VwGH 18.03.2024, Ra 2024/02/0052
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Andrés, über die Revision des R in U, vertreten durch die Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Kalchberggasse 6-8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 30.29-625/2023-22, betreffend Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkentnnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld vom wurde der Revisionswerber als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der H GmbH schuldig erachtet, er habe es zu verantworten, dass an einem kalendermäßig bezeichneten Tag festgestellt worden sei, dass der Arbeitnehmer S Arbeitsmittel auf einer näher genannten Baustelle nicht unter Bedingungen benutzt habe, für die sie geeignet und für die sie nach den Angaben der Hersteller oder Inverkehrbringer vorgesehen seien, bzw. bei der Benutzung von Arbeitsmittel die für sie geltende Bedienungsanleitung der Hersteller oder Inverkehrbringer nicht eingehalten habe. Der Arbeitnehmer S habe bei näher umschriebenen Dacharbeiten eine näher bezeichnete Motorsäge im Bereich des Kopfes gehalten, somit entgegen den Anweisungen der Bedienungsanleitung über Schulterhöhe, wobei ihm die Motorsäge ins Gesicht geschleudert worden sei. Er habe dadurch eine Übertretung von § 130 Abs. 1 Z 16 in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Z 1 und Z 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von € 1.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag und 16 Stunden) verhängt wurde.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde dem Grunde nach (mit näher genannten Maßgabeänderungen hinsichtlich der verletzten Verwaltungsvorschrift bzw. Strafsanktionsnorm samt Fundstelle) ab (Spruchpunkt I.) und gab der Beschwerde insoweit Folge, als es die verhängte Geld- sowie Ersatzfreiheitsstrafe auf € 300,-- (auf 20 Stunden) herabsetzte (Spruchpunkt II.). Weiters erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt III.).
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Diese erweist sich als unzulässig.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber erachtet die Revision als zulässig, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage vorliege, ob ein nach § 9 VStG Verantwortlicher für eigenmächtige Handlungen eines Arbeitsnehmers hafte, der „absoluter Vollprofi“ im Umgang mit der Motorsäge sei. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Judikatur zum Kontrollsystem sei fallbezogen nicht anwendbar, stelle diese doch auf einen lediglich durchschnittlich eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer ab.
8 Nach der Rechtsprechung unterliegen betriebliche Kontrollsysteme einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgte und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führte (vgl. , mwN).
9 Schlichtes „Vertrauen“ darauf, dass sich ein Arbeitnehmer weisungskonform verhalte, entlastet den Arbeitgeber nicht. Das entsprechende Kontrollsystem hat auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen. Im Rahmen eines funktionierenden Kontrollsystems kann es kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (vgl. ebenfalls ; ; jeweils mwN). Ferner entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass auch der Hinweis auf bisher tadellos arbeitende Mitarbeiter nicht die nähere Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems ersetzt, das gewährleistet, dass unter vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwartet werden kann (vgl. , mwN).
10 Das Verwaltungsgericht hat in seinem angefochtenen Erkenntnis nachvollziehbar dargelegt, dass der Revisionswerber im Verfahren kein den genannten Anforderungen entsprechendes wirksames Kontrollsystem dargetan hat. Die Revision zeigt nicht auf, dass die fallbezogene Beurteilung des Kontrollsystems durch das Verwaltungsgericht unvertretbar gewesen wäre.
11 Schließlich bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision vor, der Tatvorwurf sei offenkundig unrichtig, weil sich der Unfall an einem kalendermäßig anderen Tag ereignet habe. Aufgrund eingetretener Verfolgungsverjährung wäre das Verfahren einzustellen gewesen.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind an Verfolgungshandlungen im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG hinsichtlich der Umschreibung der angelasteten Tat die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG.Nach der ständigen hg. Judikatur zu § 44a Z 1 VStG hat die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt werden. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren (vgl. , mwN).
13 Entgegen dem Revisionsvorbringen trifft es nicht zu, dass der Tatvorwurf fälschlich dahingehend gelautet hätte, am seien Arbeitsmittel von einem namentlich genannten Arbeitnehmer fehlerhaft benutzt worden, während der Unfall in Wirklichkeit am stattgefunden habe. Nach dem Spruch des vom Verwaltungsgericht bestätigten Straferkenntnisses erfolgte am lediglich die „Feststellung“ des Unfallherganges, was im Akteninhalt Deckung findet. Dass der Revisionswerber im Verwaltungsstrafverfahren außer Stande gewesen sei, auf den konkreten Tatvorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren, oder dass er der Gefahr einer Doppelverfolgung ausgesetzt wird, zeigt der Revisionswerber somit nicht auf.
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
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Normen | ASchG 1994 §130 Abs1 Z16 ASchG 1994 §35 Abs1 Z1 ASchG 1994 §35 Abs1 Z2 B-VG Art133 Abs4 VStG §32 Abs2 VStG §44a Z1 VStG §9 VwGG §28 Abs3 VwGG §34 Abs1 VwGVG 2014 §38 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024020052.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-46411