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VwGH 24.10.2024, Ra 2024/16/0025

VwGH 24.10.2024, Ra 2024/16/0025

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb
StudFG 1992 §3
RS 1
Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung im Sinn des § 3 des Studienförderungsgesetzes (auch bei Universitätslehrgängen, denn die Universität ist zwar eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes erwähnte Einrichtung, doch sprechen die näheren, den Besuch einer solchen Einrichtung besonders regelnden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nur von ordentlichen Studien) nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufs zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2009/16/0315). Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen tatsächlich gelingt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2011/16/0077).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2010/16/0013 E VwSlg 8751 F/2012 RS 4 (hier ohne den Klammerausdruck im ersten Satz)
Normen
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb
FamLAG 1967 §5 Abs1 litb
RS 2
Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (Hinweis ; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/16/0203 E RS 3
Norm
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb
RS 3
Eine anzuerkennende Berufsausbildung weist ein qualitatives und ein quantitatives Element auf, sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang sind zu prüfen (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 36).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2015/16/0005 E RS 3
Norm
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb
RS 4
Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, sondern es muss die Berufsausbildung auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 2007/15/0050, und vom , 2008/13/0013, mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2007/13/0125 E RS 1 (hier: Dies trifft auch auf den eine Berufsausbildung darstellenden Besuch einer Berufsschule zu.)
Normen
BAO §279 Abs1
FamLAG 1967 §13
RS 5
Nach § 13 zweiter Satz FLAG hat ein Bescheid nur dann zu ergehen, wenn einem Antrag auf Familienbeilhilfe nicht oder nicht vollinhaltlich stattgeben wird. Die Stattgabe eines Antrags auf Familienbeihilfe erfolgt durch deren Gewährung (Auszahlung). Das Bundesfinanzgericht hätte daher bei Stattgabe der Beschwerde den abweisenden Bescheid des Finanzamts nicht abändern dürfen, sondern hätte diesen ersatzlos beheben müssen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/16/0164 E RS 5

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5100719/2023, betreffend Familienbeihilfe (mitbeteiligte Partei: R J H in V), zu Recht erkannt:

Spruch

Das Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag des Mitbeteiligten auf Gewährung von Familienbeihilfe betreffend den Zeitraum April bis September 2022 für seinen Sohn, der laut Antrag in Berufsausbildung gestanden sei, ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die Anmeldung des Sohnes für die Lehrabschlussprüfung zu spät erfolgt sei, weshalb keine Auszahlung von Familienbeihilfe erfolgen könne. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom ab.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das infolge eines Vorlageantrags zuständig gewordene Bundesfinanzgericht den genannten Bescheid dahingehend ab, dass die Abweisung des Antrags auf Gewährung der Familienbeihilfe nur mehr für die Monate August und September 2022 ausgesprochen werde. Unter einem sprach es aus, dass gegen sein Erkenntnis die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts sei der Sohn des Mitbeteiligten am geboren worden. Er habe eine Lehre zum Bürokaufmann absolviert, das Lehrverhältnis habe am geendet. Die dritte und letzte Klasse der Berufsschule habe der Sohn am erfolgreich abgeschlossen. Die Anmeldung zur Lehrabschlussprüfung sei am erfolgt, die Lehrabschlussprüfung habe der Sohn am erfolgreich abgelegt.

4 Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, dass der Sohn des Mitbeteiligten zwar seine Lehrzeit am beendet, die (verpflichtend zu absolvierende) Berufsschule allerdings erst am erfolgreich abgeschlossen habe. Dass der Sohn keine „klassische“ Lehrlingsausbildung, sondern eine Ausbildung gemäß § 8b Abs. 1 Berufsausbildungsgesetz (BAG) absolviert habe, schade nicht, weil nach § 8b Abs. 13 BAG, eine Person, die eine Berufsausbildung gemäß § 8b oder § 8c leg. cit. absolviere, für Zwecke der Anwendung des FLAG 1967 als Lehrling gelte.

5 Die Dauer der Berufsausbildung erstrecke sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „jedenfalls auf die Dauer des Lehrverhältnisses und des Berufsschulbesuches“. Es seien an die Zeit zwischen dem Ende des Lehrverhältnisses und dem Ende des Berufsschulbesuches keine zusätzlichen Anforderungen qualitativer oder quantitativer Natur zu stellen.

6 Der Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe jedenfalls bis zum Ende des Berufsschulbesuches bis inklusive Juli 2022 zu Recht, zumal gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 der Anspruch auf Familienbeihilfe erst mit Ablauf des Monats erlösche, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfalle. Für den Zeitraum August und September 2022 ging das Bundesfinanzgericht mit näherer Begründung davon aus, dass ein Anspruch des Mitbeteiligten auf Familienbeihilfe für seinen Sohn nicht bestehe.

7 Dagegen richtet sich das Finanzamt mit der gegenständlichen Revision insoweit „als das Bundesfinanzgericht den angefochtenen Bescheid dahingehend abgeändert hat, dass die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe nur mehr für die Monate August und September ausgesprochen wurde“.

8 Zur Zulässigkeit der Revision wird u.a. vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob der Berufsschulbesuch nach Ende des Lehrvertrags für sich ausreichend sei, die Voraussetzungen des „dualen Systems“ der Lehrlingsausbildung und somit einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 zu erfüllen. Das Bundesfinanzgericht habe es zudem im Widerspruch zu näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterlassen, Feststellungen zu Zeitpunkt, Dauer und Umfang des Berufsschulbesuchs zu treffen und damit die Beweiswürdigung in unvertretbarer Weise vorgenommen. Das Bundesfinanzgericht weiche überdies von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung für sich allein noch nicht reiche, um das Vorliegen einer Berufsausbildung anzunehmen. Das Bundesfinanzgericht habe wesentliche Erhebungen zur Frage, ob eine Berufsausbildung vorliege, unterlassen und damit gegen die amtswegige Ermittlungspflicht verstoßen. Es fehlten Erhebungen, ob im Zeitraum April bis Juli 2022 die „volle Zeit“ des Kindes bzw. die Bindung der „vollen Arbeitskraft“ des Kindes gegeben gewesen sei.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet. Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist zulässig und sie ist auch begründet.

12 Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

13 Um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, ist außerhalb des - im gegenständlichen Fall nicht einschlägigen - im § 2 Abs. 1 lit b FLAG besonders geregelten Besuchs einer Einrichtung im Sinn des § 3 des Studienförderungsgesetzes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das ernstliche, zielstrebige und nach außen erkennbare Bemühen um einen Ausbildungserfolg erforderlich (vgl. , mwN).

14 Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufs zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen tatsächlich gelingt (vgl. , mwN).

15 Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ergibt, fällt - wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - unter eine Berufsausbildung auch ein „duales System“ der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (vgl. , mwN).

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem vom Bundesfinanzgericht zur Begründung seiner Entscheidung zitierten Erkenntnis vom , 2011/16/0077, ausgesprochen, dass sich die Berufsausbildung (im dortigen Fall im Lehrberuf „Veranstaltungstechnik“) jedenfalls auf die Dauer eines Lehrverhältnisses und des Berufsschulbesuches erstreckt.

17 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts habe der Sohn des Mitbeteiligten eine Lehre zum Bürokaufmann betrieben. Das Lehrverhältnis habe am geendet. Der Sohn des Mitbeteiligten habe - nach Ende des Lehrverhältnisses - dann die dritte und letzte Klasse der Berufsschule am erfolgreich abgeschlossen.

18 Das Bundesfinanzgericht führt unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/16/0077, aus, es könne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht entnommen werden, dass an die Zeit zwischen dem Ende des Lehrverhältnisses und dem Ende des Berufsschulbesuches zusätzliche Anforderungen qualitativer oder quantitativer Natur zu stellen wären. Dem ist entgegenzuhalten, dass dieses Erkenntnis die zeitliche Inanspruchnahme des Auszubildenden nicht zum Gegenstand hatte.

19 Eine anzuerkennende Berufsausbildung weist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein qualitatives und ein quantitatives Element auf, sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang sind zu prüfen (vgl. nochmals , mwN). Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa , mwN). Dies trifft auch auf den eine Berufsausbildung darstellenden Besuch einer Berufsschule zu.

20 Feststellungen zum Vorliegen dieser quantitativen Anforderung (vgl. Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 2 FLAG Rz 45, ABC der Berufsausbildung „Lehrausbildung“, wonach die praktische Ausbildung im Betrieb in der Regel 75 bis 80 Prozent der Lehre ausmacht) im strittigen Zeitraum hat das Bundesfinanzgericht allerdings nicht getroffen (vgl. ). Wegen dieses Fehlens der für die rechtliche Beurteilung notwendigen Feststellungen liegt ein sekundärer Feststellungsmangel vor, der das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Es war daher im angefochtenen Umfang - sohin hinsichtlich der Monate April bis Juli 2022 - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

21 Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass nach § 13 zweiter Satz FLAG ein Bescheid nur dann zu ergehen hat, wenn einem Antrag auf Familienbeihilfe nicht oder nicht vollinhaltlich stattgegeben wird. Die Stattgabe eines Antrags auf Familienbeihilfe erfolgt durch deren Gewährung (Auszahlung). Das Bundesfinanzgericht hätte daher bei (teilweiser) Stattgabe der Beschwerde den abweisenden Bescheid des Finanzamts nicht abändern dürfen, sondern hätte diesen im entsprechenden Umfang ersatzlos beheben müssen (vgl. erneut , mwN).

Wien, am

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Normen
BAO §279 Abs1
FamLAG 1967 §13
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb
FamLAG 1967 §5 Abs1 litb
StudFG 1992 §3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024160025.L00
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Fundstelle(n):
YAAAF-46479