VwGH 02.12.2024, Ra 2023/15/0101
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der M GmbH in S, vertreten durch Hon. Prof. Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 19/Top 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/6100051/2022, betreffend Haftung für Lohnsteuer 2011 bis 2015, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbende GmbH ist - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - im Messestandbau tätig. Für sie waren in den Jahren 2011 bis 2015 neben drei laufend beschäftigen Dienstnehmern mehrere Personen für Arbeiten im Messestandbau sowie für Hilfs- und Lagerarbeiten tätig.
2 Im Jahr 2016 wurde bei der revisionswerbenden Gesellschaft eine gemeinsame Prüfung der lohnabhängigen Abgaben (GPLA) über die Jahre 2010 bis 2015 durchgeführt, nach deren Abschluss u.a. Haftungsbescheide gemäß § 82 EStG 1988 betreffend Lohnsteuer 2011 bis 2015 erlassen wurden.
3 Gegen diese Haftungsbescheide erhob die Revisionswerberin Beschwerden und stellte - nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung - einen Vorlageantrag. Konkrete Beweisanträge enthielten beide Rechtsmittel nicht. Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BFG die Beschwerden ab. Begründend führte es aus, im Streitzeitraum sei für drei Personen (DB, GA und FK) Lohnsteuer im Haftungswege vorgeschrieben worden. DB sei im Zeitraum bis mit Unterbrechungen als Arbeitskraft im Messestandbau für diverse Arbeiten teilweise alleine, teilweise in Zusammenarbeit mit den Arbeitern der revisionswerbenden Gesellschaft eingesetzt worden. Sein Entgelt habe (ohne Reisekosten) 20 € pro Stunde betragen. Seit bis über den Prüfungszeitraum hinaus sei er als Dienstnehmer der Revisionswerberin angemeldet gewesen. Er habe im Zeitraum 2011 bis 2013 keine Gewerbeberechtigung besessen und in diesen Jahren kein eigenes Unternehmen betrieben, sondern nichtselbständige Einkünfte aus anderen Quellen bezogen. Es sei auch keine betriebliche Veranlagung seiner jährlich den Betrag von 750 € übersteigenden Einkünfte aus dem Messestandbau erfolgt.
5 GA habe im Zeitraum bis gleichfalls Dienstleistungen im Messestandbau teilweise alleine, teilweise in Zusammenarbeit mit den Arbeitern der Revisionswerberin erbracht. Sein Entgelt habe pauschal 920 € betragen. Er habe in diesem Jahr keine Gewerbeberechtigung besessen und kein eigenes Unternehmen betrieben, sondern nichtselbständige Einkünfte aus anderen Quellen bezogen. Es sei 2012 keine betriebliche Veranlagung seiner den Betrag von 750 € übersteigenden Einkünfte aus dem Messestandbau für das Jahr 2012 erfolgt.
6 FK habe im Zeitraum bis ein mündlich vereinbartes Vertragsverhältnis zur revisionswerbenden Gesellschaft gehabt. Er habe teilweise alleine, teilweise in Zusammenarbeit mit den Arbeitern der Revisionswerberin den Auf- und Abbau von vorgefertigten Messeständen durchgeführt und auch Tätigkeiten eines Lager- und Hilfsarbeiters übernommen. Die Messestände seien zuvor am Computer geplant und im Lager aus dem vorhandenen Standbausystem zusammengestellt worden. Dafür habe es jeweils einen Plan und eine Teileliste gegeben, die im Lager zusammengestellt worden sei. Die Messestandorte und Aufbautermine bzw. Fristen seien von der revisionswerbenden Gesellschaft vorgegeben worden. Nach dem Ende der Messe seien die Stände wieder abgebaut und die Teile zurück in das Lager transportiert und dort eingelagert worden. Teilweise seien Stundenlisten geführt worden. Der Standaufbau sei relativ einfach gewesen, weil es sich um vorgefertigte genormte Teile gehandelt habe, wobei hauptsächlich eine Ratsche benötigt worden sei, um die Teile zu befestigen und zu verschrauben. Im Einzelfall notwendiges Spezialwerkzeug sei von der revisionswerbenden Gesellschaft zur Verfügung gestellt worden. Besondere Qualifikationen seien für diese Aufbautätigkeiten nicht benötigt worden. Im Regelfall sei kein eigenverantwortliches Aufbauen eines bestimmten Messestandes erfolgt; der Aufbau sei überwiegend gemeinsam mit anderen Arbeitnehmern der Revisionswerberin oder einem weiteren als Selbstständiger eingestuften Monteur durchgeführt worden. Im Regelfall sei FK angefordert worden, wenn die Revisionswerberin mit ihren eigenen Arbeitnehmern nicht das Auslangen habe finden können. Das benötigte Arbeitsmaterial sei von ihr unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Bei Fertigstellung sei ihr Geschäftsführer zu verständigen gewesen. Der auf- bzw. abzubauende Messestand sei in einen Transporter der Revisionswerberin verladen und damit auf deren Kosten transportiert worden. Auch FK habe in den Jahren 2013 bis 2015 keine Gewerbeberechtigung und kein Unternehmen besessen. In seiner Veranlagung zur Einkommensteuer dieser Jahre seien die von der Revisionswerberin bezogenen Einkünfte nicht erfasst worden.
7 Hinsichtlich der Tätigkeiten des DB und GA sehe das BFG sämtliche Merkmale eines Dienstverhältnisses bei beiden Personen als erfüllt an. Die Vereinbarung eines Stundenhonorars, die - wenn auch immer wieder unterbrochene - Tätigkeit für nur einen Auftraggeber und die beim Aufstellen und der Demontage eines Messestandes notwendige Zusammenarbeit mit weiteren Dienstnehmern der revisionswerbenden Gesellschaft sprächen für eine Weisungsunterworfenheit und organisatorische Eingliederung in das Unternehmen der Revisionswerberin. Zudem könne das BFG auch kein Unternehmerrisiko der beiden Personen erkennen. Sie hätten Arbeitsmittel von der Revisionswerberin zur Verfügung gestellt erhalten, für ihre Ausgaben nicht selbst aufkommen müssen und für eine allfällige Mangelhaftigkeit ihrer Tätigkeit nicht gehaftet.
8 Dies sei grundsätzlich auch auf die Tätigkeiten des FK übertragbar. Zusätzlich sei noch zu berücksichtigen, dass FK auch als Hilfs- oder Lagerarbeiter iZm dem Auf- und Abbau der Messestände eingesetzt worden sei. Für diese Tätigkeit sei die Erbringung einer Werkleistung nach Sicht des BFG schon begrifflich nicht möglich. Zwar sei FK auch gegenüber anderen Auftraggebern als Selbstständiger aufgetreten, die entsprechenden Einnahmen seitens der revisionswerbenden Gesellschaft habe er nach den Feststellungen der GPLA-Prüfung jedoch nicht in seine Einkommensteuererklärung aufgenommen. Auch bei FK sei im Regelfall eine Zusammenarbeit mit Arbeitern der revisionswerbenden Gesellschaft erfolgt. Größe und Gestaltung der Messestände seien vorgegeben gewesen. Eine Beschäftigung sei vor allem dann erfolgt, wenn zusätzliche Arbeitskräfte nötig gewesen seien. Es habe kein Unternehmerrisiko bei Zurverfügungstellung der Arbeitsmittel bestanden, weil z.B. der Firmen-Lkw der revisionswerbenden Gesellschaft inkl. Benzin zur Verfügung gestellt worden sei. FK habe keine eigenen Betriebsmittel, sondern lediglich einzelne Werkzeuge besessen; sein „Werk“ (der Standaufbau) sei nicht abgenommen worden und er habe nicht selbst für eine Vertretung sorgen müssen, wenn er bei der Ausübung der Tätigkeit verhindert gewesen sei. Zudem habe ihn keine Haftung für das „Werk“ getroffen.
9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision. Zu deren Zulässigkeit bringt die revisionswerbende Gesellschaft insbesondere vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur „Verhandlungspflicht der Bundesfinanzgerichte“ ab. Darüber hinaus missachte es die Erkenntnisse des „ und -0024“, womit das einen wesentlichen Teil der Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung ausmachende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (LVwG) „vom , L511 2162347-2/9E“, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG, aufgehoben worden sei. Die revisionswerbende Partei habe auch nach Ergehen des LVwG-Erkenntnisses ihr Sachverhaltsvorbringen ergänzt und weitere rechtliche Aspekte, sowie die Einvernahme weiterer Zeugen beantragt. Das BFG habe „keine (nachprüfende) Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts vorgenommen“.
10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos, oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen) Bedacht zu nehmen. Ob bzw. in welcher Ausprägung und Intensität im konkreten Fall die einzelnen genannten Kriterien vorliegen, ist eine Sachverhaltsfrage (vgl. , mwN).
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. , mwN).
16 Das BFG hat sich im Revisionsfall mit den einzelnen Merkmalen, die ein Dienstverhältnis begründen können, auseinandergesetzt und ist zu der einzelfallbezogenen Beurteilung gelangt, dass im Revisionsfall ein Dienstverhältnis der streitgegenständlich im Messebau eingesetzten Personen zur Revisionswerberin vorliegt.
17 Wenn die Revision ungeachtet dessen geltend macht, das BFG habe „keine (nachprüfende) Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts vorgenommen“, ist sie darauf hinzuweisen, dass die Revisionswerberin in der Beschwerde oder im Vorlageantrag keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat. Auch konkrete Beweisanträge sind darin nicht enthalten. Die Revisionswerberin ist den bisherigen Sachverhaltsannahmen des Verfahrens darin vielmehr lediglich in sehr allgemeiner Weise entgegen getreten. Das Revisionsvorbringen, die revisionswerbende Partei habe - so wie das offenbar im Verfahren betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG erfolgt ist - nach Ergehen eines Erkenntnisses des LVwG zu einem parallelen Verwaltungsstrafverfahren ihr Sachverhaltsvorbringen und weitere rechtliche Aspekte ergänzt sowie die Einvernahme von Zeugen beantragt, wird in der Revision hinsichtlich des revisionsgegenständlichen Haftungsverfahrens betreffend Lohnsteuer nicht näher präzisiert.
18 Bei ihrer Rüge, das angefochtene Erkenntnis weiche von der (nicht näher spezifizierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur „Verhandlungspflicht der Bundesfinanzgerichte“ ab, dürfte die Revision zudem die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs. 1 VwGVG vor Augen haben, die auch zu einer Aufhebung der von der Revision zitierten Entscheidung des LVwG Salzburg betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG durch das hg. Erkenntnis vom , Ra 2021/08/0023, geführt hat. Demgegenüber bestimmen sich die Voraussetzungen zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung im revisionsgegenständlichen Abgabenverfahren jedoch nach § 274 BAO und mangelt es diesbezüglich bereits an entsprechenden Anträgen der Revisionswerberin.
19 In der Sache kann die Revision mit ihren Zulässigkeitsrügen letztlich nicht aufzeigen, dass die Sachverhaltsannahmen des BFG zu den einzelnen Merkmalen (Vereinbarung eines Stundenlohns, Tätigkeit nur für einen Auftraggeber bei DB und GA bzw. Einsatz auch als Hilfs- oder Lagerarbeiter bei FG, fehlendes Unternehmerrisiko, Zurverfügungstellung von Arbeitsmitteln, Zusammenarbeit mit den Arbeitern der Revisionswerberin, keine Pflicht zur Bereitstellung einer Vertretung im Falle der Verhinderung bei Ausübung der Tätigkeit) oder die darauf basierende (und unabhängig vom LVwG getroffene) Gesamtbeurteilung des BFG mit die Zulässigkeit der Revision begründenden Mängeln behaftet wäre (vgl. , mwN).
20 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023150101.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-46371