VwGH 13.05.2024, Ra 2024/09/0014
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Die Erläuterungen (1077 Blg. NR 24. GP, RV, S 12) zum Erfordernis einer "einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung" des § 12a Z. 1 AuslBG führen dazu aus: "Es können somit nur Fachkräfte zugelassen werden, die eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem solchen Mangelberuf nachweisen, die einem Lehrabschluss vergleichbar ist. Als abgeschlossene Berufsausbildung gilt auch der erfolgreiche Abschluss einer schulischen Ausbildung, die dem Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule (BHS) in Österreich entspricht. Dementsprechend hoch ist die Qualifikation auch im Kriterienkatalog der Anlage B bewertet." Die belangte Behörde ist daher mit ihrem in der Gegenschrift geäußerten Einwand im Recht, dass der Gesetzgeber als Mindestanforderung für eine abgeschlossene Berufsausbildung einen österreichischen Lehrabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung vorsieht. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2012/09/0068 E VwSlg 18558 A/2013 RS 1 (hier ohne den letzten Satz) |
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RS 2 | Der Gesetzgeber sieht einen österreichischen Lehrabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung als Mindestanforderung für eine abgeschlossene Berufsausbildung vor (vgl. , VwSlg. 18558 A). Die abgeschlossene Berufsausbildung in einem Mangelberuf muss einem Lehrabschluss aber nur vergleichbar sein (vgl. ; ; siehe auch ErläutRV 1077 BlgNR 24 GP, 12). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2021/09/0245 E RS 2 (hier nur der erste Satz)
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RS 3 | Die Bestimmungen des § 12a AuslBG (Fachkräfte in Mangelberufen) sind mit jenen des § 12b Z 1 AuslBG (sonstige Schlüsselkräfte) in Bezug auf die Anforderungen an die Qualifikation miteinander nicht vergleichbar. Während § 12a AuslBG in seiner Z 1 ausdrücklich auf eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung abstellt, ist eine solche Regelung § 12b Z 1 AuslBG fremd. In der zuletzt genannten Norm sind ausbildungsrelevante Umstände ausschließlich im Rahmen der in Anlage C angeführten Kriterien bei der Ermittlung der Mindestpunktezahl (allenfalls) zu berücksichtigen (). Anlage C zu § 12b Z 1 AuslBG schränkt die zu berücksichtigende Qualifikation nicht auf eine abgeschlossene Berufsausbildung ein, sondern sieht eine gleichrangige Berücksichtigung "spezielle[r] Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung" vor. Der Umstand, dass ein Antragsteller nach einer dreijährigen Berufstätigkeit auch ohne formellen Berufsabschluss eine Qualifikation erlangt hat, die einem Lehrabschluss gleichkommt und er danach befähigt war, als Facharbeiter zu arbeiten und dies auch tat, könnte allenfalls als "spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung" im Sinn der Beilage C Berücksichtigung finden. Eine abgeschlossene Berufsausbildung nach § 12a Z 1 AuslBG bedeutet dies jedoch nicht. Auch wenn die in § 12a Z 1 AuslBG geforderte abgeschlossene Berufsausbildung einem österreichischen Lehrabschluss nur vergleichbar sein muss, erfordert die Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung eine (formell) abgeschlossene Ausbildung in diesem Mangelberuf. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Rieder, über die außerordentliche Revision der Regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Mistelbach gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , W151 2278052-1/7E und W151 2278053-1/7E, betreffend Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. A GmbH & Co KG in B, und 2. C D in E, beide vertreten durch Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 89a/34), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Antrag vom begehrte der im Jahr 1983 geborene Zweitmitbeteiligte, ein serbischer Staatsangehöriger, die Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot - Karte“ gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) als Fachkraft in einem Mangelberuf nach § 12a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für eine Beschäftigung bei der erstmitbeteiligten Partei als „Maler, Anstreicher, Trockenbauarbeiter“.
2 Die gemäß § 20d Abs. 1 AuslBG örtlich zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde, nun revisionswerbende Partei) versagte mit Bescheid vom die Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf nach § 12a AuslBG im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Erstmitbeteiligte bei einer erforderlichen Mindestpunkteanzahl von 55 nur 20 Punkte erreiche und Nachweise über eine konkrete Berufsausbildung im beantragten Beruf nicht vorlägen.
3 Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerde und gegen die diese abweisende Beschwerdevorentscheidung vom stellten sie einen Vorlageantrag.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Bundesverwaltungsgericht diese Entscheidung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung gemäß § 20d Abs. 1 AuslBG an die belangte Behörde zurück.
Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.
5 Das Verwaltungsgericht ging in seiner Begründung davon aus, dass dem Zweitmitbeteiligten zehn Punkte für sein Alter (bis 40 Jahre bei Antragstellung) und jeweils fünf Punkte für seine Sprachkenntnisse in Deutsch (A1) bzw. Serbisch anzurechnen seien.
6 Zum Nachweis seiner Qualifikation habe er ein Diplom über die abgelegte Maturaprüfung eines Gymnasiums „Naturmathematische Richtung“ 2002, die Bescheinigung über den Abschluss eines Berufskollegs für Kriminologie und Sicherheit 2011, jeweils in Serbien, und das Fachgesprächsgutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen über den Nachweis der Kenntnisse und Erfahrung (individuelle Befähigung) als „Stuckateur und Trockenausbauer“ - eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, sowie der Unternehmensführung vom vorgelegt.
7 Nach der Bestätigung eines Unternehmens vom habe er für dieses von 2020 bis 2022 auf selbständiger Basis diverse „Klein- und Mittelprojekte“ erledigt und er sei im Hinblick auf ein Empfehlungsschreiben vom für das dort genannte Unternehmen von 2014 bis 2019 tätig gewesen.
8 Nach Darlegung der maßgeblichen Rechtslage bejahte das Verwaltungsgericht zusammengefasst in der Sache rechtlich zunächst das Vorliegen eines Mangelberufs im Sinn der Fachkräfteverordnung 2022. Gemäß § 12a Z 1 AuslBG sei es unabhängig vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen erforderlich, dass der Zweitmitbeteiligte eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung im beantragten Mangelberuf nachweisen könne. Dabei habe es sich um einen österreichischen Lehrabschluss oder eine diesem vergleichbare Ausbildung wie dem Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule oder eines facheinschlägigen Hochschulstudiums zu handeln. Sowohl nach der Maler/in und Beschichtungstechniker/in-Ausbildungsordnung, BGBl. II Nr. 181/2012, wie nach der Stuckateur/in und Trockenausbauer/in-Ausbildungsordnung, BGBl. II Nr. 127/2015, betrage die Lehrzeit für den Lehrberuf jeweils drei Jahre.
9 Die belangte Behörde habe das Fachgesprächsgutachten nicht als Nachweis einer abgeschlossenen Berufsausbildung gewertet und deshalb weder für eine abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf noch für eine ausbildungsadäquate Berufserfahrung Punkte vergeben. Der Verwaltungsgerichtshof habe jedoch mit Erkenntnis vom , Ra 2020/09/0046, klargestellt, dass - unabhängig davon, ob ein formeller Lehrabschluss erlangt worden sei - auch eine dreijährige einschlägige Berufstätigkeit eine einem Lehrabschluss vergleichbare Ausbildung darstellen könne, sofern der Antragsteller nach der „Lehrzeit“ befähigt gewesen sei, als Facharbeiter zu arbeiten und dies auch getan habe. Es komme daher darauf an, ob der Antragsteller nach seiner „Lehrzeit“ - unabhängig davon, ob er einen formellen Lehrabschluss erlangt habe - befähigt gewesen sei, als Fachkraft zu arbeiten und dies auch getan habe. In diesem Fall wäre einerseits die Berufstätigkeit nach Abschluss der „Lehrzeit“ von drei Jahren als ausbildungsadäquate Berufstätigkeit zu werten und auch die Qualifikation nach dem Punkteschema zu berücksichtigen.
10 Der Zweitmitbeteiligte habe Nachweise vorgelegt, denen zufolge er zwei mehrjährige einschlägige berufliche Tätigkeiten, nämlich einerseits von 2014 bis 2019 und andererseits von 2020 bis 2022 ausgeübt habe. Die belangte Behörde habe sich jedoch nicht mit der Frage auseinandergesetzt und daher keine Ermittlungen dazu angestellt, ob der Zweitmitbeteiligte aufgrund dieser beruflichen Tätigkeit eine dreijährige einschlägige Berufstätigkeit („Lehrzeit“) absolviert habe, welche ihn im Sinn der oben zitierten Judikatur befähigt habe, als Facharbeiter zu arbeiten. Die belangte Behörde habe sich auch nicht mit dem Inhalt des vorgelegten Fachgesprächsgutachtens und den darin spezifizierten fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten des Zweitmitbeteiligten auseinandergesetzt und hiezu auch keine weiteren Ermittlungen durchgeführt.
11 Da die belangte Behörde den Prüfungsmaßstab betreffend das Vorliegen einer „einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung“ völlig außer Acht gelassen habe, sei nicht nur vom Fehlen jeglicher erforderlicher Ermittlungstätigkeit oder einer nur ansatzweisen Ermittlung des notwendigen Sachverhalts, sondern sogar von einer bewussten Delegierung der Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht auszugehen.
12 Die belangte Behörde werde sich im fortgesetzten Verfahren mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob der Zweitmitbeteiligte im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten - ungeachtet dessen, dass er keine formelle Berufsausbildung absolviert habe - die Befähigung erlangt habe, auf dem Niveau einer Fachkraft als Stuckateur bzw. Maler/Anstreicher zu arbeiten und in seiner solchen Position auch tatsächlich eingesetzt würde. Hiezu seien die vorgelegten Nachweise, insbesondere das Fachgesprächsgutachten zu würdigen und im Zweifelsfall eine Einvernahme des Sachverständigen durchzuführen und dessen Einschätzung dem zu ermittelnden Sachverhalt zugrunde zu legen. Weiters seien die nach Monaten zu bemessenden Zeiträume zu erheben, in welchen der Zweitmitbeteiligte eine solche Befähigung erworben habe, gegebenenfalls eine Ausbildung, sowie seine allenfalls daran anschließende Berufserfahrung in Serbien und Österreich auch bei der Punktevergabe gemäß der Anlage B zum Ausländerbeschäftigungsgesetz zu berücksichtigen.
13 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
14 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Deren Zulässigkeit im Sinn des Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG wird in dieser im Wesentlichen in einem Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erblickt, weil das vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Erkenntnis () in einem Verfahren betreffend die Zulassung als „Sonstige Schlüsselkraft“ nach § 12b Z 1 AuslBG ergangen sei. Hier sei die Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf nach § 12a AuslBG gegenständlich. Diese erfordere nach § 12a Abs. 1 Z 1 AuslBG eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung, während die erstgenannte Zulassung dieses Mindesterfordernis nicht enthalte.
15 In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren wurde eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
16 Die Revision ist aus den aufgezeigten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet.
17 Hat das Verwaltungsgericht den verwaltungsbehördlichen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückverwiesen, so kann ein solcher Beschluss eine Rechtsverletzung dadurch bewirken, dass das Verwaltungsgericht entweder von der Regelung des § 28 Abs. 3 VwGVG zu Unrecht Gebrauch gemacht und keine Sachentscheidung getroffen hat oder von einer für die betroffene Partei nachteiligen, jedoch für das weitere Verfahren bindenden unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist (vgl. , mwN).
18 Im vorliegenden Fall macht die revisionswerbende Partei geltend, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen wäre, indem es die maßgeblichen Zulassungskriterien verkannt habe.
19 Zur Beantwortung dieser entscheidungsrelevanten Frage sind zunächst die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen in Blick zu nehmen.
20 § 12a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, in der hier noch maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 25/2011, und Anlage B in der Fassung BGBl. I Nr. 43/2023, lauteten:
„Fachkräfte in Mangelberufen
§ 12a. Ausländer werden in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie
1. eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,
2. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,
3. für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und
sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt.“
„Anlage B
Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a
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Kriterien | Punkte |
Qualifikation | maximal anrechenbare Punkte: 30 |
abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf | 30 |
ausbildungsadäquate Berufserfahrung | maximal anrechenbare Punkte: 20 |
Berufserfahrung (pro Halbjahr)Berufserfahrung in Österreich (pro Halbjahr) | 12 |
Sprachkenntnisse | maximal anrechenbare Punkte: 25 |
Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A1)Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A2)Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1) | 51015 |
Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A2)Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1) | 510 |
Französischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1) | 5 |
Spanischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1) | 5 |
Bosnisch-, Kroatisch- oder Serbischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B1) | 5 |
Alter | maximal anrechenbare Punkte: 15 |
bis 30 Jahrebis 40 Jahrebis 50 Jahre | 15105 |
Summe der maximal anrechenbaren PunkteZusatzpunkte für Englischkenntnisse, sofern die vorherrschende Unternehmenssprache Englisch ist | 905 |
erforderliche Mindestpunkteanzahl | 55“ |
21 Demgegenüber lautet § 12b AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 106/2022 (auszugsweise):
„Sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen
§ 12b. Ausländer werden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie
1. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, oder
2. ...
und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. ...“
22 Anlage C lautet (auszugsweise):
„Anlage C
Zulassungskriterien für sonstige Schlüsselkräfte gemäß § 12b Z 1
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Kriterien | Punkte |
Qualifikation | maximal anrechenbare Punkte: 30 |
abgeschlossene Berufsausbildung oder spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung | 20 |
allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120 | 25 |
Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer | 30 |
... | ...“ |
23 Im vorliegenden Fall wurde eine Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf nach § 12a AuslBG beantragt. Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die angestrebte Beschäftigung in einem Mangelberuf erfolgen soll.
24 Vollkommen zutreffend hat das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zunächst noch die Materialien zum Erfordernis einer „einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung“ des mit BGBl. I Nr. 25/2011 geschaffenen § 12a Z 1 AuslBG (ErläutRV 1077 BlgNR 24. GP 12) zitiert:
„Es können somit nur Fachkräfte zugelassen werden, die eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem solchen Mangelberuf nachweisen, die einem Lehrabschluss vergleichbar ist. Als abgeschlossene Berufsausbildung gilt auch der erfolgreiche Abschluss einer schulischen Ausbildung, die dem Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule (BHS) in Österreich entspricht. Dementsprechend hoch ist die Qualifikation auch im Kriterienkatalog der Anlage B bewertet.“
25 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung demzufolge bereits wiederholt festgehalten, dass der Gesetzgeber als Mindestanforderung für eine abgeschlossene Berufsausbildung einen österreichischen Lehrabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung vorsieht (vgl. , VwSlg. 18558 A; ebenso zum Erfordernis einer abgeschlossenen Berufsausbildung , Rn. 17; , Ra 2020/09/0059, Rn. 14, mwN; , Ra 2021/09/0245, Rn. 14).
26 Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur aber auch bereits ausdrücklich ausgesprochen, dass die Bestimmungen des § 12a AuslBG (Fachkräfte in Mangelberufen) mit jenen des § 12b Z 1 AuslBG (sonstige Schlüsselkräfte) in Bezug auf die Anforderungen an die Qualifikation miteinander nicht vergleichbar sind. Während § 12a AuslBG in seiner Z 1 ausdrücklich auf eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung abstellt, ist eine solche Regelung § 12b Z 1 AuslBG fremd. In der zuletzt genannten Norm sind ausbildungsrelevante Umstände ausschließlich im Rahmen der in Anlage C angeführten Kriterien bei der Ermittlung der Mindestpunktezahl (allenfalls) zu berücksichtigen (). Anlage C zu § 12b Z 1 AuslBG schränkt die zu berücksichtigende Qualifikation dabei nicht auf eine abgeschlossene Berufsausbildung ein, sondern sieht eine gleichrangige Berücksichtigung „spezielle[r] Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung“ vor.
27 Das vom Verwaltungsgericht zur Begründung der Aufhebung und Zurückverweisung herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/09/0046, ist nach dem Gesagten schon deshalb nicht einschlägig, weil dort über eine Zulassung als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG zu entscheiden war. Auf einen formellen Abschluss der Berufsausbildung - nach der dort überdies ausdrücklich vorgebrachten dreijährigen Lehrzeit - kam es daher nicht entscheidungswesentlich an.
28 Demgegenüber wurde bereits in dem zu § 12a AuslBG ergangenen Erkenntnis vom , Ra 2020/09/0027, der formelle Abschluss (Diplom einer Schule) nach einer dualen Ausbildung hervorgehoben (siehe auch dazu , Rn. 17).
29 Das Verwaltungsgericht verkannte daher die Rechtslage, wenn es meinte, dass darauf abzustellen gewesen wäre, ob der Zweitmitbeteiligte nach einer dreijährigen Berufstätigkeit auch ohne formellen Berufsabschluss eine Qualifikation erlangt habe, die einem Lehrabschluss gleichkomme und er danach befähigt war als Facharbeiter zu arbeiten und dies auch tat. Ein solcher Umstand könnte allenfalls als „spezielle Kenntnisse oder Fertigkeiten in beabsichtigter Beschäftigung“ im Sinn der Beilage C Berücksichtigung finden. Eine abgeschlossene Berufsausbildung nach § 12a Z 1 AuslBG bedeutete dies jedoch nicht. Auch wenn die in § 12a Z 1 AuslBG geforderte abgeschlossene Berufsausbildung einem österreichischen Lehrabschluss nur vergleichbar sein muss, erfordert die Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung eine (formell) abgeschlossene Ausbildung in diesem Mangelberuf.
30 Im vorliegenden Fall haben die mitbeteiligten Parteien eine vom Verwaltungsgericht angenommene „Ausbildung“ (anders als in dem zu § 12b Z 1 AuslBG ergangenen Erkenntnis ) zudem gar nicht konkret vorgebracht. So wurde in der Beschwerde unter diesem Gesichtspunkt lediglich ausgeführt, dass der Zweitmitbeteiligte „über jahrelange Erfahrung im ausgewählten Beruf“ verfüge und „seine Kenntnis jedenfalls den Kenntnissen nach Abschluss einer Lehrerausbildung (sic!) in Österreich“ entsprächen.
31 Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen legte der Zweitmitbeteiligte zum Nachweis seiner Qualifikation das Maturazeugnis eines (Naturmathematischen) Gymnasiums und die Bescheinigung über den Abschluss eines Berufskollegs für Kriminologie und Sicherheit vor. Beides stellt zweifelsfrei keinen Nachweis über den Abschluss einer Berufsausbildung im angestrebten Mangelberuf „Maler, Anstreicher, Trockenbauer“ dar.
32 Auch das „Fachgesprächsgutachten“ über den Nachweis der Kenntnisse und Erfahrungen als „Stuckateur und Trockenbauer“ stellt keinen Ausweis über den Abschluss einer Berufsausbildung dar. Die dort beurkundeten Umstände könnten allenfalls die - hier nicht ausschlaggebenden - speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten nach Anlage C zu § 12b Z 1 AuslBG bescheinigen. Die vom Verwaltungsgericht für erforderlich gesehene nähere Auseinandersetzung mit diesem Gutachten ist unter dem Gesichtspunkt des Nachweises einer abgeschlossenen Berufsausbildung daher entbehrlich.
33 Die Tätigkeitsnachweise enthalten den getroffenen Feststellungen zufolge keinerlei Hinweise auf eine Berufsausbildung in dem angestrebten Mangelberuf. Nach dem Beschwerdevorbringen lagen diese Tätigkeiten des Zweitmitbeteiligten zudem bereits zeitlich nach seiner Ausbildung.
34 Da nach Beilage B zu § 12a AuslBG nur Zeiten ausbildungsadäquater Berufserfahrung mit Punkten zu berücksichtigen sind, bedurfte es auch in diesem Zusammenhang mangels abgeschlossener Berufsausbildung keiner weiteren Erhebungen (vgl. zu „ausbildungsadäquater Berufserfahrung“ abermals , Rn. 11; ebenso , Rn. 17, zu § 12b Z 1 AuslBG).
35 Indem das Verwaltungsgericht dem oben Gesagten zufolge der Behörde mit der Aufhebung des Bescheids eine unrichtige Rechtsansicht überband, belastete es seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
36 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
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Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024090014.L00 |
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NAAAF-46422