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VwGH 24.05.2023, Ra 2023/15/0021

VwGH 24.05.2023, Ra 2023/15/0021

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BAO §279
BAO §279 Abs1
RS 1
Die Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichts ist durch die Sache des Beschwerdeverfahrens begrenzt. Über diese Sache hinaus besteht keine Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichts (vgl. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/13/0018 E RS 3 (hier nur der erste Satz)
Normen
BAO §279
BAO §299
RS 2
Wenn auch nach § 299 BAO die Entscheidung über die Aufhebung eines Bescheides der Abgabenbehörde zusteht, ist es im Zuge des Beschwerdeverfahrens über eine meritorische Erledigung Aufgabe des VwG, in der Sache selbst zu entscheiden. Ist das VwG der Ansicht, dass der Antrag auf Aufhebung - entgegen dem bei ihm angefochtenen Bescheid des Finanzamts - berechtigt ist, so ist der Bescheid des Finanzamts abzuändern und auszusprechen, dass der Bescheid, dessen Aufhebung beantragt wurde, aufgehoben wird. Allfällige neue Bescheide wären sodann vom Finanzamt zu erlassen (vgl. idS , mwN). Sollte der auf § 299 BAO gestützte Antrag auf die Aufhebung rechtlich unwirksamer, als Bescheid nicht existent gewordener abgabenbehördlicher Erledigungen gerichtet sein, wäre er als unzulässig zurückzuweisen
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/15/0052 E RS 4 (hier ohne den letzten Satz)
Norm
BAO §299
RS 3
Ein Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO ist ein Bescheid kassatorischer Art. "Sache", daher den Gegenstand des Aufhebungsverfahrens, bilden die Gründe, auf die sich die Unrichtigkeit des Spruchs des aufgehobenen Bescheides stützt (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, Anm. 11 und 13 zu § 299 BAO unter Hinweis auf , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/16/0186 B RS 2 (hier nur der erste Satz)
Normen
BAO §280 Abs1 litd
BAO §280 Abs1 lite
VwRallg
RS 4
Der Spruch eines Erkenntnisses ist im Zweifel im Sinne des angewendeten Gesetzes auszulegen. Bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (vgl. , mwN).
Normen
BAO §279
BAO §299
RS 5
Die Sache des Beschwerdeverfahrens wird bei einem Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO durch den im Antrag geltend gemachten Aufhebungsgrund begrenzt (vgl. , mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Innsbruck in Innsbruck, Innrain 32, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/3100509/2020, betreffend u.a. Einkommensteuer 2013 (mitbeteiligte Partei: G E in I, vertreten durch die Dr. Holzmann Rechtsanwalts GmbH in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 17), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Das Finanzamt erließ gegenüber der mitbeteiligten Partei am einen Einkommensteuerbescheid 2013, mit dem es die Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen entsprechend den Feststellungen aus einer Außenprüfung festsetzte. Am beantragte der Mitbeteiligte mit näherer Begründung dessen ersatzlose Aufhebung gemäß § 299 BAO, weil der Spruch dieses Bescheides nicht richtig sei.

2 Das Finanzamt wies den Aufhebungsantrag mit Bescheid vom ab. Das Vorbringen im Aufhebungsantrag sei nicht geeignet, eine Unrichtigkeit der vom Finanzamt ermittelten Bemessungsgrundlagen darzutun.

3 Das Bundesfinanzgericht gab der dagegen erhobenen Beschwerde mit schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis vom statt, weil das Finanzamt zu hohe Aufwendungen als Betriebsausgaben berücksichtigt habe und sich deshalb der Spruch des Bescheides als rechtswidrig erweisen würde. Mündlich wurde das Erkenntnis wie folgt verkündet:

„Der Beschwerde gegen den Abweisungsantrag [gemeint wohl Abweisungsbescheid] bezüglich der Aufhebung des Einkommensteuerbescheides wird Folge gegeben. Der Abweisungsantrag [gemeint wohl Abweisungsbescheid] des Finanzamtes wird aufgehoben und in weiterer Folge wird der Einkommensteuerbescheid 2013 antragsgemäß aufgehoben.“

4 Im Spruch der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses wird Folgendes angeführt:

„Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der Bescheid vom , mit dem der Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2013 vom gem. § 299 BAO abgewiesen wurde, wird aufgehoben.

Der Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2013 vom wird gemäß § 299 BAO aufgehoben.“

5 Das Finanzamt erließ in weiterer Folge am einen neuen Einkommensteuerbescheid 2013. Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde hob das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis den Einkommensteuerbescheid 2013 ersatzlos auf. Begründend führte es aus, Sachentscheidungen der Verwaltungsgerichte könnten in einer ersatzlosen Aufhebung, in einer Abänderung des angefochtenen Abgabenbescheides oder in einer Abweisung der Beschwerde bestehen. Im Gegensatz zur kassatorischen Erledigung einer Beschwerde durch einen Aufhebungsbeschluss im Sinne des § 278 BAO stelle die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides mit Erkenntnis im Sinne des § 279 Abs. 1 zweiter Satz BAO eine Entscheidung in der Sache selbst dar. „Sache“ sei die Angelegenheit, über die im Spruch des angefochtenen Bescheides abgesprochen worden sei. Der am beim Finanzamt eingebrachte Antrag sei seinem Wortlaut nach unzweifelhaft auf „ersatzlose Aufhebung“ des Einkommensteuerbescheides vom gerichtet gewesen. Ebenso eindeutig sei die Verkündung der Senatsentscheidung in der mündlichen Verhandlung gewesen, dass der Einkommensteuerbescheid 2013 antragsgemäß aufgehoben werde. Da der dem Verfahren zu Grunde liegende Antrag vom auf ersatzlose Aufhebung gerichtet gewesen sei, könne die damalige Entscheidung des Gerichtes nur als Sachentscheidung im Sinne des § 279 Abs. 1 BAO interpretiert werden. Damit im Einklang laute der Spruch der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses dahin, dass der Beschwerde „gemäß § 279 BAO“ Folge gegeben und der Bescheid betreffend Abweisung des Aufhebungsantrages sowie der Einkommensteuerbescheid 2013 gemäß § 299 BAO aufgehoben würden. Dem Einkommensteuerbescheid 2013 vom stehe demnach das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen, weshalb dieser Bescheid ersatzlos aufzuheben gewesen sei.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Finanzamtes, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach das Bundesfinanzgericht den Bescheid des Finanzamts durch das Bundesfinanzgericht abzuändern und auszusprechen habe, dass der Bescheid, dessen Aufhebung beantragt worden sei, aufgehoben werde, wenn es der Ansicht sei, dass der Antrag auf Aufhebung nach § 299 BAO berechtigt sei. Das Bundesfinanzgericht habe im Vorerkenntnis seinen Spruch dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend formuliert und den Einkommensteuererstbescheid 2013 des Finanzamtes aufgehoben. Entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertrete das Bundesfinanzgericht im nunmehr angefochtenen Erkenntnis die unrichtige Rechtsauffassung, dass eine solche Spruchformulierung der Erlassung eines Ersatzbescheides, also des neuen Einkommensteuerbescheides 2013, entgegenstehe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO ein Bescheid rein kassatorischer Art. Das Bundesfinanzgericht sei in einem Beschwerdeverfahren gegen den einen Antrag nach § 299 BAO abweisenden Bescheid nur zur Entscheidung über den Aufhebungsantrag nach § 299 BAO zuständig. Zur Entscheidung über das Ergehen eines neuen Sachbescheides (als neuer Erstbescheid) sei nur das Finanzamt (nicht das Bundesfinanzgericht) zuständig.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:

8 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

9 Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht - außer in den Fällen des § 278 BAO - immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts ist dabei durch die Sache des Verfahrens begrenzt (vgl. ).

10 In dem dem Vorerkenntnis des Bundesfinanzgerichts zugrunde liegenden Fall hatte das Finanzamt den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Aufhebung gemäß § 299 BAO abgewiesen. Wenn auch nach § 299 BAO die Entscheidung über die Aufhebung eines Bescheides der Abgabenbehörde zusteht, ist es im Zuge des Beschwerdeverfahrens über eine solche Abweisung Aufgabe des Verwaltungsgerichts, in der Sache selbst zu entscheiden. Ist das Verwaltungsgericht der Ansicht, dass der Antrag auf Aufhebung - entgegen dem bei ihm angefochtenen Bescheid des Finanzamts - berechtigt ist, so ist der Bescheid des Finanzamts abzuändern und auszusprechen, dass der Bescheid, dessen Aufhebung beantragt wurde, aufgehoben wird. Allfällige neue Bescheide sind sodann vom Finanzamt zu erlassen (vgl. erneut , mwN).

11 „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesfinanzgericht im Vorerkenntnis war, ob die Abweisung des Antrages auf Aufhebung gemäß § 299 BAO rechtmäßig war. Der Einkommensteuerbescheid 2013 selbst war nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens (zu einer ähnlichen Sachverhaltskonstellation vgl. , mwN).

12 Wenn das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis offenbar davon ausgeht, dass „Sache“ des (früheren) Beschwerdeverfahrens auch die Entscheidung über den Sachbescheid gewesen ist und darüber gemäß § 279 Abs. 1 BAO entschieden werden konnte, hat es die Rechtslage verkannt.

13 Das Bundesfinanzgericht hat im Vorerkenntnis der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid gemäß § 279 Abs. 1 BAO Folge gegeben und den Bescheid aufgehoben. Zudem hat es den Einkommensteuerbescheid 2013 gemäß § 299 BAO (und nicht gemäß § 279 Abs. 1 BAO) aufgehoben. Auch wenn das Bundesfinanzgericht richtigerweise den Abweisungsbescheid des Finanzamtes hätte abändern müssen und nicht aufheben dürfen, wurde im Ergebnis mit diesem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung getragen.

14 Wenn das Bundesfinanzgericht davon ausgehen sollte, dass es im Vorerkenntnis die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens überschritten hatte, indem es eine meritorische Sachentscheidung hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2013 getroffen hat, die nun einer weiteren Bescheiderlassung wegen entschiedener Sache entgegensteht, ließe sich diese Auffassung schon mit dem Spruch des Vorerkenntnisses nicht in Einklang bringen. Dieser lautet in Bezug auf den Sachbescheid: „Der Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2013 vom wird gemäß § 299 BAO aufgehoben“. Dabei entspricht dieser Spruch mit einer Präzisierung hinsichtlich der Rechtsgrundlage für die Aufhebung der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses.

15 Ein Aufhebungsbescheid im Sinne des § 299 BAO ist grundsätzlich lediglich ein Bescheid kassatorischer Art (vgl. , mwN). Im Spruch wird zudem nicht ausgesprochen - weder in der mündlichen Verkündung noch in der schriftlichen Ausfertigung -, dass die Aufhebung des Sachbescheides „ersatzlos“ erfolgen sollte. Der Hinweis auf den Antrag des Mitbeteiligten bewirkt noch keine ersatzlose Behebung des Bescheides, sondern kann allenfalls dazu führen, dass der Spruch auslegungsbedürftig ist.

16 Der Spruch eines Erkenntnisses ist im Zweifel im Sinne des angewendeten Gesetzes auszulegen. Bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (vgl. , mwN).

17 Aus der Begründung des Vorerkenntnisses ergibt sich eindeutig, dass das Bundesfinanzgericht davon ausgegangen ist, dass der Einkommensteuerbescheid 2013 rechtswidrig war, weil das Finanzamt zu hohe Betriebsausgaben anerkannt hatte. Dem Vorbringen des Mitbeteiligten zur Rechtswidrigkeit des Einkommensteuerbescheides 2013 wurde seitens des Bundesfinanzgerichts dabei ausdrücklich nicht gefolgt. Auch wenn das Bundesfinanzgericht vor diesem Hintergrund die Aufhebung des Abweisungsbescheides des Finanzamtes und eine Aufhebung gemäß § 299 BAO des Sachbescheides nicht hätte verfügen dürfen, weil es damit die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens überschritten hat (vgl. , mwN; die Sache des Beschwerdeverfahrens wird bei einem Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO durch den im Antrag geltend gemachten Aufhebungsgrund begrenzt), ist dieses Erkenntnis in Rechtskraft erwachsen.

18 Aus welchem Grund das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis davon ausgeht, es habe im Vorerkenntnis - trotz der Annahme, dass die Einkommensteuer zu niedrig bemessen wurde - eine meritorische Entscheidung hinsichtlich des Sachbescheids im Sinne einer ersatzlosen Behebung getroffen, ist nicht nachvollziehbar.

19 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am

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Normen
BAO §279
BAO §279 Abs1
BAO §280 Abs1 litd
BAO §280 Abs1 lite
BAO §299
VwRallg
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023150021.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAF-46333