Verweis auf die Ergebnisse einer bei den zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien in den Jahren 2019 und 2020 durchgeführten Außenprüfung im Wesentlichen - und soweit für das Revisionsverfahren relevant - aus, bei den zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien seien in den verfahrensgegenständlichen Jahren 2016 bis 2018 in den Umsatzsteuerjahreserklärungen - die zu bescheidmäßigen Festsetzungen geführt hätten - „steuerfreie Auslandsleistungen (Beratungsleistungen)“ erklärt und Vorsteuern aus Beratungsleistungen betreffenden Eingangsrechnungen der E GmbH geltend gemacht worden. Die „steuerfreien Auslandsleistungen“ seien angeblich an eine Gesellschaft erbracht worden (FAM Inc), die „nach Internetrecherchen“ seit 2010 nicht (mehr) tätig sei. Alle angeführten Gesellschaften - neben den zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien somit auch die E GmbH und die FAM Inc - stünden in Verbindung mit dem Erstrevisionswerber, der bei allen als Geschäftsführer fungiere.
6 Zu den behaupteten Beratungsleistungen der E GmbH und an die FAM Inc gäbe es nur vom Erstrevisionswerber erstellte Unterlagen bzw. Rechnungen. Sowohl in den Rechnungen der E GmbH als auch in den Rechnungen an die FAM Inc sei für die vorgeblichen Beratungsleistungen ein (pauschaler) Stundensatz von 100 € angegeben worden. Geschäfte mit Fremdfirmen würden nicht aufscheinen. Es gebe keine Nachweise (etwa Verträge), wann und welche inhaltlichen Beratungsleistungen tatsächlich erbracht worden seien. Ebenso gebe es keine Nachweise, dass die zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien in den verfahrensgegenständlichen Jahren steuerpflichtige Umsätze erzielt hätten. Die betreffenden Rechnungen seien ausschließlich vom Erstrevisionswerber unterfertigt worden. Zu den behaupteten Barzahlungen an die E GmbH gebe es ebenfalls keine Nachweise.
7 Es werde somit davon ausgegangen, dass entgegen den ausgestellten Rechnungen die zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien keine ausländischen Beratungsleistungen - an die FAM Inc - erbracht hätten. Es gebe auch keinen Hinweis darauf, dass sie in Österreich steuerpflichtige Leistungen erbracht und nicht versteuert hätten.
8 Die Geltendmachung der Vorsteuern aus den Eingangsrechnungen der E GmbH sei zu Unrecht erfolgt, weil eine Leistungserbringung durch diese Gesellschaft nicht belegt worden sei. Es gebe ausschließlich vom Erstrevisionswerber erstellte Tabellen mit Leistungsverzeichnissen zu angeblich von ihm erbrachten Beratungsleistungen, jedoch keinen Nachweis darüber, an wen welche konkrete Beratungsleistung erbracht worden sei. Es gebe auch keine Verträge und keine Beratungsprotokolle.
9 Mangels Nachweis der Leistungserbringung durch die E GmbH sei mit der Festsetzung der nicht anzuerkennenden Vorsteuern aus den Eingangsrechnungen der E GmbH - an die zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien - eine Abgabenverkürzung gemäß § 33 Abs. 3 lit. c FinStrG bewirkt worden.
10 Zur subjektiven Tatseite führte das Bundesfinanzgericht aus, aufgrund der nicht wirksam eingebrachten Beschwerden der Amtsbeauftragten liege ein Verböserungsverbot vor, womit trotz der Beweisergebnisse, die für ein planmäßiges Vorgehen zur Lukrierung von Vorsteuern und damit für vorsätzliche Begehung sprächen, dem Erstrevisionswerber lediglich eine grob fahrlässige Begehung anzulasten sei.
11 Bei der Strafbemessung ging das Bundesfinanzgericht - mit näherer Begründung - von einer schlechten wirtschaftlichen Lage des Erstrevisionswerbers aus und berücksichtigte seinen bisherigen ordentlichen Lebenswandel als mildernd sowie die besonders gravierend grobe Fahrlässigkeit als erschwerend. Hinsichtlich der zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien nahm das Bundesfinanzgericht ebenfalls eine schlechte wirtschaftliche Lage an und berücksichtigte die wirtschaftliche Beteiligung des Erstrevisionswerbers - der „hinter diesen Unternehmen“ stehe - als mildernd und die Begehung von jeweils mehreren Taten als erschwerend.
12 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof und zugleich die vorliegenden, im Wesentlichen gleichlautenden außerordentlichen Revisionen.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 Zur Zulässigkeit bringen die revisionswerbenden Parteien - gleichlautend - zunächst vor, die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, wonach erhaltene Vorleistungen in einem „Untermehmenskonglomerat für ein bestehendes und aktiv betreutes Portfoliobeteiligungsmanagement, selbst bei Geschäftsführeridentität, aufgrund behaupteter Inaktivität der Leistungsempfänger, keine Leistungen darstellen“ und somit zu einer Versagung der Vorsteuer führen würden, sei aktenwidrig und entspreche zudem nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens. Das Verwaltungsgericht habe dazu begründete Feststellungen unterlassen und die dargelegten Beweisangebote unbegründet als schlichtweg nicht glaubwürdig verworfen.
18 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht die Geltendmachung der Vorsteuer durch die zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien nicht „aufgrund behaupteter Inaktivität der Leistungsempfänger“ als unrechtmäßig angesehen hat, sondern weil die Leistungserbringung durch die E GmbH nicht nachgewiesen worden sei. Dagegen wenden sich die revisionswerbenden Parteien nicht. Somit liegen weder eine unrichtige Wiedergabe eines Beweismittels noch eine Anwendung von Erfahrungssätzen vor.
19 Die revisionswerbenden Parteien wenden sich in der Zulässigkeitsbegründung weiters - mit Hinweisen auf ihre schlechte wirtschaftliche Lage und auf den gegenüber dem Erkenntnis des Spruchsenates beim Amt für Betrugsbekämpfung unveränderten „prozentuellen Ansatz“ der verhängten Strafen (gemeint: das Verhältnis der verhängten Strafe zum Strafrahmen) - gegen die Strafbemessung durch das Bundesfinanzgericht.
20 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafbemessung innerhalb des gesetzlichen Rahmens um eine Ermessensentscheidung, die einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nur insoweit zugänglich ist, ob die belangte Behörde (und nunmehr das Verwaltungsgericht) von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer Weise Gebrauch gemacht hat, die mit dem Sinn des Gesetzes im Einklang steht (vgl. , mwN).
21 Eine derartige Ermessensüberschreitung wird angesichts der vom Bundesfinanzgericht begründeten Strafbemessung (im Ausmaß von rund 18,5 % bis 25 % des jeweils möglichen Strafrahmens) mit dem bloß pauschalen Vorbringen der revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufgezeigt (vgl. etwa , zu einer vergleichbaren Strafbemessung bei schwieriger wirtschaftlicher Lage des damaligen Beschwerdeführers).
22 In den Revisionen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
23 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
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Normen | |
Schlagworte | Ermessen VwRallg8 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024160026.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-46480