TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH 26.11.2024, Ra 2023/15/0033

VwGH 26.11.2024, Ra 2023/15/0033

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm
EStG 1988 §67 Abs6
RS 1
Nach der stRsp des VwGH erfasst die begünstigte Besteuerung des

§ 67 Abs 6 EStG 1988 nur solche Bezüge, deren unmittelbare Ursache

die Beendigung des Dienstverhältnisses ist.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 98/15/0122 E VwSlg 7554 F/2000 RS 2
Norm
EStG 1988 §67 Abs6
RS 2
Es sind nur solche Bezüge begünstigt, die durch die Beendigung des Dienstverhältnisses ausgelöst werden bzw. mit der Auflösung des Dienstverhältnisses in ursächlichem Zusammenhang stehen und aus diesem Grund anfallen. Es muss sich um Bezüge handeln, die für die Auflösung des Dienstverhältnisses typisch sind. Eine Zahlung, die schlechthin strittige Ansprüche aller Art abgilt, ist nicht etwa gleich Abfertigungen für die Beendigung eines Dienstverhältnisses typisch (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 85/14/0162, VwSlg 6101 F/1986).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2008/13/0252 E RS 6 (hier ohne den letzten Satz)
Norm
EStG 1988 §67 Abs6
RS 3
Es mag zutreffen, dass der Zweck einer freiwilligen Abfertigung auch darin besteht, soziale Härten anlässlich einer (betriebsbedingten) Kündigung als Ausgleich zum Verlust des Arbeitsplatzes sozialverträglich abzumildern. Eine freiwillige Abfertigung kann aber nicht nur für eine Kündigung vereinbart werden, sondern auch anlässlich eines Pensionsantritts und des dadurch bedingten Ausscheidens aus dem Unternehmen. Dass der ursächliche Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses jedenfalls eine zeitnahe Auszahlung der freiwilligen Abfertigung unabdingbar macht, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Das Gesetz verlangt einen ursächlichen Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses, aber nicht die sofortige Auszahlung.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Salzburg-Land in 5026 Salzburg-Aigen, Aignerstraße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/6100215/2021, betreffend Einkommensteuer 2019 (mitbeteiligte Partei: K M in Z), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte verlegte mit März 2019 seinen Wohnsitz aus Deutschland nach Österreich. Er bezog im Revisionszeitraum eine deutsche Rente und eine österreichische Pension. Weiters erhielt er eine Austrittsvergütung seines letzten Arbeitgebers, der B GmbH in Berlin, in Höhe von 68.349,80 € ausbezahlt. Dieses Dienstverhältnis hatte am begonnen und wurde mit beendet.

2 Die Austrittsvergütung wurde im Arbeitsvertrag festgelegt und sah vor, dass diese mit Erreichen des 63. Lebensjahres ausbezahlt wird. Mit Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom wurde das Zustandekommen eines Vergleichs zwischen der B GmbH und dem Mitbeteiligten festgestellt. Dieser enthielt eine Regelung, dass die Ansprüche aus der Austrittsvergütung im Rahmen einer Rückdeckungsversicherung abgesichert werden müssen. Weiters verpflichtete sich der Arbeitgeber gegenüber dem Mitbeteiligten als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes zur Zahlung einer einmaligen (zusätzlichen) Abfindung gemäß § 9 iVm § 10 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Höhe von 69.300 €, die am fällig war.

3 Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 unterzog das Finanzamt die Austrittsvergütung ohne weitere Abzüge der progressiven Einkommensteuer. Die sonstigen deutschen Einkünfte des Mitbeteiligten aus dem Zeitraum 2019 wurden in Österreich für die Ermittlung des Progressionsvorbehaltes herangezogen.

4 In der dagegen erhobenen Beschwerde beantragte der Mitbeteiligte die Austrittsvergütung als freiwillige Abfertigung gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 mit dem begünstigten Steuersatz zu versteuern.

5 Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte den Bescheid ab. Es gab folgenden Auszug aus dem Arbeitsvertrag betreffend die Austrittsvergütung wieder:

„Herr [M] erhält eine Austrittsvergütung in Höhe von € 100.000,-, die mit dem 63. Lebensjahr ausgezahlt wird.

Bei einem Ausscheiden vor dem 63. Lebensjahr erhält Herr [M] eine zeitanteilige Austrittsvergütung, wobei 100 % einer Firmenzugehörigkeit von 13 Jahren entspricht.

Der Anspruch für die Leistungen ... entsteht nach einer Firmenzugehörigkeit von 2 Jahren.“

6 Der Auszug aus dem Vergleich, der die Austrittsvergütung betraf, lautete wie folgt:

„Es besteht Einigkeit darüber, dass dem Kläger gern. § 10 Nr. 3 des Anstellungsvertrages vom eine indexgebundene Austrittsvergütung zusteht, die mit Vollendung des 63. Lebensjahres fällig ist. Zur Absicherung der Ansprüche des Klägers hat die Beklagte eine Rückdeckungsversicherung bei der [...] abgeschlossen. Als Auszahlungsbetrag erhält der Kläger mit dem 63. Lebensjahr den sogenannten ‚m/n-tel‘-Anspruch (in Höhe von 60.884,43 EUR) unter weiterer Berücksichtigung der Verbraucherpreisindexentwicklung seit 2008 bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres. Insoweit verpflichtet sich die Beklagte, die Beiträge zu der zu diesem Zwecke abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung in ausreichender Höhe weiter zu bezahlen, um den vorbezeichneten Auszahlungsanspruch unter Berücksichtigung der Preisindexentwicklung zu gewährleisten. Die Beklagte schließt darüber hinaus bis spätestens zum zur Absicherung der klägerischen Ansprüche eine Verpfändungsvereinbarung zu Gunsten des Klägers ab, die ihn auch im Falle der Insolvenz der Beklagten im Hinblick auf seine Ansprüche mit Vollendung des 63. Lebensjahres absichert.“

7 Das Bundesfinanzgericht führte aus, dass es sich bei der vom Mitbeteiligen mit seinem Arbeitgeber vereinbarten Austrittsvergütung um einen gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 begünstigt zu besteuernden sonstigen Bezug handle. Es liege eine freiwillige Abfertigung vor, die zwingend an die Auflösung des Dienstverhältnisses gebunden gewesen sei. Entscheidend sei, dass sie durch die Beendigung des Dienstverhältnisses ausgelöst worden sei bzw. mit der Auflösung des Dienstverhältnisses in ursächlichem Zusammenhang stehe. Die Tatsache, dass die Austrittsvergütung erst mit Erreichen des 63. Lebensjahres ausbezahlt worden sei, sei nicht relevant. Entscheidend sei der ursächliche Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses, nicht der Auszahlungszeitpunkt. Da für den Mitbeteiligten in den Jahren 2006 bis 2014 keine Anwartschaften gegenüber einer BV-Kasse iSd § 67 Abs. 6 Z 7 EStG 1988 bestanden hätten, lägen die Voraussetzungen für eine begünstigte Besteuerung nach Maßgabe des § 67 Abs. 6 Z 1 und 2 EStG 1988 vor.

8 Nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Deutschland dürften Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit beziehe, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit werde im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Werde die Arbeit dort ausgeübt, so dürften die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden. Art. 15 Abs. 1 DBA-Deutschland ordne dem Ansässigkeitsstaat grundsätzlich das ausschließliche Besteuerungsrecht für Vergütungen aus unselbständiger Arbeit zu. Diese Zuordnung des Besteuerungsrechts werde aber dann durchbrochen, wenn die unselbständige Tätigkeit im anderen Staat ausgeübt werde. Die Austrittsvergütung sei dem Arbeitsverhältnis in Deutschland zuzuordnen. Nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Deutschland gelte allerdings für Zwecke dieses Artikels die Arbeit im anderen Vertragsstaat nur dann als ausgeübt, wenn die Vergütungen in Übereinstimmung mit diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert worden seien. Eine Besteuerung der Austrittsvergütung sei im Tätigkeitsstaat Deutschland unterblieben, wie dem deutschen Steuerbescheid 2019 zu entnehmen sei. Es greife daher die Rückfallklausel nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Deutschland, sodass Österreich das Besteuerungsrecht für die Abfertigungszahlung zustehe.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, die vertraglich ausbezahlte Austrittsvergütung sei ab dem Urteil des Arbeitsgerichtes nicht mehr vom Bestehen eines Dienstverhältnisses oder seiner Auflösung abgehangen. Vielmehr sei seitens der mitbeteiligten Partei der Verschiebung der Auszahlung in die Zukunft vor dem Arbeitsgericht zugestimmt worden, wodurch der Zweck des § 67 Abs. 6 EStG 1988 nicht mehr bestanden habe. Der geforderte ursächliche Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses, mache eine - jedenfalls zeitnahe - Auszahlung der freiwilligen Abfertigung unabdingbar. Das Bundesfinanzgericht sei in seiner Entscheidung nicht darauf eingegangen, dass es sich um solche sonstigen Bezüge zu handeln habe, die für die Auflösung des Dienstverhältnisses typisch seien. Der sonstige Bezug einer weiterlaufenden (wenn auch vom Dienstgeber nicht bedienten) Lebensversicherung sei für die Auflösung von Dienstverhältnissen nicht typisch. Das Bundesfinanzgericht habe nicht die Rechtsprechung beachtet, wonach die Begünstigung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 nicht zustehe, wenn Bezüge an sich unabhängig von der Beendigung des Dienstverhältnisses ausbezahlt würden und der Stichtag der Auszahlung lediglich mit dem Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses vorverlegt werde. Nichts anderes könne gelten, wenn die Bezüge - aus freien Stücken - in die Zukunft verlegt würden.

10 Sollte der VwGH zur Ansicht gelangen, dass eine freiwillige Abfertigung nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 vorliege, dann liege insoweit eine Rechtsfrage von grundsächlicher Bedeutung vor, weil das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis bei der Beurteilung der „laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate“ nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, indem es für die Berechnung die im Jahr 2013 und 2014 vom Arbeitgeber an die mitbeteiligte Partei bezahlten letzten monatlichen laufenden Bezüge in Höhe von 15.550 Euro herangezogen habe, und nicht den Zeitraum der letzten zwölf Monate vor Auszahlung der Austrittsvergütung im August 2019, wo keine laufenden Bezüge mehr von diesem Arbeitgeber ausbezahlt worden seien.

11 Die Revision führt weiters aus, dass die vom Arbeitsgericht zusätzlich gewährte Abfindung in Höhe von 69.300 € eine freiwillige Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 6 Z 3 EStG 1988 darstelle, die die begünstigte Besteuerung der Austrittsvergütung gemäß § 67 Abs. 6 Z 3 EStG 1988 zu kürzen gehabt hätte.

12 Der Verkehrsabsetzbetrag sei zu Unrecht gewährt worden, weil bei der Austrittsvergütung keine Einkünfte aus einem bestehenden Dienstverhältnis vorlägen. Ebenso sei Werbungskostenpauschale gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 zu Unrecht gewährt worden, weil der Anspruch auf den Pensionistenabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 6 Z 3 EStG 1988 bestehe.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, erwogen:

14 Die Revision ist zulässig. Sie auch begründet.

1. Zur Besteuerung der arbeitsvertraglich vereinbarten Austrittsvergütung:

15 § 67 Abs. 6 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 40/2014 lautet auszugsweise:

„(6) Sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen, ausgenommen von BV-Kassen ausbezahlte Abfertigungen und Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistung für künftige Lohnzahlungszeiträume), sind nach Maßgabe folgender Bestimmungen mit dem Steuersatz von 6% zu versteuern:

1. Der Steuersatz von 6% ist auf ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate, höchstens aber auf den Betrag anzuwenden, der dem Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG entspricht.

2. Über das Ausmaß der Z 1 hinaus ist bei freiwilligen Abfertigungen der Steuersatz von 6% auf einen Betrag anzuwenden, der von der nachgewiesenen Dienstzeit abhängt. Bei einer nachgewiesenen

Dienstzeit von ist ein Betrag bis zur Höhe von


Tabelle in neuem Fenster öffnen
3 Jahren
2/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
5 Jahren
3/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
10 Jahren
4/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
15 Jahren
6/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
20 Jahren
9/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate
25 Jahren
12/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate

mit dem Steuersatz von 6% zu versteuern. Ergibt sich jedoch bei Anwendung der dreifachen monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG auf die der Berechnung zu Grunde zu legende Anzahl der laufenden Bezüge ein niedrigerer Betrag, ist nur dieser mit 6% zu versteuern.

3. Während dieser Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 oder gemäß den Bestimmungen dieses Absatzes sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigungen im Sinne des Abs. 3 kürzen das sich nach Z 2 ergebende steuerlich begünstigte Ausmaß.

[...]“

16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst die begünstigte Besteuerung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 nur solche Bezüge, deren unmittelbare Ursache die Beendigung des Dienstverhältnisses ist (vgl. ; , 2000/13/0028, mwN).

17 Es sind nur solche Bezüge begünstigt, die durch die Beendigung des Dienstverhältnisses ausgelöst werden bzw. mit der Auflösung des Dienstverhältnisses in ursächlichem Zusammenhang stehen und aus diesem Grund anfallen. Es muss sich um Bezüge handeln, die für die Auflösung des Dienstverhältnisses typisch sind (vgl. , mwN).

18 Der Mitbeteiligte hatte in seinem Arbeitsvertrag eine Austrittsvergütung vereinbart, die im Alter von 63 Jahren in voller Höhe oder bei früherem Ausscheiden aus dem Unternehmen zeitanteilig zu bezahlen war. Aus der Vergleichsvereinbarung geht ferner hervor, dass der Arbeitgeber bereits während des aufrechten Dienstverhältnisses zur Absicherung der Ansprüche des Mitbeteiligten eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen und darin regelmäßig Beiträge einbezahlt hat. Im Vergleich verpflichtete sich der Arbeitgeber, diese Zahlungen weiterhin bis zum Auszahlungszeitpunkt, der vertraglich mit den 63. Lebensjahr festgelegt war, zu leisten.

19 Im Gegensatz zur Ansicht des Finanzamtes führt diese Vergleichsvereinbarung nicht schon dazu, dass sich die Austrittsvergütung in eine Vorsorgevereinbarung wandelt. Es ist auch nicht zutreffend, dass der Mitbeteiligte vor dem Arbeitsgericht einer Verschiebung der Auszahlung in die Zukunft „zugestimmt“ und damit in eine persönliche Zukunftsvorsorge überführt hat. Der Auszahlungszeitpunkt war bereits vertraglich vorbestimmt, wodurch es nicht einer Zustimmung des Mitbeteiligten bedurft hätte, die Auszahlung auf das Jahr 2019 zu verschieben. Im Gegenteil wäre die Zustimmung des Arbeitgebers notwendig gewesen, um den Auszahlungszeitpunkt nach vorne zu verlegen.

20 Es mag zutreffen, dass der Zweck einer freiwilligen Abfertigung auch darin besteht, soziale Härten anlässlich einer (betriebsbedingten) Kündigung als Ausgleich zum Verlust des Arbeitsplatzes sozialverträglich abzumildern. Eine freiwillige Abfertigung kann aber nicht nur für eine Kündigung vereinbart werden, sondern auch anlässlich eines Pensionsantritts und des dadurch bedingten Ausscheidens aus dem Unternehmen.

21 Dass der ursächliche Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses jedenfalls eine zeitnahe Auszahlung der freiwilligen Abfertigung unabdingbar macht, wie die Revision behauptet, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Das Gesetz verlangt einen ursächlichen Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses, aber nicht die sofortige Auszahlung (vgl. auch Kirchmayr/Schaunig in Doraltet al, EStG19 § 67 Rz 71).

22 Wenn die Revision dazu noch vorbringt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () die Begünstigung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 nicht zustehe, wenn Bezüge unabhängig von der Beendigung des Dienstverhältnisses ausbezahlt und der Stichtag der Auszahlung lediglich mit dem Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses vorverlegt werde und nichts anderes gelten dürfe, wenn die Bezüge - aus freien Stücken - in die Zukunft verlegt werde, ist dem entgegenzuhalten, dass es in diesem Judikat um eine Jubiläumszuwendung ging, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Ruhestandsversetzung eines Beamten ausgezahlt wurde, womit der mangelnde ursächliche Bezug zur Auflösung eines Dienstverhältnisses evident war.

23 Im Revisionsfall stand nach der eindeutigen vertraglichen Vereinbarung die Austrittsvergütung mit Ablauf des 63. Lebensjahres zu; für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens verkürzte sich der zustehende Betrag. Aus den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts geht nicht hervor, ob auch der Vertrag des Mitbeteiligten mit der B GmbH mit Ablauf des 63. Lebensjahres endete und damit davon ausgegangen werden kann, dass das Ausscheiden aus dem Unternehmen Grund für die Bezahlung der Vergütung sein sollte. Es ist somit nicht klar, ob die Austrittsvergütung das Ausscheiden aus dem Unternehmen zur Voraussetzung hatte - in dem Fall würde im gegebenen Zusammenhang ein ursächlicher Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses vorliegen - oder ob die Austrittsvergütung unabhängig davon nur an die Erreichung des 63. Lebensjahres gekoppelt war. In diesem Fall würde nämlich auch für das vorzeitige Ausscheiden der ursächliche Zusammenhang mit der Beendigung eines Dienstverhältnisses fehlen, weil das vorzeitige Ausscheiden nur die Höhe der Auszahlung beeinflusst, ein Ausscheiden für die Austrittsvergütung aber gar nicht erforderlich war.

24 Ohne diese Feststellungen lässt sich für den Verwaltungsgerichtshof nicht überprüfen, ob eine freiwillige Abfertigung, die die Voraussetzungen des § 67 Abs. 6 EStG 1988 erfüllt, vorliegt.

25 Die Revision verweist zudem zu Recht darauf, dass der Mitbeteiligte im Rahmen des Vergleichs auch eine Abfindung zum Ende des Dienstverhältnisses am in Höhe von 69.300 € erhalten hat. Gemäß § 67 Abs. 6 Z 3 EStG 1988 kürzen während der Dienstzeit bereits erhaltene Abfertigungen im Sinne des § 67 Abs. 3 oder 6 EStG 1988 das sich nach Z 2 ergebende steuerlich begünstigte Ausmaß. Die Abfindung war am fällig, somit während des aufrechten Dienstverhältnisses; eine allenfalls später erfolgte Auszahlung spielt demgegenüber keine Rolle.

26 Das Bundesfinanzgericht hat sich mit dieser Abfindung nicht beschäftigt und auch nicht festgestellt, ob eine solche Abfindung mit einer Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 3 oder 6 EStG 1988 vergleichbar ist. Läge eine solche vor, müsste der nach § 67 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 begünstigte Teil um die bereits ausbezahlte Abfindung gekürzt werden.

2. Zum Verkehrsabsetzbetrag und Werbungskostenpauschale:

27 Das Bundesfinanzgericht hat - wie im Übrigen auch das revisionswerbende Finanzamt bereits im Bescheid - ein Werbungskostenpauschale und den Verkehrsabsetzbetrag berücksichtigt. Ein Werbungskostenpauschale steht gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 dann nicht zu, wenn die nicht selbständigen Einkünfte den Anspruch auf den Pensionistenabsetzbetrag (§ 33 Abs. 6 und § 57 Abs. 4) begründen. Dies liegt im Revisionsfall vor, weil der Mitbeteiligte Einkünfte aus einer Pension erhält und keine darüber hinaus liegenden, zum laufenden Tarif besteuerten nicht selbständigen Einkünfte bezieht.

28 Der Verkehrsabsetzbetrag steht gemäß § 33 Abs. 5 EStG 1988 nur zu, wenn Einkünfte aus einem bestehenden Dienstverhältnis vorliegen. Dies ist im Revisionsfall nicht gegeben.

29 Das Bundesfinanzgericht hat somit Werbungskostenpauschale und Verkehrsabsetzbetrag zu Unrecht gewährt.

30 Nach alldem hat das Bundesfinanzgericht sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm
EStG 1988 §67 Abs6
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023150033.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-46339