VwGH 15.11.2024, Ra 2024/15/0058
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Norm | BAO §98 Abs2 |
RS 1 | Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Voraussetzung für die Wirksamkeit dieser Zustellung ist, dass der Empfänger Zugang zu diesem Speicherbereich hat (vgl. - mit näheren Hinweisen - ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2023/13/0048 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der B H in G, vertreten durch MMag. Klaus Jürgen Strasser, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Heinrichstraße 16, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2101148/2020, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin war in den Jahren 2013 bis 2017 unbeschränkt haftende Gesellschafterin der X OG, die sich seit 2018 in Konkurs befindet. Mit Bescheiden vom ergingen an sie für die Jahre 2014 bis 2017 gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide aufgrund einer vorangegangenen bescheidmäßigen Einkünftefeststellung der X OG vom . Die Bescheide vom wurden der Revisionswerberin in ihre FinanzOnline-DataBox zugestellt.
2 Mit Eingabe vom brachte die Revisionsweberin betreffend die Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2017 u.a. einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein; gleichzeitig wurde auch Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide erhoben. Das Finanzamt wies den Antrag auf Wiedereinsetzung mit Bescheid vom ab.
3 Einer gegen den Abweisungsbescheid gerichteten Beschwerde gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, weshalb die Revisionswerberin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) beantragte.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das BFG der Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - keine Folge.
5 Laut dem Zulässigkeitsvorbringen der gegen dieses Erkenntnis gerichteten außerordentlichen Revision liegen gegenständlich folgende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vor:
„Beeinträchtigt es die Rechtssicherheit in unvertretbarer Weise, wenn bei Fällen, bei denen ein Masseverwalter über das Vermögen einer Gesellschaft eigenmächtig Handlungen setzt und Erklärungen abgibt, auf die ein Gesellschafter weder Einfluss hatte noch von denen er in Kenntnis war, und die in der Folge zu Änderungen von schon rechtskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheiden der Gesellschafter aus lang zurückliegenden Vorperioden führen und die Gesellschafter nachteilig berühren, dies bei der Beurteilung, ob eine Wiedereinsetzung berechtigt begehrt wird bzw. im Rahmen der Prüfung des minderen Grads des Versehens, unberücksichtigt bleibt.
Beeinträchtigt es die Rechtssicherheit in unvertretbarer Weise, wenn bei der Beurteilung des Vorliegens eines minderen Grad des Versehens bzw. der Berechtigung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht berücksichtigt wird, dass es Handlungen von dritten Personen, die dazu vom Betroffenen nicht bevollmächtigt oder beauftragt waren, und über die Betroffene keine Kenntnis hatten, waren, die dazu führten, dass bereits rechtskräftige Entscheidungen, die Jahre zurückliegen, wieder aufgehoben wurden.“
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Voraussetzung für die Wirksamkeit dieser Zustellung ist, dass der Empfänger Zugang zu diesem Speicherbereich hat (vgl. , mwN).
10 Das BFG stellte u.a. fest, die gemäß § 295 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide der Jahre 2014 bis 2017 vom seien der Revisionswerberin mit selbigem Datum per FinanzOnline in ihre DataBox zugestellt worden. Die Revisionswerberin nehme an FinanzOnline teil. Sie habe nicht auf die elektronische Zustellung verzichtet und ihr sei bekannt, dass sie über eine DataBox verfüge. Über die Zustellung der Bescheide vom sei keine gesonderte Verständigung über E-Mail erfolgt, weil die Revisionswerberin keine E-Mail-Adresse bekannt gegeben habe.
11 Rechtlich folgerte das BFG, wenn sich die Revisionswerberin als Teilnehmerin von FinanzOnline registriere und Kenntnis vom Bestehen einer FinanzOnline-DataBox habe, aber weder auf die elektronische Zustellung gemäß § 5b Abs. 3 FOnV 2006 verzichte, noch ausreichende Maßnahmen setze, dass sie zeitgerecht Kenntnis über elektronische Zustellungen erlange, handle sie nicht nur schuldhaft, sondern gehe dieses Verschulden über einen minderen Grad des Versehens hinaus. Der unkritische Umgang der Revisionswerberin mit behördlichen Schriftstücken zeige sich - so das BFG weiter - auch beim Zustellvorgang im Zusammenhang mit dem Feststellungsverfahren, das den geänderten Einkommensteuerbescheiden zugrunde gelegen sei. Die Revisionswerberin habe laut ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung bei den Gesellschaftern der X OG Rückfrage betreffend die Zustellung im Feststellungsverfahren gehalten und Kenntnis davon gehabt, „dass bei der X OG etwas passiere“. Trotzdem habe sie sich im verfahrensgegenständlichen relevanten Zeitraum weder mit dem Masseverwalter in Verbindung gesetzt noch habe sie ihre DataBox eingesehen.
12 Die Frage, ob das BFG fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens verneint hat, ist grundsätzlich keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Eine solche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. ; , Ra 2015/16/0031, jeweils mwN).
13 Das BFG hat das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens u.a. deswegen verneint, weil die Revisionswerberin aufgrund von Rückfragen bei den (weiteren) Gesellschaftern Kenntnis davon gehabt habe, „dass bei der X OG etwas passiere“. Trotzdem habe sie sich im gegenständlich relevanten Zeitraum weder mit dem Masseverwalter in Verbindung gesetzt noch in ihre DataBox eingesehen. Vor diesem Hintergrund wird mit dem Zulässigkeitsvorbringen, bei Prüfung des minderen Grads des Versehens sei nicht berücksichtigt worden, dass der Masseverwalter der X OG eigenmächtig Handlungen gesetzt und Erklärungen abgegeben habe, von welchen die Revisionswerberin keine Kenntnis gehabt habe, keine Rechtsfrage aufgezeigt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
14 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | BAO §98 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024150058.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-46469