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VwGH 11.11.2024, Ra 2024/16/0003

VwGH 11.11.2024, Ra 2024/16/0003

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
RS 1
Aus der alleinigen Geltung des schriftlich niedergelegten Inhaltes nach § 17 GebG ergibt sich die Belanglosigkeit der Beweggründe, die zur Errichtung der Schrift, zum Abschluss des Rechtsgeschäftes, zu einer bestimmten Art oder Formulierung geführt haben ("Urkundenprinzip"; Hinweis auf die in Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren9 (2011) unter E 11 zu § 17 zitierte Judikatur).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2016/16/0011 E RS 1
Normen
GebG 1957 §17 Abs4
GebG 1957 §26
RS 2
Das Gebührenrecht unterscheidet nicht zwischen den einzelnen möglichen Arten von Bedingungen (vgl. etwa 867/61; , 37/67, jeweils zu § 33 TP 5 GebG ergangen).
Normen
GebG 1957 §17 Abs4
GebG 1957 §26
VwRallg
RS 3
Der Begriff der Bedingung im Sinn des GebG umfasst auch Potestativbedingungen, das sind Ereignisse, deren Eintritt oder Nichteintritt vom Willen einer Vertragspartei abhängt, sowie solche, bei denen dies nicht der Fall ist.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der B Rechtsanwalts GesmbH in I, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/3100558/2021, betreffend Rechtsgeschäftsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich, Dienststelle Wien 1/23), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der Revisionswerberin für einen von ihr als Mieterin geschlossenen Mietvertrag eine Rechtsgeschäftsgebühr iHv 3.326,88 € fest. Eine Berücksichtigung der im genannten Mietvertrag erfassten Neben- bzw. Betriebskosten erfolgte in dieser Festsetzung nicht. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das infolge eines Vorlageantrages zuständig gewordene Bundesfinanzgericht den Bescheid insofern ab, als es Gebühr gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG mit 3.414,87 € festsetzte. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts - das den revisionsgegenständlichen Mietvertrag in Auszügen wiedergab - habe die Revisionswerberin am als Mieterin einen Mietvertrag über Büroräumlichkeiten mit der I GmbH als Vermieterin abgeschlossen. Das Mietverhältnis unterliege laut diesem Vertrag den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes (MRG).

4 Hinsichtlich des Mietzinses sei - hier auf die revisionsrelevanten Feststellungen zusammengefasst - vereinbart worden, dass dieser sich aus dem angemessenen und wertgesicherten Hauptmietzins gemäß § 16 Abs. 1 MRG in der jeweils gültigen Fassung iHv monatlich 3.208,80 € abzüglich eines Befristungsabschlags von 25 % nach § 16 Abs. 7 MRG idF WRN 2000 iHv 802,20 € zusammensetze und 2.406,60 € betrage. Laut Mietvertrag entfalle der Befristungsabschlag für den Fall, dass das Mietverhältnis in ein solches mit unbestimmter Dauer übergehe.

5 Nach dem Wortlaut des Vertrages seien die Vertragsparteien für einen Zeitraum von drei Jahren an das Vertragsverhältnis gebunden bzw. könne die Revisionswerberin als Mieterin erstmals mit Wirkung zum , somit drei Jahre nach Beginn des Mietverhältnisses, dieses aufkündigen. Danach bestehe für die Revisionswerberin die Möglichkeit zur Kündigung jeweils zum 30. Juni oder 31. Dezember unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, der gegenständliche Mietvertrag sei so zu beurteilen, als sei er zunächst auf die bestimmte Dauer von drei Jahren abgeschlossen worden und habe sich danach auf unbestimmte Zeit verlängert. Es sei die Rechtsgeschäftsgebühr vom zweimal Dreifachen des Jahreswertes der wiederkehrenden Leistung zu bemessen.

7 Für Zwecke des § 26 GebG sei unbeachtlich, ob der Eintritt einer Bedingung vom Willen einer Partei oder vom Zufall oder von beidem abhänge, wenn sie zivilrechtlich wirksam vereinbart worden sei.

8 Es sei vertraglich vereinbart worden, dass für den Fall, dass das befristete in ein unbefristetes Mietverhältnis übergehe, der Befristungsabschlag wegfallen solle. Eine Bedingung gemäß § 26 GebG liege somit schon nach dem für die Gebührenpflicht gemäß § 17 Abs. 1 GebG maßgeblichen Vertragsinhalt vor.

9 Der Verwaltungsgerichtshof habe zu Scheidungsfolgenvereinbarungen bereits mehrfach ausgesprochen, dass es sich bei noch vor der Eheschließung getroffenen Vereinbarungen über die Gewährung von Unterhaltsleistungen im Fall der Auflösung der künftigen Ehe um im Hinblick auf § 17 Abs. 4 GebG bedingte Vergleiche iSd § 33 TP 20 GebG handle. Solche Vergleiche erlangten mit dem Eintritt der Bedingung, das sei die Auflösung der Ehe, gleichgültig auf welche Weise diese erfolge, Rechtswirksamkeit. Umgelegt auf den Revisionsfall bedeute das, es sei unerheblich, ob die Umwandlung von einem befristeten in ein unbefristetes Mietverhältnis, so nicht eine tatsächliche Beendigung des Mietverhältnisses stattfände, im Weiteren ausdrücklich oder konkludent erfolge.

10 Bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Bestandsvertragsgebühr sei vom vereinbarten Hauptmietzins iHv 3.208,80 € auszugehen. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Rechtsgeschäftsgebühr habe es die Abgabenbehörde jedoch übersehen, die vertraglich vereinbarten Nebenkosten iHv 743,60 € zuzüglich die darauf entfallende Umsatzsteuer zu berücksichtigen. Insgesamt ergebe sich daher eine monatliche Bemessungsgrundlage von 4.742,88 € für 72 Monate, sodass von einer Gebührenbemessungsgrundlage von insgesamt 341.487,36 € auszugehen sei.

11 Dagegen richtet sich die Revisionswerberin mit ihrer - wie sich aus dem Revisionspunkt ergibt - ausschließlich gegen die Einbeziehung des Befristungsabschlags samt darauf entfallender Umsatzsteuer in die Bemessungsgrundlage der Rechtsgeschäftsgebühr gerichteten Revision.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragte.

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts hat die Revisionswerberin als Mieterin einen Mietvertrag geschlossen, der u.a. folgende Klausel enthält:

„Der monatliche Mietzins setzt sich zusammen aus:

1.1. dem für den Mietgegenstand zu entrichtenden angemessenen Hauptmietzins gemäß § 16 Abs. 1 MRG 1981 in der jeweils gültigen Fassung von monatlich EUR 3.208,80

- Befristungsabschlag von 25 %

nach § 16 Abs. 7 MRG idF WRN 2000 EUR - 802,20

EUR 2.406,60

Der Befristungsabschlag entfällt für den Fall, dass das Mietverhältnis in ein solches mit unbestimmter Dauer übergeht.“

17 Gemäß § 15 Abs. 1 Gebührengesetz 1957 (GebG) sind Rechtsgeschäfte grundsätzlich dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird.

18 Gemäß § 17 Abs. 1 erster Satz GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus der alleinigen Geltung des schriftlich niedergelegten Inhaltes nach § 17 GebG die Belanglosigkeit der Beweggründe, die zur Errichtung der Schrift, zum Abschluss des Rechtsgeschäftes, zu einer bestimmten Art oder Formulierung gefügt haben („Urkundenprinzip“; vgl. etwa , mwN).

19 Gemäß § 17 Abs. 4 GebG ist es auf die Entstehung der Gebührenschuld ohne Einfluss, ob die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes von einer Bedingung oder von der Genehmigung eines der Beteiligten abhängt (vgl. auch , mwN).

20 Für die Bewertung der gebührenpflichtigen Gegenstände gelten, insoweit nicht in den Tarifbestimmungen abweichende Bestimmungen getroffen sind, gemäß § 26 GebG die Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1955, BGBl. Nr. 148, mit der Maßgabe, dass bedingte Leistungen und Lasten als unbedingte, betagte Leistungen und Lasten als sofort fällige zu behandeln sind.

21 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, „ob die reine Wiedergabe einer rechtlichen Konsequenz in einem Mietvertrag als Bedingung gewertet werden kann“, welche „gebührenerhöhend wirkt“. In weiterer Folge wird dazu präzisiert, es handle sich um die Frage, „ob die Wiedergabe einer rechtlichen Konsequenz, nämlich die in § 16 Abs 7 MRG normierte Bestimmung ‚Der nach Abs. 1 bis 6 höchstzulässige Hauptmietzins vermindert sich im Fall eines befristeten Hauptmietvertrags (§ 29 Abs. 1 Z 3) um 25 vH. Wird der befristete Hauptmietvertrag in einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit umgewandelt, so gilt die Verminderung des nach Abs. 1 bis 6 höchstzulässigen Hauptmietzinses ab dem Zeitpunkt der Umwandlung nicht mehr, sofern sie im Hauptmietvertrag ziffernmäßig durch Gegenüberstellung des für ein unbefristetes Mietverhältnis zulässigen und des tatsächlich vereinbarten Hauptmietzinses schriftlich ausgewiesen wurde.‘ als gebührenerhöhende Bedingung gewertet werden kann“.

22 Dass das revisionsgegenständliche Rechtsgeschäft nicht wirksam - im Sinn des § 17 Abs. 4 GebG - zustande gekommen wäre, bringt die Revisionswerberin nicht vor.

23 Die Revisionswerberin bringt auch nicht vor, dass die im revisionsgegenständlichen Mietvertrag vorgesehene - höhere - Miete im Fall des Übergangs des befristeten Mietverhältnisses in ein solches mit unbestimmter Dauer zivilrechtlich nicht wirksam vereinbart worden wäre. Gerade diese Wirksamkeit soll mit der im Vertrag enthaltenen Wendung, wonach der Befristungsabschlag für den Fall entfalle, dass das Mietverhältnis in ein solches mit unbestimmter Dauer übergehe, zum Ausdruck gebracht werden. Dass diese Mietzinsanpassung allenfalls - worauf sich die Revisionswerberin zu stützen scheint - auch mit den Rechtsfolgen des § 16 Abs. 7 MRG in Einklang stehen kann, steht schon angesichts des in § 17 Abs. 1 GebG vorgesehenen Urkundenprinzips einer Gebührenpflicht nicht entgegen.

24 Ebenso wird nicht vorgebracht, der Eintritt des genannten Ereignisses, von dem das Wirksamwerden des nicht um den Befristungsabschlag verminderten Mietzinses abhängt (Übergang des Mietverhältnisses in ein unbefristetes), sei von einer Rechtsbedingung (wie etwa einer behördlichen Genehmigung) abhängig oder, dass das Mietverhältnis nur bei Abschluss eines neuen Mietvertrags in ein solches mit unbestimmter Dauer übergehen würde, wogegen wiederum auch der Wortlaut der genannten Vertragsklausel spricht.

25 Soweit zur Zulässigkeit der Revision schließlich vorgebracht wird, es sei „die erhebliche Rechtsfrage zu klären, ob denn überhaupt dann, wenn ein befristeter Mietvertrag nicht von einer Partei einseitig in einen unbefristeten geändert werden kann, von einer unbedingten Leistung (Bedingung), welche als sofort fällig zu behandeln ist, zu sprechen ist“, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Gebührenrecht nicht zwischen den einzelnen möglichen Arten von Bedingungen unterscheidet (vgl. etwa 867/61; , 37/67, jeweils zu § 33 TP 5 GebG ergangen). Der Begriff der Bedingung im Sinn des GebG umfasst auch Potestativbedingungen, das sind Ereignisse, deren Eintritt oder Nichteintritt vom Willen einer Vertragspartei abhängt, sowie solche, bei denen dies nicht der Fall ist (vgl. idS auch Bergmann/Wurm in Bergmann/Pinetz (Hrsg), GebG², § 26 GebG, Rz 16). Der Eintritt des revisionsgegenständlich bedingten Ereignisses wird nach der genannten Vertragsklausel zudem unabhängig von der Art seines Zustandekommens erfasst.

26 Angesichts der zu § 33 TP 5 GebG ergangenen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zeigt die Revisionswerberin auch mit ihrem erstatteten weiteren Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision, wonach die vom Bundesfinanzgericht zur Begründung seines Erkenntnisses herangezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Gebührenpflicht außergerichtlicher Scheidungsvergleiche gemäß § 33 TP 20 GebG zum Inhalt habe und nicht auf die revisionsgegenständliche Vergebührung von Mietverträgen übertragen werden könne, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf.

27 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

28 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

29 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
GebG 1957 §17
GebG 1957 §17 Abs4
GebG 1957 §26
VwRallg
Schlagworte
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024160003.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-46472

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