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VwGH 29.05.2024, Ra 2023/15/0036

VwGH 29.05.2024, Ra 2023/15/0036

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
§ 20 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 unterwirft Leistungen aus Anlass eines Rücktrittes von der Verfolgung nach der Strafprozessordnung oder dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (Diversion) einem Abzugsverbot. Leistungen, die anlässlich einer Diversion gezahlt werden, sollen einer verhängten Strafe gleichgestellt werden. Die Diversion ist im 11. Hauptstück der StPO geregelt, worunter auch § 209a StPO - die "Kronzeugenregelung" fällt. Leistungen im Sinne des § 209a StPO fallen somit grundsätzlich unter das Abzugsverbot.
Normen
RS 2
Der Geldbetrag gemäß § 200 StPO ist - wie sich aus § 200 Abs. 2 StPO ergibt - einer Geldstrafe in einem Strafverfahren angelehnt.
Normen
RS 3
Bei der Schadensgutmachung nach § 200 Abs. 3 und § 201 Abs. 3 StPO handelt es sich nicht um eine Leistung im Sinne des § 198 Abs. 1 StPO, sondern sie entspricht einem Schadenersatz, der dem Geschädigten zu leisten ist.
Normen
RS 4
Aus dem Zusammenspiel des § 20 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 und den Regeln der StPO ergibt sich, dass nur ein zugunsten des Bundes gezahlter Geldbetrag im Sinne des § 200 Abs. 1 StPO unter das Abzugsverbot fällt, weil nur dieser jene Leistung ist, die der Strafe in einem Strafverfahren vergleichbar ist und damit auch der Intention der einkommensteuerlichen Bestimmung, die Diversionsleistung einer Geldstrafe gleichzustellen, entspricht.
Normen
RS 5
Bei einem Strafverfahren kann sich die geschädigte Partei als Privatbeteiligte anschließen und einen Schadenersatz erhalten, der jedenfalls nicht unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 fällt. Da bei einer Diversion nach § 209a StPO die Anklageerhebung und Hauptverhandlung entfallen, dient die Schadensgutmachung dazu, der geschädigten Partei im Wege des § 200 oder des § 201 Abs. 3 StPO einen Schadenersatz zu ermöglichen (vgl. den Bericht des Justizausschusses 406 BlgNR 22. GP 21).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, über die Revision des Mag. G S in W, vertreten durch die APP Steuerberatung GmbH in 1010 Wien, Schenkenstraße 4/6. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100972/2015, betreffend Einkommensteuer 2012 und 2013, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber war in den Jahren 2001 bis 2007 als Prokurist bei der T AG beschäftigt. In den Jahren 2006 bis 2009 war er als Vorstand der T1 AG tätig. Die Staatsanwaltschaft Wien legte dem Revisionswerber für den Zeitraum 2002 bis 2009 mehrere strafbare Delikte im Zusammenhang mit seinen Funktionen zur Last. Da der Revisionswerber als Kronzeuge gemäß § 209a StPO fungierte, trat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung unter der Bedingung zurück, dass gemeinnützige Leistungen im Ausmaß von 120 Stunden erbracht würden, binnen sechs Monaten ein Teil des entstandenen Schadens im Ausmaß von 300.000 € gegenüber der T AG wiedergutgemacht werde und ein Beitrag zu den Pauschalkosten in Höhe von 250 € an die Staatsanwaltschaft geleistet werde. In der Folge wurde das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt.

2 Der Revisionswerber machte im Jahr 2012 Anwaltskosten in Höhe von 228.000 € sowie im Jahr 2013 Werbungskosten in Höhe von 300.000 € unter dem Titel Schadenersatz geltend. Diese Werbungskosten wurden vom Finanzamt nicht anerkannt.

3 Das Bundesfinanzgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es stellte fest, dass dem Revisionswerber von der Staatsanwaltschaft 13 Delikte zur Last gelegt worden seien, die unter anderem von Kursmanipulationen über Parteispenden hin zu Scheingeschäften sowie Zahlungen ohne Gegenleistung gingen. Im Jahr 2013 habe die T AG gegen den Revisionswerber eine Schadenersatzklage eingebracht, die auf den genannten strafrechtlichen Tatbeständen beruht habe. Das zivilrechtliche Verfahren sei mit Vergleich beendet worden, in dem sich der Revisionswerber zur Zahlung eines Betrages in der Höhe von 1,050.000 € (abzüglich der bereits geleisteten Schadensgutmachung in der Höhe von 300.000 €) verpflichtet habe. Die Aussage des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung, dass er „glaublich in jeder Gesellschaft der [T] Prokurist gewesen sei“, decke sich nicht mit den Angaben im Firmenbuch, die im Zeitraum vom Juli 2006 bis Juli 2009 auch eine Vorstandsposition bei der T1 AG aufwiesen. In der Klage der T AG sei diese als „Opfer zahlreicher Malversationen“ bezeichnet worden. Das Vorbringen in der Klage sei aber auf die Kursmanipulationen eingeschränkt worden. Die auf dem Vergleich vom beruhende Schadenersatzzahlung des Revisionswerbers an die T AG beruhe entgegen der Darstellung des steuerlichen Vertreters in der mündlichen Verhandlung auf mehreren einzelnen, unterschiedlichen Tatvorwürfen seitens der Staatsanwaltschaft.

4 Zur Schadenswiedergutmachung führte das Bundesfinanzgericht aus, die sogenannte „Kronzeugenregelung“ sei in § 209a StPO unter dem Titel „Rücktritt von der Verfolgung wegen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft“ geregelt. Diese Bestimmung finde sich im Gefüge der Strafprozessordnung unter dem 3. Teil im 11. Hauptstück der StPO, wobei das 11. Hauptstück der StPO die Überschrift „Rücktritt von der Verfolgung (Diversion)“ trage. § 209a StPO nehme Bezug auf die Bestimmungen der §§ 200 StPO (Zahlung eines Geldbetrages), 201 StPO (Gemeinnützige Leistungen) und 203 StPO (Probezeit). Im gegenständlichen Verfahren sei durch die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Vorgehens nach § 209a StPO der Rücktritt von der Verfolgung davon abhängig gemacht worden, dass der Revisionswerber gemeinnützige Leistungen iSd § 201 Abs. 1 iVm § 209a StPO im Ausmaß von insgesamt 120 Stunden leiste. § 201 Abs. 3 StPO sehe vor, dass „der Beschuldigte binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten den aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen aus der Tat beiträgt und dies unverzüglich nachweist“. Diese Schadensgutmachung iSd § 201 Abs. 3 StPO habe die Staatsanwaltschaft dem Revisionswerber ebenfalls auferlegt. Die Schadensgutmachung iSd § 209a StPO iVm § 201 Abs. 3 StPO sei als „conditio sine qua non“ für die Erlangung der Straffreiheit und die Anwendung der „Kronzeugenregelung“ des § 209a StPO zu verstehen. Damit sei die Leistung einer Zahlung von 300.000 € an die durch das Verhalten des Revisionswerbers geschädigte T AG als Leistung aus Anlass eines Rücktrittes von der Verfolgung iSd § 20 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 anzusehen. § 209a StPO sei als diversionelle Maßnahme anzusehen. Die Schadenersatzzahlung könne somit nicht als abzugsfähige Werbungskosten anerkannt werden.

5 Zu den Rechtsanwaltskosten führte das Bundesfinanzgericht aus, dass nach der jüngeren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Kosten eines Strafverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten sein könnten. Dies betreffe Aufwendungen, die ausschließlich und unmittelbar aus einer betrieblichen/beruflichen Tätigkeit erklärbar und damit betrieblich/beruflich veranlasst seien. Gegen eine betriebliche/berufliche Veranlassung im Revisionsfall spreche der Umstand, dass der T AG und der T1 AG aus den verschiedenen Taten des Revisionswerbers kein Vorteil erwachsen sei, was sich schon aus dem Zivilprozess gegen den Revisionswerber ergebe. Der Revisionswerber habe auch in der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft darstellen können, dass die von der Staatsanwaltschaft ihm zur Last gelegten Malversationen im wirtschaftlichen oder finanziellen Interesse der T AG oder der T1 AG gelegen seien. Die Angaben des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung, dass er Scheinrechnungen zum finanziellen Vorteil des Unternehmens auf Grund von Weisungen habe ausstellen lassen, erweise sich dementsprechend, zumindest für den Zeitraum, in dem er Vorstand der T1 AG gewesen sei, als nicht glaubhaft. Insgesamt sei festzustellen, dass es dem Revisionswerber im gesamten Verfahren nicht in nachvollziehbarer Weise gelungen sei, darzulegen in welcher Form und in welchem Umfang die ehemaligen Arbeitgeber bzw. vom Revisionswerber geleiteten Gesellschaften Nutznießer der Malversationen des Revisionswerbers gewesen seien. Der Verwaltungsgerichtshof lasse Schadenersatzzahlungen und Verteidigungskosten nur dann zum Abzug zu, wenn das Fehlverhalten der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzuordnen sei und das Fehlverhalten als private Verhaltenskomponente das Band zur betrieblichen/beruflichen Veranlassung nicht durchschneide. Dies liege im Revisionsfall nicht vor. Die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in der Höhe von 228.000 € stellten somit keine Werbungskosten dar.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob im Rahmen der Kronzeugenregelung iSd § 209a StPO geleistete Schadenersatzzahlungen an den Arbeitgeber vom Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 umfasst seien. Es sei nicht geklärt, ob von dem Abzugsverbot sämtliche Zahlungen im Rahmen der Kronzeugenregelung erfasst seien oder nur solche, die zur Abstandnahme der Strafverfolgung an die Strafverfolgungsbehörde geleistet würden. Zudem weiche das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Abzugsfähigkeit von Verteidigungskosten ab. Der Revisionswerber habe im Rahmen seines Dienstverhältnisses eine Weisung seines für ihn zuständigen Vorstandes erhalten und diese befolgt. Die Anwaltskosten seien ausschließlich auf das Berufsleben, sein Dienstverhältnis, zurückzuführen und seien deshalb entsprechend der Judikatur zur Gänze als Werbungskosten absetzbar.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig.

9 § 20 Abs. 1 EStG 1988 lautet auszugsweise:

„(1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:

[...]

5. a) Geld- und Sachzuwendungen, deren Gewährung oder Annahme mitgerichtlicher Strafe bedroht ist.

b) Strafen und Geldbußen, die von Gerichten, Verwaltungsbehörden oder den Organen der Europäischen Union verhängt werden.

c) Verbandsgeldbußen nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz.

d) Abgabenerhöhungen nach dem Finanzstrafgesetz.

e) Leistungen aus Anlass eines Rücktrittes von der Verfolgung nach der Strafprozessordnung oder dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (Diversion).“

10 Die §§ 198200201 und 209a StPO in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung lauten auszugsweise:

„11. Hauptstück

Rücktritt von der Verfolgung (Diversion)

Allgemeines

§ 198 (1) Die Staatsanwaltschaft hat nach diesem Hauptstück vorzugehen und von Verfolgung einer Straftat zurückzutreten, wenn auf Grund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 190 bis 192 nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf

1. die Zahlung eines Geldbetrages (§ 200) oder

2. die Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 201) oder

3. die Bestimmung einer Probezeit, in Verbindung mit Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten (§ 203), oder

4. einen Tatausgleich (§ 204)

nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

[...]

Zahlung eines Geldbetrages

§ 200. (1) Unter den Voraussetzungen des § 198 kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat zurücktreten, wenn der Beschuldigte einen Geldbetrag zu Gunsten des Bundes entrichtet.

(2) Der Geldbetrag darf den Betrag nicht übersteigen, der einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zuzüglich der im Fall einer Verurteilung zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens (§§ 389 Abs. 2 und 3, 391 Abs. 1) entspricht. Er ist innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Mitteilung nach Abs. 4 zu bezahlen. Sofern dies den Beschuldigten unbillig hart träfe, kann ihm jedoch ein Zahlungsaufschub für längstens sechs Monate gewährt oder die Zahlung von Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums gestattet werden.

(3) Soweit nicht aus besonderen Gründen darauf verzichtet werden kann, ist der Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages überdies davon abhängig zu machen, dass der Beschuldigte binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten den aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht und dies unverzüglich nachweist.

[...]

Gemeinnützige Leistungen

§ 201. (1) Unter den Voraussetzungen des § 198 kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Straftat vorläufig zurücktreten, wenn sich der Beschuldigte ausdrücklich bereit erklärt hat, innerhalb einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten unentgeltlich gemeinnützige Leistungen zu erbringen.

(2) Gemeinnützige Leistungen sollen die Bereitschaft des Beschuldigten zum Ausdruck bringen, für die Tat einzustehen. Sie sind in der Freizeit bei einer geeigneten Einrichtung zu erbringen, mit der das Einvernehmen herzustellen ist.

(3) Soweit nicht aus besonderen Gründen darauf verzichtet werden kann, ist der Rücktritt von der Verfolgung nach gemeinnützigen Leistungen überdies davon abhängig zu machen, dass der Beschuldigte binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten den aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt und dies unverzüglich nachweist.

[...]

Rücktritt von der Verfolgung wegen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft

§ 209a. (1) Die Staatsanwaltschaft kann nach den §§ 200 bis 203 und 205 bis 209 vorgehen, wenn ihr der Beschuldigte freiwillig sein Wissen über Tatsachen offenbart, die noch nicht Gegenstand eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens sind und deren Kenntnis wesentlich dazu beiträgt,

1. die Aufklärung einer der Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffen- oder Geschworenengericht oder der WKStA (§§ 20a und 20b) unterliegenden Straftat entscheidend zu fördern, oder

2. eine Person auszuforschen, die in einer kriminellen Vereinigung, kriminellen Organisation oder terroristischen Organisation führend tätig ist oder war.

(2) Ein Vorgehen nach Abs. 1 setzt voraus, dass eine Bestrafung im Hinblick auf die übernommenen Leistungen (§ 198 Abs. 1 Z 1 bis 3), das Aussageverhalten, insbesondere die vollständige Darstellung der eigenen Taten, und den Beweiswert der Informationen nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten; es ist im Fall des § 198 Abs. 2 Z 3 sowie bei einer Straftat des Beschuldigten unzulässig, durch die eine Person in ihrem Recht auf sexuelle Integrität und Selbstbestimmung verletzt worden sein könnte. Abweichend von § 200 Abs. 2 darf der zu entrichtende Geldbetrag einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen entsprechen.

(3) Nach Erbringung der Leistungen hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren unter dem Vorbehalt späterer Verfolgung einzustellen.

[...]“

11 Die Erläuternden Bemerkungen zu der Einführung des Abzugsverbots für Leistungen anlässlich einer Diversion mit dem Abgabenänderungsgesetz 2011 (RV 1212 BlgNR 24. GP 17) lauten auszugsweise:

„Auch Ausgaben, die als Abgabenerhöhung im Sinne des Finanzstrafgesetzes (zB der Verkürzungszuschlag gemäß § 30a) zu leisten sind, sollen nicht abzugsfähig sein. Die im FinStrG vorgesehenen Abgabenerhöhungen sind Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs. 2 lit. c BAO. Nebenansprüche teilen das Schicksal der betreffenden Abgabe. Sind Betriebssteuern Grundlage für die Abgabenerhöhungen, würde dies dazu führen, dass auch der Verkürzungszuschlag wie die Betriebssteuer abzugsfähig ist. Da der Verkürzungszuschlag Straffreiheit vermittelt, soll er wie eine verhängte Strafe behandelt werden und daher nicht abzugsfähig sein. Dem gleichen Gesichtspunkt liegt auch die ausdrückliche Verankerung der Nichtabzugsfähigkeit von Leistungen aus Anlass einer Diversion (Rücktritt von der Strafverfolgung, §§ 198 ff StPO) zu Grunde, die der bisherigen Behandlung in der Verwaltungspraxis (Rz 358 der Lohnsteuerrichtlinien 2002) entspricht.“

12 § 20 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 unterwirft Leistungen aus Anlass eines Rücktrittes von der Verfolgung nach der Strafprozessordnung oder dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (Diversion) einem Abzugsverbot. Leistungen, die anlässlich einer Diversion gezahlt werden, sollen einer verhängten Strafe gleichgestellt werden.

13 Die Diversion ist im 11. Hauptstück der StPO geregelt, worunter auch § 209a StPO - die „Kronzeugenregelung“ fällt (vgl. auch Kirchbacher, StPO15, § 209a Rz 1). Leistungen im Sinne des § 209a StPO fallen somit grundsätzlich unter das Abzugsverbot.

14 § 209a Abs. 2 StPO in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung benennt als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Bestimmung, dass Leistungen im Sinne des § 198 Abs. 1 Z 1 bis 3 StPO übernommen werden. Nach Erbringung dieser Leistungen ist das Strafverfahren unter dem Vorbehalt späterer Verfolgung einzustellen.

15 Die in § 198 Abs. 1 Z 1 bis 3 StPO taxativ aufgezählten Leistungen sind ein Geldbetrag, der gemäß § 200 Abs. 1 StPO zu Gunsten des Bundes zu entrichten ist, gemeinnützige Leistungen, die gemäß § 201 StPO in der Freizeit unentgeltlich zu erbringen sind und die Bestimmung einer Probezeit, in Verbindung mit Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten.

16 Der Geldbetrag gemäß § 200 StPO ist - wie sich aus § 200 Abs. 2 StPO ergibt - einer Geldstrafe in einem Strafverfahren angelehnt (vgl. auch Kirchbacher, StPO15, § 200 Rz 2, der von einer Geldbuße spricht).

17 Darüber hinaus sehen §§ 200 und 201 StPO in ihren Absätzen 3 jeweils vor, dass der Rücktritt von der Verfolgung überdies davon abhängig zu machen ist, dass der Beschuldigte binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten den aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder nach § 201 Abs. 3 StPO sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt und dies unverzüglich nachweist.

18 Bei dieser Schadensgutmachung handelt es sich nicht um eine Leistung im Sinne des § 198 Abs. 1 StPO, sondern sie entspricht einem Schadenersatz, der dem Geschädigten zu leisten ist.

19 Aus dem Zusammenspiel des § 20 Abs. 1 Z 5 lit. e EStG 1988 und den Regeln der StPO ergibt sich, dass nur ein zugunsten des Bundes gezahlter Geldbetrag im Sinne des § 200 Abs. 1 StPO unter das Abzugsverbot fällt, weil nur dieser jene Leistung ist, die der Strafe in einem Strafverfahren vergleichbar ist und damit auch der Intention der einkommensteuerlichen Bestimmung, die Diversionsleistung einer Geldstrafe gleichzustellen, entspricht.

20 Für diese Auslegung spricht auch, dass bei einem Strafverfahren die geschädigte Partei sich als Privatbeteiligte anschließen und einen Schadenersatz erhalten kann, der jedenfalls nicht unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 fällt. Da bei einer Diversion nach § 209a StPO die Anklageerhebung und Hauptverhandlung entfallen, dient die Schadensgutmachung dazu, der geschädigten Partei im Wege des § 200 oder des § 201 Abs. 3 StPO einen Schadenersatz zu ermöglichen (vgl. den Bericht des Justizausschusses 406 BlgNR 22. GP 21).

21 Bei der Bezahlung des Betrags von 300.000 € an die T AG handelt es sich somit um eine Schadenersatzleistung, die nicht unter § 20 Abs. 1 Z 5 lit. e. EStG 1988 fällt.

22 Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesfinanzgericht sich daher damit auseinanderzusetzen haben ob die Schadenersatzzahlung beruflich veranlasst war, und insbesondere Feststellungen zu treffen haben, ob dem Revisionswerber im Zuge der von der Staatsanwaltschaft geprüften Delikte Einnahmen zugeflossen sind, die als steuerpflichtige Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit zu erfassen gewesen wären (vgl. erneut ; , 90/13/0285). Es kommt nicht darauf an, ob die T AG einen Vorteil erzielt hat, sondern, ob ein Zusammenhang mit steuerlichen Einkünften des Revisionswerbers besteht, die auch aus diesem Fehlverhalten resultieren können (vgl. ). So ergibt sich aus den im Erkenntnis wiedergegebenen Angaben in der mündlichen Verhandlung etwa, dass 70 Führungskräfte und somit möglicherweise auch der Revisionswerber von den Kursmanipulationen profitiert hatten, wodurch potentiell steuerpflichtige Einnahmen generiert wurden.

23 Das Bundesfinanzgericht hat somit sein Erkenntnis mit einer prävalierenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

24 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Normen
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023150036.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-46341