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VwGH 21.06.2024, Ra 2024/13/0064

VwGH 21.06.2024, Ra 2024/13/0064

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schultheis, über die Revision des Dkfm. L in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Halm, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1090 Wien, Berggasse 10/14, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103469/2023, betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen 2002 und 2003, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zum bisherigen Verfahrensgeschehen ist eingangs auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2023/13/0063 (in der Folge auch als Vorerkenntnis bezeichnet) zu verweisen.

2 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als nicht fristgerecht eingebracht zurück. Es sprach aus, dass gegen diesen Beschluss eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei als Kommanditist mit 96,51% an der H KG beteiligt gewesen. Aufgrund von Feststellungsmitteilungen vom zur H KG seien am 10. und gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 erlassen worden. Wegen der daraus resultierenden Nachforderungen seien jeweils am selben Tag auch Anspruchszinsen für 2002 und 2003 bescheidmäßig festgesetzt worden. Dem elektronischen Datenbestand zufolge seien die geänderten Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 sowie die Bescheide betreffend Anspruchszinsen 2002 und 2003 mit (2002) und (2003) datiert. Sie seien an den Revisionswerber adressiert und ohne Zustellnachweis versandt worden; eine Zustellvollmacht sei im Jahr 2006 nicht vorgelegen. Das Bundesfinanzgericht gehe davon aus, dass diese Bescheide dem Revisionswerber tatsächlich zugegangen seien.

4 Aufgrund eines nach einer Akteneinsicht gestellten Ersuchens des nunmehrigen steuerlichen Vertreters seien von der belangten Behörde Ausdrucke aus der Datenbank der Finanzverwaltung angefertigt und mit dem Stempelvermerk „Duplikat ausgestellt wegen Verlust des Originals + Datum “ versehen worden. Mit Eingabe vom habe der Revisionswerber Beschwerde erhoben.

5 Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Bundesfinanzgericht aus, bereits aufgrund einer Feststellungsmitteilung vom der H KG sei am ein gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeänderter Einkommensteuerbescheid 2002 erlassen und an den Revisionswerber zugestellt worden. Auf Basis des von der H KG erklärten Ergebnisses sei dem Revisionswerber ein Verlust in Höhe von rund 1 Mio. € zugewiesen worden. Die Neufestsetzung der Einkommensteuer 2002 mit Bescheid vom habe zu einer Einkommensteuergutschrift von ca. 80.000 € geführt. Dieser Bescheid sei ebenfalls ohne Zustellnachweis zugestellt worden, ein Zustellmangel sei dazu nicht behauptet worden. Dem Revisionswerber habe spätestens aus der Zustellung dieses Bescheides erkennbar gewesen sein müssen, dass die Zuweisung bzw. Änderung des Ergebnisses der H KG auch die Erlassung eines neuen Einkommensteuerbescheides gemäß § 295 BAO zur Folge habe bzw. haben könne.

6 Als Folge einer Außenprüfung der H KG im Jahr 2005/06 seien mit datierte Feststellungsbescheide für 2002 und 2003 erlassen worden. Diese Feststellungen hätten auch Auswirkungen auf den Gewinnanteil des Revisionswerbers gehabt; für die Jahre 2002 und 2003 seien ihm Einkünfte von insgesamt ca. 1,2 Mio. € zugerechnet worden.

7 Im Antrag (des Revisionswerbers, eingebracht durch seinen damaligen steuerlichen Vertreter) auf Aussetzung der Einhebung von werde auf ein Rechtsmittel verwiesen, das gegen die Feststellungsbescheide 2002 und 2003 eingebracht werde. Mit Schriftsatz vom sei auch tatsächlich Berufung gegen die Feststellungsbescheide eingebracht worden, welche mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom erledigt worden sei. Es sei daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die in der Außenprüfung getroffenen Feststellungen und die Feststellungsbescheide 2002 und 2003 vom dem Revisionswerber bekannt gewesen seien. Dem Revisionswerber habe folglich auch die Erlassung neuer gemäß § 295 BAO geänderter Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 im Februar 2006 bewusst sein müssen.

8 Die mit 10. bzw.  datierten Einkommensteuer- und Anspruchszinsenbescheide 2002 und 2003 seien mangels bestehender Zustellvollmacht an den Revisionswerber adressiert gewesen. Mit Schreiben vom habe der damalige steuerliche Vertreter namens des Revisionswerbers einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen 2002 und 2003 eingebracht. Die darin genannten Beträge hätten jeweils exakt den in den beiden Einkommensteuerbescheiden ausgewiesenen Nachforderungen und den bescheidmäßig festgesetzten Anspruchszinsen entsprochen. Den Feststellungsbescheiden 2002 und 2003 sei hingegen lediglich der auf den Revisionswerber entfallende Anteil an den Einkünften, nicht jedoch die konkrete Höhe der Einkommensteuernachforderungen zu entnehmen gewesen. Es wäre zwar denkmöglich, dass die im Antrag auf Aussetzung der Einhebung jeweils angeführten Beträge alleine durch die Buchungen am Abgabenkonto des Revisionswerbers erkannt bzw. ermittelt worden seien. Wesentlich glaubhafter sei es aber, dass bei der Formulierung des Antrags auf Aussetzung der Einhebung durch den damaligen Steuerberater der Revisionswerber um Vorlage der jeweiligen Bescheide ersucht worden sei. Wenn der damalige steuerliche Vertreter bei seiner Einvernahme am angegeben habe, betreffend die Einkommensteuerbescheide keine Angaben machen zu können, so sei dies infolge der Tatsache, dass seither 17 Jahre vergangen seien, nicht unglaubwürdig. Im Schreiben vom gebe er aber an, der Revisionswerber habe ihm bereits 2006 mitgeteilt, keine geänderten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre erhalten zu haben. Diese Aussage stehe im Widerspruch zur Zeugenaussage vom . Dass er sich ein Jahr später plötzlich an die in der Stellungnahme angeführten Details erinnern könne, bei der unter Wahrheitspflicht durchgeführten Einvernahme aber keine Angaben habe machen können, widerspreche jeglicher Lebenserfahrung und sei absolut unglaubwürdig.

9 Für die Tatsache, dass ihm die konkreten Zahlen vom Revisionswerber anhand der Abgabenbescheide bekannt gegeben worden seien, sprächen folgende Überlegungen:

10 Eine Überprüfung der Bescheide durch die steuerliche Vertretung wäre schon aufgrund der betraglichen Höhe der Nachforderungen von in Summe über 250.000 € bzw. der beantragten Aussetzungen tunlich gewesen. Aus den Buchungen am Abgabenkonto wäre aber alleine die Höhe, nicht aber der konkrete Grund der Nachforderungen ersichtlich gewesen. Ob die Nachforderungen alleine mittelbare Folge der Feststellungen der Außenprüfung der H KG und der abgeänderten Tangente gewesen seien oder gleichzeitig etwa auch die steuerliche Anerkennung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten versagt worden sei, wäre nicht über die Buchungen am Abgabenkonto, sondern nur aus den Bescheidbegründungen ersichtlich gewesen.

11 Nach Darstellung des Revisionswerbers seien die Bescheide nicht ergangen bzw. nicht zugestellt worden. Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung vom hätte dann alleine aufgrund der am Abgabenkonto erkannten Buchungen eingebracht werden müssen. Die Bescheide seien am 10. bzw.  erlassen worden, die Buchungen auf dem Abgabenkonto seien an denselben Tagen erfolgt. Die Zustellung der Bescheide sei mangels Zustellvollmacht an den Revisionswerber verfügt worden. Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung sei vom steuerlichen Vertreter bereits am eingebracht worden. Der Revisionswerber und/oder sein damaliger steuerlicher Vertreter hätten somit gerade im Zeitraum 10. Februar bis einen (zufälligen) Blick auf das Abgabenkonto des Revisionswerbers werfen müssen. In Kenntnis von den betraglich nicht unwesentlichen Buchungen/Nachforderungen und in Kenntnis von der nach Erlassung geänderter Feststellungsbescheide zwingenden Bescheidänderung gemäß § 295 BAO sei keine Urgenz der (neuerlichen) Zustellung der Bescheide erfolgt. Auch die Einbringung eines Antrags auf Aussetzung der Einhebung am (ohne irgendeinen Hinweis auf einen Zustellmangel) scheine wenig glaubhaft. Wie vom Revisionswerber in seiner Beschwerde vom vorgebracht werde, wären die am Abgabenkonto erkannten Nachforderungen im Zeitpunkt der Antragstellung am  mangels erfolgter Zustellung noch gar nicht wirksam gewesen. Eine eventuell noch folgende Zustellung der vier Bescheide sei aber nicht abgewartet worden, es sei auch weder ein Zustellmangel geltend gemacht noch eine neuerliche Zustellung der Bescheide urgiert worden. Diese Konstellation lasse es äußerst unglaubwürdig erscheinen, dass die Bescheide sich nicht bereits im Verfügungsbereich des Revisionswerbers befunden hätten, weil sich ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung erübrigt hätte, wenn die streitgegenständlichen Bescheide tatsächlich nicht ergangen wären.

12 In einem Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen 2002 und 2003 (vom ) führe der nunmehrige steuerliche Vertreter des Revisionswerbers aus, die Buchungen auf dem Finanzamtskonto stellten für den Revisionswerber das „einzige Indiz“ für die im Jahr 2006 erfolgten Zustellungen dar. Auch gerade aufgrund dieser Ausführungen des Revisionswerbers selbst („Indiz“) sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen ein Zustellmangel nicht bereits ursprünglich geltend gemacht worden sei. Die „Festsetzungen am Abgabenkonto“ seien dem Revisionswerber und seinem damaligen Vertreter bereits seit 2006 bekannt. Ein Zustellmangel sei aber erstmals im Jahr 2022 behauptet worden.

13 Dass die Erlassung der streitgegenständlichen Bescheide nur aus den Buchungen am Finanzamtskonto geschlossen worden sei, widerspreche auch den Ausführungen des damaligen steuerlichen Vertreters in seiner Stellungnahme vom , wenn dieser angebe, er habe die Steuerbeträge mit seiner Software errechnet. Die in der Stellungnahme detailliert gemachten Angaben stünden aber auch im Widerspruch zur unter Wahrheitspflicht gemachten Zeugenaussage vom . Die Unglaubwürdigkeit der Ausführungen in der Stellungnahme werde auch durch folgende Überlegung untermauert: Wenn der damalige steuerliche Vertreter bereits im Jahr 2006 vor Stellung des Antrags auf Aussetzung der Einhebung am vom Revisionswerber auf die nicht erfolgte Zustellung der Bescheide hingewiesen worden wäre, so widerspreche es jeglicher Lebenserfahrung, dass er nicht selbst die Erlassung dieser Bescheide urgiert bzw. dem Revisionswerber zu einer Urgenz geraten hätte.

14 Nach allgemeiner Lebenserfahrung wäre ein etwaiger Zustellmangel spätestens im März 2006 erkannt worden und wäre bereits damals vom Revisionswerber oder seinem damaligen steuerlichen Vertreter aufgegriffen worden (bzw. wäre im Antrag auf Aussetzung der Einhebung zumindest ein Hinweis auf einen Zustellmangel erfolgt). Eingebracht worden sei aber nur ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung, in welchem vom steuerlichen Vertreter kein Zustellmangel gerügt worden sei.

15 Mit Bescheid vom seien die Einkommensteuervorauszahlungen für 2005 und die Folgejahre mit 0 € festgesetzt worden. Am sei es aufgrund der Neufestsetzung der Einkommensteuer 2003 auch zur Neuberechnung und Neufestsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2006 gekommen. Der am erstellte Bescheid sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am selben Tag an den Zustelldienst übergeben worden wie der Einkommensteuer- und Anspruchszinsenbescheid betreffend 2003. Die Zustellung des Einkommensteuervorauszahlungsbescheides vom sei ebenfalls ohne Zustellnachweis erfolgt. In einem Schreiben des steuerlichen Vertreters vom sei die Behörde ersucht worden, die Einkommensteuervorauszahlungen 2006 aufgrund der in seinem Schreiben angeführten Prognoserechnung herabzusetzen; es sei urgiert worden, die Herabsetzung noch vor Fälligkeit der Vorauszahlung 04-06/2005 () vorzunehmen. Es wäre zwar denkmöglich, dass der Vorauszahlungsbescheid niemals zugestellt worden sei und die ab gültigen vierteljährlichen Vorauszahlungen ebenfalls alleine (zufällig) am Abgabenkonto des Revisionswerbers bemerkt worden wären. Dass die Höhe der Einkommensteuervorauszahlungen regelmäßig am Abgabenkonto überwacht würde, sei nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts jedoch unglaubwürdig. Insofern erscheine die wirksame Zustellung des Einkommensteuervorauszahlungsescheides an den Revisionswerber und dessen spätere Weiterleitung an seinen steuerlichen Vertreter wahrscheinlicher. Eine unterbliebene oder mangelhafte Zustellung des Vorauszahlungsbescheides sei nicht gerügt worden. Eine diesbezügliche Bemerkung hätte aber wohl dem Ersuchen auf rasche Herabsetzung gegebenenfalls mehr Nachdruck verliehen.

16 Dass aber nur der Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2006 vom zugegangen sei, die am selben Tag erlassenen Bescheide betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen 2003 jedoch nicht, stehe im Widerspruch zur allgemeinen Lebenserfahrung und erweise sich als äußerst unwahrscheinlich. Zudem sei auch der Begründung des Vorauszahlungsbescheides zu entnehmen, dass ein neuer Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 erlassen worden sei. Beantragt worden sei aber nur die Herabsetzung der Vorauszahlungen, ein Zustellmangel des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2003 sei nicht aufgegriffen worden.

17 Mit Schriftsatz vom werde ausgeführt, der Bescheid über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung und der Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen (jeweils vom ) wären erst am wirksam zugestellt worden. Die beiden Bescheide seien an die Kanzlei der seit 2009 zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertreterin zugstellt worden. Die Zustellung dieser Bescheide sei ebenfalls ohne Zustellnachweis erfolgt. Im Schreiben vom nehme die steuerliche Vertreterin nicht nur explizit auf die Aufhebung der Aussetzung mittels Bescheid Anfang 2019 Bezug; dem besagten Schreiben sei auch eine Kopie des Bescheides über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung samt Eingangsstempel der Kanzlei vom und die Buchungsmitteilung vom beigelegt. Ein Zustellmangel der beiden Bescheide aus 2019 betreffend Aussetzung der Einhebung werde von der damals zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertreterin nicht behauptet. Darüber hinaus sei im Schreiben der steuerlichen Vertreterin vom auf den - laut Anbringen vom angeblich niemals wirksam zugestellten - Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 verwiesen worden. Wie die steuerliche Vertreterin weiters geltend mache, sei aufgrund des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts vom in der Beschwerdesache der H KG die Verlusttangente „laut letztgültigem Bescheid 2003 vom “ zu berichtigen. Zum Schreiben vom sei auch eine Kopie des „letztgültigen“ Einkommensteuerbescheides 2003 vom übermittelt worden.

18 Unabhängig davon, wie der steuerlichen Vertreterin der Einkommensteuerbescheid 2003 zugegangen sei, werde durch den als Beilage zum Schreiben vom übermittelten Einkommensteuerbescheid 2003 jedenfalls der Nachweis erbracht, dass der Einkommensteuerbescheid 2003 mit „richtigem“ Briefkopf (damals zuständiges Finanzamt) existiere. Die Ausführungen im und die Beilagen zum Schreiben lassen den Schluss zu, dass der ab 2009 tätigen steuerlichen Vertreterin das Rechtsmittelverfahren 2002 und 2003 zur H KG, die Erlassung von gemäß § 295 BAO geänderten Einkommensteuerbescheiden 2002 und 2003, die Aussetzung der nachgeforderten Beträge und der Ablauf dieser Aussetzung bekannt gewesen seien. Ein etwaiger Zustellmangel der Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 aus 2006 wäre - sofern tatsächlich vorhanden - im oder vor dem Jahr 2019 bzw. im Zuge des Verfassens des Schreibens vom erkannt worden.

19 Wären die Bescheide vom 10. und vom tatsächlich nicht im Jahr 2006 zugestellt worden, so widerspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Zustellmangel der Bescheide nicht bereits vor dem Jahr 2022 geltend gemacht worden wäre. Die diesbezügliche Behauptung des Revisionswerbers sei daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zutreffend. Die Nachforderungen aus dem Jahr 2006 und die davon abgeleiteten Aussetzungszinsen führten im August 2021 zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Ein Zustellmangel und die sich daraus ergebende Rechtswidrigkeit gerade der konkursbegründenden Forderungen sei auch nicht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht worden. Es seien vielmehr die Forderungen der Abgabenbehörde vom Revisionswerber und seinem Vertreter in der Einvernahmetagsatzung vor dem Landesgericht anerkannt worden. Als Grund für die Nichtzahlung sei eine Zahlungsstockung angegeben worden; es sei aber nicht vorgebracht worden, dass diesen Forderungen keine rechtswirksam ergangenen Bescheide zugrunde lägen und eine Festsetzung wegen bereits eingetretener Verjährung nicht mehr erfolgen dürfe. Mit der Anerkennung der Abgabenforderung habe der Revisionswerber aber indirekt zugegeben, dass ihm die strittigen Bescheide entgegen der Behauptung seines nunmehrigen steuerlichen Vertreters sehr wohl ordnungsgemäß zugestellt worden seien.

20 Insgesamt sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sowohl die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 als auch die Anspruchszinsenbescheide 2002 und 2003 dem Revisionswerber am dritten Werktag nach Übergabe an das Zustellorgan tatsächlich im Jahr 2006 zugegangen seien.

21 Der Revisionswerber habe in der mündlichen Verhandlung eine neuerliche Befragung des ehemaligen steuerlichen Vertreters begehrt. Dieser sei bereits in einer früheren Verhandlung vernommen worden. Der nunmehrige Verfahrenshelfer des Revisionswerbers habe damals als steuerlicher Vertreter des Revisionswerbers teilgenommen und habe die Möglichkeit gehabt, den Zeugen ausführlich zu befragen. Dass er von der ihm eingeräumten Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht habe, könne nicht dem Gericht zur Last gelegt werden. Außerdem sei der Zeuge vom Gericht ersucht worden, schriftlich zu der vom Revisionswerber im Verfahrenshilfeantrag aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen. Diesem Ersuchen sei der Zeuge nachgekommen. Dass die Darstellung in der schriftlichen Stellungnahme der unter Wahrheitspflicht getätigten Aussage widersprochen habe, unterliege der Würdigung des Gerichts.

22 Da die Bundesabgabenordnung kein persönliches Befragungsrecht kenne und dieses dem Revisionswerber bzw. dessen steuerlichen Vertreter ohnehin bereits eingeräumt worden sei, sei der Antrag auf Anberaumung eines weiteren Verhandlungstermins zur neuerlichen Einvernahme des Zeugen abzuweisen gewesen.

23 Da die nunmehr angefochtenen Bescheide bereits im Jahr 2006 zugestellt worden seien, sei die im Jahr 2022 eingebrachte Beschwerde als verspätet zurückzuweisen gewesen.

24 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.

25 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

26 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

27 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

28 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, Kernfrage des Verfahrens sei, ob es jemals Originale der Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 gegeben habe; mit dieser Frage habe sich das Bundesfinanzgericht nicht beschäftigt, hiezu bestehe auch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Es stelle sich die Grundsatzfrage, inwieweit es rechtlich zulässig sei, zwar eine Indizienkette für die Zustellung von Bescheiden aufzubauen, jedoch ohne Sachverhaltsermittlung Feststellungen darüber getroffen zu haben, ob die diesbezüglichen Bescheide jemals tatsächlich vorhanden gewesen seien.

29 Das Vorbringen dazu, ob es jemals „Originale“ der hier angefochtenen Bescheide (nämlich vom damals zuständigen Finanzamt genehmigte Erledigungen, die auch das ursprüngliche Datum dieser Erledigungen trugen) gegeben habe, ist insoweit nicht verständlich, als eine steuerliche Vertreterin des Revisionswerbers mit Eingabe vom auf den „letztgültigen Bescheid 2003 vom “ verwiesen und eine Kopie dieses Bescheides der Eingabe auch beigelegt hatte. Damit ist aber die Existenz einer derartigen Erledigung evident. Dass diese Erledigung wie auch jene für das Jahr 2002 (weiters auch betreffend Anspruchszinsen 2002 und 2003) zwar ohne Zustellnachweise versandt wurden, dem Revisionswerber aber tatsächlich zugegangen sind und damit durch Zustellung an diesen wirksam erlassen wurden, wurde vom Bundesfinanzgericht umfangreich begründet. Eine Mangelhaftigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen zeigt die Revision nicht auf.

30 Der Revisionswerber macht weiters geltend, es seien folgende Rechtsfragen zu klären: 1. Sind Belastungen auf dem Steuerkonto eines Steuerpflichtigen rechtens, wenn die Grundlage, nämlich die Originalbescheide, für die Vorschreibung der Einkommensteuer der Jahre 2002 und 2003 fehlen; 2. Ist es rechtens, Anspruchszinsen für die Jahre 2002 und 2003 zu verrechnen, wenn die Bescheide, welche die Verzinsung auslösen, nicht vorhanden sind; 3. Ist es rechtens, Aussetzungszinsen zu verrechnen, wenn für die ursprüngliche Belastung der Steuerschuld keine Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 vorliegen; 4. Ist es rechtlich überhaupt möglich, Mutmaßungen über das allfällige Zugehen der Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 an den Revisionswerber rechtlich gültig vorzunehmen, wenn überhaupt nicht nachweisbar ist, dass die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 tatsächlich vom damals zuständigen Finanzamt erlassen wurden?

31 Ausgangspunkt für die Prüfung, ob eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist der festgestellte Sachverhalt. Entfernt sich der Revisionswerber bei der Darlegung der Zulässigkeit seiner Revision von diesem Sachverhalt, ohne weitere Gründe im Sinn des § 41 VwGG - wiederum als Ausfluss einer unrichtigen Beantwortung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung - zu relevieren, liegt schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. , mwN). Die zur Zulässigkeit der Revision formulierten Fragen gehen nicht von dem vom Bundesfinanzgericht angenommenen Sachverhalt aus. Sie sind daher schon aus diesem Grund nicht geeignet sind, eine Rechtsfrage aufzuzeigen, von der die Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge.

32 Schließlich macht der Revisionswerber geltend, das Bundesfinanzgericht habe grob gegen den Grundsatz des Parteiengehörs verstoßen, weil es ihm nicht ermöglicht habe, ergänzende Fragen zu der erst am zur Kenntnis gebrachten schriftlichen Zeugenaussage zu stellen, indem in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom der Antrag des Revisionswerbers auf Anberaumung eines weiteren Verhandlungstermins zwecks ergänzender Einvernahme des Zeugen abgewiesen worden sei.

33 Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass dem Revisionswerber - wie aus dem Verfahrensakt hervorgeht - die schriftliche Zeugenaussage übermittelt wurde und dieser insbesondere in der Beschwerdeverhandlung vom hiezu Stellung nehmen konnte. Betreffend Abweisung des Antrags auf ergänzende Einvernahme des Zeugen ist zu bemerken, dass der Revisionswerber insoweit einen Verfahrensfehler geltend macht. Werden aber Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentlichste zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. z.B. ; , Ra 2023/13/0053, je mwN). Derartige Darlegungen können dem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision nicht entnommen werden.

34 Wenn in der Revision weiters geltend gemacht wird, der angefochtene Beschluss sei schon deswegen mit einem gravierenden rechtlichen Mangel behaftet, weil er nicht darauf Bezug nehme, dass auch gegen den Bescheid über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung () Beschwerde erhoben worden sei, ist - wie schon im Vorerkenntnis (vgl. dort Rz 25) - darauf zu verweisen, dass die Entscheidung insoweit trennbar ist; eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung wird damit nicht begründet.

35 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024130064.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAF-46443