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VwGH 26.06.2024, Ra 2023/15/0025

VwGH 26.06.2024, Ra 2023/15/0025

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BAO §196
BAO §196 Abs4
BAO §297 Abs2
BAO §78 Abs2 litb
RS 1
Der Zerlegungsbescheid hat an den Abgabepflichtigen sowie an "die Körperschaften, denen ein Zerlegungsanteil zugeteilt worden ist oder die [nämlich: im Zeitpunkt der Zerlegung gegenüber dem Finanzamt] auf eine Zuteilung Anspruch erheben" (§ 78 Abs. 2 lit. b BAO), zu ergehen; sie bilden eine Verfahrensgemeinschaft (zu nachträglichen Zerlegungsanträgen vgl. hingegen § 297 Abs. 2 BAO). Daher liegt kein der Rechtslage entsprechender (sondern ein rechtswidriger, aber nicht unwirksamer) Zerlegungsbescheid vor, wenn dieser nicht an alle beteiligten Körperschaften iSd § 78 Abs. 2 lit. b BAO ergangen ist.
Normen
BAO §281 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
RS 2
Nach § 281 Abs. 1 BAO können im Beschwerdeverfahren nur einheitliche Entscheidungen getroffen werden. Sie wirken für und gegen die gleichen Personen wie der angefochtene Bescheid. Wird dieser Grundsatz verletzt, erweist sich die Erledigung als rechtswidrig (vgl. ; ; , 2007/15/0284; , 2007/13/0028).

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2023/15/0023 E

Ra 2023/15/0026 E

Ra 2023/15/0027 E

Ra 2023/15/0028 E

Ra 2023/15/0029 E

Ra 2023/16/0024 E

Ra 2023/16/0026 E

Ra 2023/16/0027 E

Ra 2023/16/0028 E

Ra 2023/16/0029 E

Ra 2023/16/0030 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Gmunden-Vöcklabruck in 4810 Gmunden, Johann Tagwerker-Straße 2, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100853/2021, betreffend u.a. eine Angelegenheit der Einheitsbewertung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde X in X), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird - soweit er die Zerlegung des Einheitswertes betrifft - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Erledigung vom erging ein an die mitbeteiligte Gemeinde und die „Republik Österreich Bundesforste, z.H. Österreichische Bundesforste AG“ adressierter „Bescheid über die Zerlegung des Einheitswertes und Grundsteuermessbetrages auf den “.

2 Darin wird u.a. der zuletzt zum festgestellte Einheitswert auf 23 namentlich genannte Gemeinden unter Anführung des Flächenanteils (in ha) der jeweiligen Gemeinde und des daraus abgeleiteten „EW-Anteils“ (in €) zerlegt. Begründend wird darauf verwiesen, dass sich die wirtschaftliche Einheit über mehrere politische Gemeinden erstrecke und daher eine entsprechende Zerlegung durchzuführen gewesen sei.

3 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Gemeinde Beschwerde, die das Finanzamt mit ihr gegenüber ergangener Beschwerdevorentscheidung abwies, woraufhin die mitbeteiligte Gemeinde einen Vorlageantrag stellte.

4 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht (BFG) die Beschwerde und den Vorlageantrag „als nicht zulässig“ zurück. Begründend führte es aus, nach § 196 Abs. 2 BAO erlasse das Finanzamt über die Zerlegung einen Zerlegungsbescheid. Dieser Zerlegungsbescheid müsse in entsprechend vielfacher Ausfertigung sowohl an den Abgabepflichtigen (§ 77 BAO) als auch an die beteiligten Körperschaften nach § 78 Abs. 2 lit. b BAO ergehen. Parteistellung im Zerlegungsverfahren bezüglich Einheitswerten und Messbeträgen hätten der Abgabepflichtige (§ 77 BAO) und nach § 78 Abs. 2 lit. b BAO die beteiligten Körperschaften. Der Zerlegungsbescheid habe daher an den Abgabepflichtigen und an die genannten Körperschaften zu ergehen, woraus sich ua deren Beschwerdebefugnis ergebe (§ 246 Abs. 1 BAO). Für Zerlegungsbescheide gebe es keine Zustellfiktion; daher seien sie allen Parteien zuzustellen (Hinweis auf Ritz, BAO6 § 196 Rz 7). Auch eine Beschwerdevorentscheidung betreffend die Zerlegung habe - unabhängig von der Frage, welche Gemeinden Beschwerde erhoben hätten - gemäß § 196 Abs. 4 BAO an den Steuerschuldner und alle beteiligten Gemeinden zu ergehen (Hinweis auf ).

5 Im gegenständlichen Fall sei die Beschwerdevorentscheidung lediglich an die mitbeteiligte Partei ergangen, weshalb diese Beschwerdevorentscheidung schon aus diesem Grund unwirksam sei. Zudem hätte ein (einheitlicher) Zerlegungsbescheid an den Abgabepflichtigen (§ 77 BAO) und auch an die beteiligten Körperschaften nach § 78 Abs. 2 lit. b BAO in entsprechend vielfacher Ausfertigung ergehen müssen. Auch das sei nicht erfolgt, sodass auch dieser Bescheid nicht wirksam sei. Nicht zulässig sei eine Beschwerde, wenn der angefochtene Bescheid nicht wirksam sei (Hinweis auf ). Gleiches gelte für den Vorlageantrag. Sowohl die Beschwerde als auch der Vorlageantrag seien zurückzuweisen, weil sie sich gegen unwirksame Bescheide gerichtet hätten.

6 Eine Revision ließ das BFG nicht zu, weil „die im gegenständlichen Fall zu klärenden Rechtsfragen ... durch die zitierte Rechtsprechung geklärt“ seien.

7 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Amtsrevision des Finanzamts, das zur Zulässigkeit ausführt, der angefochtene Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab. Zum Einen habe der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass ein Verstoß gegen das Gebot zur einheitlichen Beschwerdeentscheidung gemäß § 281 Abs. 1 BAO inhaltliche Rechtswidrigkeit, nicht aber die Unwirksamkeit der betreffenden Beschwerdeentscheidung nach sich ziehe (Hinweis auf ; , 2000/13/0028; , 2007/13/0028). Demnach sei die Beschwerdevorentscheidung zwar rechtswidrig, weil sie nicht einheitlich an den Abgabepflichtigen und alle beteiligten Gemeinden ergangen sei; sie sei jedoch wirksam ergangen. Indem das BFG im angefochtenen Beschluss die Unwirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung feststelle und darauf die Zurückweisung des Vorlageantrages stütze, weiche es von der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

8 Zum Anderen sei nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Bescheidadressat, also die Person, an die der Bescheid ergehe, im Spruch des Bescheides namentlich zu nennen. Wenn der Bescheidadressat aber nicht im normativen Text selbst, sondern nur am Kopf des Bescheides bzw. im Adressfeld genannt sei, so schade dies nicht (Hinweis auf ; , Ra 2014/15/0023). Entgegen dieser Rechtsprechung liege dem angefochtenen Beschluss die Ansicht zugrunde, dass beim gegenständlichen Zerlegungsbescheid die Bescheidadressaten ausschließlich dem Bescheidkopf bzw. dem Adressfeld entnommen werden dürften. Den im normativen Text des Spruches des Zerlegungsbescheides angeführten (übrigen) beteiligten Gemeinden habe das BFG keine Bedeutung als Bescheidadressaten zugemessen, obwohl sie im normativen Abspruch darüber, welche Anteile am zerlegten Betrag ihnen zugeteilt würden, namentlich bezeichnet seien. Damit weiche der Beschluss jedoch von der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach die Nennung des bzw. der Bescheidadressaten primär im normativen Text des Spruches zu finden sei, die Nennung im Bescheidkopf bzw. Adressfeld hingegen lediglich eine zulässige Alternative darstelle.

9 Die mitbeteiligte Gemeinde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist zulässig und begründet.

12 Gemäß § 196 Abs. 1 BAO sind Einheitswerte zu zerlegen, soweit die Abgabenvorschriften dies anordnen.

13 Über die Zerlegung erlässt das Finanzamt gemäß § 196 Abs. 2 BAO einen Zerlegungsbescheid, wobei auf die Zerlegung die für die Festsetzung der Abgaben geltenden Vorschriften sinngemäß Anwendung finden. Der Zerlegungsbescheid muss dabei die Höhe des zerlegten Einheitswertes; die Bestimmung darüber, welche Anteile am zerlegten Betrag den beteiligten Körperschaften zugeteilt werden; sowie die Angabe der Zerlegungsgrundlagen enthalten (§ 196 Abs. 3 BAO).

14 § 196 Abs. 4 BAO regelt sodann: „Der Zerlegungsbescheid hat an den Abgabepflichtigen und an die beteiligten Körperschaften (§ 78 Abs. 2 lit. b) zu ergehen“.

15 Demgemäß hat der Zerlegungsbescheid an den Abgabepflichtigen sowie an „die Körperschaften, denen ein Zerlegungsanteil zugeteilt worden ist oder die [nämlich: im Zeitpunkt der Zerlegung gegenüber dem Finanzamt] auf eine Zuteilung Anspruch erheben“ (§ 78 Abs. 2 lit. b BAO), zu ergehen; sie bilden eine Verfahrensgemeinschaft (zu nachträglichen Zerlegungsanträgen vgl. hingegen § 297 Abs. 2 BAO).

16 Daher liegt - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , 2005/13/0024, ausgesprochen hat - kein der Rechtslage entsprechender (sondern ein rechtswidriger, aber - entgegen der Auffassung des BFG im angefochtenen Beschluss - nicht unwirksamer) Zerlegungsbescheid vor, wenn dieser nicht an alle beteiligten Körperschaften iSd § 78 Abs. 2 lit. b BAO ergangen ist.

17 Im Revisionsfall ist der Bescheid nach dem Bescheidkopf an den Abgabepflichtigen (und die mitbeteiligte Gemeinde) sowie nach seinem Spruch an 23 an der Zerlegung beteiligte Körperschaften (darunter die mitbeteiligte Gemeinde) gerichtet gewesen, deren jeweiliger Zerlegungsanteil darin normativ festgesetzt worden ist. Dass dabei eine Körperschaft iSd § 78 Abs. 2 lit. b BAO spruchmäßig nicht erfasst worden wäre, wurde weder festgestellt noch im Revisionsverfahren behauptet.

18 Das BFG hat allein aus dem Umstand, dass der Zerlegungsbescheid des Finanzamts im Bescheidkopf bzw. Adressfeld nur die abgabepflichtige Bundesforste AG und die mitbeteiligte Gemeinde angeführt hat, geschlossen, dass der Bescheid - trotz seiner normativen Ansprache von 23 Gemeinden im Spruch - lediglich an die beiden Genannten des Bescheidkopfs bzw. Adressfelds ergangen ist.

19 Konkrete Feststellungen dazu, insbesondere zur Frage, welche Zustellverfügungen hinsichtlich des Zerlegungsbescheides (auf dessen Urschrift odgl) bezüglich der anderen Gemeinden seitens des Finanzamts getroffen wurden bzw. inwieweit an die anderen Gemeinden gesonderte Ausfertigungen des gegenständlichen Zerlegungsbescheids zugestellt wurden, hat das BFG hingegen nicht getroffen.

20 Dies wäre aber notwendig gewesen, um die Rechtskonformität des Zerlegungsbescheids beurteilen zu können. Entscheidend ist nämlich bei der gegebenen klaren Spruchgestaltung nicht, ob der Zerlegungsbescheid die Gemeinden im Wege von Ausfertigungen mit unterschiedlichen Adressfeldern erreicht hat, sondern lediglich ob jeweils eine Ausfertigung des Bescheids an alle Personen der Verfahrensgemeinschaft ergangen ist (was von der Amtrevision im Übrigen behauptet wird; Seite 6 der Amtsrevision spricht von einer Zustellung des Zerlegungsbescheids „an jede einzelne der beteiligten Gemeinden“).

21 Gleiches gilt für das Beschwerdeverfahren und die Beschwerdevorentscheidung. Nach § 281 Abs. 1 BAO können im Beschwerdeverfahren nur einheitliche Entscheidungen getroffen werden. Sie wirken für und gegen die gleichen Personen wie der angefochtene Bescheid. Wird dieser Grundsatz verletzt, erweist sich die Erledigung als rechtswidrig (vgl. ; ; , 2007/15/0284; , 2007/13/0028).

22 Für eine Zurückweisung der Beschwerde und des Vorlageantrags bleibt nach dem Gesagten im Revisionsfall jedenfalls kein Raum.

23 Der angefochtene Beschluss war daher - soweit er die Zerlegung des Einheitswerts betrifft - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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Normen
BAO §196
BAO §196 Abs4
BAO §281 Abs1
BAO §297 Abs2
BAO §78 Abs2 litb
VwGG §42 Abs2 Z1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023150025.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-46336