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VwGH 09.12.2024, Ra 2024/13/0117

VwGH 09.12.2024, Ra 2024/13/0117

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
EStG 1988 §2 Abs3
EStG 1988 §4 Abs4
RS 1
Finanzielle Einbußen, die dem Betriebsinhaber durch Malversationen (Diebstahl, Veruntreuung, Unterschlagung) seiner Mitarbeiter entstehen, könnten als Betriebsausgaben in Betracht kommen (vgl. - auch zur Umsatzsteuer - ; , 2005/13/0016). Beim Mitarbeiter könnten hingegen insoweit Einkünfte zu berücksichtigen sein (vgl. ; vgl. auch , je mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic-Marinkovic, über die Revision der K in W, vertreten durch die Heisinger Steuerberatung GmbH in 7301 Deutschkreutz, Am Teich 12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103027/2020, betreffend Wiederaufnahme (Umsatzsteuer 2010 bis 2015), Umsatzsteuer 2010 bis 2015 sowie Einkommensteuer 2010, 2011 und 2013 bis 2015, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom wurde u.a. ausgeführt, die dort näher angeführten Gesellschaften hätten an die „G[...] Company e.U.“ (Inhaberin sei die Revisionswerberin) Scheinrechnungen „verkauft“. Die ausgewiesenen Rechnungsbeträge seien per Banküberweisungen bezahlt worden. Wie der weitere Geldfluss stattgefunden habe und ob Kickback-Zahlungen an die Revisionswerberin oder ihren (damaligen) Ehemann (der für die Durchführung und Abwicklung der Geschäfte zuständig gewesen sei) erfolgt seien, habe anhand der vorgelegten Unterlagen nicht festgestellt werden können. Die in den Rechnungen verzeichneten Arbeiten seien nie erbracht worden; die Rechnungen dienten lediglich der Gewinnminimierung. Die daraus geltend gemachten Betriebsausgaben würden nicht anerkannt und die daraus beanspruchten Vorsteuern zurückgefordert.

2 Mit Bescheiden vom nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2015 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und setzte die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer für diese Jahre (neu) fest. In der Begründung wurde jeweils auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung verwiesen, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien.

3 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerde. Sie machte insbesondere geltend, bei allen als „Fremdleistung“ erbrachten Rechnungen handle es sich um tatsächlich erbrachte Leistungen. Der Aufforderung der Empfängerbenennung (soweit erfolgt) sei in allen Fällen ordnungsgemäß nachgekommen worden. Eine Schätzung des Fremdleistungsaufwandes mit 0 Euro sei in keiner Weise begründet.

4 Das Finanzamt legte die Beschwerde - wie in dieser beantragt - dem Bundesfinanzgericht vor, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen.

5 Mit Beschluss vom erklärte das Bundesfinanzgericht die Beschwerde betreffend Wiederaufnahme (Einkommensteuer 2010 bis 2015) sowie Einkommensteuer 2012 als gegenstandslos. In der Begründung wurde ausgeführt, in diesem Umfang sei die Beschwerde zurückgezogen worden.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde betreffend Wiederaufnahme (Umsatzsteuer 2010 bis 2015), Umsatzsteuer 2010 bis 2015 sowie Einkommensteuer 2010, 2011 und 2013 bis 2015 als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.

7 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen aus, die G Company e.U. sei im August 2007 im Firmenbuch eingetragen worden; Inhaberin sei durchgehend die Revisionswerberin gewesen. Der damalige Ehemann der Revisionswerberin habe in der G Company e.U. keine Funktion gehabt; er sei als Hausbetreuer beschäftigt gewesen und habe in dieser Eigenschaft der G Company e.U. einige Gebäudereinigungsaufträge verschafft. Die Revisionswerberin selbst sei in den Streitjahren neben ihrer unternehmerischen Tätigkeit unselbständig beschäftigt gewesen. Die Revisionswerberin habe ihre Tätigkeit als Unternehmerin auch tatsächlich ausgeübt; so sei es ihr auch möglich gewesen, durch ihre unselbständige Tätigkeit Aufträge für ihr Unternehmen zu lukrieren. Die auf das Einzelunternehmen zugelassenen Fahrzeuge hätten von der Revisionswerberin angemeldet werden müssen, da ihr damaliger Ehemann keine im Firmenbuch eingetragene Vertretungsbefugnis gehabt habe. Die Revisionswerberin sei über das Firmenkonto verfügungsberechtigt gewesen; sie habe ihrem damaligen Ehemann auf diesem Konto eine Zeichnungs- oder Verfügungsberechtigung eingeräumt.

8 Der damalige Ehegatte der Revisionswerberin habe über eine umfangreiche Vollmacht für das Einzelunternehmen verfügt, er sei für dieses Unternehmen aufgetreten und habe Verträge abgeschlossen. Der damalige Ehemann sei stets für das Einzelunternehmen aufgetreten; in der Folge seien auch die Rechnungen an das Einzelunternehmen gerichtet worden. Die Revisionswerberin und ihr damaliger Ehemann hätten in der G Company e.U. jahrelang zusammengearbeitet; die Revisionswerberin habe diese Vorgangsweise jahrelang gebilligt. Den im Akt befindlichen Rechnungen seien in vielen Fällen Überweisungsbelege beigefügt, die von der Revisionswerberin unterfertigt worden seien.

9 Der damalige Ehemann habe es insbesondere übernommen, für das Einzelunternehmen das benötigte Personal anzuwerben und von der G Company e.U. übernommene Aufträge an vermeintliche Subunternehmer weiterzugeben.

10 Der damalige Ehemann der Revisionswerberin habe vorgebracht, an näher genannte vermeintliche Subunternehmen Aufträge weitergegeben zu haben oder mit diesen Unternehmen Verträge abgeschlossen zu haben. Es sei aber, wie zu den einzelnen Unternehmen näher ausgeführt wird, weder dokumentiert, dass tatsächlich überhaupt ein Kontakt mit den genannten Personen stattgefunden habe, noch dass diese Personen für die genannten Unternehmen vertretungsbefugt gewesen wären. Darüber hinaus sei nicht nachgewiesen worden, dass diese Unternehmen für die Revisionswerberin Tätigkeiten durchgeführt hätten.

11 Die im Betriebsprüfungsbericht angeführten Sachverhaltselemente seien im Rahmen der Betriebsprüfung neu hervorgekommen. Auch die Sachverhaltselemente, die zu den neu erlassenen Umsatzsteuerbescheiden geführt hätten, seien im Zuge der Betriebsprüfung neu hervorgekommen und hätten zu anderslautenden Umsatzsteuerfestsetzungen geführt. Die Beschwerde betreffend Wiederaufnahme sei daher als unbegründet abzuweisen.

12 Beim Reinigungsgewerbe handle es sich (ebenso wie bei der Baubranche) um eine Risikobranche, bei der eine erhöhte Sorgfaltspflicht beim Eingehen von Geschäftsbeziehungen anzuwenden sei. Bei der erstmaligen Aufnahme einer Geschäftsbeziehung seien von einem sorgfältigen Unternehmer, vor allem bei einer Tätigkeit in einer Risikobranche, näher genannte Prüfschritte vorzunehmen. Im vorliegenden Fall habe die Revisionswerberin ihrem damaligen Ehemann eine umfangreiche Vollmacht inklusive Zeichnungsberechtigung über das Firmenkonto eingeräumt. Der damalige Ehemann habe es übernommen, die angebliche Weitergabe von Subaufträgen an vermeintliche Subunternehmer abzuwickeln. Die Revisionswerberin habe diese Abwicklung ihrem damaligen Ehemann übertragen und eine entsprechende Vollmacht erteilt. Die Revisionswerberin müsse sich daher das Verhalten ihres damaligen Ehemanns (insbesondere das Unterlassen von Überprüfungsmaßnahmen) zurechnen lassen.

13 Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein „Unterschlagungstatbestand“ durch den damaligen Ehemann gegenüber der G Company e.U. vorgelegen habe, sei nicht nachgewiesen worden. Selbst bei einem tatsächlichen Vorliegen einer Unterschlagung hätte dies auf Grund der erteilten Vollmacht keine Auswirkung auf die steuerliche Zurechnung des Handelns des damaligen Ehemanns an die Revisionswerberin. Derartige Unterschlagungen wären durch die Revisionswerberin gegen den damaligen Ehemann bei den Zivilgerichten und nicht im Rahmen des Abgabenverfahrens geltend zu machen.

14 Der damalige Ehemann habe bei keiner einzigen vorgebrachten Weitergabe von angeblichen Aufträgen an vermeintliche Subunternehmer auch nur einen der näher genannten Prüfschritte durchgeführt bzw. dokumentiert. Auf Grund der gänzlichen Unterlassung von Prüfungshandlungen wäre der Revisionswerberin auch eine Empfängernennung gemäß § 162 BAO nicht möglich gewesen.

15 Der Revisionswerberin sei beizupflichten, dass sie selbst (persönlich) an der vermeintlichen Weitergabe der Subaufträge nicht beteiligt gewesen sei. Da der damalige Ehemann der Revisionswerberin aber mit einer Vollmacht der G Company e.U. aufgetreten sei, sei diesem Einwand im Abgabenverfahren nicht zu folgen.

16 Da nicht verifizierbar gewesen sei, ob überhaupt Aufträge erteilt worden seien, gegebenenfalls mit welchem Inhalt und an welche Unternehmen, sowie ob und welche Leistung tatsächlich erbracht worden sei, seien die Rechnungen der angeblichen Subunternehmen als Scheinrechnungen zu qualifizieren; die in diesen Rechnungen ausgewiesenen Beträge seien nicht (auch nicht teilweise) als Betriebsausgaben zuzulassen gewesen.

17 Da die verrechneten Leistungen tatsächlich nicht erbracht worden seien, bestehe auch kein Recht auf Vorsteuerabzug.

18 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.

19 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

20 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

21 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

22 Unter der Überschrift „Zulässigkeit der Revision“ finden sich in der Revision Ausführungen zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes, zur Legitimation zur Erhebung der Revision, zur Rechtzeitigkeit der Revision sowie zum „Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG und § 25a VwGG“. Dazu wird ausgeführt:

„Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil eine Rechtsfrage der grundsätzliche Bedeutung zukommt vorliegt.

Das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes weicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab und es fehlt eine solche Rechtsprechung.“

23 Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es dem Revisionswerber, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt demnach anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. z.B. , mwN).

24 In den „gesonderten“ Gründen zur Zulässigkeit der Revision ist dabei konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. z.B. , mwN).

25 Die vorliegende Zulässigkeitsbegründung erfüllt diese Anforderungen nicht, da schon keine konkrete Rechtsfrage genannt wird. Soweit dazu (unter der Überschrift „Zur Legitimation zur Erhebung der Revision“) ausgeführt wird, die Legitimation zur Erhebung der Revision liege in der Lösung der Rechtsfrage, ob eine durch das Finanzamt behauptete Vollmacht erteilt worden sei oder der Machthaber „die Verantwortung für seine Taten zu tragen“ habe, ist zu bemerken, dass die Frage, ob eine Vollmacht (tatsächlich) erteilt worden sei, eine Sachverhaltsfrage ist; dass sich Rechtsfragen etwa zur Wirksamkeit einer Vollmachtserteilung stellen würden, wird nicht behauptet.

26 In der Revision wird auch nicht geltend gemacht, dass die von der Revisionswerberin (aus den Beziehungen zu ihren Kunden) erzielten Einnahmen und Entgelte, die (auch) auf die Handlungen ihres damaligen Ehemanns - als Vertreter der Revisionswerberin - zurückzuführen sind, nicht dieser zuzurechnen wären (vgl. z.B. zur Zurechnung von Leistungen, die durch Arbeitnehmer, Organwalter oder Stellvertreter erbracht werden , mwN). Strittig ist nur die Berücksichtigung von behaupteten Betriebsausgaben und Vorsteuern (aus den Beziehungen zu Lieferanten der Revisionswerberin). Läge aber - wie im Rahmen der Revisionsbegründung geltend gemacht - keine (wirksame) Vollmacht der Revisionswerberin für ihren damaligen Ehemann vor, wären die mit den (behaupteten) Subunternehmern getroffenen Vereinbarungen gegenüber der Revisionswerberin (zivilrechtlich) nicht wirksam. Daraus wäre aber für die Revisionswerberin im Abgabenverfahren schon deswegen nichts zu gewinnen, weil die Unwirksamkeit der Vereinbarungen keineswegs dazu führen würde, dass darauf gestützt Betriebsausgaben oder Vorsteuern geltend gemacht werden könnten; die (zivilrechtliche) Unwirksamkeit wäre vielmehr (auch bei wirtschaftlicher Betrachtung) ein (weiterer) Umstand, der die geltend gemachten Betriebsausgaben und Vorsteuern in Frage stellen würde.

27 Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts könnten zwar finanzielle Einbußen, die dem Betriebsinhaber durch Malversationen (Diebstahl, Veruntreuung, Unterschlagung) seiner Mitarbeiter entstehen, als Betriebsausgaben in Betracht kommen (vgl. - auch zur Umsatzsteuer - ; , 2005/13/0016). Beim Mitarbeiter könnten hingegen insoweit Einkünfte zu berücksichtigen sein (vgl. ; vgl. auch , je mwN); in der Diktion der Revision hätte damit - bezogen auf die Einkommensteuer - der Machthaber „die Verantwortung für seine Taten zu tragen“. Das Bundesfinanzgericht ist aber davon ausgegangen, dass derartige „Unterschlagungstatbestände“ nicht vorliegen, was in der Revision nicht (konkret) bekämpft wird.

28 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am

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EStG 1988 §2 Abs3
EStG 1988 §4 Abs4
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024130117.L00
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IAAAF-46454