VwGH 28.05.2024, Ra 2024/06/0058
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | AVG §52 BauRallg |
RS 1 | Bei der Frage der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Menschen bzw. einer unzumutbaren Belästigung von Nachbarn ist grundsätzlich ein humanmedizinisches Gutachten einzuholen (vgl. ; weiters etwa , mwN). Allerdings ist die Einholung eines medizinischen Gutachtens nicht in jeder Fallkonstellation geboten, insbesondere dann nicht, wenn bereits auf Grund der konkret gegebenen Umstände bzw. der Ausführungen des technischen Sachverständigen eine Verletzung der genannten Rechtsgüter im Einzelfall auszuschließen ist (vgl. ; , 2005/06/0244; , Ra 2015/04/0093; , Ra 2019/04/0005, 0006). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/05/0182 B RS 1 (hier: nur der zweite Satz) |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2024/06/0059
Ra 2024/06/0060
Ra 2024/06/0061
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. des DI Dr. A O, 2. der Dr. H O, 3. des Mag. W B und 4. der Dr. K B, alle in G und alle vertreten durch Mag. Dr. Christina Hofmann, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Einspinnergasse 1, gegen das am mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark, LVwG 50.32-2118/2023-33, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz; mitbeteiligte Partei: H GmbH in G, vertreten durch die Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 8010 Graz, Kalchberggasse 1; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung zur plan- und beschreibungsgemäßen Errichtung von zwei Wohngebäuden mit insgesamt 21 Wohneinheiten, einer Tiefgarage für 36 PKW-Abstellplätze, von Stützmauern, einer Lärmschutzwand, sowie zur Durchführung von Geländeveränderungen auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG W. erteilt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die dagegen von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (I.) und erklärte eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig (II.).
3 In der Zulässigkeitsbegründung der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision wird zusammengefasst vorgebracht, das LVwG sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach bei der Immissionsbeurteilung im Baurecht die Widmung des Baugrundstückes und die Grundgrenze des Baugrundstückes maßgeblich seien. Weiters sei von der nach näher zitierter „Rechtsprechung gebotenen, zwingenden Vorgabe des Verfahrensrechtes für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens“ abgewichen worden, indem das LVwG dem Verfahren keinen medizinischen Sachverständigen beigezogen habe.
4 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Das LVwG holte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren u.a. das Gutachten eines Amtssachverständigen für Lärmtechnik ein und führte auf dessen Grundlage im angefochtenen Erkenntnis aus, durch die Realisierung des beschwerdegegenständlichen Bauvorhabens werde das für Lärmschutz maßgebliche Widmungsmaß an der Grundstücksgrenze des Bauplatzes eingehalten. In diesem Zusammenhang verwies das LVwG - zutreffend - auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei der in Rede stehenden Immissionsbeurteilung (Lärm) im Baurecht die Widmung des Baugrundstückes und die Grundgrenze des Baugrundstückes maßgeblich sind. Das in der Zulässigkeitsbegründung in diesem Zusammenhang behauptete Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt somit nicht vor.
9 Hinsichtlich des weiteren Zulässigkeitsvorbringens, das LVwG sei von näher zitierter Rechtsprechung abgewichen, indem dem Verfahren kein medizinischer Sachverständiger beigezogen worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Einholung eines medizinischen Gutachtens nicht in jeder Fallkonstellation geboten ist, insbesondere dann nicht, wenn bereits auf Grund der konkret gegebenen Umstände bzw. der Ausführungen des technischen Sachverständigen eine Verletzung der in Rede stehenden Rechtsgüter im Einzelfall auszuschließen ist (vgl. bzw. in diesem Sinne auch , jeweils mwN). In diesem Zusammenhang wäre in den Revisionszulässigkeitsgründen aufzuzeigen, weshalb tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stehen bzw. die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist (vgl. nochmals etwa , mwN).
10 Fallbezogen kam das LVwG in angefochtenen Erkenntnis zum Ergebnis, dass durch die Realisierung des gegenständlichen Bauvorhabens das Widmungsmaß für die Widmung des Baugrundstückes („Bauland - Allgemeines Wohngebiet“) deutlich eingehalten wird. Darauf geht die Revision in den Revisionszulässigkeitsgründen nicht ein. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird daher auch diesbezüglich nicht aufgezeigt.
11 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §52 BauRallg |
Schlagworte | Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Sachverständiger Arzt Sachverständiger Techniker |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024060058.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-46416