VwGH 06.08.2024, Ra 2024/05/0078
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | KlGG Wr 1996 §8 Abs6 VwGG §30 Abs2 |
RS 1 | Stattgebung - Versagung einer nachträglichen Baubewilligung - Unter zwingenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG sind besonders qualifizierte öffentliche Interessen zu verstehen, die den sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides zwingend gebieten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mit dem Aufschub eine konkrete drohende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bzw. deren Eigentum verbunden wäre (vgl. etwa , und , AW 2008/04/0062). Die in der Stellungnahme des Magistrates angeführten "generalpräventiven Gründe" stellen jedenfalls keine zwingenden öffentlichen Interessen im oben genannten Sinn dar. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/05/0293 B RS 2 (hier: ohne den letzten Satz) |
Norm | VwGG §30 Abs2 |
RS 2 | Der Umstand, dass öffentliche Interessen am Vollzug einer Maßnahme bestehen, berechtigt nicht ohne weiteres schon zur Annahme, dass eben diese Interessen auch eine sofortige Verwirklichung der getroffenen Maßnahmen zwingend gebieten (vgl. etwa ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der C GmbH in W, vertreten durch Dr. Alfred Pressl, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hetzgasse 45, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW-112/067/14599/2023-12, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem ihr der Auftrag erteilt worden war, mit Rechtskraft des Bescheides die gewerbliche Nutzung der Aufenthaltsräume näher bezeichneter Wohnungen für kurzfristige Beherbergungszwecke zu unterlassen, abgewiesen.
2 Die Revisionswerberin begründet den mit ihrer Revision verbundenen Aufschiebungsantrag im Wesentlichen damit, dass mit dem Vollzug der bekämpften Entscheidung eine finanzielle Belastung verbunden sei, weil die Wohnungen nicht im Wege der gewerblichen Nutzung für kurzfristige Beherbergungszwecke verwertet werden könnten, was zu einem erheblichen Ausfall von Einnahmen bzw. zu Schadenersatzansprüchen ihrer Mieterin (einer Vermietungs GmbH) führen könne. Im Vergleich zum Interesse der belangten Behörde an der sofortigen Umsetzung der bekämpften Entscheidung sei dieser Nachteil unverhältnismäßig. Auch eine Abwägung der Erfolgsaussichten falle eindeutig zu Lasten der belangten Behörde aus. Zwingende öffentliche Interessen, die einen sofortigen Vollzug erforderten, lägen nicht vor.
3 Die belangte Behörde sprach sich in ihrer Stellungnahme vom gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden zwingende öffentliche Interessen entgegen. Infolge der Novelle der Wiener Bauordnung mit LGBl. Nr. 37/2023 habe sich nunmehr die Rechtslage zur gegenständlichen Frage geändert, in concreto sei die zweckwidrige Verwendung von Wohnungen zum Zwecke der Kurzzeitvermietung geregelt und somit der rechtliche Rahmen für eine Kurzzeitvermietung gesetzt (wird näher dargestellt). Der Schutzzweck der Norm liege darin zu verhindern, dass Wohnungen und Wohnraum dem Wohnungsmarkt und damit der Wiener Bevölkerung entzogen werde. Dies stelle ein zu berücksichtigendes öffentliches Interesse dar, zumal angesichts der aktuellen Rechtslage ein erfolgreiches Erwirken einer Ausnahmebewilligung fallbezogen höchst unwahrscheinlich erscheine, weil von der zweckwidrigen Nutzung derzeit deutlich mehr als die Hälfte der Wohneinheiten betroffen sei. Weiters würde bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Lärmbelästigung, die den Anlass für das Einschreiten der belangten Behörde dargestellt habe, für die Anrainer fortdauern. Zudem sei der von der Revisionswerberin geltend gemachte „unverhältnismäßige Nachteil“ nicht nachvollziehbar, weil sie die gegenständlichen Wohnungen widmungskonform zu (langfristigen) Wohnzwecken zur Verfügung stellen und daraus Einkünfte lukrieren könne.
4 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof (ab Vorlage der Revision) auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
5 Nach der hg. Judikatur sind unter zwingenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG besonders qualifizierte öffentliche Interessen zu verstehen, die den sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides zwingend gebieten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mit dem Aufschub eine konkrete drohende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bzw. deren Eigentum verbunden wäre (vgl. etwa ; , Ra 2021/06/0162).
6 Der Umstand, dass öffentliche Interessen am Vollzug einer Maßnahme bestehen, berechtigt nicht ohne weiteres schon zur Annahme, dass eben diese Interessen auch eine sofortige Verwirklichung der getroffenen Maßnahmen zwingend gebieten (vgl. etwa ).
7 Die belangte Behörde hat zwar öffentliche Interessen geltend gemacht, es ist jedoch anhand ihrer Stellungnahme nicht zu erkennen, inwiefern im Fall des Unterbleibens der sofortigen Umsetzung des Bauauftrages in die Wirklichkeit eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen bestünde, noch ist nach der Aktenlage ersichtlich, dass zwingende öffentliche Interessen für die voraussichtliche Dauer des Revisionsverfahrens keinen Aufschub duldeten. Da jedenfalls kein zwingendes öffentliches Interesse im oben genannten Sinn dargelegt wurde, ist in die Interessenabwägung einzutreten.
8 Die belangte Behörde hat im Wesentlichen als öffentliche Interessen jenes an der Verhinderung des Entzuges von Wohnraum für die Bevölkerung sowie jenes an der Hintanhaltung von Lärmbelästigung für die Anrainer geltend gemacht.
9 Demgegenüber hat die Revisionswerberin den behaupteten unverhältnismäßigen Nachteil nicht im Sinne der ständigen Judikatur konkretisiert.
10 Macht ein Revisionswerber einen unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteil geltend, so hat er dies durch nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen auf dem Boden seiner ebenso konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse darzustellen. Erst eine solche ausreichende Konkretisierung ermöglicht die nach dem Gesetz gebotene Interessenabwägung (vgl. für viele ; , Ra 2024/05/0023, mwN). Der pauschale Hinweis der Revisionswerberin auf einen „erheblichen Ausfall von Einnahmen“ bzw. die Möglichkeit des Entstehens von Schadenersatzansprüchen wird diesen Anforderungen nicht gerecht und lässt unberücksichtigt, dass - worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist - auch aus einer Langzeitvermietung Einnahmen zu erzielen wären.
11 Auch die Einschätzung der Revisionswerberin in Bezug auf die Erfolgsaussichten der Revision fällt bei der Interessenabwägung nicht ins Gewicht, weil der Verwaltungsgerichtshof in dem die aufschiebende Wirkung der Revision betreffenden Verfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu prüfen hat. Im Provisorialverfahren geht es somit nicht um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses, sondern einzig um die Auswirkung eines (möglichen) sofortigen Vollzugs dieses Erkenntnisses.
12 Da im gegenständlichen Aufschiebungsantrag das Vorliegen eines unverhältnismäßigen Nachteils für die Revisionswerberin nicht ausreichend konkret dargelegt wird, wohingegen ein öffentliches Interesse am Vollzug der angefochtenen Entscheidung nachvollziehbar geltend gemacht wurde, kommt vorliegend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht.
13 Dem Antrag war daher kein Erfolg beschieden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | KlGG Wr 1996 §8 Abs6 VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024050078.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-46415