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VwGH 03.09.2024, Ra 2024/13/0018

VwGH 03.09.2024, Ra 2024/13/0018

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BAO §201
BAO §202
BAO §80 Abs1
BAO §9 Abs1
DienstgeberabgabeG Wr §6 Abs1
DienstgeberabgabeG Wr §6a Abs1
KommStG 1993 §11 Abs2
KommStG 1993 §6a Abs1
RS 1
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2013/16/0208 E RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic-Marinkovic, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien in 1010 Wien, Ebendorferstraße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7400082/2023, betreffend Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe (mitbeteiligte Partei: H in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang hinsichtlich des Zeitraums 07 bis 12/2019 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom wurde die mitbeteiligte Partei als ehemaliger Geschäftsführer der P GmbH gemäß § 6a Abs. 1 KommStG und § 6a Abs. 1 WDAG als Haftungspflichtige für deren Abgabenschuldigkeiten an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe u.a. für 2019 in Höhe von insgesamt 8.821,30 € in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.

2 In der Begründung führte der Magistrat der Stadt Wien aus, mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Juni 2021 sei über das Vermögen der P GmbH ein Konkursverfahren eröffnet worden. Infolge Vermögenslosigkeit sei die P GmbH aus dem Firmenbuch gelöscht worden. Der Mitbeteiligte sei bis zur Löschung im Firmenbuch als Geschäftsführer eingetragen gewesen und habe weder die Bezahlung der offenen Abgabenschulden veranlasst, noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Er habe somit die ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten verletzt und sei für den Rückstand haftbar, weil dieser bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden könne.

3 Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und machte sowohl Einwendungen gegen den Abgabenanspruch als auch gegen die Heranziehung zur Haftung geltend.

4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies der Magistrat der Stadt Wien die Beschwerde als unbegründet ab. Der Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

5 Mit Erkenntnis vom gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde insoweit statt, als die Haftung auf die Jahre 2020 und 2021 eingeschränkt wurde.

6 Begründend führte das Bundesfinanzgericht, soweit für die Revision relevant, aus, die offenen Abgabenschulden seien bei der P GmbH als Primärschuldnerin aufgrund der Löschung im Firmenbuch nicht mehr einbringlich zu machen. Der Mitbeteiligte habe ab dem bis zur Konkurseröffnung als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin fungiert. Ihm sei es oblegen, für die Entrichtung der im Zeitraum seiner Geschäftsführung fällig gewordenen Abgaben bzw. die zum Antritt seiner Geschäftsführung fällig gewesenen und bisher nicht entrichteten Abgaben Sorge zu tragen. Im Zuge einer Kommunalsteuerprüfung durch die Österreichische Gesundheitskasse am sei festgestellt worden, dass die am abgegebene Jahreserklärung für das Jahr 2019 unrichtig gewesen sei. Mit Bescheid vom sei die Kommunalsteuer 2019 in der Höhe von € 10.072,67 festgesetzt worden. Ergäben sich auf Grund von Prüfungsmaßnahmen Nachforderungsbeträge für Zeiträume, bei deren Fälligkeit ein Geschäftsführer noch nicht zur Entrichtung der Abgaben berufen gewesen sei, so treffe ihn die Zahlungsverpflichtung jedenfalls ab Kenntnis des Nachforderungsbetrages.

7 Der Mitbeteiligte sei bei Fälligkeit der Abgabennachforderungen der Monate 07-12/2019 noch nicht Geschäftsführer gewesen. Es handle sich um Berechnungsfehler, die zu Nachforderungen in einzelnen Monaten des Jahres 2019 geführt hätten und dem Mitbeteiligten somit nicht anzulasten seien. Er habe erst zu einem Zeitpunkt von den Nachforderungen Kenntnis erlangt, als die Gesellschaft bereits in Konkurs gewesen sei, weshalb ihn auch bei Festsetzung der Abgaben keine Entrichtungsverpflichtung getroffen habe. Der Beschwerde sei daher hinsichtlich des Jahres 2019 stattzugeben.

8 Dagegen wendet sich die Amtsrevision hinsichtlich des Zeitraumes 07 bis 12/2019, die zu ihrer Zulässigkeit Aktenwidrigkeit geltend macht. Die Feststellung des Bundesfinanzgerichts, wonach es aufgrund eines Berechnungsfehlers zu Nachforderungen für einzelne Monate des Jahres 2019 gekommen sei, sei unrichtig und aktenwidrig. Die Bemessungsgrundlage der Kommunalsteuer und somit auch die Abgabenforderung habe sich nicht erhöht, sondern nachträglich reduziert. Obwohl für die Kommunalsteuer und die Dienstgeberabgabe Jahreserklärungen für 2019 im Jahr 2020 eingereicht worden seien, seien die Abgaben nicht entrichtet worden. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Jahreserklärung für 2019 im Jahr 2020 sei die mitbeteiligte Partei jedoch bereits Geschäftsführer gewesen, weshalb sie bereits zu diesem Zeitpunkt - und nicht erst zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung - Kenntnis von den Abgabennachforderungen gehabt habe.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:

10 Die Revision ist zulässig und begründet.

11 Gemäß § 6a Abs. 1 Kommunalsteuergesetz 1993 (KommStG) haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.

12 Gemäß § 6a Abs. 1 Wiener Dienstgeberabgabegesetz haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.

13 Die Kommunalsteuer ist gemäß § 11 Abs. 2 KommStG vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten. Auch die Dienstgeberabgabe ist vom Abgabepflichtigen bis zum 15. Tag des darauffolgenden Monats zu entrichten (§ 6 Abs. 1 Wiener Dienstgeberabgabegesetz).

14 Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre (vgl. , mwN).

15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich ein Geschäftsführer bei Übernahme seiner Funktion auch darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist, weil die Pflicht der Gesellschaft zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung endet. Die Gesellschaft bleibt verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen, und zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist der Geschäftsführer der Gesellschaft verhalten (vgl. etwa ; , 2013/16/0208, mwN).

16 Im Zeitpunkt des Antritts der Geschäftsführertätigkeit der mitbeteiligten Partei waren sowohl die Kommunalsteuer als auch die Dienstgeberabgabe für die Monate 07-12/2019 bereits fällig.

17 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts wurde die Steuererklärung für das Jahr 2019 am abgegeben, somit bereits als der Mitbeteiligte Geschäftsführer der P GmbH gewesen war.

18 Die Amtsrevision bringt vor, dass sich aus der Jahreserklärung 2019 eine Kommunalsteuerschuld in Höhe von 10.150,98 € ergeben habe. Aufgrund einer Prüfung sei ein Berechnungsfehler erkannt und die Kommunalsteuer 2019 mit Bescheid vom  mit 10.072,67 € festgesetzt worden. Der Betrag habe sich daher reduziert. Die Kommunalsteuerrückstände im Jahr 2019 würden daraus resultieren, dass der in der Kommunalsteuererklärung 2019 erklärte und dem Mitbeteiligten bekannte Steuerbetrag nicht vollständig entrichtet worden sei.

19 Dieses Vorbringen des Revisionswerbers findet im Haftungsbescheid - der vom Bundesfinanzgericht im Verfahrensgang auch wiedergeben wurde - sowie in den im Akt einliegenden Unterlagen Deckung. Die Annahme des Bundesfinanzgerichts, dass der Mitbeteiligte erst durch den Bescheid vom von den Abgabenrückständen erfahren habe, ist somit unbegründet.

20 Nach der vorstehend angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Bundesfinanzgericht daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die nicht entrichteten Abgabenschulden des Jahres 2019 schon grundsätzlich keine Haftung bestehen könne.

21 Das Bundesfinanzgericht hat das angefochtene Erkenntnis mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG im angefochtenen Umfang aufzuheben war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §201
BAO §202
BAO §80 Abs1
BAO §9 Abs1
DienstgeberabgabeG Wr §6 Abs1
DienstgeberabgabeG Wr §6a Abs1
KommStG 1993 §11 Abs2
KommStG 1993 §6a Abs1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024130018.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAF-46431