VwGH 12.08.2024, Ra 2024/13/0073
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | BAO §184 |
RS 1 | Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen. Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Es ist jene Methode (allenfalls mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint (vgl. die bei Ritz, BAO3, Tz 3 und 12 zu § 184 zitierte hg. Rechtsprechung). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2004/17/0211 E RS 2 |
Norm | BAO §184 Abs1 |
RS 2 | Eine "griffweise" Schätzung ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anerkannt (vgl. etwa ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/13/0006 E RS 4 |
Norm | BAO §184 |
RS 3 | Im Rahmen eines inneren Betriebsvergleichs kann die Schätzung auch auf Ergebnissen desselben Betriebes anderer Zeiträume aufgebaut werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, ob es zu erheblichen Abweichungen gegenüber diesen anderen Zeiträumen gekommen ist (vgl. ; , Ra 2023/13/0003). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic-Marinkovic, über die Revision der C GmbH in W, vertreten durch Mag. Thomas Pfaller, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Hauptstraße 47/23, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103728/2018, betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer für die Jahre 2009 bis 2011, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom wurde u.a. festgehalten, die Revisionswerberin habe seit dem Jahr 2009 keine Steuererklärungen eingebracht. Eine Umsatzsteuersonderprüfung (für den Zeitraum 5/2010 bis 1/2011, abgeschlossen im August 2011) habe aber ergeben, dass die Revisionswerberin eine rege Geschäftstätigkeit ausgeübt habe. Im Mai 2013 sei der Betriebssitz der Revisionswerberin aufgesucht worden; dieser sei verlassen vorgefunden worden. Der Geschäftsführer der Revisionswerberin sei mehrmals vorgeladen worden. Er sei weder diesen Terminen nachgekommen, noch habe er angeforderte Unterlagen vorgelegt. Anlässlich der Umsatzsteuersonderprüfung habe der Geschäftsführer der Revisionswerberin eine Selbstanzeige erstattet; er habe für den Zeitraum 11/2010 bis 1/2011 Umsätze in Höhe von insgesamt 38.000 € angeführt. In Ermangelung eines Rechenwerkes, Belegen oder Aufzeichnungen irgendwelcher Art, auf die sich die Abgabenbehörde stützen könnte, würden Umsätze und Einnahmen in Höhe von 80.000 € jährlich griffweise im Schätzungswege angesetzt. Ebenfalls griffweise geschätzt werde eine Aufteilung auf Umsätze, die dem Normalsteuersatz unterliegen (30.000 €) und steuerfreie Grundstücksumsätze (50.000 €). Vorsteuern würden nur in jener Höhe berücksichtigt, wie sie im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung festgestellt worden seien. Die Höhe der Betriebsausgaben werde mit 50% der Einnahmen (40.000 €) geschätzt.
2 Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 fest. In der Begründung wurde jeweils auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung verwiesen.
3 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Berufung. Sie verwies auf nunmehr vorgelegte Abgabenerklärungen für die Jahre 2009 bis 2011 und beantragte eine erklärungskonforme Veranlagung.
4 Das Finanzamt wies die nunmehr als Beschwerde zu behandelnde Berufung mit Beschwerdevorentscheidungen als unbegründet ab.
5 Die Revisionswerberin beantragte die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe seit dem Jahr 2009 keine Abgabenerklärungen gelegt. Sie sei auch im Zuge einer die Jahre 2009 bis 2011 umfassenden Außenprüfung der Aufforderung der Prüferin auf Präsentation der Buchhaltung, des Kassabuches, der Belegsammlung sowie der gesellschaftsrelevanten Verträge nicht nachgekommen. Es seien daher (ausgehend von durchschnittlichen, aus einer Umsatzsteuersonderprüfung stammenden Monatsentgelten) die Besteuerungsgrundlagen der Umsatz- und Körperschaftsteuer im Schätzungswege ermittelt und den Bescheiden zu Grunde gelegt worden. Im Zuge der Bekämpfung der Bescheide habe die Revisionswerberin erstmals Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuererklärungen sowie die Bilanzen und Gewinn/Verlustrechnungen für die Streitjahre erstellt und diese der Abgabenbehörde übermittelt. Die Revisionswerberin sei aber den Aufforderungen der Abgabenbehörde und des Bundesfinanzgerichts, die in den Abgabenerklärungen verzeichneten Besteuerungsgrundlagen belegmäßig zu dokumentieren, nicht nachgekommen. Sie habe vielmehr eingeräumt, dass derartige Unterlagen nicht auffindbar seien.
8 Die Befugnis und Verpflichtung zur Schätzung beruhe allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln oder zu berechnen. Die Revisionswerberin sei trotz Aufforderung ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungsverpflichtung nicht nachgekommen. Die belangte Behörde habe daher zu Recht die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt.
9 Im Zeitpunkt des Prüfungsverfahrens sei einzig und allein die im Zuge der Umsatzsteuersonderprüfung präsentierte, einen Leistungszeitraum Juni bis Dezember 2010 umfassende Rechnung über 38.000 € vorgelegen. Das Bundesfinanzgericht vermöge weder in der aus einer knapp über einer Verdoppelung gelegenen Vervielfachung dieses Entgelts noch in der Aufteilung dieses Entgelts in steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze eine Unschlüssigkeit zu erblicken. In Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte könne nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts auch dem schätzungsweise erfolgten Ansatz von Betriebsausgaben im Ausmaß von 50% der Umsätze nicht erfolgreich entgegengetreten werden.
10 Dem Einwand der Realitätsferne der Schätzung sei zu erwidern, dass jeder Schätzung eine gewisse Ungenauigkeit immanent sei. Wer aber zur Schätzung Anlass gebe und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirke, müsse die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen.
11 Der Einwand der erklärungsgemäßen Veranlagung in den Jahren 2005 bis 2008 sowie des Jahres 2012 gehe ins Leere, da in Anbetracht dessen, dass jeder Besteuerungsabschnitt von der Abgabenbehörde gesondert zu beurteilen sei, die für die vorangeführten Jahre erlassenen Bescheide für die Streitjahre keine Präjudizwirkung zu entfalten vermöchten.
12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, es stelle sich die Frage, ob entgegen der Rechtsansicht der Behörde unter „allen Umständen“ (die im Rahmen einer Schätzung zu berücksichtigen seien) auch die festgestellten Umsätze der Vorperioden und der nachfolgenden Periode zu berücksichtigen seien und ob eine einzelne Rechnung als Grundlage für die Schätzung von drei Abgabenperioden ausreichend sei.
17 Mit diesem Vorbringen kann die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt werden.
18 Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese gemäß § 184 Abs. 1 BAO zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
19 Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent. Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (vgl. z.B. , mwN). Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei. Es ist jene Methode (allenfalls mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung des Zieles, den tatsächlichen Gegebenheiten (der tatsächlichen Besteuerungsgrundlage) möglichst nahe zu kommen, am geeignetsten erscheint (vgl. , mwN).
20 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegen auch Schätzungsergebnisse der Begründungspflicht. Die Begründung hat die für die Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zugrunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen. Die Begründung muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen (gerichtlichen) Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für die Verfahrensparteien als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. z.B. ; , Ra 2023/13/0003, mwN).
21 Dass im vorliegenden Fall die Schätzungsbefugnis im Hinblick auf das (fast) völlige Fehlen von Aufzeichnungen (Belegen) gegeben ist, ist im Revisionsverfahren unbestritten.
22 Zur Schätzungsmethode ist zu bemerken, dass eine pauschale („griffweise“) Schätzung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anerkannt ist (vgl. z.B. ; , Ra 2022/13/0057, mwN). Das Bundesfinanzgericht stützte sich - in Übernahme der Ermittlungen der Abgabenbehörde - auf die einzige im Verfahren vorgelegte Ausgangsrechnung der Revisionswerberin. Die darin verzeichneten Umsätze (38.000 €) bezogen sich auf den Leistungszeitraum Juni bis Dezember 2010. Wenn ausgehend von dieser einen Rechnung die Umsätze (sowie Einkünfte) für einen Zeitraum von einem Jahr mit insgesamt 80.000 € geschätzt werden (wovon überdies 50.000 € betreffend Umsatzsteuer als steuerfreie Grundstücksumsätze angesetzt werden; und betreffend Einkommensteuer Betriebsausgaben in Höhe von 40.000 € geschätzt werden), kann (ohne konkrete weitere Bestreitung) eine die Zulässigkeit der Revision begründende Mangelhaftigkeit der Schätzung nicht aufgezeigt werden.
23 Zutreffend ist zwar, dass im Rahmen eines inneren Betriebsvergleichs die Schätzung auch auf Ergebnissen desselben Betriebes anderer Zeiträume aufgebaut werden kann (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 184 Tz 14). Insoweit ist aber zu berücksichtigen, ob es zu erheblichen Abweichungen gegenüber diesen anderen Zeiträumen gekommen ist (vgl. ; , Ra 2023/13/0003). Die Revisionswerberin hatte im Vorlageantrag vorgebracht, dass (nach 2008) eine „Umschichtung in der Geschäftstätigkeit“ und eine zweimalige Änderung der Geschäftsführung eingetreten sei. Auch sei im Jahr 2013 die Tätigkeit „zurückgefahren“ (aber keineswegs eingestellt) worden. Im Hinblick auf dieses Vorbringen ist aber davon auszugehen, dass die in den Vorjahren (2005 bis 2008) sowie in späteren Jahren (2012 und folgende) erzielten Umsätze und Einkünfte keine zuverlässigen Schlüsse auf jene des Streitzeitraumes ermöglichen. Auch insoweit kann daher eine eine Zulässigkeit der Revision begründende Mangelhaftigkeit der Schätzung nicht aufgezeigt werden.
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024130073.L00 |
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Fundstelle(n):
NAAAF-46448