VwGH 27.06.2023, Ra 2023/20/0094
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Gemäß § 64 Abs. 1 Z 3 iVm § 31 Abs. 2 ZPO darf sich ein im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebener Rechtsanwalt eines Substituten bedienen. Dies hat aufgrund des Verweises in § 61 Abs. 1 VwGG auch für das Verfahren vor dem VwGH zu gelten, zumal insoweit im VwGG auch nicht anderes bestimmt ist (vgl. der Sache nach in diesem Sinn etwa , in dem der VwGH keine Bedenken gegen das Einschreiten eines den Verfahrenshelfer substituierenden Rechtsanwalts hatte). |
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RS 2 | Die Bewilligung einer Teil-Verfahrenshilfe ist im Gesetz nur insoweit vorgesehen, als der Umfang der gesetzlich normierten Begünstigungen beschränkt werden kann. Ansonsten wirkt die Verfahrenshilfe für das ganze Verfahren, für das sie beantragt wurde (vgl. etwa , mwN). Die Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwaltes (§ 64 Abs. 1 Z 3 ZPO) wirkt für das ganze weitere Verfahren und kann daher nicht auf bestimmte Prozesshandlungen oder Prozessabschnitte beschränkt werden (vgl. , mwN). Dies ändert aber nichts daran, dass die Vertretungsmacht auf jenen Verfahrensgegenstand beschränkt ist, für den die Verfahrenshilfe gewährt wurde. Die auf die Verfahrenshilfe gegründete Vertretungsmacht bestimmt sich auf Basis des Bewilligungsbeschlusses und des Bestellungsbescheides. In einem Verfahren, das von der Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht umfasst ist, besteht für den zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt keine auf die bewilligte Verfahrenshilfe gegründete Befugnis zur Vertretung (vgl. ). Das hat auch für einen Rechtsanwalt zu gelten, dem von einem zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt nach § 14 RAO Substitutionsvollmacht erteilt wurde. |
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RS 3 | Die Substitutionsvollmacht kann den auf Basis des Bewilligungsbeschlusses gegebenen Umfang der Vertretungsmacht zum Einschreiten gegenüber dem Gericht nicht erweitern. Eine solche Erweiterung auf Grundlage der Verfahrenshilfe stünde allein dem über die Bewilligung der Verfahrenshilfe zu befindenden Gericht zu (vgl. zu einer ähnlich gelagerten Situation im Fall des Vorliegens einer von einem Klienten erteilten Vollmacht , wonach die Substitutionsvollmacht den [eine solche Vollmacht erhaltenden] Vertreter grundsätzlich nur zu Handlungen im Rahmen der dem [die Substitutionsvollmacht erteilenden] Rechtsanwalt von seinem Klienten erteilten Vollmacht berechtigt, aber keine Vollmacht zur Vertretung des Vertretenen in eigener Sache enthält und es dazu einer eigens erteilten Vollmacht bedürfte). Die Vertretungsmacht in einem vom die Verfahrenshilfe bewilligenden Beschluss nicht erfassten Verfahren könnte somit nur auf den Bestand einer vom Vertretenen erteilten Vollmacht gegründet werden. |
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RS 4 | Die als Verfahrenshelferin einschreitende Rechtsanwältin konnte sich für die Revisionserhebung in Bezug auf jene Aussprüche, für deren Bekämpfung mittels Revision die Verfahrenshilfe nicht gewährt wurde, nicht auf eine ihr als Verfahrenshelferin zukommende Vertretungsmacht berufen (vgl. etwa , mwN). Das gilt dann aber auch für jene Rechtsanwältin, der von der zur Verfahrenshelferin bestellten Rechtsanwältin Substitutionsvollmacht erteilt wurde, weil sich diese in Bezug auf die Befugnis, vor dem VwGH als Vertreterin einzuschreiten, nur auf den Umfang der aufgrund der Bewilligung der Verfahrenshilfe bestehenden Vertretungsmacht beziehen konnte. Hingegen konnte mit der Erteilung der Substitutionsvollmacht der Umfang der der zur Verfahrenshelferin bestellten Rechtsanwältin zukommenden, aus der Bewilligung der Verfahrenshilfe abgeleiteten Vertretungsmacht nicht erweitert werden. Da sohin in Bezug auf die Aussprüche, für deren Bekämpfung mittels Revision die Verfahrenshilfe nicht gewährt wurde, die Vertretungsmacht aus dem Titel der Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht besteht und insoweit für die Revisionserhebung auch vom Revisionswerber keine Vollmacht erteilt wurde, erweist sich die gegen diese Aussprüche erhobene Revision mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung als nicht zulässig. |
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RS 5 | Der Revisionswerber wurde straffällig im Sinn des § 2 Abs. 3 Z 1 und Z 2 AsylG 2005, weil er wegen vorsätzlich begangener gerichtlich strafbarer Handlungen, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fallen, rechtskräftig verurteilt wurde. Somit war eine (unwiderlegbare) gesetzliche Vermutung einer "sozialen Verfestigung" im Sinn des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG nicht (mehr) gegeben. Zu Recht wurde daher nicht nach § 7 Abs. 3 zweiter Satz AsylG 2005 vorgegangen. Für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten kam es nicht darauf an, ob dem Revisionswerber zuvor von der Niederlassungsbehörde ein Aufenthaltstitel erteilt wurde (oder früher hätte erteilt werden können). Das BVwG hat sohin auch zu Recht die Erlassung der Rückkehrentscheidung dem Grunde nach auf § 52 Abs. 2 Z 3 FrPolG 2005 gestützt. |
Normen | BFA-VG 2014 §9 Abs1 BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z1 FrPolG 2005 §52 Abs2 Z3 MRK Art8 |
RS 6 | Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG 2014 war (im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 3 FrPolG 2005) bei der Interessenabwägung einzubeziehen, dass sich der Revisionswerber im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde bereits knapp 20 Jahre und zum überwiegenden Teil - fast 19 Jahre - rechtmäßig aufgrund eines Aufenthaltsrechts, das der Sache nach einem Recht zur Niederlassung im Sinn des § 2 Abs. 2 NAG 2005 entspricht, im Bundesgebiet aufgehalten hat. Einem so langen rechtmäßigen Aufenthalt kommt bei der Interessenabwägung bedeutendes Gewicht zu. Es kommt hingegen in einem Fall wie dem vorliegenden nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob der Fremde bloß irgendeine, allenfalls nur in geringer Intensität vorhandene Integration im Bundesgebiet aufweist (vgl. , mwN). |
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RS 7 | Bei Erlassung einer auf § 52 Abs. 2 Z 3 FrPolG 2005 gestützten Rückkehrentscheidung gegen einen Fremden, dem bis dahin von Gesetzes wegen ein Aufenthaltsrecht aufgrund des ihm zuvor zuerkannten Status als Asylberechtigten zugekommen ist, ist im Rahmen der nach § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 vorzunehmenden Beurteilung auch auf die Wertungen Bedacht zu nehmen, die sich aus jenen Vorschriften ergeben, nach denen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nach langjähriger rechtmäßiger Niederlassung in Österreich für nicht zulässig erklärt oder an besondere Voraussetzungen geknüpft wird. Dabei kann auf die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Dabei ist zu beachten, dass § 7 Abs. 3 AsylG 2005 zufolge solche Gründe von vornherein nur dann maßgeblich sein können, wenn die Aberkennung des Status des Asylberechtigten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt. Es soll demnach nämlich frühestens nach Ablauf dieser Zeit ein Asylberechtigter, der nicht straffällig geworden ist, in den Genuss einer Aufenthaltsverfestigung kommen und erst dann wäre ihm ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" zu erteilen, ohne dass es auf das Ergebnis einer Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 MRK ankäme. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2021/20/0372 E RS 15 |
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RS 8 | Ungeachtet dessen, dass die Behörde das Fehlverhalten eines Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von gerichtlichen Erwägungen betreffend das Strafausmaß zu beurteilen hat, kann es letztlich doch nicht gänzlich unerheblich sein, dass die Strafgerichte mit einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe oder einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden haben (vgl. etwa , dort fallbezogen zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten). Zum in § 52 Abs. 5 FrPolG 2005 enthaltenen Gefährdungsmaßstab hat der VwGH ausgeführt, dass aus der Notwendigkeit des Vorliegens einer "gegenwärtigen, hinreichend schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" zu folgern ist, dass bei einer Verurteilung zu einer zur Gänze bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe eine solche Gefahr im Sinn des § 52 Abs. 5 FrPolG 2005 in der Regel nicht vorliegen werde (vgl. VwGH Ra 2021/21/0264, mit Hinweis auf VwGH Ra 2020/21/0363). |
Normen | BFA-VG 2014 §9 BFA-VG 2014 §9 Abs1 BFA-VG 2014 §9 Abs2 BFA-VG 2014 §9 Abs4 idF 2015/I/070 BFA-VG 2014 §9 Abs4 Z1 idF 2015/I/070 FrÄG 2018 FrPolG 2005 §53 Abs3 Z6 FrPolG 2005 §53 Abs3 Z7 FrPolG 2005 §53 Abs3 Z8 VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg |
RS 9 | Zur Aufhebung des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 durch das FrÄG 2018 hielt der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien (RV 189 BlgNR 26. GP 27 f) ausdrücklich fest, dass sich § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 "lediglich als Konkretisierung bzw. Klarstellung dessen, was sich unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur ohnehin bereits aus Abs. 1 iVm Abs. 2 ergibt", erweist. Ungeachtet des Außerkrafttretens des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 sind die Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 weiter beachtlich (vgl. ; ), ohne dass es aber einer ins Detail gehenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 bedarf (siehe ). Es ist also weiterhin darauf Bedacht zu nehmen, dass für die Fälle des bisherigen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 allgemein unterstellt wurde, dass die Interessenabwägung - trotz einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung - regelmäßig zu seinen Gunsten auszugehen hat und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in diesen Konstellationen grundsätzlich nicht erlassen werden darf. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber erkennbar nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen einen fallbezogenen Spielraum einräumen (vgl. RV 189 BlgNR 26. GP 27, wo von "gravierender Straffälligkeit" bzw. "schwerer Straffälligkeit" gesprochen wird). Dazu zählen jedenfalls die schon bisher in § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 normierten Ausnahmen bei Erfüllung der Einreiseverbotstatbestände nach § 53 Abs. 3 Z 6, 7 und 8 FrPolG 2005, aber auch andere Formen gravierender Straffälligkeit (siehe , betreffend Vergewaltigung; , betreffend grenzüberschreitenden Kokainschmuggel). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/21/0238 E RS 1 (hier: ohne den ersten Satz) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel, den Hofrat Dr. Horvath und die Hofrätin Dr.in Oswald als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger LL.M., über die Revision des A C (auch A C alias A U alias A U alias A U alias A U), vertreten durch Mag. Safiye Ünüvar, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Universitätsring 10, diese vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom (richtig: ), W247 2226303-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung in die Russische Föderation festgestellt und eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Der im Jahr 1978 geborene Revisionswerber, ein aus Tschetschenien stammender russischer Staatsangehöriger, hält sich seit April 2003 im Bundesgebiet auf. Im Dezember 2003 wurde ihm aufgrund eines von ihm gestellten Asylantrags vom (damals zuständigen) Bundesasylamt nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 Asyl gewährt und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
2 Ab dem - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Asylgesetzes 2005 - AsylG 2005 (§ 73 Abs. 1 AsylG 2005) - galt dem Revisionswerber gemäß § 75 Abs. 5 Asyl 2005 der Status des Asylberechtigten als zuerkannt.
3 Mit dem - nachdem einer Berufung durch das Oberlandesgericht Wien keine Folge gegeben worden war - in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Revisionswerber wegen der Vergehen der Freiheitsentziehung, der Nötigung und der gefährlichen Drohung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl leitete aus diesem Anlass ein Verfahren zur Aberkennung des dem Revisionswerber zukommenden Status des Asylberechtigten ein.
5 Mit Bescheid vom sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass dem Revisionswerber der ihm mit Bescheid vom zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt werde, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Weiters wurde dem Revisionswerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 und § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung sowie gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, und nach § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
6 Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung im Wesentlichen als unbegründet ab. Es gab der Beschwerde lediglich insoweit Folge, als es die Dauer des Einreiseverbotes auf sechs Jahre verringerte. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Betreffend die strafbaren Handlungen des Revisionswerbers gab das Bundesverwaltungsgericht lediglich die Urteilsdaten, den Tenor des Strafurteils sowie die bei der Strafbemessung angestellten Erwägungen wieder. Dem zufolge hatte der Revisionswerber im April 2014 seinen unmündigen Sohn widerrechtlich gefangen gehalten, indem er den Sohn mehrere Stunden lang im Keller eingesperrt hatte, obwohl dieser geschrien und geweint hatte. Zwischen Jänner 2014 und hatte der Revisionswerber zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten die N A unter Vorhalt, ihm keine Vorschreibungen in Bezug auf die Kindererziehung zu machen, durch Androhung einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht und sie zu nötigen versucht, indem er ihr angedroht hatte, er werde sie sonst im Keller oder Garten vergraben und niemand werde nach ihr suchen. Weiters hatte er sie zweimal zur Abstandnahme von der Verständigung der Polizei genötigt, indem er sinngemäß geäußert hatte, wenn sie sich einmal an die Polizei wende, werde sie immer Polizeischutz brauchen. Am hatte er eine andere Person gefährlich bedroht, indem er sinngemäß geäußert hatte, er werde deren ganze Familie und anschließend sie umbringen, und mit dem Finger einen Kehlenschnitt angedeutet hatte.
8 Im Zuge der Strafbemessung sei - so das Bundesverwaltungsgericht weiter unter Hinweis auf die Ausführungen im Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Wien - als erschwerend die vorsätzliche Begehung strafbarer Handlungen nach dem dritten Abschnitt des besonderen Teils des StGB gegen Angehörige und als mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis sowie, dass es teilweise beim Versuch geblieben sei, gewertet worden.
9 Das Bundesverwaltungsgericht ging in der weiteren Begründung - soweit für das Revisionsverfahren wesentlich - davon aus, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber im Sinn des § 9 BFA-VG dringend geboten sei.
10 Der Revisionswerber lebe seit April 2003, sohin „deutlich mehr als 10 Jahre“, im österreichischen Bundesgebiet. In Österreich hielten sich „zwei Ex-Frauen“ von ihm und seine zwei Kinder auf, mit welchen aber weder ein gemeinsamer Haushalt noch sonst Kontakt bestehe. Auch mit der „vermeintlichen Lebensgefährtin“ bestehe kein gemeinsamer Haushalt.
11 Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte allenfalls in das Privatleben des Revisionswerbers eingreifen. Zu seinen Gunsten falle sein langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet von fast 20 Jahren ins Gewicht. Seit dem Jahr 2003 verfüge er über den Status eines Asylberechtigten, weshalb er seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei. Sein bisheriges Privat- und Familienleben sei somit nicht zu einem Zeitpunkt entstanden, in welchem sich der Revisionswerber seines unsicheren Aufenthaltsstatus hätte bewusst sein müssen. Er habe Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 nachgewiesen. Es sei auch das vorgelegte Unterstützungsschreiben zu seinen Gunsten zu werten. Den „abgelaufenen Schweißer-Zertifikaten“ komme im Rahmen der Interessenabwägung aber nur untergeordnetes Gewicht zu.
12 Zu Lasten des Revisionswerbers wirke sich aus, dass er in Österreich nur wenige Monate erwerbstätig gewesen sei und immer wieder Leistungen des AMS bezogen habe. Er sei daher bis auf wenige Monate im Bundesgebiet nie selbsterhaltungsfähig gewesen. Angesichts des langjährigen Aufenthalts hätte der Revisionswerber „jede Möglichkeit gehabt“, sich beruflich weiterzuentwickeln und zu integrieren. Er habe diese lange Zeit aber nicht für eine berufliche Integration genutzt. Bemühungen für Aus-, Fort- oder Weiterbildungen im Bundesgebiet seien nicht behauptet worden. Er sei in Österreich in keinem Verein oder einer sonstigen Organisation Mitglied.
13 Besonders zu Lasten des Revisionswerbers falle die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung ins Gewicht. Es seien die „vielen Tathandlungen und der längere Tatzeitraum hervorzuheben“. Der Revisionswerber leugne seine strafbaren Handlungen weiterhin und zeige daher auch keine Reue. Er habe ausgeführt, die Straftaten gar nicht begangen zu haben, sondern zu Unrecht verurteilt worden zu sein, weil „unter anderen seine Frau“ gelogen habe. Er übernehme damit keine Verantwortung für seine Taten. Es fehle ihm jedes Unrechtsbewusstsein, obwohl er rechtskräftig verurteilt worden sei. Eine „positive Gefährdungsprognose“ könne daher nicht getroffen werden. Es bestünden „erhebliche Zweifel an einer hinreichenden Verbundenheit des [Revisionswerbers] mit der hiesigen Werteordnung und den Grundsätzen eines demokratischen Rechtsstaates, weshalb die bisherige Zeit des Wohlverhaltens von etwas mehr als 3 Jahren nicht ausreichend zu seinen Gunsten berücksichtigt werden“ könne.
14 Mit der Begehung der Straftaten habe der Revisionswerber die Trennung von seinen im Bundesgebiet aufhältigen Familienangehörigen bewusst in Kauf genommen.
15 Sodann führte das Bundesverwaltungsgericht wörtlich aus:
„Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden zwar regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen und es kann grundsätzlich nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, eine Aufenthaltsbeendigung ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden (vgl etwa ). Was den gegenständlichen Fall betrifft, ist einerseits festzuhalten, dass diese Rechtsprechungslinie nur Konstellationen betroffen hat, in denen der Inlandsaufenthalt bereits über zehn Jahre dauerte und sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab (; ; ; ; -10).
Außerdem ist festzuhalten, dass die Judikatur des VwGH, wonach bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist, nur für die Frage maßgeblich ist, ob einem unrechtmäßig aufhältigen Fremden ein aus Art. 8 MRK ableitbares Aufenthaltsrecht zuzugestehen ist, und ist sie daher in Fällen, in dem es um eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen einen aufgrund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen wegen dessen Straffälligkeit geht, schon von vornherein nicht einschlägig. Außerdem kommt diese Judikaturlinie, die sich in der Regel nur auf strafrechtlich unbescholtene Fremde bezieht, im Fall der Straffälligkeit eines Fremden nicht zum Tragen (vgl. ). Diese Judikaturlinie ist auf den BF daher nicht anzuwenden.“
16 Im Anschluss legte das Bundesverwaltungsgericht noch dar, weshalb davon auszugehen sei, dass der Revisionswerber Bindungen zum Heimatland aufweise, und die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch unter Bedachtnahme auf das Wohl der Kinder des Revisionswerbers zulässig sei.
17 Den Ausspruch, mit dem die Revision nicht zugelassen wurde, begründete das Bundesverwaltungsgericht - neben von vornherein für den gegenständlichen Fall unwesentlichen Argumenten - damit, dass die Entscheidung lediglich von Fragen der Beweiswürdigung abhängig gewesen sei.
18 In der Folge brachte der Revisionswerber beim Verwaltungsgerichtshof den Antrag ein, ihm zwecks Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen dieses Erkenntnisses die Verfahrenshilfe zu bewilligen.
19 Mit Beschluss vom wurde dem Revisionswerber gemäß § 61 VwGG die Verfahrenshilfe - unter anderem auch durch Beigebung eines Rechtsanwalts oder einer Rechtsanwältin - in Bezug auf jene mit dem angefochtenen Erkenntnis getroffenen Entscheidungen gewährt, mit denen eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung festgestellt und eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt worden war. Hinsichtlich der übrigen im angefochtenen Erkenntnis enthaltenen Aussprüche wurde der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen.
20 Im Anschluss wurde für den Revisionswerber von der einschreitenden Rechtsanwältin, der von der zur Verfahrenshelferin bestellten Rechtsanwältin Substitutionsvollmacht erteilt worden war, die gegenständliche Revision eingebracht.
21 Die Revision wurde samt den Verfahrensakten vom Bundesverwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet. Es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
22 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
23 Zur Zurückweisung der Revision:
24 § 61 VwGG sowie jene Bestimmungen, auf die damit verwiesen wird, sehen - auszugsweise und samt Überschrift - vor:
25 § 61 VwGG:
„Verfahrenshilfe
§ 61. (1) Soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Revision, des Fristsetzungsantrages, des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder des Antrages auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes und zur Vertretung bei der Verhandlung (§ 40) ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
(1a) ...“
26 § 64 ZPO:
„§ 64. (1) Die Verfahrenshilfe kann für einen bestimmten Rechtsstreit und ein nach Abschluss des Rechtsstreits eingeleitetes Vollstreckungsverfahren die folgenden Begünstigungen umfassen:
1. ...
...
3. sofern die Vertretung durch einen Rechtsanwalt gesetzlich geboten ist oder es nach der Lage des Falles erforderlich erscheint, die vorläufig unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts, die sich auch auf eine vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf eine außergerichtliche Streitbeilegung erstreckt; dieser bedarf keiner Prozeßvollmacht, jedoch der Zustimmung der Partei zu einem Anerkenntnis, einem Verzicht oder der Schließung eines Vergleiches. § 31 Abs. 2 und 3 sind sinngemäß anzuwenden;
4. ...
...
(2) Bei Bewilligung der Verfahrenshilfe ist auszusprechen, welche der im Abs. 1 aufgezählten Begünstigungen und welche zur Gänze oder zum Teil gewährt werden. Die Begünstigung nach Abs. 1 Z 3 darf nur in vollem Ausmaß gewährt werden.
...“
27 § 31 ZPO:
„§ 31. (1) ...
(2) Der Rechtsanwalt kann die ihm erteilte Prozessvollmacht für einzelne Akte oder Abschnitte des Verfahrens an einen anderen Rechtsanwalt übertragen. Inwiefern der Rechtsanwalt berechtigt ist, sich durch einen Rechtsanwaltsanwärter vertreten zu lassen, regelt die Rechtsanwaltsordnung.
(3) Der Rechtsanwalt kann sich ferner bei den im Zwangsvollstreckungsverfahren vorkommenden Vollzugshandlungen, Tagsatzungen und Einvernehmungen durch einen bei ihm angestellten vertretungsbefugten Kanzleibeamten vertreten lassen. Die Vertretungsbefugnis wird vom Ausschusse der Rechtsanwaltskammer auf Antrag des Rechtsanwalts durch Ausfertigung einer Beglaubigungsurkunde gewährt. Sie kann vom Ausschusse jederzeit zurückgenommen werden.“
28 Nach den in der Revision enthaltenen Vermerken gründet sich die Befugnis der als Vertreterin angeführten Rechtsanwältin, für den Revisionswerber im gegenständlichen Revisionsverfahren einzuschreiten, allein auf die dem Revisionswerber bewilligte Verfahrenshilfe und die aufgrund dessen erfolgte Bestellung zur Verfahrenshelferin. Es wird nicht behauptet, dass der Verfahrenshelferin überdies vom Revisionswerber Vollmacht erteilt worden wäre. Jene Rechtsanwältin, die für die Verfahrenshelferin tätig wurde, beruft sich allein auf die ihr von der Verfahrenshelferin erteilte Substitutionsvollmacht. Dass der im Rahmen der Substitution einschreitenden Rechtsanwältin darüber hinaus vom Revisionswerber Vollmacht erteilt worden wäre, ergibt sich aus der Revision ebenfalls nicht.
29 Den weiteren Ausführungen ist zunächst voranzustellen, dass sich gemäß § 64 Abs. 1 Z 3 iVm § 31 Abs. 2 ZPO auch ein im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebener Rechtsanwalt eines Substituten bedienen darf (vgl. dazu Rohregger in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11, 2023, § 14, Rn. 15, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des OGH). Dies hat aufgrund des Verweises in § 61 Abs. 1 VwGG auch für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu gelten, zumal insoweit im VwGG auch nicht anderes bestimmt ist (vgl. der Sache nach in diesem Sinn etwa , in dem der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen das Einschreiten eines den Verfahrenshelfer substituierenden Rechtsanwalts hatte).
30 § 64 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass die Verfahrenshilfe für einen bestimmten Rechtsstreit (sowie ein nach Abschluss des Rechtsstreits eingeleitetes Vollstreckungsverfahren) gewährt werden kann.
31 Die Bewilligung einer Teil-Verfahrenshilfe ist im Gesetz nur insoweit vorgesehen, als der Umfang der gesetzlich normierten Begünstigungen beschränkt werden kann. Ansonsten wirkt die Verfahrenshilfe für das ganze Verfahren, für das sie beantragt wurde (vgl. etwa , mwN). Die Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwaltes (§ 64 Abs. 1 Z 3 ZPO) wirkt für das ganze weitere Verfahren und kann daher nicht auf bestimmte Prozesshandlungen oder Prozessabschnitte beschränkt werden (vgl. , mwN).
32 Dies ändert aber nichts daran, dass die Vertretungsmacht auf jenen Verfahrensgegenstand beschränkt ist, für den die Verfahrenshilfe gewährt wurde. Die auf die Verfahrenshilfe gegründete Vertretungsmacht bestimmt sich auf Basis des Bewilligungsbeschlusses und des Bestellungsbescheides. In einem Verfahren, das von der Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht umfasst ist, besteht für den zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt keine auf die bewilligte Verfahrenshilfe gegründete Befugnis zur Vertretung (vgl. ).
33 Das hat auch für einen Rechtsanwalt zu gelten, dem von einem zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt nach § 14 RAO Substitutionsvollmacht erteilt wurde. Die Substitutionsvollmacht kann nämlich den auf Basis des Bewilligungsbeschlusses gegebenen Umfang der Vertretungsmacht zum Einschreiten gegenüber dem Gericht nicht erweitern. Eine solche Erweiterung auf Grundlage der Verfahrenshilfe stünde allein dem über die Bewilligung der Verfahrenshilfe zu befindenden Gericht zu (vgl. zu einer ähnlich gelagerten Situation im Fall des Vorliegens einer von einem Klienten erteilten Vollmacht , wonach die Substitutionsvollmacht den [eine solche Vollmacht erhaltenden] Vertreter grundsätzlich nur zu Handlungen im Rahmen der dem [die Substitutionsvollmacht erteilenden] Rechtsanwalt von seinem Klienten erteilten Vollmacht berechtigt, aber keine Vollmacht zur Vertretung des Vertretenen in eigener Sache enthält und es dazu einer eigens erteilten Vollmacht bedürfte; siehe darauf Bezug nehmend auch Rohregger, aaO., Rn. 18). Die Vertretungsmacht in einem vom die Verfahrenshilfe bewilligenden Beschluss nicht erfassten Verfahren könnte somit nur auf den Bestand einer vom Vertretenen erteilten Vollmacht gegründet werden.
34 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits dargelegt, dass es sich bei den hier gegenständlichen Aussprüchen, mit denen der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wird, dass die Abschiebung in einen bestimmten Staat zulässig ist, um von einander rechtlich trennbare Aussprüche handelt. Demgemäß sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht zwischen diesen lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (vgl. , dem folgend aus jüngerer Zeit etwa , mwN).
35 Mit dem oben erwähnten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom wurde der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe (nur) insoweit bewilligt, als es sich um Rechtstreitigkeiten handelt, die sich auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie die rechtlich davon abhängenden Aussprüche (Erlassung eines Einreiseverbotes, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung, Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise) beziehen. Soweit die Verfahrenshilfe (auch) zur Abfassung und Einbringung einer Revision gegen jene - nach dem Gesagten separate Verfahrensgegenstände bildende (vgl. dazu, dass unterschiedliche Rechtssachen vorliegen, etwa auch , mwN) - Aussprüche des angefochtenen Erkenntnisses, mit denen die Beschwerde gegen die Aberkennung des Status des Asylberechtigten, die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die Verweigerung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 abgewiesen worden war, begehrt wurde, wurde der Antrag hingegen (aufgrund der insoweit gegebenen Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung) abgewiesen. Demnach wurde die Verfahrenshilfe nicht für jene Rechtsstreitigkeiten bewilligt, die sich auf die Bekämpfung der letztgenannten Aussprüche beziehen.
36 Somit konnte sich die als Verfahrenshelferin einschreitende Rechtsanwältin für die Revisionserhebung in Bezug auf jene Aussprüche, für deren Bekämpfung mittels Revision die Verfahrenshilfe nicht gewährt wurde, nicht auf eine ihr als Verfahrenshelferin zukommende Vertretungsmacht berufen (vgl. etwa , mwN). Das gilt dann aber auch für jene Rechtsanwältin, der von der zur Verfahrenshelferin bestellten Rechtsanwältin Substitutionsvollmacht erteilt wurde, weil sich diese nach dem oben Gesagten in Bezug auf die Befugnis, vor dem Verwaltungsgerichtshof als Vertreterin einzuschreiten, nur auf den Umfang der aufgrund der Bewilligung der Verfahrenshilfe bestehenden Vertretungsmacht beziehen konnte. Hingegen konnte mit der Erteilung der Substitutionsvollmacht der Umfang der der zur Verfahrenshelferin bestellten Rechtsanwältin zukommenden, aus der Bewilligung der Verfahrenshilfe abgeleiteten Vertretungsmacht nicht erweitert werden.
37 Da sohin in Bezug auf die erwähnten Aussprüche betreffend Aberkennung des Status des Asylberechtigten, Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Verweigerung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 die Vertretungsmacht aus dem Titel der Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht besteht und insoweit für die Revisionserhebung auch vom Revisionswerber keine Vollmacht erteilt wurde, erweist sich die gegen diese Aussprüche erhobene Revision mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung als nicht zulässig. Sie war daher (schon deshalb) in diesem Umfang gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.
38 Zur Aufhebung:
39 Als zulässig und begründet erweist sich die Revision aber in Bezug auf die übrigen im angefochtenen Erkenntnis enthaltenen Aussprüche. Das Bundesverwaltungsgericht ist - wie in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision aufgezeigt und im Folgenden dargestellt wird - bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
40 Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005, des FPG und des BFA-VG lauten:
41 AsylG 2005:
„Aberkennung des Status des Asylberechtigten
§ 7. (1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. ...
2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder
3. ...
(2) ...
(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.
(4) ...“
„Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. ...
...
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. ...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
(2) ...“
42 FPG:
„Rückkehrentscheidung
§ 52. (1) ...
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. ...
...
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ...
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3) ...
...
(5)
Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.
(6) ...“
43 BFA-VG:
„Schutz des Privat- und Familienlebens
§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) ...
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
44 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom , Ra 2021/20/0372, des Näheren damit befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen jenen langjährig als Asylberechtigte rechtmäßig aufhältigen Fremden, bei denen in Art. 1 Abschnitt C GFK angeführte Endigungsgründe eingetreten sind, dieser Status infolge § 7 Abs. 3 AsylG 2005 aberkannt werden darf. Weiters hat sich der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis damit auseinandergesetzt, auf welche Kriterien bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen solche Fremde im Rahmen der Interessenabwägung (auch) Bedacht zu nehmen ist. Es kann daher dazu gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.
45 Festzuhalten ist, dass im vorliegenden Fall das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht innerhalb des in § 7 Abs. 3 AsylG 2005 genannten Zeitraums ausgesprochen hat.
46 Der Revisionswerber wurde straffällig im Sinn des § 2 Abs. 3 Z 1 und Z 2 AsylG 2005, weil er wegen vorsätzlich begangener gerichtlich strafbarer Handlungen, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fallen (siehe fallbezogen § 31 Abs. 4 Z 1 und Z 2 iVm § 30 Abs. 1 Z 1 und Z 2 StPO), rechtskräftig verurteilt wurde. Somit war eine (unwiderlegbare) gesetzliche Vermutung einer „sozialen Verfestigung“ im Sinn des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht (mehr) gegeben. Zu Recht wurde daher nicht nach § 7 Abs. 3 zweiter Satz AsylG 2005 vorgegangen. Für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten kam es nicht darauf an, ob dem Revisionswerber zuvor von der Niederlassungsbehörde ein Aufenthaltstitel erteilt wurde (oder früher hätte erteilt werden können).
47 Das Bundesverwaltungsgericht hat sohin auch zu Recht die Erlassung der Rückkehrentscheidung dem Grunde nach auf § 52 Abs. 2 Z 3 FPG gestützt. Dem Revisionswerber wurde der Status des Asylberechtigten aberkannt und der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Es kam ihm weder ein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen (als dem AsylG 2005) zu noch ist er als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen.
48 Allerdings sind dem Bundesverwaltungsgericht bei der im Rahmen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmenden Interessenabwägung maßgebliche Fehler unterlaufen, die auf einem Rechtsirrtum beruhen. Das Bundesverwaltungsgericht hat für die Entscheidung maßgebliche Voraussetzungen nicht geprüft und für die Vornahme dieser Prüfung wesentliche Feststellungen nicht getroffen.
49 Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG war bei der Interessenabwägung einzubeziehen, dass sich der Revisionswerber im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde bereits knapp 20 Jahre und zum überwiegenden Teil - fast 19 Jahre - rechtmäßig aufgrund eines Aufenthaltsrechts, das der Sache nach einem Recht zur Niederlassung im Sinn des § 2 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz entspricht, im Bundesgebiet aufgehalten hat. Einem so langen rechtmäßigen Aufenthalt kommt bei der Interessenabwägung bedeutendes Gewicht zu. Es kommt hingegen in einem Fall wie dem vorliegenden nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob der Fremde bloß irgendeine, allenfalls nur in geringer Intensität vorhandene Integration im Bundesgebiet aufweist (vgl. zum bisher Gesagten auch , mwN).
50 Das Bundesverwaltungsgericht hat im angefochtenen Erkenntnis zwar ausgeführt, dass jene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen sei, nur für die Frage maßgeblich sei, ob einem unrechtmäßig aufhältigen Fremden ein aus Art. 8 EMRK ableitbares Aufenthaltsrecht zuzugestehen sei, und sie daher in Fällen, in denen es um eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen einen aufgrund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen wegen dessen Straffälligkeit gehe, schon von vornherein nicht einschlägig sei.
51 Das Verwaltungsgericht hat aber die weiteren in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien betreffend die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen Fremde, die aufgrund des ihnen früher zuerkannten Status des Asylberechtigten langjährig niedergelassen waren, weder erwähnt noch beachtet.
52 Bei Erlassung einer auf § 52 Abs. 2 Z 3 FPG gestützten Rückkehrentscheidung gegen einen Fremden, dem bis dahin von Gesetzes wegen ein Aufenthaltsrecht aufgrund des ihm zuvor zuerkannten Status als Asylberechtigtenzugekommen ist, ist im Rahmen der nach § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmenden Beurteilung (auch) auf die Wertungen Bedacht zu nehmen, die sich aus jenen Vorschriften ergeben, nach denen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nach langjähriger rechtmäßiger Niederlassung in Österreich für nicht zulässig erklärt oder an besondere Voraussetzungen geknüpft wird.
53 Bei dieser Prüfung ist zu beachten, dass § 7 Abs. 3 AsylG 2005 zufolge solche Gründe von vornherein nur dann maßgeblich sein können, wenn die Aberkennung des Status des Asylberechtigten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt. Es soll demnach nämlich frühestens nach Ablauf dieser Zeit ein Asylberechtigter, der nicht straffällig geworden ist, in den Genuss einer Aufenthaltsverfestigung kommen und erst dann wäre ihm ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ zu erteilen, ohne dass es auf das Ergebnis einer Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ankäme (vgl. zum Ganzen ; dem folgend ; , Ra 2021/20/0458).
54 Der Revisionswerber macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe weder geprüft, ob der in § 52 Abs. 5 FPG enthaltene Maßstab, wonach der weitere Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen müsse, erfüllt sei, noch ob - ungeachtet des ersatzlosen Entfalls des früheren § 9 Abs. 4 BFA-VG - eine solche Straftat und Gefährdung vorliege, dass nach so langem Aufenthalt im Bundesgebiet als rechtmäßig niedergelassener Fremder, wie er in seinem Fall gegeben sei, noch eine Aufenthaltsbeendigung zulässig sei.
55 Aus den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich, dass die Straftaten des Revisionswerbers zu einer Zeit gesetzt wurden, als er bereits mehr als zehn Jahre im Bundesgebiet aufgrund des ihm zuerkannten Status des Asylberechtigten rechtmäßig niedergelassen war.
56 Im vorliegenden Fall war es - ausgehend von den bisherigen Feststellungen - nach der dargestellten Rechtslage jedenfalls geboten, im Rahmen der Interessenabwägung zu prüfen, ob durch den Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet eine Gefährdung im Sinn der in § 52 Abs. 5 FPG genannten Voraussetzungen vorliegt, ob also die Annahme gerechtfertigt sei, dass der weitere Aufenthalt des Revisionswerbers eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde (vgl. , dort auch mit dem Hinweis zu den in , enthaltenen Ausführungen zum mit § 52 Abs. 5 FPG festgelegten Gefährdungsmaßstab).
57 Eine solche Prüfung hat das Bundesverwaltungsgericht aber - auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Erlassung des Einreiseverbots - nicht vorgenommen. Die von ihm getroffenen Feststellungen zum Fehlverhalten des Revisionswerbers erschöpfen sich in der Wiedergabe des Tenors der strafgerichtlichen Verurteilung sowie des Hinweises, dass er „weiterhin“ die Begehung der Taten, für die er verurteilt worden sei, bestreite. Anhand dieser Feststellungen kann aber fallbezogen die Erfüllung des sich aus § 52 Abs. 5 FPG ergebenden Maßstabes nicht bejaht werden (vgl. zu diesem Maßstab nochmals VwGH Ra 2020/21/0363; dem folgend aus jüngerer Zeit etwa ). Der Höhe des festgestellten Strafausmaßes von einer zur Gänze bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von neun Monaten - auch wenn das Ausmaß der verhängten Strafe nicht allein maßgeblich ist und nicht bloß für sich genommen betrachtet werden kann - hat das Bundesverwaltungsgericht gleichfalls nicht die gebotene Beachtung geschenkt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass ungeachtet dessen, dass die Behörde das Fehlverhalten eines Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von gerichtlichen Erwägungen betreffend das Strafausmaß zu beurteilen hat, es letztlich doch nicht gänzlich unerheblich sein kann, dass die Strafgerichte mit einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe oder einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden haben (vgl. etwa , dort fallbezogen zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten). Zum in § 52 Abs. 5 FPG enthaltenen Gefährdungsmaßstab hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass aus der Notwendigkeit des Vorliegens einer „gegenwärtigen, hinreichend schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit“ zu folgern ist, dass bei einer Verurteilung zu einer zur Gänze bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe eine solche Gefahr im Sinn des § 52 Abs. 5 FPG in der Regel nicht vorliegen werde (vgl. auch dazu VwGH Ra 2021/21/0264, mit Hinweis auf VwGH Ra 2020/21/0363). Das seit der Verurteilung vom Revisionswerber gezeigte Wohlverhalten - dessen Dauer im Übrigen vom Bundesverwaltungsgericht angesichts der festgestellten letzten Tatzeit und des Umstandes, dass er wegen seiner Taten nie inhaftiert war, unzutreffend angenommen wurde - wird vom Verwaltungsgericht ebenfalls nicht in Bezug zu seinen aktuellen Lebensverhältnissen gesetzt und damit abgetan, dass er „weiterhin“ bestreite, die Taten begangen zu haben. Zu Letzterem ist anzumerken, dass dies nicht jedenfalls von vornherein zwingend dazu führt, dass eine vom Revisionswerber im vom Gesetz geforderten Ausmaß aktuell ausgehende Gefahr vorliegt. Zudem stehen die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in einem nicht aufgelösten Spannungsverhältnis zu den von ihm getätigten Feststellungen, wonach vom Strafgericht bei der Strafbemessung das reumütige Geständnis des Revisionswerbers berücksichtigt worden sei.
58 Im vorliegenden Fall, in dem der Revisionswerber lediglich einmal wegen begangener Straftaten zu einer zur Gänze bedingt nachgesehenen neunmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, legte sohin das Bundesverwaltungsgericht - in Verkennung der Rechtslage - nicht dar, weshalb ausnahmsweise dennoch der hohe Gefährdungsmaßstab des § 52 Abs. 5 FPG, der auch im Rahmen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen langjährig rechtmäßig niedergelassenen Asylberechtigten bei der Interessenabwägung zu beachten ist, erfüllt gewesen wäre (vgl. zur Notwendigkeit der Offenlegung darauf abstellender Erwägungen nochmals die bereits erwähnten Entscheidungen Ra 2020/21/0363 und Ra 2021/21/0264, in denen der jeweils dort revisionswerbende Fremde zu einer gänzlich bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 15 Monaten [Ra 2020/21/0363] sowie 12 Monaten [Ra 2021/21/0264] verurteilt worden war).
59 Der Revisionswerber beruft sich auch auf jene Rechtsprechung, wonach ungeachtet des Außerkrafttretens des (mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 56, mit Ablauf des aufgehobenen) § 9 Abs. 4 BFA-VG die Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG weiter beachtlich sind, ohne dass es aber einer ins Detail gehenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG bedarf. Es ist also weiterhin darauf Bedacht zu nehmen, dass für die Fälle des früheren § 9 Abs. 4 BFA-VG allgemein unterstellt wurde, diesfalls habe die Interessenabwägung - trotz einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung - regelmäßig zu seinen Gunsten auszugehen und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme dürfe in diesen Konstellationen grundsätzlich nicht erlassen werden. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber (angesichts der diesbezüglichen Materialien) erkennbar nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen einen fallbezogenen Spielraum einräumen. Dazu zählen jedenfalls die schon bisher in § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG normierten Ausnahmen bei Erfüllung der Einreiseverbotstatbestände nach den Z 6, 7 und 8 des § 53 Abs. 3 FPG, aber auch andere Formen gravierender Straffälligkeit (vgl. , mwN).
60 Die bisher vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen, im Besonderen zur Dauer des als rechtmäßig niedergelassen einzustufenden Aufenthalts, legen nun nahe, dass im Fall des Revisionswerbers überdies auch diese Prüfung, ob also die Begehung besonders verwerflicher Straftaten und eine daraus abzuleitende spezifische Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen vorliegt, vorzunehmen gewesen wäre. Auch insoweit bedürfte es näherer Feststellungen zum tatsächlichen Gefährdungspotential des Revisionswerbers, weil ein solches nicht allein aus der gegen ihn erfolgten Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe abgeleitet werden kann (vgl. , mwN).
61 Das Bundesverwaltungsgericht hat sohin in Verkennung der Rechtslage bei Erlassung der Rückkehrentscheidung im Rahmen der Interessenabwägung nicht geprüft, ob vom Revisionswerber eine solche im Gesetz zum Ausdruck kommende Gefahr ausgeht, die es nach so langem rechtmäßigen als Niederlassung einzustufenden Aufenthalt noch erlaubt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Infolge dessen hat es auch die dafür erforderlichen (umfänglichen) Feststellungen nicht getroffen.
62 Das angefochtene Erkenntnis war daher in diesem Ausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Damit verlieren die davon rechtlich abhängenden Aussprüche ihre Grundlage, weshalb auch diese aus dem selben Grund der Aufhebung zu verfallen hatten.
63 Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | AsylG 2005 §2 Abs3 Z1 AsylG 2005 §2 Abs3 Z2 AsylG 2005 §3 Abs4 AsylG 2005 §7 Abs3 AVG §10 Abs1 BFA-VG 2014 §9 BFA-VG 2014 §9 Abs1 BFA-VG 2014 §9 Abs2 BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z1 BFA-VG 2014 §9 Abs4 idF 2015/I/070 BFA-VG 2014 §9 Abs4 Z1 idF 2015/I/070 FrÄG 2018 FrPolG 2005 §52 Abs2 Z3 FrPolG 2005 §52 Abs5 FrPolG 2005 §53 Abs3 Z6 FrPolG 2005 §53 Abs3 Z7 FrPolG 2005 §53 Abs3 Z8 MRK Art8 RAO 1868 §14 StGB §43 VwGG §34 Abs1 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGG §61 Abs1 VwGG §61 Abs2 VwRallg ZPO §31 Abs2 ZPO §31 Abs3 ZPO §64 Abs1 ZPO §64 Abs1 Z3 ZPO §64 Abs2 |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Verfahrenshilfe |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023200094.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAF-46406