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VwGH 05.09.2024, Ra 2023/16/0121

VwGH 05.09.2024, Ra 2023/16/0121

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BAO §280 Abs1 litd
BAO §280 Abs1 lite
BAO §93 Abs2
BAO §93 Abs3 lita
VwRallg
RS 1
Die Sperrwirkung einer Entscheidung (Einmaligkeitswirkung, res iudicata, ne bis in idem) ist Ausfluss ihrer materiellen Rechtskraft. Der Umfang der Rechtskraft ergibt sich wiederum aus dem normativen Abspruch in Verbindung mit der Begründung der Entscheidung.
Normen
GebG 1957 §15 Abs3
GebG 1957 §19 Abs2
GebG 1957 §33 TP18 Abs1
GrEStG 1987 §1
RS 2
Ein Erbteilübereinkommen im Zusammenhang mit der Übertragung von Liegenschaften unterliegt grundsätzlich der Grunderwerbsteuer (vgl. , VwSlg. 503/F).
Normen
ABGB §914
GebG 1957 §33
RS 3
Die Gebührentatbestände des § 33 GebG verwenden im Allgemeinen die Begriffe des Zivilrechtes. Für die Abgrenzung unterschiedlich geregelter gebührenpflichtiger Rechtsgeschäfte voneinander ist daher deren zivilrechtliche Einordnung maßgebend. Enthält ein einheitlicher Vertrag verschiedenen Vertragstypen entnommene Elemente, ist er gebührenrechtlich nach seinem überwiegenden rechtlichen oder wirtschaftlichen Zweck zu beurteilen. Für die Rechtsnatur eines Vertrages ist die nach § 914 ABGB ermittelte Absicht der Parteien hinsichtlich der Wirkungen des Vertrages maßgebend. Dabei kommt es vor allem auf den von den Parteien bei Abschluss des Vertrages verfolgten, objektiv erkennbaren Zweck des Vertrages an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 89/15/0014).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2010/16/0053 E VwSlg 8558 F/2010 RS 2 (hier ohne die ersten beiden Sätze)
Normen
BudgetbegleitG 2011
GebG 1957 §19 Abs2 idF 2010/I/111
GebG 1957 §20 Z5
GebG 1957 §33 TP18 Abs1
VwRallg
RS 4
Der mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, eingefügte letzte Satz des § 19 Abs. 2 GebG, wonach u.a. für Sicherungs- und Erfüllungsgeschäfte zu Darlehens-, Kredit-, Haftungs- und Garantiekreditverträgen getroffenen Vereinbarungen über die Gewährung eines Rahmens für die Inanspruchnahme von Anzahlungen der § 20 Z 5 GebG gilt, sollte nach den ErlRV 981 d.B. XXIV. GP, 139, die "Verlagerung der Gebührenpflicht auf Sicherungs- und Erfüllungsgeschäfte" vermeiden, was impliziert, dass der Gesetzgeber die jeweiligen Sicherungsgeschäfte insofern als eigenständig angesehen hat.
Normen
GebG 1957 §15 Abs3
GebG 1957 §19 Abs2
GebG 1957 §33 TP18 Abs1
GrEStG 1987 §1
RS 5
Vereinbaren mehrere Miterben bei der Erbteilung, daß eine

Nachlaßliegenschaft zwischen einigen Erben geteilt, die anderen

Erben mit Geldforderungen gegen die die Liegenschaftsanteile

übernehmenden Erben abgefunden und diese Forderungen auf den

Liegenschaftsanteilen pfandrechtlich sichergestellt werden, so

bleibt die Bestellung des Pfandrechtes als Nebengeschäft zu dem

grundsätzlichen der Grunderwerbsteuer unterliegenden

Erbteilungsübereinkommen gebührenfrei. Das gilt auch dann, wenn das

Erbteilungsübereinkommen auf Grund einer Sonderbestimmung von der

Grunderwerbsteuer befreit ist (Hinweis E , 386/47, VwSlg 29

F/1948; E , 413/47, VwSlg 35 F/1948; E , 1526/49

VwSlg 238 F/1950).

*

E , 2691/50 #1 VwSlg 503 F/1951
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2691/50 E VwSlg 503 F/1951 RS 1 (hier anstelle des letzten Satzes: Der VwGH hat die Gebührenfreiheit der Hypothekarverschreibungen nicht auf § 15 Abs. 3 GebG sondern auf § 19 Abs. 2 GebG gestützt.)
Norm
GebG 1957 §15 Abs3
RS 6
Zweck des § 15 Abs. 3 GebG ist es, zu vermeiden, dass ein Rechtsgeschäft, das nach einem der erschöpfend angeführten Abgabengesetze steuerbar ist, nicht überdies noch mit einer Rechtsgebühr belegt wird (vgl. etwa die bei Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Bd. I10, Rz 66 zu § 15 GebG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/16/0109 E RS 1
Normen
GebG 1957 §15 Abs3
GrEStG 1987 §4
RS 7
Zur Verwirklichung des Regelungszweckes des § 15 Abs. 3 GebG ist es weder erforderlich noch folgerichtig, Teile des Entgeltes weder der Verkehrsteuer noch der Rechtsgebühr zu unterziehen. Von der Bemessungsgrundlage der Gebühr (dem Entgelt) ist somit jener Teil auszuscheiden, von dem Grunderwerbsteuer zu erheben wäre; der Rest unterliegt der Gebühr. Maßgeblich für das Ausmaß der Gebührenbefreiung ist somit die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer (vgl. , mwN).
Normen
GebG 1957 §15 Abs3
GrEStG 1987 §1
VwRallg
RS 8
Der Zweck der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG in Verbindung mit der Verschiedenheit des Steuer- bzw. Bemessungsgegenstandes erfordert, dass auch ein gemeinsamer Erwerb von beweglichem und unbeweglichem Vermögen in zwei Erwerbsvorgänge, nämlich in einen des beweglichen und in einen des unbeweglichen Vermögens für die Berechnung der Gebühr und der Grunderwerbsteuer zerlegt werden. Die lediglich aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 GebG erschlossene Auslegung des Norminhaltes würde dazu führen, dass zwar die Doppelbesteuerung vermieden, aber gleichzeitig die Gebührenfreiheit auf jenen Teil des Rechtsgeschäftes ausgedehnt würde, für den, isoliert betrachtet, der Befreiungstatbestand nicht gegeben ist. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er mit § 15 Abs. 3 GebG das jeweilige Rechtsgeschäft zur Gänze von der Rechtsgebühr befreien wollte, auch wenn es nur teilweise unter das Grunderwerbsteuergesetz fällt, denn dies würde bedeuten, dass ein an sich gebührenpflichtiger Tatbestand nur deshalb gebührenfrei wäre, weil er zu einem Teil auch Gegenstand der Grunderwerbsteuer ist (vgl. ).
Normen
GebG 1957 §15 Abs3
GebG 1957 §19 Abs2
GebG 1957 §33 TP18 Abs1
RS 9
Nach dem Zweck des § 15 Abs. 3 GebG - der auf die Gebührenbefreiung des § 19 Abs. 2 GebG im Zusammenhang mit Vertragsteilen zur Sicherung des Hauptgeschäftes übertragbar ist - kann auch diese Befreiung nur insoweit zum Tragen kommen, als das damit gesicherte Hauptgeschäft selbst nach dem GebG oder einem Verkehrsteuergesetz einer Gebühr oder Verkehrsteuer unterliegt.

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2023/16/0122 E

Ra 2023/16/0123 E

Ra 2023/16/0124 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5100468/2022, betreffend Rechtsgebühren (mitbeteiligte Partei: E M in O, vertreten durch die Rechtsanwälte Estermann & Partner OG in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Begehren auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Gebührenbescheid vom wurde der Mitbeteiligten eine Gebühr gemäß § 33 TP 18 Abs. 1 GebG iHv 742,44 € vorgeschrieben. Im anschließenden Beschwerdeverfahren wurde dieser Bescheid mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom mit der Begründung ersatzlos aufgehoben, dass aufgrund des im Bescheid angeführten Gegenstands „Verlassenschaftsabhandlung“ das gebührenpflichtige Rechtsgeschäft nicht ausreichend bezeichnet und damit die Sache nicht bestimmt sei. Es sei dem Verwaltungsgericht verwehrt, eine aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervorgehende Sache erstmals einer Besteuerung zu Grunde zu legen.

2 Mit Bescheid vom schrieb die Abgabenbehörde der Mitbeteiligten gemäß § 33 TP 18 Abs. 1 GebG betreffend „Sicherstellung der Erbteilsforderung laut Erbübereinkommen vom  mit MS“ eine Gebühr iHv 742,44 € vor. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Das infolge Vorlageantrags zuständig gewordene Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge und behob den Bescheid. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts seien in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen FM die erblasserische Witwe (Mutter der Mitbeteiligten) zu einem Drittel und vier minderjährige Töchter - eine davon die Mitbeteiligte - zu je einem Sechstel des Nachlasses als gesetzliche Erbinnen berufen gewesen. Jede dieser Personen habe eine bedingte Erbserklärung abgegeben.

4 Von der Mitbeteiligten, ihrer Mutter und ihren drei Schwestern sei am ein Erbübereinkommen abgeschlossen worden, wonach die Witwe und Mutter der Mitbeteiligten ein Wohnhaus in deren Alleigentum und andere Verpflichtungen übernommen habe. Die Kinder des Erblassers hätten in Anrechnung und teilweiser Abgeltung ihrer Erbteile eine andere Liegenschaft mit einer darauf befindlichen Garage übernommen. Die restlichen Erbteilsforderungen der Kinder seien gestundet und auf der von der Mutter übernommenen Liegenschaft hypothekarisch sichergestellt worden.

5 Diese Vereinbarung sei vom Bezirksgericht mit Beschluss vom pflegschaftsgerichtlich genehmigt und dessen Ergebnis in den Einantwortungsbeschluss vom aufgenommen worden. Es sei rechtskräftig angeordnet worden, dass bei den zum Nachlass gehörigen Liegenschaften die im Erbübereinkommen vereinbarten Eintragungen (Einverleibung der Eigentums- und Pfandrechte) vorzunehmen seien. Für die damit verwirklichten Grundstückserwerbe sei den Beteiligten die Grunderwerbsteuer vorgeschrieben worden.

6 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, dass nach § 15 Abs. 3 GebG Rechtsgeschäfte, die unter das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, das Grunderwerbsteuergesetz, das Kapitalverkehrsteuergesetz oder das Versicherungssteuergesetz fielen, von der Gebührenpflicht ausgenommen seien. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Z 2 GrEStG sei mit der Rechtskraft des (Gerichts-) Beschlusses über die Einantwortung verwirklicht worden.

7 Alle im Erbübereinkommen vorgesehenen Übertragungen, Verpflichtungen und Sicherstellungen hätten als gemeinsame Wurzel die Verlassenschaft nach FM und deren erbrechtliche Auswirkungen. Es sei von einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang aller darin vereinbarten Rechtsgeschäfte auszugehen. Die pfandrechtliche Sicherstellung der restlichen Erbteilsforderungen sei ohne die Verlassenschaft und die im Übereinkommen vereinbarte Vorgehensweise nicht denkbar.

8 Das Erbübereinkommen sei als einheitliches Rechtsgeschäft zu beurteilen, das mit den Liegenschaftserwerben von Todes wegen der Grunderwerbsteuer unterliege. Die Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG sei daher auf die Sicherstellung der Erbteilsforderung anwendbar und der Gebührenbescheid aufzuheben.

9 Dagegen richtet sich die revisionswerbende Behörde mit der gegenständlichen Revision, zu deren Zulässigkeit vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein Erbteilungsübereinkommen mit Grundstück ein Rechtsgeschäft darstelle, das unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) falle. Zudem stehe das angefochtene Erkenntnis - für den Fall, dass das revisionsgegenständliche Übereinkommen tatsächlich unter das GrEStG falle - im Widerspruch zu näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Rechtsgeschäften, die teils unter das GrEStG und teils unter das GebG fielen.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragte.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

13 Die Mitbeteiligte bringt in der Revisionsbeantwortung vor, im Hinblick auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom liege gegenständlich eine res iudicata vor, weshalb einer nochmaligen Entscheidung das Prozesshindernis der entschiedenen Sache entgegenstehe.

14 Die Sperrwirkung einer Entscheidung (Einmaligkeitswirkung, res iudicata, ne bis in idem) ist Ausfluss ihrer materiellen Rechtskraft. Der Umfang der Rechtskraft ergibt sich wiederum aus dem normativen Abspruch in Verbindung mit der Begründung der Entscheidung. Das Bundesfinanzgericht hatte - wie sich aus dem Spruch in Zusammenschau mit der Begründung des Erkenntnisses vom erschließt, das ausdrücklich auch das in Rede stehende Erbübereinkommen vom im Auge hatte und darin kein Verlassenschaftsverfahren erblickte - nur die Vergebührung eines „Verlassenschaftsverfahrens“ ersatzlos aufgehoben und damit für eine solche Sache des Abgabenverfahrens abschließend res iudicata geschaffen. Revisionsgegenständlich ist nunmehr die Vergebührung der im Erbübereinkommen vom vereinbarten Hypothekarverschreibung. Damit steht das Erkenntnis vom - entgegen der Revisionsbeantwortung - der revisionsgegenständlichen Sache nicht entgegen.

15 Gemäß § 33 TP 18 Abs. 1 Gebührengesetz 1957 (GebG) unterliegen Hypothekarverschreibungen, wodurch zur Sicherstellung einer Verbindlichkeit eine Hypothek bestellt wird, einer Gebühr iHv 1 vH nach dem Werte der Verbindlichkeit, für welche die Hypothek eingeräumt wird.

16 Nach Abs. 2 leg. cit. hat sich, wenn die Verbindlichkeit, für welche die Hypothek eingeräumt wird, unbestimmt ist und deren Betrag auch nicht annähernd festgesetzt werden kann, die Gebühr nach dem Werte der Hypothek, soweit dieser nicht durch vorhergehende Hypothekarsicherstellungen erschöpft ist, zu richten.

17 Nach § 15 Abs. 3 GebG sind Rechtsgeschäfte, die unter das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, Grunderwerbsteuergesetz, Kapitalverkehrsteuergesetz (I. Teil Gesellschaftsteuer und II. Teil Wertpapiersteuer) oder Versicherungssteuergesetz fallen, von der Gebührenpflicht ausgenommen; dies gilt auch für Rechtsgeschäfte, sofern und insoweit diese unter das Stiftungseingangssteuergesetz fallen.

18 Gemäß § 17 Abs. 1 erster Satz GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend.

19 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom , 2691/50, VwSlg. 503/F, unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung festgehalten, dass ein - dem revisionsgegenständlichen vergleichbares - Erbteilübereinkommen im Zusammenhang mit der Übertragung von Liegenschaften grundsätzlich der Grunderwerbsteuer unterliegt.

20 Das Bundesfinanzgericht ging im angefochtenen Erkenntnis davon aus, dass alle im revisionsgegenständlichen Erbübereinkommen vereinbarten Übertragungen, Verpflichtungen und Sicherstellungen als gemeinsame Wurzel die Verlassenschaft nach FM und deren erbrechtliche Auswirkungen hätten. Die pfandrechtliche Sicherstellung der restlichen Erbteilsforderungen sei ohne die Verlassenschaft und die im Übereinkommen vereinbarte Vorgehensweise nicht denkbar. Es sei von einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang aller darin vereinbarten Rechtsgeschäfte auszugehen. Das Erbübereinkommen sei als einheitliches Rechtsgeschäft zu beurteilen, das mit den Liegenschaftserwerben von Todes wegen der Grunderwerbsteuer unterliege. Die Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG sei daher auf die Sicherstellung der Erbteilsforderung anwendbar.

21 Im vom Bundesfinanzgericht zur Begründung seiner Entscheidung herangezogenen Erkenntnis vom , Ra 2020/16/0109, hat der Verwaltungsgerichtshof eine Gebührenpflicht nach § 33 TP 9 GebG für die Einräumung des Fruchtgenussrechts bei Grundstücksschenkungen unter Fruchtgenussvorbehalt verneint. Der Verwaltungsgerichtshof ist dabei von einheitlichen Rechtsgeschäften, nämlich von Schenkungen gegen Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes an der Liegenschaft ausgegangen.

22 Enthält ein einheitlicher Vertrag verschiedenen Vertragstypen entnommene Elemente, ist er gebührenrechtlich nach seinem überwiegenden rechtlichen und wirtschaftlichen Zweck zu beurteilen. Für die Rechtsnatur eines Vertrages ist die nach § 914 ABGB ermittelte Absicht der Parteien hinsichtlich der Wirkungen des Vertrages maßgebend. Dabei kommt es vor allem auf den von den Parteien bei Abschluss des Vertrages verfolgten, objektiv erkennbaren Zweck des Vertrages an (vgl. , mwN).

23 Der objektiv erkennbare Zweck des gegenständlichen Erbübereinkommens ist die Aufteilung des Erbvermögens. Diese Aufteilung wird hinsichtlich bestimmter Forderungen, zu denen auch jene der Mitbeteiligten zählen, durch eine Pfandrechtsbestellung (lediglich) sichergestellt.

24 Die vom Bundesfinanzgericht vertretene Auffassung würde im Ergebnis dem § 19 Abs. 2 GebG hinsichtlich der in der jeweiligen Urkunde zur Sicherung vereinbarten Hypothekarverschreibungen jeglichen Anwendungsbereich nehmen, was - wie dargestellt - weder aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hervorgeht noch dem Zweck der Bestimmung entspricht. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund des mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, eingefügten letzten Satzes des § 19 Abs. 2 GebG, wonach u.a. für Sicherungs- und Erfüllungsgeschäfte zu Darlehens-, Kredit-, Haftungs- und Garantiekreditverträgen getroffenen Vereinbarungen über die Gewährung eines Rahmens für die Inanspruchnahme von Anzahlungen der § 20 Z 5 GebG gilt. Diese Bestimmung sollte nach den ErlRV 981 d.B. XXIV. GP, 139, gerade die „Verlagerung der Gebührenpflicht auf Sicherungs- und Erfüllungsgeschäfte“ vermeiden, was impliziert, dass auch der Gesetzgeber die jeweiligen Sicherungsgeschäfte insofern als eigenständig angesehen hat.

25 Die vom Bundesfinanzgericht herangezogene Begründung vermag demnach die gänzliche Gebührenfreiheit der revisionsgegenständlichen Hypothekarverschreibung nicht zu tragen.

26 Vereinbaren mehrere Miterben bei der Erbteilung, dass eine Nachlassliegenschaft zwischen einigen Erben geteilt, die anderen Erben mit Geldforderungen gegen die die Liegenschaftsanteile übernehmenden Erben abgefunden und diese Forderungen auf den Liegenschaftsanteilen pfandrechtlich sichergestellt werden, so bleibt die Bestellung des Pfandrechtes als Nebengeschäft zu dem grundsätzlichen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erbteilungsübereinkommen gemäß § 19 Abs. 2 GebG gebührenfrei (vgl. nochmals , VwSlg. 503/F). Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Erkenntnis die Gebührenfreiheit der dort verfahrensgegenständlichen Hypothekarverschreibungen - anders als das Bundesfinanzgericht - nicht auf § 15 Abs. 3 GebG sondern auf § 19 Abs. 2 GebG gestützt (vgl. auch , zur Anwendbarkeit des § 19 Abs. 2 GebG bei hypothekarischer Besicherung eines Vergleichs).

27 Gemäß § 19 Abs. 2 2. Satz GebG sind u.a. die in der Urkunde über das Hauptgeschäft zwischen denselben Vertragsteilen zur Sicherung oder Erfüllung des Hauptgeschäftes abgeschlossenen Nebengeschäfte gebührenbefreit, wenn das Hauptgeschäft nach dem GebG oder einem Verkehrsteuergesetz einer Gebühr oder Verkehrsteuer unterliegt.

28 Insoweit das gegenständliche Erbübereinkommen auch Erbvermögen erfasst, das nicht Gegenstand der Grunderwerbsteuer ist, unterliegt es nicht der Grunderwerbsteuer. Die Anwendbarkeit einer anderen Verkehrsteuer auf das gegenständliche Erbübereinkommen ist ebenso wenig ersichtlich, wie eine Gebührenpflicht nach dem GebG.

29 Zum Umfang der gegenständlich in Betracht kommenden Gebührenbefreiung gemäß § 19 Abs. 2 2. Satz GebG ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 15 Abs. 3 GebG zu verweisen. Demnach ist es Zweck des § 15 Abs. 3 GebG zu vermeiden, dass ein Rechtsgeschäft, das nach einem der erschöpfend angeführten Abgabengesetze steuerbar ist, nicht überdies noch mit einer Rechtsgebühr belegt wird (vgl. wiederum , mwN).

30 Zur Verwirklichung des Regelungszweckes des § 15 Abs. 3 GebG ist es weder erforderlich noch folgerichtig, Teile des Entgeltes weder der Verkehrsteuer noch der Rechtsgebühr zu unterziehen. Von der Bemessungsgrundlage der Gebühr (dem Entgelt) ist somit jener Teil auszuscheiden, von dem Grunderwerbsteuer zu erheben wäre; der Rest unterliegt der Gebühr. Maßgeblich für das Ausmaß der Gebührenbefreiung ist somit die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer (vgl. , mwN).

31 Der Zweck der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG in Verbindung mit der Verschiedenheit des Steuer- bzw. Bemessungsgegenstandes erfordert, dass auch ein gemeinsamer Erwerb von beweglichem und unbeweglichem Vermögen in zwei Erwerbsvorgänge, nämlich in einen des beweglichen und in einen des unbeweglichen Vermögens für die Berechnung der Gebühr und der Grunderwerbsteuer zerlegt werden. Die lediglich aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 GebG erschlossene Auslegung des Norminhaltes würde dazu führen, dass zwar die Doppelbesteuerung vermieden, aber gleichzeitig die Gebührenfreiheit auf jenen Teil des Rechtsgeschäftes ausgedehnt würde, für den, isoliert betrachtet, der Befreiungstatbestand nicht gegeben ist. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er mit § 15 Abs. 3 GebG das jeweilige Rechtsgeschäft zur Gänze von der Rechtsgebühr befreien wollte, auch wenn es nur teilweise unter das Grunderwerbsteuergesetz fällt, denn dies würde bedeuten, dass ein an sich gebührenpflichtiger Tatbestand nur deshalb gebührenfrei wäre, weil er zu einem Teil auch Gegenstand der Grunderwerbsteuer ist (vgl. ).

32 Nach dem dargestellten Zweck des § 15 Abs. 3 GebG - der auf die Gebührenbefreiung des § 19 Abs. 2 GebG im Zusammenhang mit Vertragsteilen zur Sicherung des Hauptgeschäftes übertragbar ist - kann auch diese Befreiung nur insoweit zum Tragen kommen, als das damit gesicherte Hauptgeschäft selbst nach dem GebG oder einem Verkehrsteuergesetz einer Gebühr oder Verkehrsteuer unterliegt. Nach der Aktenlage hatte das revisionsgegenständliche Erbübereinkommen auch Vermögenswerte zum Gegenstand, deren Übertragung jedenfalls nicht unter das Grunderwerbsteuergesetz fällt. Auch die Anwendbarkeit eines anderen Verkehrsteuergesetzes ist nicht erkennbar. Demgemäß gelangt, soweit eine hypothekarische Besicherung von Forderungen erfolgte, die nicht einem verkehrsteuer- oder gebührenpflichtigen Geschäft zuzuordnen sind, die Gebührenbefreiung des § 19 Abs. 2 GebG jedenfalls nicht zur Anwendung.

33 Indem das Bundesfinanzgericht die revisionsgegenständliche Hypothekarverschreibung ohne auf den Umfang der Gebühren- oder Verkehrsteuerspflicht des Hauptgeschäfts abzustellen, zur Gänze nicht der Gebühr gemäß § 33 TP 18 GebG unterzogen hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

34 Ein Aufwandersatz findet nicht statt, weil Mitbeteiligte nach § 50 iVm § 47 Abs. 3 VwGG Anspruch auf Aufwandersatz nur im Fall der Abweisung der Revision haben.

Wien, am

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Normen
ABGB §914
BAO §280 Abs1 litd
BAO §280 Abs1 lite
BAO §93 Abs2
BAO §93 Abs3 lita
BudgetbegleitG 2011
GebG 1957 §15 Abs3
GebG 1957 §19 Abs2
GebG 1957 §19 Abs2 idF 2010/I/111
GebG 1957 §20 Z5
GebG 1957 §33
GebG 1957 §33 TP18 Abs1
GrEStG 1987 §1
GrEStG 1987 §4
VwRallg
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023160121.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-46400