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VwGH 18.04.2024, Ra 2024/09/0002

VwGH 18.04.2024, Ra 2024/09/0002

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §52
AVG §7 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
RS 1
Hat sich das VwG nach Durchführung eines Augenscheins und einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung des Sachverständigen in seinem Erkenntnis nachvollziehbar mit der Frage einer möglichen Befangenheit des Sachverständigen und der Schlüssigkeit der Gutachten auseinandergesetzt und sein Ergebnis schlüssig begründet, wird mit dem Absehen der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen durch das VwG kein Abgehen von der Rsp des VwGH aufgezeigt ().
Normen
B-VG Art133 Abs4
DMSG 1923 §1
DMSG 1923 §3
VwGG §34 Abs1
RS 2
Bei der Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz handelt es sich nicht um eine Enteignung und ist die Erhaltungswürdigkeit ausschließlich nach der geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung des Objekts zu prüfen. Eine Abwägung möglicherweise widerstreitender öffentlicher Interessen an der Erhaltung des Denkmals wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung gegenüber nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten privaten Interessen hat in einem Unterschutzstellungsverfahren nicht stattzufinden ().

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Rieder, über die außerordentliche Revision der Dkfm. A B in C, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, LL.M., Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 14/10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W183 2265765-1/11E, betreffend Teilunterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdenkmalamt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom stellte das Bundesdenkmalamt (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde) fest, dass die Erhaltung der - näher lokalisierten - „Villa D, KZ Außenlager E“, in ihrer gesamten Außenerscheinung mitsamt dem auf der vorgelagerten Terrasse eingebauten Steintisch und dem Untergeschoß mit seinen prägnanten Bruchsteinmauern in seiner Gesamtheit (Innen- und Außenerscheinung) gemäß §§ 1 und 3 Denkmalschutzgesetz (DMSG) im Sinn einer Teilunterschutzstellung gemäß § 1 Abs. 8 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen sei.

2 Der dagegen erhobenen Beschwerde der Revisionswerberin gab das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom nach Durchführung eines Augenscheins und einer mündlichen Verhandlung dahingehend Folge, als die Innenerscheinung des Untergeschoßes von der Unterschutzstellung ausgenommen wurde.

Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

3 Das Bundesverwaltungsgericht traf zusammengefasst Feststellungen zur geschichtlichen und kulturellen Bedeutung der Villa und des auf der vorgelagerten Terrasse eingebauten Steintisches im Umfang der Unterschutzstellung. Bei der Villa handle es sich - zusammen mit einem benachbarten, bereits unter Denkmalschutz stehenden Gebäude - um das einzige materielle Zeugnis dieses KZ-Außenlagers und um ein Dokument des Einsatzes von Häftlingsarbeit; zum Großteil seien Angehörige der Opfergruppe der sogenannten Bibelforscher (Jehovas Zeugen) herangezogen worden. Die Villa sei für diese Opfergruppe sowie aufgrund des eine führende Position im NS-Regime innehabenden Bauherrn von großem dokumentarischen Wert. Ihr komme in Bezug auf die Opfergruppe und weil sie die Architektur der Täter und der Opfer dokumentiere, Erinnerungs- und Mahnwert zu. Die Villa sei gut und authentisch erhalten. Zwar komme dem Anbau im Nordwesten keine Denkmalbedeutung zu, er sei aber aufgrund der Fortführung des Daches mit dem Gebäude untrennbar verbunden. Insgesamt führten die näher genannten Veränderungen zu keiner Schmälerung der Bedeutung. Es gäbe nur wenige Vergleichsbeispiele für Wohnbauten von NS-Funktionsträgern. Die Opfergruppe der sogenannten Bibelforscher sei nur anhand weniger erhaltender Dokumente repräsentiert. Die Anlage weise damit regional und österreichweit einen hohen Stellenwert auf.

4 Beweiswürdigend begründete das Bundesverwaltungsgericht ausführlich, warum für die Feststellung der Denkmaleigenschaft und des Stellenwerts des Objekts die beiden Amtssachverständigengutachten relevant gewesen seien. Zu dem von der Revisionswerberin erhobenen Vorwurf der Befangenheit des vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Amtssachverständigen wurde insbesondere festgehalten, dass von den Verwaltungsgerichten gemäß § 52 Abs. 1 AVG vorrangig Amtssachverständige beizuziehen seien und kein Umstand hervorgekommen sei, welcher eine Befangenheit nahegelegt hätte. Sofern sich der gerichtlich beigezogene Amtssachverständige auf den Befund des behördlichen Amtssachverständigengutachtens und die dort zitierte Literatur gestützt habe, habe er daraus eigenständige Schlüsse gezogen. Die Bedeutung der Villa werde von den Amtssachverständigen umfassend begründet, die Gutachten seien wissenschaftlich fundiert und der Befund habe anlässlich des Augenscheins verifiziert werden können. Von der Revisionswerberin sei kein Gegengutachten vorgelegt worden. Sofern sie Zweifel am Einsatz von KZ-Häftlingen bzw. Jehovas Zeugen geäußert habe, erschließe sich dieser zweifelsfrei aus den historischen und auch im Gutachten zahlreich zitierten Quellen wie Zeitzeugenberichte und wissenschaftliche Literatur. Zum festgestellten regionalen und österreichweiten Stellenwert verwies das Bundesverwaltungsgericht auf das mündlich erstattete Gutachten.

5 In der rechtlichen Beurteilung gelangte das Bundesverwaltungsgericht nach Wiedergabe von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mit näherer Begründung zum Ergebnis, dass es sich bei der gegenständlichen Villa um ein zu schützendes Denkmal handle. Diesem komme eine überregionale Dokumentationsfunktion (Zeugnis eines zwischen 1938 und 1942 bestehenden Außenlagers und Dokumentation einer unter Einsatz von Häftlingsarbeit errichteten Ferienvilla eines hochrangigen NS-Funktionärs) und ein entsprechender Seltenheitswert zu. Eine Ausnahme des Anbaus an die Villa von der Teilunterschutzstellung sei nicht möglich, weil dieser aufgrund des Daches, welches im Wesentlichen die historische Kubatur wiedergebe und sich über das gesamte Haus erstrecke, mit der Villa untrennbar und fest verbunden sei. Er sei für die Erhaltung der schutzwürdigen Teile Voraussetzung. Die Innenerscheinung des Untergeschoßes weise hingegen keinen Dokumentationswert auf.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

7 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Soweit die Revisionswerberin zur Zulässigkeit der Revision zunächst auf das übrige Revisionsvorbringen verweist, reicht dies zur Darlegung der Revisionszulässigkeit nicht aus (vgl. ; , Ra 2021/15/0020).

10 Aber auch mit dem gesondert ausgeführten Zulässigkeitsvorbringen wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt. Danach wird im Wesentlichen geltend gemacht, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht abweiche, weil nicht nachvollzogen werden könne, warum der festgestellte Sachverhalt als erwiesen angenommen worden sei. Das Verwaltungsgericht habe seine Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts verletzt und keine Feststellungen dazu getroffen, wieviel Prozent der Anlage tatsächlich von Häftlingen errichtet worden seien. Ferner habe das Verwaltungsgericht das Vorbringen der Revisionswerberin ignoriert und sich bloß auf ein unschlüssiges und widersprüchliches Sachverständigengutachten gestützt, dem keine Beweismittel im Sinn des Gesetzes zugrunde lägen. Zudem sei eine Auseinandersetzung mit der Befangenheit des Sachverständigen unterblieben. Insgesamt wird die Denkmalwürdigkeit des Hauses und ein Überschreiten der Grenze für eine Unterschutzstellung sowie das Vorliegen eines öffentlichen Interesses nach den §§ 1, 3 DMSG - insbesondere hinsichtlich des erst im Nachhinein errichteten Anbaus - bestritten. Im Übrigen komme die Unterschutzstellung einer Enteignung gleich.

11 Zu dem zunächst behaupteten Verstoß gegen die Begründungspflicht ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Begründung des Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichts in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Parteien ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen es die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete. Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, so liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung der Entscheidung führt (vgl. etwa , mwN).

12 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen sind dem angefochtenen Erkenntnis jedoch die entscheidungswesentlichen Feststellungen, die diesen zugrundeliegenden beweiswürdigenden Überlegungen sowie die rechtliche Beurteilung zu den in der Revision aufgeworfenen Fragestellungen in jeweils eigenen Abschnitten zu entnehmen. Das Verwaltungsgericht legte im Rahmen der Beweiswürdigung nachvollziehbar und schlüssig dar, dass und warum es den Gutachten der Amtssachverständigen folgte und auf diese seine Feststellungen gründete. Insbesondere ging es in diesem Zusammenhang auch auf die Frage der Heranziehung von Häftlingen aus dem Konzentrationslager für Arbeiten am Objekt ein.

13 Wenn sich die Revisionswerberin mit ihrem weiteren Vorbringen im Kern gegen die Beweiswürdigung und insbesondere gegen die Beurteilung der Frage einer Befangenheit des (gerichtlichen) Amtssachverständigen sowie zur Schlüssigkeit der Gutachten wendet, wird mit der angesprochenen Frage, ob ein Sachverständiger in einem bestimmten Verfahren als befangen anzusehen ist, sowie ob ein Gutachten in seiner konkreten Ausgestaltung zu Recht als schlüssig qualifiziert wurde, keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgeworfen, sondern einer einzelfallbezogenen Beurteilung entgegengetreten. Dies vermag die Zulässigkeit einer Revision jedenfalls dann nicht zu begründen, wenn die Frage vom Verwaltungsgericht zumindest vertretbar gelöst wurde (vgl. etwa ; , Ra 2018/09/0117, u.a., je mwN). Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der in einem Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung ebenso nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt wäre (unter vielen , mwN).

14 Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung eines Augenscheins und einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung des Sachverständigen in seinem Erkenntnis nachvollziehbar mit der Frage einer möglichen Befangenheit des Sachverständigen und der Schlüssigkeit der Gutachten auseinandergesetzt und sein Ergebnis schlüssig begründet. Dass diese Beurteilungen in unvertretbarer Weise erfolgt wären, wird in der Revision nicht aufgezeigt und ist auch nicht zu ersehen. Soweit auch im vorliegenden Verfahren die im Gutachten verwerteten Quellen kritisiert werden, genügt es auf die Ausführungen hiezu in dem ein vergleichbares Objekt betreffenden Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2023/09/0024, u.a., zu verweisen. Davon ausgehend wird auch mit dem Absehen der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen durch das Verwaltungsgericht kein Abgehen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgezeigt (vgl. etwa , mwN).

15 Vor diesem Hintergrund zeigt auch die pauschale Bestreitung der festgestellten geschichtlichen und kulturellen Bedeutung der Villa sowie deren regionalem und österreichweitem Stellenwert keine grundsätzliche Rechtsfrage auf, kann einem schlüssigen Sachverständigengutachten doch mit bloßen Behauptungen, ohne Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene, in tauglicher Art und Weise nicht entgegengetreten werden (vgl. etwa ).

16 Soweit die Revisionswerberin darüber hinaus Feststellungsmängel und einen Verstoß gegen die amtswegigen Ermittlungspflichten rügt, macht sie Verfahrensmängel geltend, ohne deren Relevanz für den Verfahrensausgang konkret darzutun (vgl. zur erforderlichen Relevanzdarlegung etwa , mwN).

17 Schließlich wird mangels Anführung konkreter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung der Denkmalbedeutung und des Schutzumfangs des Bauwerks abgewichen sein soll, eine im Abweichen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelegene Rechtsfrage nicht entsprechend dargelegt (vgl. etwa , Rn. 10, mwN).

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner bereits wiederholt festgehalten, dass es sich bei einer Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz nicht um eine Enteignung handelt und die Erhaltungswürdigkeit ausschließlich nach der geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung des Objekts zu prüfen ist. Eine Abwägung möglicherweise widerstreitender öffentlicher Interessen an der Erhaltung des Denkmals wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung gegenüber nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten privaten Interessen hat in einem Unterschutzstellungsverfahren nicht stattzufinden (siehe zum Ganzen , u.a., Rn. 17, mwN).

19 Da somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall VwGG unter Absehen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §52
AVG §7 Abs1
B-VG Art133 Abs4
DMSG 1923 §1
DMSG 1923 §3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
Schlagworte
Befangenheit von Sachverständigen Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverständiger Bestellung Auswahl Enthebung (Befangenheit siehe AVG §7 bzw AVG §53)
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024090002.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-46421