VwGH 26.06.2024, Ra 2023/15/0022
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | War das streitgegenständliche Schreiben des Revisionswerbers nicht als Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren zu verstehen, konnte der vom BFG bestätigte behördliche Abspruch über die Abweisung eines solchen Antrages die Rechtssphäre des Revisionswerbers nicht nachteilig berühren (vgl. ). |
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RS 2 | Auf die amtswegige Wiederaufnahme besteht nach ständiger Rechtsprechung des VwGH kein subjektiv öffentliches Recht (vgl. , mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des H W in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger, Dr. Dieter Perz und Dr. Georg Wallner, Rechtsanwälte in 5400 Hallein, Salzgasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/6100379/2022, betreffend Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2017 bis 2019, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber reichte - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - am die Einkommensteuererklärung für 2017 beim Finanzamt ein, das am den Einkommensteuerbescheid für 2017 erließ. Am reichte er sodann die Einkommensteuererklärungen für 2018 und 2019 beim Finanzamt ein, das am die Einkommensteuerbescheide für 2018 und 2019 erließ, wobei es letzteren mit Bescheid vom hinsichtlich der Sonderausgaben berichtigte.
2 Am richtete der Revisionswerber ein Schreiben mit folgendem (auszugsweisem) Wortlaut an das Finanzamt: “... Ich beziehe mich auf unser Telefonat..., wonach ich Ihnen mitgeteilt habe, dass ich unter der Position 724 auch noch die Kosten für die eigene Rechtsvertretung geltend machen möchte. Diese Kosten sind durch keine Rechtsschutzversicherung gedeckt. Soweit die Kosten bis 2017 zurückreichen, teile ich mit, dass ich diese in diesen Jahren nicht geltend gemacht habe, weil ich mit einem Obsiegen gerechnet habe. Erst mit dem Beschluss [OGH ...] stand fest, dass ich diese Kosten selbst zu tragen habe. Ich bitte daher um Berücksichtigung (siehe Beilage) ...“. In der erwähnten Beilage findet sich eine Aufstellung, derzufolge der Revisionswerber 7.779 € im Jahr 2017, 5.000 € im Jahr 2018 sowie 14.294 € im Jahr 2019 an Honorar bzw. gerichtlichen Pauschalgebühren geleistet habe.
3 Mit Bescheid vom deutete das Finanzamt diese Eingabe als „Antrag auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2017 - 2019 nach § 303 BAO vom “ und wies diesen mit näherer Begründung ab.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde und brachte vor, er habe keinen Antrag auf Wiederaufnahme gestellt. Im Gegensatz zu diesem komme es bei einer Wiederaufnahme von Amts wegen auf den Wissensstand der Abgabenbehörde und nicht auf jenen des Steuerpflichtigen an.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BFG die dagegen erhobene Beschwerde ab. Begründend führte es aus, der Inhalt des Schreibens des Revisionswerbers vom habe zweifellos auf die Berücksichtigung von (weiteren) Werbungskosten in den - zu diesem Zeitpunkt rechtskräftig veranlagten - Jahren 2017 bis 2019 abgezielt. Zudem sei aus dessen Formulierung erkennbar, dass dem Revisionswerber der Umstand der rechtskräftigen Veranlagung und die Notwendigkeit einer Rechtskraftdurchbrechung bewusst gewesen seien. Vor diesem Hintergrund sei die Auslegung des Finanzamtes, welches das Schreiben als Anbringen zur Geltendmachung von Rechten (§ 85 Abs. 1 BAO) behandelt habe, nicht zu beanstanden. Im Zweifel sei dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stelle, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nehme (Hinweis auf , mwN). In diesem Sinn habe das Finanzamt dem Schreiben die Qualität eines Anbringens zur Geltendmachung von Rechten beigemessen, das eine Entscheidungspflicht (§ 85a BAO) begründe. Hätte das Finanzamt - wie vom Revisionswerber im Rechtsmittelverfahren gefordert - das Schreiben als bloße Anregung gewertet, wäre mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keine Entscheidungspflicht ausgelöst worden. Daran vermöge auch der wiederholte Hinweis des Revisionswerbers, verschiedene Erlässe würden das Finanzamt „verpflichten“, eine Wiederaufnahme von Amts wegen auch zugunsten des Abgabepflichtigen zu verfügen, nichts zu ändern. Erlässe der Finanzverwaltung begründeten keine subjektiven Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen, sondern stellten lediglich die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen dar. Die Formulierung „Ich bitte daher um Berücksichtigung...“ unter Hinweis auf nachgewiesene Zahlungen des Revisionswerbers könne zudem nur als Antrag auf Sachentscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren verstanden werden.
6 Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO könne ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen unter anderem dann wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Das Finanzamt habe die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren darauf gestützt, dass dem Revisionswerber die Zahlungen der Rechtsvertretungskosten in den Jahren 2017 bis 2019 jeweils vor Ergehen der Einkommensteuerbescheide für diese Jahre bekannt gewesen seien, was dieser auch nicht bestreite. Daher seien diese Zahlungen - entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweise auf ; , Ro 2022/15/0011, mwN) - keine (aus Sicht des Revisionswerbers) neu hervorgekommenen Tatsachen bzw. Beweismittel, weshalb ein Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2017 bis 2019 abzuweisen sei.
7 Die Revision ließ das BFG nicht zu, weil die Auslegung einer Parteierklärung im Einzelfall im Allgemeinen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfe (Hinweis auf ; , Ro 2016/13/0011). Im Übrigen folge das BFG in der rechtlichen Würdigung der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sei nicht zu lösen.
8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der der Revisionswerber zur Zulässigkeit geltend macht, er habe keinen Antrag auf Wiederaufnahme gestellt, sondern „zur rückwirkenden Berücksichtigung von Werbungskosten“ eine Wiederaufnahme von Amts wegen angestrebt. Da auf eine solche kein Rechtsanspruch bestehe, habe er sein Schreiben neutral formuliert. Der durch das BFG bestätigten Praxis des Finanzamts, einer Wiederaufnahme von Amts wegen durch Umdeutung von Anbringen zu entgehen und damit Steuerpflichtige in deren Anspruch auf Steuerentlastungen zu verkürzen, komme allgemeine und damit über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Ohne Korrektur durch den VwGH würde sich diese Vorgangsweise festigen und die Wiederaufnahme von Amts wegen aushebeln. Diese hätte bei richtiger Ermessensübung nach nunmehriger Vorlage der Nachweise von Werbungskosten - auch im Lichte des § 114 BAO - zu deren Berücksichtigung führen müssen.
9 Mit diesem Vorbringen wird eine Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Im Revisionsfall kann dahinstehen, ob das „neutral“ formulierte Schreiben als Anregung einer amtswegigen Wiederaufnahme der Verfahren oder als Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren zu verstehen war.
14 War das streitgegenständliche Schreiben - wie die Revision vertritt - nicht als Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren zu verstehen, konnte der vom BFG bestätigte behördliche Abspruch über die Abweisung eines solchen Antrages die Rechtssphäre des Revisionswerbers nicht nachteilig berühren (vgl. ).
15 Auf die vom Revisionswerber gewünschte amtwegige Wiederaufnahme besteht aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - worauf im angefochtenen Erkenntnis zutreffend hingewiesen wird - kein subjektiv öffentliches Recht (vgl. , mwN).
16 Mangels Möglichkeit einer Verletzung von Rechten des Revisionswerbers durch das angefochtene Erkenntnis war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023150022.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-46334