VwGH 05.10.2023, Ra 2023/15/0084
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Norm | BAO §115 Abs1 |
RS 1 | Die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes findet dort ihre Grenze, wo nach der Lage des Falles die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind und nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (vgl. ; , 94/13/0099). Dies trifft auf die Gestaltung des persönlichen Lebensbereiches, wie der Aufhebung einer Ehegemeinschaft, zu. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des H H in S, vertreten durch die Grünbart Lison Wiesner-Zechmeister Rechtsanwälte GmbH in 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 35a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100327/2022, betreffend Mehrkindzuschlag, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Das Finanzamt wies einen Antrag des Revisionswerbers auf Auszahlung des Mehrkindzuschlages 2019 mit der Begründung ab, das Familieneinkommen 2018 habe den für den Mehrkindzuschlag maßgeblichen Grenzbetrag von 55.000 € überstiegen.
2 In der gegen den Abweisungsbescheid erhobenen Beschwerde führte der Revisionswerber u.a. aus, sein Einkommen des Jahres 2018 sei unter dem Grenzbetrag gelegen und das Einkommen seiner Ehefrau sei nicht zu berücksichtigen, weil diese die Ehescheidungsklage eingereicht und im Jahr 2018 weniger als sechs Monate im Haushalt des Revisionswerbers gelebt habe. Ausschlaggebend seien hier nicht das Zentrale Melderegister, sondern die tatsächlichen Verhältnisse. Auf die Ermittlungspflicht des Finanzamtes werde ausdrücklich hingewiesen.
3 Mit Vorhalt vom forderte das Finanzamt den Revisionswerber auf, den Zeitpunkt des Endes des gemeinsamen Haushaltes mit seiner Ehefrau durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.
4 In einer Stellungnahme zum Vorhalt führte der Revisionswerber u.a. aus:
„Gemäß § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabenpflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Entsprechend der amtswegigen Ermittlungspflicht iSd § 115 Abs. 1 BAO ist es primär Aufgabe des Finanzamtes durch eine entsprechende Gestaltung des Ermittlungsverfahrens möglichst einwandfreie und nachvollziehbare Entscheidungsgrundlagen zu ermitteln (). Die amtswegige Ermittlungspflicht der Abgabenbehörden besteht nur innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes und findet dort ihre Grenze, wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (vgl. z.B. Ritz, BAO3, § 115 Tz 6, und das hg. Erkenntnis vom , 92/15/0002). Da hier nicht nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann sind anderweitige Ermittlungsschritte des Finanzamtes geboten.“
5 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin der Revisionswerber deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht (BFG) beantragte.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das BFG der Beschwerde keine Folge. Das BFG sah es - wie zuvor das Finanzamt - im Hinblick auf die Eintragungen im Zentralen Melderegister als erwiesen an, dass der Revisionswerber mit seiner nunmehr geschiedenen Ehefrau im Kalenderjahr 2018 mehr als sechs Monate in einem gemeinsamen Haushalt gelebt und deren gemeinsames Einkommen den für den Mehrkindzuschlag maßgeblichen Grenzbetrag von 55.000 € überstiegen habe. Im Rahmen der Beweiswürdigung wies das BFG u.a. auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hin, wonach bei Begünstigungstatbeständen die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund trete. Der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige habe selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden könne (Hinweis auf ; , 99/13/0070; , 2006/14/0050; , 2001/15/0213). Der Revisionswerber habe den für die Gewährung des Mehrkindzuschlages erforderlichen Sachverhalt lediglich unsubstantiiert behauptet und sei der Aufforderung des Finanzamts, diese Behauptung ausreichend zu belegen, nicht nachgekommen. Im Beschwerdeverfahren habe er auch nicht dargelegt, anhand welcher sonstigen tauglichen Beweismittel das Vorliegen der Voraussetzungen hätte nachgewiesen werden können.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die vorliegende Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, der Revisionswerber habe im Beschwerdeverfahren mehrfach mitgeteilt, dass er mit der nunmehr geschiedenen Ehefrau im Jahr 2018 weniger als sechs Monate im gleichen Haushalt gelebt habe und die ZMR-Auskunft nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspreche. Trotzdem habe das BFG den maßgeblichen Sachverhalt als „ausreichend geklärt“ angesehen und keine weiteren Ermittlungen für erforderlich erachtet. Damit habe es die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen, zumal der Umstand, dass der Revisionswerber keine Beweise vorgelegt habe, nicht dahingehend ausgelegt werden dürfe, dass es keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen für den begehrten Mehrkindzuschlag gebe. „Im Sinne der amtswegigen Wahrheitsfindung wäre daher die erkennende Behörde verpflichtet gewesen, den durch die ausreichend vorgebrachten Umstände (nämlich Aufhebung der Ehegemeinschaft) begründeten Zweifel nachzugehen, was nicht erfolgt ist - und damit einen wesentlichen Verfahrens- und Begründungsmangel begründet. Hätte die Behörde weitere Nachforschungen angestrengt, wäre sie zum Schluss gekommen, dass der beantragte Mehrkindzuschlag zu gewähren ist.“
12 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
13 Die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes findet dort ihre Grenze, wo nach der Lage des Falles die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind und nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (vgl. ; , 94/13/0099; Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG² § 8 Rz 32). Dies trifft auf die Gestaltung des persönlichen Lebensbereiches, wie der Aufhebung einer Ehegemeinschaft, zu. Im vorliegenden Fall hat sich der Revisionswerber darauf beschränkt, die Eintragungen im Zentralen Melderegister als unzutreffend zu bezeichnen und er hat trotz entsprechender Aufforderung durch das Finanzamt schon keine Angaben zum tatsächlichen Zeitpunkt der Auflösung des gemeinsamen Haushaltes mit seiner früheren Ehefrau gemacht, sondern lediglich behauptet, die gesetzlichen Voraussetzungen des Mehrkindzuschlages (u.a. kein mehr als sechs Monate im Kalenderjahr 2018 bestehender gemeinsamer Haushalt) lägen im Revisionsfall vor.
14 Weiters macht die Revision Verfahrensfehler (Feststellungs- und Begründungsmängel) geltend.
15 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentlichste zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. z.B. , mwN). Aufgrund welcher weiterer Nachforschungen des Finanzamts oder des BFG sich ergeben hätte, dass der Revisionswerber im Jahr 2018 weniger als sechs Monate im gleichen Haushalt mit seiner (früheren) Ehefrau gelebt habe, legt die Revision im Vorbringen zu ihrer Zulässigkeit nicht dar.
16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | BAO §115 Abs1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023150084.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-46363