VwGH 20.02.2024, Ra 2024/05/0001
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | BauO NÖ 2014 §14 Z1 BauO NÖ 2014 §35 Abs2 Z2 BauRallg |
RS 1 | Ist eine ursprünglich konsensmäßige bauliche Anlage derart verändert worden, dass ein Gebäude vorliegt, dann ist der seinerzeit bestehende Konsens untergegangen und es fehlt für das gesamte neue Gebäude - und nicht etwa nur für den geänderten (hier: ergänzten) Teil - der Konsens (vgl. sinngemäß zur Stmk BauO 1968 , zu einem ursprünglich konsensmäßigen Gebäude, das durch einen Umbau zu einem anderen geworden war, sowie , zur Wr BauO, wonach im Fall eines Umbaus der ursprüngliche Konsens untergeht). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Tichy, in der Rechtssache der Revision der Z GmbH in H, vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-AV-178/001-2023, betreffend einen baupolizeilichen Abbruchauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde H; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen die Abweisung ihrer Berufung mit Bescheid des Stadtrats der Stadtgemeinde H. vom gegen einen baupolizeilichen Auftrag des Bürgermeisters der Stadtgemeinde H. vom gemäß § 35 Abs. 2 Z 2 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) zum Abbruch eines auf einer näher bezeichneten Liegenschaft befindlichen Lagergebäudes als unbegründet abgewiesen und das Ende der Leistungsfrist mit neu festgesetzt. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Das Verwaltungsgericht stellte dazu im Wesentlichen fest, dass mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde H. vom die baubehördliche Bewilligung unter anderem für die Errichtung eines Flugdaches für eine Eisenbiegerei auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück erteilt worden sei. Das Flugdach habe eine Grundfläche von 7,5 m x 15 m aufgewiesen und sei mit dunkelgrauem Welleternit eingedeckt gewesen. Im März 2022 habe die revisionswerbende Partei einen Einreichplan über das Bauvorhaben „Umbau eines Lagergebäudes“ samt Baubeschreibung vorgelegt. Eine baubehördliche Bewilligung für dieses Lagergebäude liege nicht vor. Die beschädigte (asbesthaltige) Welleterniteindeckung des Flugdaches sei von der revisionswerbenden Partei vollständig abgetragen und unter Einbeziehung der vorhandenen Stahltragkonstruktion ein Lagergebäude errichtet worden, welches die äußeren Abmessungen von 15,10 m x 7,12 m aufweise und für dessen Decken- und Wandelemente PU-Paneele verwendet worden seien, die mit selbstschneidenden Systemschrauben an der Stahlkonstruktion befestigt worden seien. Als Fundierung sei eine bestehende Bodenplatte verwendet worden. In diesem Gebäude würden Baugeräte und Baumaterialien der im Baugewerbe tätigen revisionswerbenden Partei gelagert. Das Lagergebäude sei mit dem Boden kraftschlüssig verbunden; zu dessen fachgerechter Errichtung sei ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich.
3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht - soweit hier relevant - aus, bei dem der ursprünglichen Baubewilligung vom zugrundeliegenden Flugdach handle es sich zweifelsfrei um eine bauliche Anlage. Diese bestehe entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei nicht unverändert an der beschriebenen Örtlichkeit. Das nunmehr bestehende Gebäude sei auch nicht bloß als Zubau zum Flugdach zu qualifizieren. Zunächst sei unstrittig die alte Dacheindeckung des Flugdaches vollständig entfernt und durch eine Eindeckung mit neuen Materialien ersetzt worden. Auch wenn für das Gebäude bestehende Fundamente und Stahlstützen verwendet worden seien, liege keine „Instandsetzung“ im Sinne des § 17 Z 3 NÖ BO 2014 vor. Vielmehr sei durch die getroffenen Maßnahmen der ursprüngliche Baukonsens untergegangen, das Vorhaben gemäß § 14 Z 1 NÖ BO 2014 baubehördlich bewilligungspflichtig und für das nunmehr errichtete Bauwerk eine Baubewilligung nicht vorliegend. Aufgrund der Konsenslosigkeit des Gebäudes sei die Baubehörde nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet gewesen, der Grundstückseigentümerin einen Abbruchauftrag nach § 35 Abs. 2 Z 2 NÖ BO 2014 zu erteilen.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit mit näherer Begründung zum einen vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob im Zusammenhang mit baulichen Anlagen nach § 4 Z 6 NÖ BO 2014 die ausschließlich zu Gebäuden gemäß § 4 Z 15 NÖ BO 2014 ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Konsensuntergang bzw. zur Instandsetzung im Sinne des § 17 Z 3 NÖ BO 2014 anwendbar sei. Bei einer Abweichung vom Konsens liege ein Baugebrechen im Sinn des § 34 Abs. 1 NÖ BO 2014 vor. Zum anderen liege eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, weil das Verwaltungsgericht in unvertretbarer bzw. aktenwidriger Weise abweichend vom Gutachten des beigezogenen Amtssachverständigen die Negativfeststellung getroffen habe, es sei nicht feststellbar, dass die Dachkonstruktion des Flugdaches völlig unverändert geblieben sei und sich das Verwaltungsgericht auch sonst nicht mit den Ausführungen des Amtssachverständigen auseinandergesetzt habe.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Dem klaren Wortlaut des § 35 Abs. 2 Z 2 NÖ BO 2014 zufolge hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerks ungeachtet eines anhängigen Baubewilligungsantrags oder einer anhängigen Bauanzeige anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung oder Anzeige vorliegt (vgl. ).
9 Mit beiden Rechtsfragen wendet sich die Revision der Sache nach gegen die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, es liege schon aufgrund des gänzlichen (in Material und Form geänderten) Austausches der ursprünglichen Dacheindeckung keine Instandsetzung im Sinn des § 17 Z 3 NÖ BO 2014 vor.
10 Das Verwaltungsgericht hat jedoch den Untergang des Baukonsenses hinsichtlich des Flugdaches nicht nur auf den vollständigen Austausch des Daches gestützt, sondern auch darauf, dass das Flugdach nicht mehr unverändert vorliege, sondern ein Gebäude errichtet worden sei (und nicht bloß ein Zubau zum Flugdach). Dementsprechend gelangte das Verwaltungsgericht auf Basis seiner Feststellungen, die durch entsprechende Lichtbilder vom ursprünglichen Flugdach und dem daraus entstandenen Lagergebäude unterlegt sind, zu dem Ergebnis, es liege ein baubehördlich bewilligungspflichtiges Vorhaben gemäß § 14 Z 1 NÖ BO 2014 („Neu- und Zubauten von Gebäuden“) vor, für das jedoch keine Baubewilligung erteilt worden sei.
11 Gegen die Qualifikation des ehemaligen Flugdaches als durch den Einbau von mit Fenstern, Toren und einer Zugangstüre versehenen Wandelementen an allen Seiten entstandenes Gebäude bringt die Revision, die sich ausschließlich mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum völligen Austausch des Daches beschäftigt, in ihrer Zulässigkeitsbegründung nichts vor.
12 Ist eine ursprünglich konsensmäßige bauliche Anlage derart verändert worden, dass ein Gebäude vorliegt, dann ist der seinerzeit bestehende Konsens untergegangen und es fehlt für das gesamte neue Gebäude - und nicht etwa nur für den geänderten (hier: ergänzten) Teil - der Konsens (vgl. sinngemäß zur Steiermärkischen Bauordnung 1968 , zu einem ursprünglich konsensmäßigen Gebäude, das durch einen Umbau zu einem anderen geworden war, sowie , zur Bauordnung für Wien, wonach im Fall eines Umbaus der ursprüngliche Konsens untergeht).
13 Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa ; , Ra 2023/05/0272).
14 Vor dem Hintergrund der unbestrittenen Qualifikation des ehemaligen - und als solches untergegangenen - Flugdaches als nach Neueindeckung des Daches und Errichtung von Außenwänden neu entstandenem Gebäude verabsäumt die revisionswerbende Partei darzulegen, warum die Beurteilung, dass schon der „zunächst“ erfolgte Austausch des Daches zum Konsensuntergang geführt habe, für das Schicksal der Revision entscheidend wäre, zumal unstrittig für das neu entstandene Gebäude keine Baubewilligung vorliegt. Damit geht auch das Vorbringen, es liege eine bloße Abweichung vom Baukonsens zum Flugdach vor, weshalb nur nach § 34 Abs. 1 NÖ BO 2014 vorzugehen gewesen sei, ins Leere (vgl. zum Verhältnis § 34 zu § 35 NÖ BO 2014 Pallitsch/Pallitsch/Kleewein, Niederösterreichisches Baurecht11, § 35, 12).
15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | BauO NÖ 2014 §14 Z1 BauO NÖ 2014 §35 Abs2 Z2 BauRallg |
Schlagworte | Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024050001.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-46413