VwGH 21.03.2024, Ra 2024/02/0005
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | StVO 1960 §24 Abs1 lita StVO 1960 §43 Abs1 litc StVO 1960 §52 lita Z13b StVO 1960 §62 Abs1 StVO 1960 §62 Abs3 VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg |
RS 1 | Durch die Errichtung von Ladezonen soll ermöglicht werden, Ladetätigkeit an Stellen durchzuführen, wo dies nicht besonders umständlich ist, sondern im Gegenteil die Ladetätigkeit durch einen möglichst geringen Transportweg einfach und zeitsparend durchgeführt werden kann. Folge dieser Zweckwidmung eines Teiles einer Straße mit öffentlichem Verkehr zugunsten bestimmter Verkehrsteilnehmer ist eine Zweckgebundenheit dahingehend, daß zu der erlaubten Tätigkeit nur all jene Handlungen zählen, für deren leichtere Durchführung die Zweckwidmung notwendig wurde. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 90/18/0125 E RS 4 |
Normen | StVO 1960 §24 Abs1 lita StVO 1960 §43 Abs1 litc StVO 1960 §52 lita Z13b StVO 1960 §62 Abs1 StVO 1960 §62 Abs3 VwGG §42 Abs2 Z1 |
RS 2 | Der VwGH erachtete im Hinblick auf dem Entladungsvorgang nachgelagerte Tätigkeiten angesichts der Zweckgebundenheit von Ladezonen etwa die Kontrolle der Vollständigkeit des entladenen Transportgutes als nicht mehr von der Ladetätigkeit umfasst, weil diese Tätigkeit auch durchgeführt werden kann, wenn bzw. nachdem das Transportfahrzeug von der Ladezone zu einem anderen (weiter entfernten) Abstellort gefahren wurde (; , 89/03/0149). Ebenso wurde das eine längere Zeit in Anspruch nehmende Zuwarten auf Übernahme der Ware als nicht mehr mit der Zweckgebundenheit von Ladezonen in Einklang stehend gewertet (). Auch das Abstellen in der Ladezone während einer einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmenden Lagerungstätigkeit (von ca. einer halben Stunde) hinsichtlich der zum Zielort gebrachten Gegenstände war mit der Zweckgebundenheit von Ladezonen nicht mehr vereinbar und konnte daher ebenfalls nicht als Ladetätigkeit qualifiziert werden (). Die Ansicht, die nach Verbringung zum Zielort erfolgte Ingangsetzung einer elektronischen Kasse sei von der Ladetätigkeit umfasst, widerspricht dieser Judikatur des VwGH, weil diese Tätigkeit in keinem Zusammenhang mit dem Ladevorgang mehr stand. Dem Umstand, dass die Inbetriebnahme elektronischer Geräte gegebenenfalls Teil der vereinbarten "Lieferung" ist bzw. eine solche durch den Übergeber notwendig ist, kommt bei der Beurteilung der Frage, ob bestimmte Handlungen als Ladetätigkeit im Sinne des § 62 Abs. 1 StVO 1960 zu qualifizieren sind, hingegen keine Bedeutung zu. Der Hinweis, das Umparken des Fahrzeuges zur Durchführung der Ingangsetzung der Kasse sei eine Vergeudung von Ressourcen und führe zur Generierung von unnötigem CO2, vermag nichts daran zu ändern, dass Ladezonen zur Verrichtung einer Ladetätigkeit eingerichtet werden und nach Abschluss dieser Ladetätigkeit anderen Verkehrsteilnehmern zur Verfügung zu stehen haben, die im Übrigen - auf der Suche nach einem Abstellort für ihr Fahrzeug - ebenso CO2 emittieren. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Andrés, über die Revision des Magistrates der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-031/048/11979/2022-19, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: B in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Behörde vom wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, er habe am von 10:11 Uhr bis 11:00 Uhr an einem näher genannten Ort in Wien ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug im Bereich des Vorschriftszeichens „Halten und Parken verboten“ mit der Zusatztafel „Mo.-Fr. (werkt.) v. 9-14h ausgen. Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen“ abgestellt, wobei während der angeführten Zeit keine Ladetätigkeit durchgeführt worden sei. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 24 Abs. 1 lit. a StVO verletzt, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von € 78,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt wurde.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) der Beschwerde des Mitbeteiligten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Mitbeteiligte gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Mitbeteiligte habe am Tatort zur Tatzeit einen dem Kennzeichen nach bestimmten Lastkraftwagen im Bereich des Vorschriftszeichens „Halten und Parken verboten“ mit der Zusatztafel „Mo. - Fr. (werkt.) v. 9 - 14h ausgen. Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen“ abgestellt. Zweifelsohne sei der Zeitraum des Abstellens ein längerer, doch sei dieser vom Begriff der Ladetätigkeit umfasst. Im Zeitraum des Abstellens sei eine elektronische Kasse an den nächst liegenden Kunden verbracht und mit dem Nötigsten in Gang gesetzt worden. Das reine Abstellen der Kasse sei keine Lieferung und müsse daher das Ingangsetzen als Teil der notwendigen Ladetätigkeit im Sinne des Gesetzes gelten. Ohne Zögern habe der Mitbeteiligte die Ladung zum Kunden verbracht, angeworfen und ohne Pause den Ort der Lieferung wieder verlassen. Alternativ hätte er nach bloßem Positionieren der Kasse rückkehren, den Lastwagen entfernen und auf welche Art und Weise wieder zum Kunden rückkehren müssen. Dies hätte nicht nur eine Vergeudung von Ressourcen, sondern vor allem die Generierung von unnötigem CO2 bedeutet, ein tiefer Fußabdruck in einer negativen Energiebilanz. Dieses Argument finde vor dem Hintergrund durchgehender Mahnung in den „EBs“ rezenter Rechtsvorschriften zusätzliches Gewicht. Es habe sich um eine Ladetätigkeit im Sinne des Wortes und der Intention des historischen Gesetzgebers gehandelt, wenn die Ladetätigkeit in der durch den Mitbeteiligten durchgeführten Art erfolgt sei. Der Mitbeteiligte habe die objektive Tatseite der angelasteten Verwaltungsübertretung nicht verwirklicht. Er habe glaubhaft dargelegt, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden nicht möglich gewesen wäre.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
5 Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, das Verwaltungsgericht sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es die Inbetriebnahme eines gelieferten Kassensystems, nachdem dieses an seinem Bestimmungsort abgestellt worden sei, als Ladetätigkeit qualifiziert habe, als zulässig und begründet.
7 Gemäß § 62 Abs. 1 StVO ist eine Ladetätigkeit das Be- oder Entladen von Fahrzeugen sowie das Abschlauchen von Flüssigkeiten aus Fahrzeugen oder in Fahrzeuge.
8 Durch die Errichtung von Ladezonen gemäß § 43 Abs. 1 lit. c StVO soll ermöglicht werden, derartige Ladetätigkeiten an Stellen durchzuführen, wo dies nicht besonders umständlich ist, sondern im Gegenteil die Ladetätigkeit durch einen möglichst geringen Transportweg einfach und zeitsparend durchgeführt werden kann. Folge dieser Zweckwidmung eines Teiles einer Straße mit öffentlichem Verkehr zugunsten bestimmter Verkehrsteilnehmer ist eine Zweckgebundenheit dahingehend, dass zu der erlaubten Tätigkeit nur all jene Handlungen zählen, für deren leichtere Durchführung die Zweckwidmung notwendig wurde (vgl. etwa , mwN).
9 Der Verwaltungsgerichtshof erachtete im Hinblick auf dem Entladungsvorgang nachgelagerte Tätigkeiten angesichts dieser Zweckgebundenheit von Ladezonen etwa die Kontrolle der Vollständigkeit des entladenen Transportgutes als nicht mehr von der Ladetätigkeit umfasst, weil diese Tätigkeit auch durchgeführt werden kann, wenn bzw. nachdem das Transportfahrzeug von der Ladezone zu einem anderen (weiter entfernten) Abstellort gefahren wurde (vgl. ; , 89/03/0149, mwN). Ebenso wurde das eine längere Zeit in Anspruch nehmende Zuwarten auf Übernahme der Ware als nicht mehr mit der Zweckgebundenheit von Ladezonen in Einklang stehend gewertet (vgl. ). Auch das Abstellen in der Ladezone während einer einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmenden Lagerungstätigkeit (von ca. einer halben Stunde) hinsichtlich der zum Zielort gebrachten Gegenstände war nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit der Zweckgebundenheit von Ladezonen nicht mehr vereinbar und konnte daher ebenfalls nicht als Ladetätigkeit qualifiziert werden (vgl. ).
10 Die Ansicht des Verwaltungsgerichtes, die nach Verbringung zum Zielort erfolgte Ingangsetzung einer elektronischen Kasse sei von der Ladetätigkeit umfasst, widerspricht somit dieser dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichthofes, weil diese Tätigkeit in keinem Zusammenhang mit dem Ladevorgang mehr stand. Dem Umstand, dass die Inbetriebnahme elektronischer Geräte gegebenenfalls Teil der vereinbarten „Lieferung“ ist bzw. eine solche durch den Übergeber notwendig ist, kommt bei der Beurteilung der Frage, ob bestimmte Handlungen als Ladetätigkeit im Sinne des § 62 Abs. 1 StVO zu qualifizieren sind, hingegen keine Bedeutung zu.
11 Der Hinweis des Verwaltungsgerichtes, das Umparken des Fahrzeuges zur Durchführung der Ingangsetzung der Kasse sei eine Vergeudung von Ressourcen und führe zur Generierung von unnötigem CO2, vermag nichts daran zu ändern, dass Ladezonen zur Verrichtung einer Ladetätigkeit eingerichtet werden und nach Abschluss dieser Ladetätigkeit anderen Verkehrsteilnehmern zur Verfügung zu stehen haben, die im Übrigen - auf der Suche nach einem Abstellort für ihr Fahrzeug - ebenso CO2 emittieren.
12 Darüber hinaus verneinte das Verwaltungsgericht - unter Zugrundelegung einer unzutreffenden Rechtsansicht - nicht nur die Verwirklichung der objektiven Tatseite, sondern schloss auch ein Verschulden des Mitbeteiligten an der angelasteten Verwaltungsübertretung aus. Eine nachvollziehbare Begründung, weshalb entgegen der gesetzlichen Vermutung des § 5 Abs. 1 VStG (vgl. , wonach es sich bei der Übertretung des § 24 Abs. 1 lit. a StVO um ein Ungehorsamsdelikt handelt) nicht von der fahrlässigen Begehung auszugehen war, lässt sich dem angefochtenen Erkenntnis jedoch nicht entnehmen (vgl. zur Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen , mwN).
13 Das angefochtene Erkenntnis war sohin wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | StVO 1960 §24 Abs1 lita StVO 1960 §43 Abs1 litc StVO 1960 §52 lita Z13b StVO 1960 §62 Abs1 StVO 1960 §62 Abs3 VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Ladezone |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024020005.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-46410