VwGH 03.04.2024, Ra 2024/13/0023
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Eine Haftungsinanspruchnahme setzt voraus, daß die rückständigen Abgaben uneinbringlich wurden und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen ist. Die Heranziehung des Vertreters zur Haftung hat weiters zur Voraussetzung, daß zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und der Uneinbringlichkeit der Forderung ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang besteht, wenn der Vertreter bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeit Mittel für die Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung der Zahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung hatte und nicht, wenn auch nur anteilig, für die Abgabentilgung Sorge getragen hat (Hinweis E , 92/17/0042). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 95/16/0155 E RS 1 (hier ohne den ersten Satz und ohne den Einschub im letzten Satz) |
Normen | |
RS 2 | Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters, den Betrag der bei Gläubigergleichbehandlung zu entrichtenden Abgaben und zur Errechnung einer entsprechenden Quote nachzuweisen, bedeutet nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Vertreter der Gesellschaft nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Vertreter abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0039). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2011/16/0187 E RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des R H in W, vertreten durch Mag. Simon Häussler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/32, der gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7400082/2023, betreffend Haftung für Kommunalsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH [verstärkter Senat] , VwSlg. 10.381/A), dass der Revisionswerber - unabhängig vom notwendigen Fehlen eines zwingenden öffentlichen Interesses - in seinem Aufschiebungsantrag zu konkretisieren hat, worin für ihn ein unverhältnismäßiger Nachteil gelegen wäre. Es ist also erforderlich, dass im Antrag konkret dargelegt wird, aus welchen Umständen sich der behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt. Folglich hat der Revisionswerber den ihm drohenden unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteil durch nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen auf dem Boden seiner gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse darzustellen. Erst eine solche ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung.
3 Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kommt - nach dem vorstehend Gesagten - nur zur Abwendung eines unverhältnismäßigen Nachteils in Betracht. Ein Nachteil, der im Falle des Prozesserfolges vor dem Verwaltungsgerichtshof ohne weiteres in Geld ausgeglichen werden kann, ist - vor dem Hintergrund der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, die einstweilige Vollstreckung von Bescheiden während des Beschwerdeverfahrens im Prinzip zuzulassen - nicht unverhältnismäßig.
4 Bei Abwägung der berührten Interessen fällt einerseits das Vollzugsinteresse der vor dem Bundesfinanzgericht belangten Behörde, ebenso aber - was das Einkommen der antragstellenden Partei betrifft - der auf Grund der §§ 290 ff, insbesondere § 291a EO, ohnehin gewährleistete Pfändungsschutz („Existenzminimum“) entscheidend ins Gewicht. Es kann § 30 Abs. 2 VwGG keine weiterreichende Schutzabsicht entnommen werden, als in dieser Hinsicht durch die genannten exekutionsrechtlichen Bestimmungen ohnehin gewährleistet ist. Soweit daher die Forderung im Wege einer Forderungsexekution eingebracht oder sonst exekutivpfandrechtlich sichergestellt werden könnte, lässt das Ergebnis der Interessensabwägung im Allgemeinen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zu.
5 Dem Antrag war daher keine Folge zu geben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic-Marinkovic, über die Revision des H in W, vertreten durch Mag. Simon Häussler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/32, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7400082/2023, betreffend Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom wurde der Revisionswerber als ehemaliger Geschäftsführer der P GmbH gemäß § 6a Abs. 1 KommStG und § 6a WDAG als Haftungspflichtiger für deren Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt 8.821,30 € (näher aufgeschlüsselt betreffend Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe 2019 bis 2021) in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.
2 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und machte sowohl Einwendungen gegen den Abgabenanspruch als auch gegen die Heranziehung zur Haftung geltend.
3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies der Magistrat der Stadt Wien die Beschwerde als unbegründet ab. Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
4 Mit Erkenntnis vom gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde insoweit statt, als die Haftung auf die Jahre 2020 und 2021 eingeschränkt wurde.
5 Begründend führte das Bundesfinanzgericht, soweit für das Revisionsverfahren relevant, aus, die offenen Abgabenschuldigkeiten seien bei der P GmbH als Primärschuldnerin aufgrund der Löschung im Firmenbuch im August 2022 nicht mehr einbringlich zu machen. Der Revisionswerber habe ab dem bis zur Konkurseröffnung im Juni 2021 als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin fungiert. Eine schuldhafte Pflichtverletzung liege jeweils in der Nichtentrichtung einer monatlich selbst zu bemessenden Abgabe (Kommunalsteuer bzw. Dienstgeberabgabe) bei deren Fälligkeit am 15. des nächstfolgenden Monats. Dem Revisionswerber sei es nicht gelungen, eine Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen, zumal er zugestanden habe, seine Dienstnehmer bezahlt zu haben.
6 Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wendet sich die nunmehr vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Gemäß § 80 Abs. 1 zweiter Satz BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
11 Gemäß § 6a Abs. 1 des Kommunalsteuergesetzes 1993 - KommStG haften die in §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
12 Ebenso haften gemäß § 6a Abs. 1 Wiener Dienstgeberabgabegesetz (WDAG) die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Für die Haftung nach § 6a KommStG und nach § 6a des Wiener Landesgesetzes über die Dienstgeberabgabe gilt nichts anderes (vgl. ).
14 Die Heranziehung des Vertreters zur Haftung erfordert, dass zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und der Uneinbringlichkeit der Forderung ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang besteht, wenn der Vertreter bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeit Mittel für die Bezahlung zur Verfügung hatte und nicht, wenn auch nur anteilig, für die Abgabentilgung Sorge getragen hat (vgl. , mwN).
15 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes und der eigenen Aussage des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung standen finanzielle Mittel zur - zumindest anteiligen - Befriedigung der Abgabenforderungen zur Verfügung. Dies ergibt sich daraus, dass im streitgegenständlichen Zeitraum die Dienstnehmer des Unternehmens bezahlt wurden, während Abgabenforderungen nicht - auch nicht anteilig - beglichen wurden. Damit hat der Revisionswerber den Abgabengläubiger benachteiligt (vgl. ).
16 Mit dem Vorbringen, dass den Revisionswerber an der Uneinbringlichkeit keine Schuld treffe, weil das Unternehmen bereits im Jahr 2019 in wirtschaftlicher Schieflage gewesen sei, zeigt er daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.
17 Weiters macht die Revision die Verletzung von Ermittlungspflichten geltend und verweist darauf, dass der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren schlüssig dargelegt habe, dass er keineVerantwortung an der Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen trage. Vielmehr hätte die Behörde weitere Ermittlungsschritte setzen müssen, statt dem Revisionswerber den Negativbeweis aufzuerlegen.
18 Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel (vgl. ).
19 Der Revisionswerber hat im Beschwerdeverfahren lediglich vorgetragen, dass er nicht mehr Vertreter der Gesellschaft sei und ihm deshalb die Beschaffungsmöglichkeit von Firmenunterlagen fehle. Solche Ausführungen sind nicht dazu geeignet, die schuldhafte Pflichtverletzung und in weiterer Folge die Ursächlichkeit für die Uneinbringlichkeit zu entkräften. Vielmehr obliegt es dem Vertreter, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen, wenn fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichtet werden (vgl. , mwN).
20 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters, den Betrag der bei Gläubigergleichbehandlung zu entrichtenden Abgaben und zur Errechnung einer entsprechenden Quote nachzuweisen, nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre; entspricht der Vertreter der Gesellschaft nämlich seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Vertreter abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. ).
21 Konkrete Angaben zu liquiden Mitteln, bestehenden Verbindlichkeiten und die an andere Gläubiger ausbezahlten Beträge behauptete der Revisionswerber nicht. Ebenso wenig legte er Unterlagen vor, aus denen diese Daten ersichtlich gewesen wären. In einem solchen Fall kann es nicht als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung angesehen werden, wenn das Bundesfinanzgericht keine weiteren Ermittlungsschritte getätigt hat.
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024130023.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAF-46434