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VwGH 15.03.2024, Ra 2023/15/0079

VwGH 15.03.2024, Ra 2023/15/0079

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
BAO §303 Abs1 litb
RS 1
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln" bezieht sich damit auf den Wissensstand (insbesondere auf Grund der Abgabenerklärungen und der Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0045).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/15/0106 E RS 1
Norm
BAO §303 Abs1 litb
RS 2
Wenn einem Prüfer eine Information vorliegt, er diese der abgabenfestsetzenden Stelle vor Erlassung des ursprünglichen erstinstanzlichen Bescheides aber nicht bekannt gibt, steht dies einer Wiederaufnahme nicht entgegen (vgl. ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der F GmbH in K, vertreten durch die Dr. Bernhard Vanas Steuerberatungs GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 17, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/3100302/2022, betreffend u.a. Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2015, 2016 und 2018 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer 2015, 2016 und 2018, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist in der Herstellung von Bekleidung und im Einzelhandel tätig. Ihre Gesellschafter sind zu 75 % KF und zu 25 % TF. KF war im Revisionszeitraum Gesellschafter-Geschäftsführer der Revisionswerberin.

2 Das Finanzamt führte im Februar 2016 eine Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum Oktober bis November 2015 durch, im Zuge derer Räumlichkeiten im Privathaus von KF besichtigt wurden. Die Abgabenbehörde schloss diese mit Bericht vom ohne Feststellungen und ohne bescheidmäßige Festsetzung der Umsatzsteuer ab.

3 Im Rahmen einer im Jahr 2020 durchgeführten Außenprüfung betreffend die Jahre 2015 bis 2018 wurde eine Vereinbarung zwischen der Revisionswerberin und KF betreffend die unentgeltliche Nutzung von Teilen seiner Privatliegenschaft zu betrieblichen Zwecken als nicht fremdüblich angesehen und für die Investitionen der Revisionswerberin in diese Räumlichkeiten weder der Vorsteuerabzug noch die Abschreibung anerkannt sowie eine verdeckte Ausschüttung an KF in Höhe der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der Umbauarbeiten angenommen. Zur Begründung der Wiederaufnahme führte der Prüfungsbericht aus, dass im Zuge der Prüfung erstmals die Nutzungsvereinbarung zwischen der Revisionswerberin und KF vorgelegt und Einsicht in die Baupläne genommen worden sei und dadurch neue Tatsachen bzw. Beweismittel hervorgekommen seien, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würden. Zudem sei es hinsichtlich der Umsatzsteuer zur Feststellung des Vorliegens einer verdeckten Ausschüttung gemäß § 8 Abs. 2 KStG 1988 gekommen, was ebenfalls einen Wiederaufnahmegrund darstelle, weil dies der Behörde nicht bekannt gewesen sei.

4 Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers, nahm die Verfahren zur Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2015, 2016 und 2018 wieder auf und erließ neue Sachbescheide sowie einen Bescheid betreffend Haftung für die Kapitalertragsteuer 2015, 2016 und 2018.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen ab, woraufhin die Revisionswerberin einen Vorlageantrag stellte.

6 Das Bundesfinanzgericht wies mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Es stellte - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - fest, dass KF zunächst Alleineigentümer und später Miteigentümer mit seiner Ehefrau einer näher bezeichneten Liegenschaft in K gewesen sei. Die gegenständliche Liegenschaft sei im gesamten Prüfungszeitraum von KF, seiner Frau und seinen Kindern als Hauptwohnsitz genutzt worden. Am , zu einem Zeitpunkt, als KF noch Alleineigentümer der Liegenschaft gewesen sei, sei zwischen der Revisionswerberin und KF eine „Nutzungsvereinbarung betreffend Geschäftsräumlichkeiten“ abgeschlossen worden, die im Wesentlichen zum Inhalt habe, dass KF der Revisionswerberin vier Räume der gegenständlichen Liegenschaft im Ausmaß von 91,30 m2 unentgeltlich zur betrieblichen Nutzung überlasse, die als „Catering“, „Besprechung“, „Showroom I“ und „Showroom II“ bezeichnet worden seien. Die Revisionswerberin habe die Kosten der Herstellung bzw. des Umbaus zu tragen. Die Vereinbarung gelte (rückwirkend) ab und für eine Dauer von 10 Jahren. Im Falle der vorzeitigen Auflösung habe KF der Revisionswerberin eine Investitionsablöse in Höhe von 1/10 des Buchwertes für jedes noch nicht abgelaufene Jahr der Vertragsdauer zu leisten. Die Möglichkeit der Auflösung unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendermonats sei vereinbart worden. Die Nutzungsvereinbarung sei der Behörde erstmals im Zuge der Außenprüfung vorgelegt worden. Sie sei während der laufenden Betriebsprüfung mit Auflösungsvereinbarung vom und Wirksamkeit zum (sohin rückwirkend und im Widerspruch zur vereinbarten Kündigungsfrist) aufgelöst worden. Die vereinbarte Investitionsablöse sei von KF nicht bezahlt worden, es sei lediglich eine Forderung der Revisionswerberin an KF auf dessen Verrechnungskonto eingestellt worden. Nach Angaben von KF würden die gegenständlichen Räumlichkeiten seither ausschließlich privat genutzt. Bei einem vom Bundesfinanzgericht dem Finanzamt aufgetragenen Ortsaugenschein sei den Beamten der Zutritt verweigert worden. Im Zusammenhang mit der Nutzungsvereinbarung seien Investitionen zur Herstellung bzw. zum Umbau der gegenständlichen Räumlichkeiten getätigt und Vorsteuern bzw. AfA geltend gemacht worden.

7 Die gegenständlichen Räumlichkeiten seien im gesamten Prüfungszeitraum nicht betrieblich durch die Revisionswerberin, sondern privat durch KF und dessen Familie genutzt worden. Es handle sich bei den in der Vereinbarung als „Catering“, „Besprechung“ und „Showroom I“ bezeichneten Räumen tatsächlich um eine Küche, einen als Esszimmer genutzten Wintergarten sowie eine Lounge. Abgesehen vom privaten Charakter der Nutzung könne nicht festgestellt werden, wie der als „Showroom II“ bezeichnete Raum, der auf dem Einreichplan gar nicht als selbständiger Raum existiere, sondern dort einen Teil des Wohnzimmers bilde, konkret genutzt werde. All diese Räumlichkeiten seien nicht baulich von der Restliegenschaft getrennt, sondern durch dieselbe Art von Türen wie die restlichen Räume der Liegenschaft mit dieser verbunden. Die Ausstattung der gegenständlichen Räumlichkeiten sei besonders luxuriös bzw. repräsentativ und speziell auf die persönlichen Bedürfnisse der Familie F zugeschnitten. Die Liegenschaft liege in äußerst repräsentativer Lage. Insgesamt entspreche die Bauausführung hinsichtlich der Raumaufteilung dem „Einreichplan BVH Privathaus [F]“ und nicht dem davon abweichenden, der Nutzungsvereinbarung entsprechenden „Werkplan Vorabzug BVH Privathaus [F]/Umbau Showroom [F]“. Der Revisionswerberin sei bewusst gewesen, dass den getätigten Investitionen keine Gegenleistung gegenüberstehe. Sie habe diese mit dem Vorsatz getätigt, KF dadurch einen Vorteil zuzuwenden.

8 In der Folge stellte das Bundesfinanzgericht umfangreiche beweiswürdigende Erwägungen zur festgestellten privaten Nutzung der Liegenschaft im Revisionszeitraum und der mangelnden Fremdüblichkeit an.

9 Zur Wiederaufnahme führte das Bundesfinanzgericht aus, das Finanzamt habe die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2015, 2016 und 2018 darauf gestützt, dass ihr einerseits die Nutzungsvereinbarung vom erst im Juli 2020 im Zuge der Außenprüfung vorgelegt worden sei und sie andererseits erstmalig im Zuge der Außenprüfung Einsicht in die Baupläne genommen habe. Zudem sei erst im Zuge der Prüfung hervorgekommen, dass eine verdeckte Ausschüttung und somit ein Grund für die Versagung des Vorsteuerabzugs hinsichtlich der gegenständlichen Investitionen vorliege. Die Revisionswerberin habe das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes bestritten, weil der Behörde alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bereits im Zuge der Umsatzsteuersonderprüfung im Februar 2016 bekanntgegeben worden seien.

10 Zwar habe das Finanzamt nachweislich Kenntnis davon gehabt, dass nach Angaben der Revisionswerberin eine betriebliche Nutzung der gegenständlichen Räumlichkeiten beabsichtigt gewesen sei; dass tatsächlich aber gar keine betriebliche Nutzung beabsichtigt gewesen sei und auch keine solche erfolgt sei, habe sie zum Zeitpunkt der Umsatzsteuersonderprüfungen, als die Umbauarbeiten noch gar nicht abgeschlossen gewesen seien, unmöglich wissen können. Dies sei für die belangte Behörde vielmehr erst dadurch hervorgekommen, dass die Behörde im Zuge der Außenprüfung, sohin frühestens im Jahr 2020 und jedenfalls nach Erlassung der gegenständlichen Erstbescheide, Einsicht in die angeführten, von der Behörde auch zur Begründung der Wiederaufnahme herangezogenen Beweismittel genommen habe. Ein Wiederaufnahmegrund habe daher vorgelegen.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wer die Gefahr des Verlustes von Unterlagen aus dem behördlichen Akt trage, wenn es um die Frage des Wiederaufnahmegrundes gehe und alle Indizien dafür sprächen, dass die Behörde von behaupteten neuen Tatsachen oder dem neuen Beweismittel schon im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides Kenntnis gehabt haben müsse.

12 Weiters fehle es an Rechtsprechung, „ob in dieser Situation der Unvollständigkeit des Aktes nicht die Finanzbehörde beweisen müsse, dass sie keine Kenntnis von den neu hervorgekommenen Tatsachen bzw. Beweismitteln gehabt habe“. Schließlich fehle es an Rechtsprechung, „wo in dieser Frage die Grenze der freien Beweiswürdigung liege und ob nicht die Behörde eine Beweissicherungs- und Aufbewahrungspflicht habe“. Die Klärung dieser Fragen liege im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtseinheit. Die Entscheidung stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung, dass die Kenntnis der Abgabenbehörde vom wesentlichen Inhalt eines Schriftstückes ausreiche, den Wiederaufnahmegrund des neu hervorgekommenen Beweismittels zu verneinen, selbst wenn die Urkunde nicht vorgelegt worden sei.

13 Die Entscheidung zur verdeckten Gewinnausschüttung stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung, dass ein Fremdvergleich, der vom Steuerpflichtigen angestellt werde, die Annahme einer verdeckten Ausschüttung ausschließe und die Finanzbehörde die Beweislast dafür trage, dass der Fremdvergleich nicht tauglich sei.

14 Die Beweisaufnahme sei nicht willkürfrei erfolgt, weil das Bundesfinanzgericht zur für die Wiederaufnahme zentralen Frage, ob die maßgebenden Unterlagen (wie insbesondere die Nutzungsvereinbarung, aber auch Fotos, die ein Beamter mit dem eigens dafür mitgebrachten Dienst-Fotoapparat anlässlich der Außenprüfung am vom Haus gemacht habe) schon vor Jahren zum Akt genommen worden seien und damit keine zur Wiederaufnahme berechtigenden Neuerungen seien, die von der Revisionswerberin vorgetragenen Beweise (vor allem die Einvernahme von Zeugen) nicht einmal aufgenommen worden seien, sie daher auch gar nicht habe „würdigen“ können. Deshalb sei „die auf sich in nichtssagenden Gemeinplätzen ergehende, wenige Zeilen umfassende Schein-Beweiswürdigung gestützte Begründung der angefochtenen Entscheidung eine Schein-Begründung“. Darin liege - was per se die Revision zulässig mache, weil Art. 133 Abs. 4 B-VG ähnlich wie § 502 Abs. 1 ZPO von der Rechtsprechung entsprechend ausdehnend ausgelegt werde - die zwecks Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfende krasse Fehlbeurteilung einer verfahrensrechtlichen Frage. Das Bundesfinanzgericht habe die fundamentalsten Mindestanforderungen, die an eine Beweiswürdigung in einem rechtsstaatlichen Ansprüchen genügenden Verfahren zu stellen seien, missachtet. Zu diesen Mindestanforderungen gehöre es, kontradiktorische und bei verständiger ex ante-Betrachtung zur Sachaufklärung geeignete Beweise zumindest aufzunehmen und danach zu würdigen. Das Bundesfinanzgericht habe dagegen weder jenen Beamten einvernommen, der die Aufnahmen mit dem Dienst-Fotoapparat gemacht habe, noch andere Augenzeugen des Vorganges, ja diese Umstände nicht einmal erwähnt.

15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO) nur aus der Sicht der jeweiligen Verfahren derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln bezieht sich damit auf den Wissensstand (auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren (vgl. ). Auch wenn einem Prüfer eine Information vorliegt, er diese der abgabenfestsetzenden Stelle vor Erlassung des ursprünglichen erstinstanzlichen Bescheides aber nicht bekannt gibt, steht dies einer Wiederaufnahme nicht entgegen (vgl. ).

19 Die Revisionswerberin moniert zunächst, dass sich das Bundesfinanzgericht nicht mit ihrem Vorbringen auseinandergesetzt habe, dass im Zuge der Umsatzsteuersonderprüfung die Nutzungsvereinbarungen bereits übergeben und vom Prüfbeamten Fotos angefertigt worden seien, und macht in dem Zusammenhang geltend, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wer die Gefahr des Verlustes von Unterlagen aus dem behördlichen Akt trage, wenn es um die Frage des Wiederaufnahmegrundes gehe und alle Indizien dafür sprächen, dass die Behörde von behaupteten neuen Tatsachen oder dem neuen Beweismittel schon im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides Kenntnis gehabt haben müsse.

20 Abgesehen davon, dass die Revision nicht angibt, welche Indizien dafür gesprochen haben, dass die abgabenfestsetzende Stelle bereits Kenntnis von den behaupteten neuen Tatsachen gehabt habe, ist dem Vorbringen entgegenzuhalten, dass sowohl das Bundesfinanzgericht als auch das Finanzamt sich nicht nur auf die Nutzungsvereinbarung als neu hervorgekommene Tatsache gestützt haben, sondern auch auf die Einsicht in die Baupläne sowie die Umstände für das Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung. Dagegen wendet sich die Zulässigkeitsbegründung nicht. Insofern mangelt es der geltend gemachten Zulässigkeitsfrage an der Relevanz.

21 Wenn in dem Zusammenhang releviert wird, dass der für die Umsatzsteuersonderprüfung zuständige Beamte, der die Fotos angefertigt habe, nicht als Zeuge einvernommen worden sei, ist zunächst darauf zu verweisen, dass die Revisionswerberin weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag die Einvernahme eines Zeugen beantragt hat, somit die diesbezüglichen Vorwürfe, das Bundesfinanzgericht habe wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt, indem beantragte Zeugen nicht einvernommen wurden, ins Leere gehen. Weiters wird mit dem Vorbringen nicht dargelegt, welche Angaben dieser Zeuge hätte machen können, die zu einem anderen Ergebnis geführt hätten. Das Bundesfinanzgericht ist unter anderem davon ausgegangen, dass im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung die Umbauarbeiten noch nicht vollständig abgeschlossen waren, wogegen sich das Zulässigkeitsvorbringen nicht wendet. Weiters sei für den Prüfer nicht ersichtlich gewesen, dass die gegenständlichen Räume in der Folge privat genutzt werden würden. Anhand der beiden Baupläne zeige sich, dass letztlich nicht die Räume „Catering“, „Besprechung“, „Showroom I“ und „Showroom II“ aus dem „Werkplan Vorabzug BVH Privathaus [F]/Umbau Showroom [F]“, sondern eine Küche, ein Wohnzimmer und ein Wintergarten, wie im „Einreichplan BVH Privathaus [F]“ angegeben, umgesetzt wurden. Dass dem Betriebsprüfer dieser zweite Einreichplan, in dem die Räumlichkeit als eindeutig privat dargestellt wurden, vorgelegt wurde, wird auch in der Revision nicht behauptet. Welche konkreten Aussagen des Prüfers, der eine die Monate Oktober und November 2015 umfassende Prüfung vorgenommen hat, somit der Beurteilung des Bundesfinanzgerichts hätten entgegenstehen können, wird nicht dargelegt. Davon abgesehen ist das mögliche Wissen des seinerzeitigen Prüfers für sich genommen überdies nicht maßgebend (vgl. nochmals VwGH 97/14/0036). Welche Zeugen das Bundesfinanzgericht zu welchem Beweisthema darüber hinaus hätte vernehmen sollen, gibt die Revision nicht an.

22 Wenn die Revision schließlich für zulässigkeitsbegründend erachtet, dass die Annahme einer verdeckten Ausschüttung im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung stehe, verabsäumt sie es, jene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konkret zu benennen, von der das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts abweichen würde. Welcher Fremdvergleich die Annahme einer verdeckten Ausschüttung ausgeschlossen hätte, wird ebenso wenig erläutert wie eine Auseinandersetzung mit den umfangreichen Erwägungen des Bundesfinanzgerichts erfolgt, wonach die Räumlichkeiten stets nur privat genutzt wurden, dies auch so beabsichtigt gewesen sei und dieser Umstand der Revisionswerberin auch von Anfang an bekannt gewesen war.

23 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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BAO §303 Abs1 litb
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023150079.L00
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PAAAF-46362