VwGH 16.11.2023, Ra 2023/15/0047
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Ein dem Steuerpflichtigen zur Berufsausübung dienender Wohnraum außerhalb des Wohnungsverbandes kann - unter dem Gesichtspunkt, dass ein noch nicht zu Wohnzwecken verwendeter Wohnraum auch künftiger Wohnungsvorsorge etwa für Angehörige oder in Form von Wohnungseigentum der Vermögensanlage dienen kann - nur dann steuerlich (im Wege von Betriebsausgaben oder Werbungskosten) berücksichtigt werden, wenn er sich als für die Berufsausübung unbedingt notwendig erweist (vgl. ; , 89/13/0102, jeweils mwN). |
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RS 2 | Aufwendungen für ein Arbeitszimmer, das mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen in Zusammenhang steht, können nur dann steuerlich als Abzugsposten berücksichtigt werden, wenn der Teil der Aufwendungen, der auf die ausschließliche betriebliche (berufliche) Nutzung entfällt, sich einwandfrei von den Ausgaben, die der privaten Lebensführung dienen, trennen lässt (vgl. ; , 84/14/0119). |
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RS 3 | Eine Feststellung, ob der betreffende Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt wurde, wäre Voraussetzung dafür, dass die Aufwendungen für ein außerhalb des Wohnungsverbandes gelegenes Arbeitszimmer abgezogen werden können. Ein außerhalb des Wohnungsverbandes gelegenes Arbeitszimmer kann weiters nur dann zu Werbungskosten führen, wenn es sich für die berufliche Tätigkeit als erforderlich erweist. Es reicht somit nicht ein bloßer Veranlassungszusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit aus, sondern es muss eine "unbedingte" Notwendigkeit dafür vorliegen (vgl. ). . |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Graz-Stadt in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorfstraße 14-18, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100585/2022, betreffend Einkommensteuer 2015 bis 2017 (mitbeteiligte Partei: R S in G, vertreten durch Mag. Robert Kainz in 9412 Wolfsberg, Aichbauerweg 4 Tür 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte war im Revisionszeitraum nichtselbständig als IT-Engineer tätig. Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts richtete er sich in Absprache mit seinem Arbeitgeber auf eigene Kosten in einem Raum seines Wohnhauses ein „Hardware-Labor“ ein, das aus diversen Komponenten, wie Clientrechner, Netzwerkkomponenten, Speichermedien, Lizenzen, PC-Hardware und IKT Kleinmaterial bestand.
2 Soweit für das Revisionsverfahren noch relevant machte der Mitbeteiligte Aufwendungen für sein Hardware-Labor sowie für das in diesem Zusammenhang genutzte Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend, die vom Finanzamt nicht anerkannt wurden. Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung stellte der Mitbeteiligte einen Vorlageantrag.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde hinsichtlich des Arbeitszimmers und des Hardware-Labors Folge. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte es fest, dass der Mitbeteiligte die angeschafften Computer-Anlagen in einem Raum seines Hauses betrieben habe. Dieser Raum befinde sich nach dem vorgelegten Plan in der unteren Ebene des Hauses, in dem sich auch Kellerräume befänden. Die Wohnräumlichkeiten seiner Familie und seiner Eltern lägen in einem Stockwerk darüber. Der Raum, in dem der Mitbeteiligte seine Computeranlagen betrieben habe, habe vergitterte Fenster und einen von den Wohnräumlichkeiten des Mitbeteiligten und seiner Eltern getrennten eigenen Eingang von außen. In der Beweiswürdigung führte das Bundesfinanzgericht aus, dass aus den Bestätigungen des Arbeitgebers des Mitbeteiligten hervorgehe, dass er sein Know-How aus seiner privaten Test- und Evaluierungsumgebung im Rahmen seiner unselbstständigen Tätigkeit erfolgreich habe einbringen können. Die Verfügung über sein privates Hardware-Labor minimiere das Risiko von Kollateralschäden und Ausfällen bei der Durchführung von Aufgaben im Produktivsystem im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit und trage somit zur Erreichung der beruflichen Zielvereinbarungen bei. Er habe glaubhaft dargestellt, dass sämtliche seiner mit Computern bzw. Laptops im Zusammenhang stehenden Aufwendungen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten notwendig seien und entsprechend verwendet würden. Der Arbeitgeber könne bestätigen, dass die Aufwendungen zweckmäßig und auch in Zusammenhang mit seiner betrieblichen Tätigkeit gestanden seien und die vom Mitbeteiligten auf seine eigene Rechnung angeschafften IT-Komponenten beruflich genutzt würden und für den Betrieb des Arbeitgebers nützlich gewesen seien.
4 Zum Arbeitszimmer führte das Bundesfinanzgericht aus, dass das Arbeitszimmer nicht im Wohnungsverband des Mitbeteiligten gelegen sei und es sich daher nicht um ein häusliches Arbeitszimmer handle. Der Umstand, dass dem Mitbeteiligten von seinem Arbeitgeber ein auch am Wochenende zugänglicher Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt und nach den Angaben des Mitbeteiligten die im Arbeitszimmer aufgebaute Testumgebung vom Arbeitsplatz des Mitbeteiligten bei seinem Arbeitgeber aus genutzt worden sei, spreche zwar gegen die Notwendigkeit eines solchen Arbeitszimmers; nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne aber die Aufbewahrung umfangreicher geschäftlicher Unterlagen zur Anerkennung eines Arbeitszimmers führen. Im gegenständlichen Fall könne davon ausgegangen werden, dass die umfangreichen IT-Anlagen nicht nur in diesem Raum aufbewahrt, sondern auch betrieben worden seien. Nach den plausiblen Angaben des Mitbeteiligten sei die Testinfrastruktur rund um die Uhr eingeschaltet gewesen und habe er darauf von seinem Arbeitsplatz bei seinem ehemaligen Arbeitgeber zugreifen können. Das Vorbringen, das IT-Labor sei von den Computer-Anlagen seines ehemaligen Arbeitgebers auch örtlich getrennt in einem Raum seines Einfamilienhauses untergebracht worden, um verdächtige E-Mails bzw. Software ohne Gefahr für die IT-Infrastruktur des Arbeitgebers öffnen, prüfen und testen zu können, sei schlüssig. Zudem sei im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen, dass der dem Mitbeteiligten von seinem ehemaligen Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Arbeitsplatz nicht groß genug für die Unterbringung seiner IT-Komponenten gewesen sei. Das Arbeitszimmer sei somit ein notwendiges Arbeitsmittel zur Ausübung seiner Tätigkeit, weshalb die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten absetzbar seien.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich, soweit die Werbungskosten für das Arbeitszimmer anerkannt wurden, die vorliegende Revision des Finanzamtes, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das vom Bundesfinanzgericht herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zur Aufbewahrung von Unterlagen sei zu einem Arbeitszimmer innerhalb des Wohnungsverbandes ergangen und habe sich noch auf die alte Rechtslage zum EStG 1972 bezogen. Im Revisionsfall sei die in § 20 Abs. 1 lit. d EStG 1988 eingeführte strengere Regelung über die einkommensteuerliche Behandlung eines im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmers maßgeblich. Die berufliche Verwendung eines außerhalb des Wohnungsverbands gelegenen Arbeitszimmers müsse nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Ausmaß erreichen, das das Vorhandensein eines beruflichen Arbeitszimmers unbedingt notwendig erscheinen lasse. Im Revisionsfall habe das Bundesfinanzgericht sogar selbst dargelegt, der Umstand, dass dem Mitbeteiligten vom Arbeitgeber ein auch am Wochenende zugänglicher Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden sei, spreche gegen die Notwendigkeit des Arbeitszimmers. Zudem habe das Bundesfinanzgericht Ermittlungen zur (nahezu) ausschließlichen beruflichen Nutzung des Wohnraums nicht geführt. Feststellungen über eine eventuelle private Mitveranlassung seien nicht getroffen worden.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revision ist zulässig und begründet.
8 Im Revisionsverfahren ist zwischen den Parteien unstrittig, dass es sich bei dem Arbeitszimmer um ein außerhalb des Wohnungsverbandes gelegenes Arbeitszimmer handelt. § 20 Abs. 1 lit. d EStG 1988 ist somit im Revisionsfall nicht anwendbar (vgl. ).
9 Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Absetzbarkeit der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer, die noch zum EStG 1972 ergangen ist, ist im Anwendungsbereich des EStG 1988 grundsätzlich weiterhin auf Arbeitszimmer außerhalb des Wohnungsverbandes anzuwenden. So kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein dem Steuerpflichtigen zur Berufsausübung dienender Wohnraum außerhalb des Wohnungsverbandes - unter dem Gesichtspunkt, dass ein noch nicht zu Wohnzwecken verwendeter Wohnraum auch künftiger Wohnungsvorsorge etwa für Angehörige oder in Form von Wohnungseigentum der Vermögensanlage dienen kann - nur dann steuerlich (im Wege von Betriebsausgaben oder Werbungskosten) berücksichtigt werden, wenn er sich als für die Berufsausübung unbedingt notwendig erweist (vgl. ; , 89/13/0102, jeweils mwN).
10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Aufwendungen für ein Arbeitszimmer, das mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen in Zusammenhang steht, zudem nur dann steuerlich als Abzugsposten berücksichtigt werden, wenn der Teil der Aufwendungen, der auf die ausschließliche betriebliche (berufliche) Nutzung entfällt, sich einwandfrei von den Ausgaben, die der privaten Lebensführung dienen, trennen lässt (vgl. ; , 84/14/0119).
11 Zunächst ist der Amtsrevision zuzustimmen, dass das Bundesfinanzgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der betreffende Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt wurde. Eine solche Feststellung wäre aber Voraussetzung dafür, dass die Aufwendungen für ein außerhalb des Wohnungsverbandes gelegenes Arbeitszimmer abgezogen werden können.
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein außerhalb des Wohnungsverbandes gelegenes Arbeitszimmer weiters nur dann zu Werbungskosten führen, wenn es sich für die berufliche Tätigkeit als erforderlich erweist. Es reicht somit nicht ein bloßer Veranlassungszusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit aus, sondern es muss eine „unbedingte“ Notwendigkeit dafür vorliegen.
13 Eine solche Notwendigkeit hat der Verwaltungsgerichtshof etwa bei einer Lehrerin für Deutsch und Englisch mit umfangreichen Korrekturarbeiten angenommen, die einen Teil der Arbeitszeit außerhalb der Schule für Vorbereitungs- und Korrekturarbeiten aufgewendet hat und eine Durchführung der Arbeiten in der Familienwohnung aufgrund sehr beengter Raumverhältnisse nicht zumutbar war. Voraussetzung war, dass der aufgewendete Anteil der Arbeitszeit wesentlich ist, weil es sich nicht um eine bloß geringfügige und an sich entbehrliche berufliche Nutzung des Arbeitsraumes handeln darf (vgl. ).
14 Das Bundesfinanzgericht ist davon ausgegangen, dass das Hardware-Labor des Mitbeteiligten von diesem beruflich verwendet wurde, was vom Finanzamt auch nicht bestritten wurde. Dass der Arbeitgeber dem Mitbeteiligten die Verwendung des Hardware-Labors angeordnet hätte, wurde nicht festgestellt und ergibt sich auch nicht aus dem Akt. Der Arbeitgeber des Mitbeteiligten hat vielmehr auf Anfrage des Finanzamtes lediglich mitgeteilt, dass dieser sein Know-How aus seiner privaten Test- und Evaluierungsumgebung im Rahmen seiner Arbeit erfolgreich habe einbringen können und die Erkenntnisse wertvoll bzw. nützlich gewesen wären. Es könne bestätigt werden, dass die Aufwendungen zweckmäßig und auch im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit gestanden seien.
15 Aus diesen Aussagen kann zwar eine berufliche Verwendung und damit ein entsprechender Veranlassungszusammenhang abgeleitet werden, allerdings nicht, dass diese Aufwendungen - und damit im Zusammenhang stehend das revisionsgegenständliche Arbeitszimmer - für die Berufsausübung erforderlich gewesen wären. Damit erweist sich aber das Arbeitszimmer auf Basis des festgestellten Sachverhaltes als nicht für die berufliche Tätigkeit unbedingt notwendig.
16 Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023150047.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-46343