VwGH 21.02.2024, Ra 2023/16/0133
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Mit dem Hinweis allein, dass es noch keine Rechtsprechung des VwGH zu einer Bestimmung gibt, wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargetan. In den Revisionszulässigkeitsgründen wäre in diesem Zusammenhang zumindest eine konkrete Bezugnahme auf den vorliegenden Fall notwendig gewesen (vgl. , mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/05/0092 E RS 1 |
Norm | FamLAG 1967 §8 Abs6 |
RS 2 | Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/16/0310, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2014/16/0053 B RS 1 (hier auch in Bezug auf die Bindung des VwG sowie Gutachten des Sozialministeriumservice) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der S W in Z, vertreten durch Mag. Ines Praxmarer und Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 19/I, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/3100222/2023, betreffend erhöhte Familienbeihilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin bezog für ihre im Jänner 2011 geborene Tochter (T) laufend die Familienbeihilfe sowie ab Februar 2019 die um den in § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) vorgesehenen Betrag erhöhte Familienbeihilfe. Die erhöhte Familienbeihilfe war unter Bedachtnahme auf ein - aufgrund der Aktenlage erstelltes - Sachverständigengutachten des Sozialministeriumsservice vom gewährt worden. In diesem Gutachten wurde T ein Grad der Behinderung von 40% für ein näher genanntes Leiden, sowie ein solcher von 30% für ein anderes Leiden und - wegen gegenseitiger Leidensbeeinflussung - ein Gesamtgrad der Behinderung von 50% bescheinigt. Es wurde zudem eine Nachuntersuchung in drei Jahren empfohlen.
2 Am kam es betreffend T zu einem neuerlichen - ebenfalls aufgrund der Aktenlage erstellten - Sachverständigengutachten des Sozialministeriumsservice. Unter Verweis auf zahlreiche Arztbriefe und Befunde aus der Zeit nach Erstellung des Vorgutachtens vom August 2019 wurden - unter unveränderter Feststellung des Grades der Behinderung im Zusammenhang mit den beiden genannten Leiden (30% bzw. 40%) - zwei hinzugekommene Leiden mit einem Grad der Behinderung von je 10% bescheinigt.
3 Die belangte Behörde hat in der Folge den Erhöhungsbetrag für die Familienbeihilfe für T nur bis Juli 2022 gewährt.
4 Mit Schreiben vom beantragte die Revisionswerberin unter Vorlage diverser - auch medizinischer - Unterlagen die Überprüfung des Gutachtens vom sowie die Gewährung des Erhöhungsbetrags für die Familienbeihilfe ab August 2022.
5 In einem weiteren nach Untersuchung erstellten Gutachten des Sozialministeriumsservice vom wurde der im Juni 2022 gestellte Befund bestätigt. In der Folge wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde den Antrag der Revisionswerberin vom mit Bescheid vom mit der Begründung ab, der Grad der Behinderung der T sei mit 40% festgestellt worden, womit die Voraussetzung des § 8 Abs. 5 FLAG, der einen Grad der Behinderung von 50% verlange, nicht erfüllt sei.
6 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde vom wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Hinweis auf das Vorliegen zweier schlüssiger und vidierter Gutachten, welche jeweils einen Grad der Behinderung von 40% feststellen würden, ab. Eine neuerliche Begutachtung sei nicht notwendig.
7 Mit Schreiben vom begehrte die Revisionswerberin die Vorlage der Bescheidbeschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde ab. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
9 Begründend verweist das Bundesfinanzgericht auf die beiden Gutachten aus dem Jahr 2022, die abweichend vom Gutachten aus dem Jahr 2019 einen Gesamtgrad der Behinderung vom 40% bescheinigten. Eine Unschlüssigkeit der beiden neuen Gutachten in Form daraus hervorgehender Widersprüche sei für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar und seien auch von der Revisionswerberin nicht aufgezeigt worden.
10 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, zum FLAG, BGBl. Nr. 376/1967, idF BGBl. I Nr. 82/2023, gebe es noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird mit dem Hinweis allein, dass es noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer konkreten Bestimmung gibt, keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargetan. Erforderlich ist dafür vielmehr die Formulierung einer konkreten Rechtsfrage unter Bezugnahme auf den vorliegenden Fall, zu der es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt (vgl. , mwN). Dem gegenständlichen Vorbringen fehlt es an einer konkretisierten Rechtsfrage unter Bezugnahme auf den vorliegenden Fall. Der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof allenfalls noch keine Entscheidung zum FLAG nach Inkrafttreten des Eltern-Kind-Pass-Gesetzes, BGBl. I Nr. 82/2023, - das im Übrigen keine Änderungen an den revisionsgegenständlich relevanten Bestimmungen vornahm - getroffen hat, zeigt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf.
16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Feststellung des Grades der Behinderung im Rahmen des § 8 Abs. 6 FLAG ist die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr Sozialministeriumsservice) zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (vgl. ; vgl. auch , jeweils mwN).
17 Soweit zur Zulässigkeit der Revision weiters vorgebracht wird, das angefochtene Erkenntnis weiche von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, indem das Bundesfinanzgericht davon ausgehe, es sei an die Feststellungen der im Wege des Sozialministeriumsservice erstellten Gutachten gebunden, ist dem entgegen zu halten, dass das Bundesfinanzgericht im nächsten - in der Revision unerwähnt gebliebenen - Absatz des angefochtenen Erkenntnisses unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausführte, es habe sich im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig und vollständig anzusehen seien. Insofern ist das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
18 Die Revisionswerberin bringt zudem vor, das Bundesfinanzgericht habe ihrem „substantiierten“ Vorbringen, „dass zu den bisher festgestellten Leiden 1 und 2, zwei weitere Leiden, nämlich 3 und 4 dazugekommen sind und die Leiden - gemeint sind alle untereinander - sich gegenseitig beeinflussen, und dadurch der Grad der Behinderung um eine Stufe erhöht wird“ keine Relevanz zugewiesen. Das Bundesfinanzgericht hat sich im angefochtenen Erkenntnis eingehend mit den im Jahr 2022 erstellten Gutachten, welche auch zahlreiche Befunde nach Erstellung des Gutachtens im Jahr 2019 berücksichtigten, auseinandergesetzt und diese für schlüssig und einander nicht widersprechend erachtet. Aus der Zulässigkeitsbegründung der Revision ergibt sich kein konkretes substantiiertes Vorbringen gegen diese Würdigung der Gutachten.
19 Eine Unschlüssigkeit dieser beiden Gutachten des Jahres 2022 vermögen auch die - ungeachtet des im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbotes - gemeinsam mit der Revision vorgelegten, ärztlichen Befunde vom bzw. nicht darzutun.
20 Soweit im Zulässigkeitsvorbringen der Revision schließlich vorgebracht wird, es bedürfe „der Klarstellung, inwieweit das Bundesfinanzgericht die Beweiskraft und Vollständigkeit der Gutachten des SMS [Anm.: Sozialministeriumsservice] hinsichtlich einem substantiierten Vorbringen der Revisionswerberin aber auch von Amts wegen zu prüfen“ habe, genügt der Hinweis auf die bereits dargestellte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Prüfung der Schlüssigkeit und Vollständigkeit der Gutachten für die Feststellung des Grades der Behinderung im Rahmen des § 8 Abs. 6 FLAG.
21 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023160133.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-46403